Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 7 AS 3531/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AS 5931/06 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Beschluss des SG Heilbronn vom 30.10.2006 wird aufgehoben.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Form von Leistungen für Unterkunft und Heizung.
Die im Jahre 1950 geborene, seit August 1998 geschiedene und derzeit allein stehende Antragstellerin bewohnt zusammen mit ihrem Sohn (geb. 1977, Student) eine 76 qm große Zwei-Zimmer-Eigentumswohnung in Heilbronn.
Die Antragstellerin bezieht von ihrem geschiedenen Ehemann Unterhalt in Höhe von monatlich 255,65 EUR. Ihr Sohn zahlt an sie monatlich einen Betrag in Höhe von 130.- EUR als Anteil für die entstehenden Unterhaltskosten.
Der Antragstellerin wurden von der Antragsgegnerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) in Höhe - unter Berücksichtigung der monatlichen Unterhaltszahlung ihres geschiedenen Ehemannes - von monatlich 89,35 EUR gewährt.
Die Antragstellerin stellte am 5. Oktober 2005 - mit Wirkung zum 1. November 2005 - bei dem Antragsgegner einen Antrag auf Fortzahlung der Leistungen nach dem SGB II. Außerdem rügte sie, dass sie immer noch auf eine Bescheidung hinsichtlich der Unterkunfts- und Heizkosten warte.
Mit Schreiben des Antragsgegners vom 17. Februar 2006 wurde die Antragstellerin daraufhin aufgefordert, noch weitere Unterlagen vorzulegen, damit über ihren Antrag entschieden werden könne.
Daraufhin legte die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 10. März 2006 Kontounterlagen über das bei der S.-Bank Baden-Württemberg eG bestehende Girokonto für die Zeit vom 1. August 2005 bis 28. Februar 2006 vor. Hierbei handelte es sich für das Jahr 2005 um die Auszüge mit den Nrn. 24 bis 31 und für das Jahr 2006 um die Auszüge mit den Nrn. 1 bis 6. Die Kontoauszüge waren teilweise geschwärzt. Hierzu führte die Antragstellerin aus, dass in den Auszügen der Gesamtsaldo sowie die Zahlungsein- und ausgänge zu erkennen seien, soweit diese für die Berechnung der Unterkunfts- und Heizkosten erforderlich seien. Weiter führte sie aus, dass in dem Erstantrag Angaben auch zur Aufbereitung des Warmwassers gemacht worden seien. Diese erfolge über einen Durchlauferhitzer und damit mit Strom; ebenso die Heizung. Im Wirtschaftsplan der Eigentümergemeinschaft habe sich zum Jahr 2004 keine Änderung ergeben. Den Wirtschaftsplan 2004 habe sie bereits bei ihrem Erstantrag mit abgeben, so dass sich diese Information auch in der Akte befände. Hinsichtlich des Sparbuches werde darauf hingewiesen, dass sich auf diesem ein Betrag in Höhe von 7,19 EUR befinde, was sich unschwer aus den Unterlagen der Agentur für Arbeit entnehmen lasse. Zinsen hierfür seien in Höhe von 0,69 EUR entstanden und damit, unter Berücksichtigung des für die Antragstellerin geltenden Vermögensfreibetrages, nicht von Relevanz.
Mit Schreiben vom 20. März 2006 wies die Antragsgegnerin darauf hin, dass in den übersandten Kontoauszügen verschiedene Zahlungsvorgänge geschwärzt und unleserlich seien. Die Auszüge dienten nicht nur als Nachweis für die im Zusammenhang mit der Eigentumswohnung anfallenden Kosten. Vielmehr sollten sie auch die Einkommensverhältnisse belegen. Es werde daher um Übersendung einer vollständig leserlichen Kopie gebeten. Außerdem werde eine Kopie des Sparbuches der Antragstellerin mit aktuellem Nachtrag des Kontostandes benötigt. Eine Kopie aus den Akten der Agentur für Arbeit sei von dort nicht übersandt worden.
Die Antragstellerin übersandte dann mit Schriftsatz vom 31. März 2006 einen Auszug vom 2. Januar 2006 über den Kontostand ihres Sparbuchs. Wegen der Aufforderung Kontoauszüge vorzulegen, wies sie darauf hin, dass sie hierfür keine Rechtsgrundlage sehe. Der Antragsgegnerin seien alle Gutschriften und Belastungen - soweit diese mit den Unterkunftskosten zusammenhängen würden - ungeschwärzt übersandt worden. Ferner sei der Saldo des Kontos jederzeit lesbar gewesen. Dabei sei offensichtlich, dass sie keine größeren Ausgaben tätige oder gar über ihre Verhältnisse lebe bzw. sich versteckte Reichtümer angehäuft hätten. Vor allem seien die Einkommensverhältnisse bereits durch die Agentur für Arbeit überprüft worden. Es sei nochmals klarzustellen, dass eine Mitwirkung nicht verweigert, aber der von dem Antragsgegner geforderte Umfang in Frage gestellt werde.
Hiergegen wandte sich die Antragsgegnerin. Die Vorlage von Unterlagen im Original habe auch den Zweck sicherzustellen, dass keine Manipulationen vorgenommen würden. Sowohl für die Feststellung der Unterkunfts- und Heizkosten als auch für die Höhe eventuellen Einkommens und Vermögens sei es notwendig, Unterlagen von Banken und Versicherungen im Original einzusehen, um einen Missbrauch auszuschließen. Dies gelte entsprechend für die Vorlage von ungeschwärzten Kontoauszügen für die letzten sechs Monate. Datenschutzrechtliche Bedenken bestünden nicht, da es sich bei den angeforderten Unterlagen um erhebliche Tatsachen und Beweismittel im Sinne des § 60 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) handle die zur ordnungsgemäßen Erfüllung der Aufgaben der Sozialverwaltung erforderlich seien. Es werde aus zurückliegenden Kontobewegungen z. B. ersichtlich, ob die Antragstellerin Zuwendungen Dritter erhalten oder größere Beträge transferiert habe und welche sonstigen leistungserheblichen Transaktionen bisher vorgenommen worden seien. Wenn die Antragstellerin Leistungen erhalten wolle, müsse sie die angeforderten Nachweise vorlegen, da das informationelle Selbstbestimmungsrecht durch die §§ 60 ff. SGB I durch das Interesse, aus Steuermitteln finanzierte ungerechtfertigte Leistungen zu vermeiden, eingeschränkt werde.
Mit Bescheid vom 20. April 2006 wurde der Antrag der Antragstellerin auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II schließlich wegen fehlender Mitwirkung abgelehnt.
Am 28. September 2006 hat die Antragstellerin beim Sozialgericht Heilbronn (SG) einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt.
Sie trug im Wesentlichen vor, nur die "Soll-Buchungen" seien geschwärzt worden. Somit sei es dem Antragsgegner von Anfang an möglich gewesen, die Kontobewegungen anhand des Gesamtkontostandes nachzuvollziehen. Durch die Haltung des Antragsgegners habe sie seit November 2005 keine Unterstützung mehr für die entstehenden Unterkunfts- und Heizkosten erhalten. Sie habe ihr gesamtes Vermögen aufgebraucht.
Die Antragsgegnerin hielt dem entgegen, es sei unwesentlich, dass nur die "Soll-Buchungen" geschwärzt worden seien. Auch aus diesen könnten sich Hinweise auf das Vorliegen von Vermögen (z. B. Lebensversicherungen, Sparverträge) ergeben. Eine positive oder negative Feststellung könne nur nach Einsichtnahme in die ungeschwärzten Kontoauszüge erfolgen.
Mit Beschluss vom 30.10.2006 verpflichtete das SG die Antragsgegnerin vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Form von Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 102,43 EUR ab dem 28. September 2006 zu zahlen. Die Anordnung war bis 28.2.2007 befristet. In den Gründen wurde im Wesentlichen ausgeführt, nach summarischer Prüfung habe die Antragstellerin einen Anspruch auf Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 102,43 EUR glaubhaft gemacht. Der Anspruch ergebe sich aus §§ 19 Satz 1 Nr. 1, 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Danach seien Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes auch die angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung. Diese würden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen seien.
Die Antragstellerin habe auch keine Mitwirkungspflichten im Sinne der §§ 60 ff. SGB I verletzt. Denn sie habe alle leistungserheblichen Tatsachen in dem dafür vorgesehenen Antragsformular (vgl. § 60 Abs. 2 SGB I) angegeben. So sei im Antragsformular vom 5. Oktober 2005 insbesondere angegeben, dass sich in den Vermögensverhältnissen im Vergleich zu den Angaben im Antrag vom 7. Februar 2005 nichts geändert habe. Dort hätte sie es verneint, über Vermögen, insbesondere auch in Form von Bank- und Sparguthaben zu verfügen, das den Wert von 4.850.- EUR je Person übersteige. Dem Verlangen der Antragsgegnerin, diese Angaben zu belegen, sei sie nach Auffassung des SG mit Übersendung der Kontoauszüge für das Jahr 2005 mit den Nrn. 24 bis 31 und für das Jahr 2006 mit den Nrn. 1 bis 6 hinreichend nachgekommen. So habe sie nach § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB I auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers Beweisurkunden vorzulegen. Die Vorlagepflicht beziehe sich jedoch nur auf solche Beweisurkunden, die leistungs- und entscheidungserhebliche sowie gleichzeitig beweisbedürftige Tatsachen betreffen. Soweit die Antragstellerin teilweise Schwärzungen auf den Kontoauszügen bei den "Soll-Buchungen" vorgenommen habe, so stütze sie sich hierfür zu Recht auf ihr Sozialgeheimnis im Sinne des § 35 SGB I. Danach dürften die sie betreffenden Sozialdaten im Sinne des § 67 Abs. 1 SGB X von den Leistungsträgern nicht unbefugt erhoben werden. Um solche Einzelangaben über persönliche und sachliche Verhältnisse der Antragstellerin (Sozialdaten) gehe es jedoch vorliegend. Sie dürften gemäß § 67 a Abs. 1 SGB X nur erhoben werden, wenn ihre Kenntnis zur Erfüllung der Aufgaben der erhebenden Stelle erforderlich sei. Überdies seien sie vom Grundsatz her gemäß § 67 a Abs. 2 SGB X beim Betroffenen zu erheben. Das aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG abgeleitete Grundrecht der informationellen Selbstbestimmung müsse hierbei beachtet werden. Daher sei eine derartige Datenerhebung nur im überwiegenden allgemeinen Interesse zulässig. Diese Anforderungen seien vorliegend nicht erfüllt. Es stehe ferner nicht im Belieben der Verwaltung, Umfang und Reichweite der Mitwirkungspflichten von Antragstellern ohne konkrete rechtliche Grundlage festzulegen und bei deren Nichterfüllung sogar die Sanktion der Leistungsversagung zu wählen. Zur Verhinderung des Leistungsmissbrauchs habe der Gesetzgeber vielmehr den automatisierten Datenabgleich gemäß § 52 SGB II und besondere Anzeige- und Mitwirkungspflichten gemäß §§ 56 ff. SGB II eingeführt. Diese würden dem Antragsgegner keine Rechtsgrundlage für seine Forderung auf Vorlage von Kontoauszügen bieten, auf denen sämtliche "Soll-Buchungen" lesbar seien. Das Grundrecht der informationellen Selbstbestimmung lasse Einschränkungen nur im überwiegenden allgemeinen Interesse zu, die zudem einer verfassungsgemäßen gesetzlichen Grundlage bedürfen und dem rechtsstaatlichen Gebot der Normenklarheit entsprechen müssten. Dieses grundgesetzlich geschützte Recht stehe insoweit den Mitwirkungspflichten (hier: § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB 1) entgegen. Eine Ausnahme sei zwar nach Auffassung des Gerichts dann zu machen, wenn der Leistungsträger begründete Zweifel vorbringen könne, nach denen es erforderlich sei, gerade auch die geschwärzten Positionen lesen zu können. Soweit die Antragsgegnerin vortrage, auch aus den "Soll-Buchungen" könnten sich Hinweise auf das Vorliegen von Vermögen ergeben, namentlich in Form von Lebensversicherungen und Sparverträgen, so könne die Vorlage von ungeschwärzten Kontoauszügen hierfür zwar nützlich sein; hingegen fehle es an der Erforderlichkeit eines solchen Eingriffs. Denn ob und in welcher Form Vermögen vorhanden sei, könne in gleich geeigneter Weise mittels des Antragsformulars in Erfahrung gebracht werden. Gleich geeignet sei dieser Weg deshalb, weil von einem redlichen Antragsteller auszugehen sei, der vollständige Angaben mache und sich auch der Grenze bewusst sei, die ihm das Strafrecht (z. B. § 263 Strafgesetzbuch) setze. Folglich sei die Art des Vermögensgegenstandes mittels des Antragsformulars zu erfragen. Ob die Antragstellerin vor diesem Hintergrund dann gehalten wäre, überhaupt Kontoauszüge vorzulegen, könne dahingestellt bleiben. Jedenfalls sei sie mit den von ihr vorgelegten Kontoauszügen ihrer Mitwirkungspflicht nach § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB 1 hinreichend nachgekommen. Begründete Zweifel habe der Antragsgegner nicht vorbringen können.
Die Eilbedürftigkeit ergebe sich daraus, dass der Antragstellerin keine ausreichenden finanziellen Mittel zur Verfügung stünden, die Kosten für Unterkunft und Heizung anderweitig aufzubringen. So habe sie von der Antragsgegnerin seit November 2005 keine Unterstützung mehr für die entstehenden Unterkunfts- und Heizkosten erhalten. Zudem lege sie glaubhaft dar, dass sie alle ihr rechtmäßig zur Verfügung stehenden Vermögensquellen aufgebraucht habe und sich daher sogar von ihrem Sohn zum Ausgleich der Hausgeldzahlungen Geld leihen müsse, welches dieser eigentlich für sein Studium benötige und das er in den Semesterferien erarbeitet habe.
Gegen diesen Beschluss hat der Antragsgegner am 29.11.2006 Beschwerde eingelegt, welches das SG nach Entscheidung über die Nichtabhilfe dem LSG Baden-Württemberg vorgelegt hat.
Der Antragsgegner trägt vor, der Leistungsträger habe nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, gemachte Angaben zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen regelmäßig zu überprüfen. Ein Antragsteller müsse nicht nur seine Hilfebedürftigkeit behaupten, sondern müsse sie auch nachweisen. Nur so könne einem missbräuchlichen Leistungsbezug vorgebeugt werden. Die Vorlage von Kontoauszügen sei geeignet, die Hilfebedürftigkeit festzustellen. Dies zu verlangen sei auch erforderlich. Mit geschwärzten Kontoauszügen könnte diese Feststellung nicht getroffen werden.
II.
Die Beschwerde ist zulässig und auch begründet.
Das SG hat die rechtlichen Voraussetzungen für den Erlass der einstweiligen Regelung umfassend und zutreffend dargelegt. Insoweit nimmt der Senat darauf Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).
Im Gegensatz zum SG ist der Senat aber der Überzeugung, dass ein Anordnungsanspruch nicht gegeben ist. Das Verlangen des Antragsgegners nach der Vorlage ungeschwärzter Kontoauszüge ist nicht rechtswidrig. Die Antragstellerin ist verpflichtet, dem Antragsgegner ihre Kontoauszüge ungeschwärzt vorzulegen, sofern sie Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitssuchende für sich beantragt.
Diese Pflicht folgt aus § 60 Abs. 1 Satz 1 Ziffer 3 SGB I i.V.m. § 67a Abs. 1 Satz 1 SGB X. Nach § 60 Abs. 1 Satz 1 Ziffer 3 SGB I hat derjenige, der Sozialleistungen beantragt, auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers Beweisurkunden vorzulegen. Beweisurkunden in diesem Sinne sind auch Kontoauszüge (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 12.07.2006, Az.: L 9 B 48/06 AS ER). Die in den Kontoauszügen enthaltenen Daten geben Aufschluss über die Höhe der Ein- und Ausgänge, das Buchungsdatum, den Empfänger bzw. Absender der Buchung und im Regelfall auch über den Grund des Ein- bzw. Ausgangs der Zahlung. Nach § 67a Abs. 1 Satz 1 SGB X ist das Erheben von Sozialdaten durch die in § 35 SGB I genannten Stellen zulässig, wenn ihre Kenntnisse zur Erfüllung einer Aufgabe der erhebenden Stelle nach dem SGB erforderlich ist. Die Vorlage der Kontoauszüge ist im vorliegenden Fall erforderlich und geeignet, um die Hilfebedürftigkeit der Antragstellerin im Sinne des § 9 SGB II festzustellen zu können, welche die Voraussetzung für die Gewährung von Leistungen zur Grundsicherung für Arbeit ist. Die Vorlage lediglich (teilweise) geschwärzter Kontoauszüge widerspricht dem Zweck der Vorlage, weil dann für den Leistungsträger nicht ersichtlich ist, welche Buchungsposten geschwärzt sind. Die Vorlage von Kontoauszüge, auf denen der Buchungstext geschwärzt ist, würde zur Klärung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse nicht in ausreichendem Maße beitragen, sondern regelmäßig Nachfragen und weitere Erkundigungen veranlassen, ist also zur Zweckerreichung – der Feststellung der Hilfebedürftigkeit – nicht geeignet.
Die Pflicht zur Vorlage ungeschwärzter Kontoauszüge ist auch nicht davon abhängig, ob ein konkreter Verdacht besteht, dass der Betroffene falsche Angaben gemacht habe. Dies ist die angemessene Antwort des Gesetzes auf die Zwänge einer Massenverwaltung, die einerseits die berechtigten Ansprüche der Betroffenen zu erfüllen hat, andererseits aber auch ohne konkreten Verdacht im einzelnen von vorneherein dem Leistungsmissbrauch entgegenwirken muss. Dies gilt erst Recht dann wenn es um die Vergabe von steuerfinanzierten Leistungen geht (siehe auch SG München, Beschluss vom 09.09.2005, Az.: S 50 AS 472/05 ER; SG Dresden, Beschluss vom 01.03.2006, Az.: S 34 AS 274/06 ER).
Der Pflicht zur Vorlage ungeschwärzter Kontoauszüge steht auch nicht der Schutz der Sozialdaten aus §§ 35 SGB I, 67 ff. SGB X entgegen. Hier handelt es sich um leistungserhebliche Beweismittel, die nach § 67a SGB X zur ordnungsgemäßen Erfüllung der Aufgaben der Sozialverwaltung erforderlich sind.
Schließlich verstößt die Pflicht zur Vorlage ungeschwärzter Kontoauszüge auch nicht gegen Verfassungsrecht. Zwar liegt in der Auferlegung dieser Pflicht ein Eingriff in das sich aus Art. 2 GG ergebende Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung vor. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gilt jedoch nicht schrankenlos (BVerfGE 80, 367). Eingriffe in die durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützten Rechte sind vielmehr im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung, das heißt hier aufgrund der Gesamtheit aller formell und materiell verfassungsmäßigen Normen zulässig (ständige Rechtsprechung, siehe nur BVerfGE 90, 171 f.). § 60 Abs. 1 Satz 1 Ziffer 3 SGB I und § 67a Abs. 1 Satz 1 SGB X stellen solche, formell und materiell verfassungsmäßige Normen dar, die damit taugliche Schranken des informationellen Selbstbestimmungsrechts sind. Bei diesen einschränkenden Gesetzen muss aber der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt sein. Dies ist bei den genannten Normen der Fall. Will jemand steuerfinanzierte öffentliche Sozialleistungen ohne eigenes Leistungsäquivalent, muss er Eingriffe in seine informationelles Selbstbestimmungsrecht dulden, ohne dass dies gegen Verfassungsrecht verstößt. Die bloße Pflicht zur Vorlage von Kontoauszügen berührt bei weitem nicht den Kern dieses Rechts.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Diese Entscheidung ist endgültig (§ 177 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Form von Leistungen für Unterkunft und Heizung.
Die im Jahre 1950 geborene, seit August 1998 geschiedene und derzeit allein stehende Antragstellerin bewohnt zusammen mit ihrem Sohn (geb. 1977, Student) eine 76 qm große Zwei-Zimmer-Eigentumswohnung in Heilbronn.
Die Antragstellerin bezieht von ihrem geschiedenen Ehemann Unterhalt in Höhe von monatlich 255,65 EUR. Ihr Sohn zahlt an sie monatlich einen Betrag in Höhe von 130.- EUR als Anteil für die entstehenden Unterhaltskosten.
Der Antragstellerin wurden von der Antragsgegnerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) in Höhe - unter Berücksichtigung der monatlichen Unterhaltszahlung ihres geschiedenen Ehemannes - von monatlich 89,35 EUR gewährt.
Die Antragstellerin stellte am 5. Oktober 2005 - mit Wirkung zum 1. November 2005 - bei dem Antragsgegner einen Antrag auf Fortzahlung der Leistungen nach dem SGB II. Außerdem rügte sie, dass sie immer noch auf eine Bescheidung hinsichtlich der Unterkunfts- und Heizkosten warte.
Mit Schreiben des Antragsgegners vom 17. Februar 2006 wurde die Antragstellerin daraufhin aufgefordert, noch weitere Unterlagen vorzulegen, damit über ihren Antrag entschieden werden könne.
Daraufhin legte die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 10. März 2006 Kontounterlagen über das bei der S.-Bank Baden-Württemberg eG bestehende Girokonto für die Zeit vom 1. August 2005 bis 28. Februar 2006 vor. Hierbei handelte es sich für das Jahr 2005 um die Auszüge mit den Nrn. 24 bis 31 und für das Jahr 2006 um die Auszüge mit den Nrn. 1 bis 6. Die Kontoauszüge waren teilweise geschwärzt. Hierzu führte die Antragstellerin aus, dass in den Auszügen der Gesamtsaldo sowie die Zahlungsein- und ausgänge zu erkennen seien, soweit diese für die Berechnung der Unterkunfts- und Heizkosten erforderlich seien. Weiter führte sie aus, dass in dem Erstantrag Angaben auch zur Aufbereitung des Warmwassers gemacht worden seien. Diese erfolge über einen Durchlauferhitzer und damit mit Strom; ebenso die Heizung. Im Wirtschaftsplan der Eigentümergemeinschaft habe sich zum Jahr 2004 keine Änderung ergeben. Den Wirtschaftsplan 2004 habe sie bereits bei ihrem Erstantrag mit abgeben, so dass sich diese Information auch in der Akte befände. Hinsichtlich des Sparbuches werde darauf hingewiesen, dass sich auf diesem ein Betrag in Höhe von 7,19 EUR befinde, was sich unschwer aus den Unterlagen der Agentur für Arbeit entnehmen lasse. Zinsen hierfür seien in Höhe von 0,69 EUR entstanden und damit, unter Berücksichtigung des für die Antragstellerin geltenden Vermögensfreibetrages, nicht von Relevanz.
Mit Schreiben vom 20. März 2006 wies die Antragsgegnerin darauf hin, dass in den übersandten Kontoauszügen verschiedene Zahlungsvorgänge geschwärzt und unleserlich seien. Die Auszüge dienten nicht nur als Nachweis für die im Zusammenhang mit der Eigentumswohnung anfallenden Kosten. Vielmehr sollten sie auch die Einkommensverhältnisse belegen. Es werde daher um Übersendung einer vollständig leserlichen Kopie gebeten. Außerdem werde eine Kopie des Sparbuches der Antragstellerin mit aktuellem Nachtrag des Kontostandes benötigt. Eine Kopie aus den Akten der Agentur für Arbeit sei von dort nicht übersandt worden.
Die Antragstellerin übersandte dann mit Schriftsatz vom 31. März 2006 einen Auszug vom 2. Januar 2006 über den Kontostand ihres Sparbuchs. Wegen der Aufforderung Kontoauszüge vorzulegen, wies sie darauf hin, dass sie hierfür keine Rechtsgrundlage sehe. Der Antragsgegnerin seien alle Gutschriften und Belastungen - soweit diese mit den Unterkunftskosten zusammenhängen würden - ungeschwärzt übersandt worden. Ferner sei der Saldo des Kontos jederzeit lesbar gewesen. Dabei sei offensichtlich, dass sie keine größeren Ausgaben tätige oder gar über ihre Verhältnisse lebe bzw. sich versteckte Reichtümer angehäuft hätten. Vor allem seien die Einkommensverhältnisse bereits durch die Agentur für Arbeit überprüft worden. Es sei nochmals klarzustellen, dass eine Mitwirkung nicht verweigert, aber der von dem Antragsgegner geforderte Umfang in Frage gestellt werde.
Hiergegen wandte sich die Antragsgegnerin. Die Vorlage von Unterlagen im Original habe auch den Zweck sicherzustellen, dass keine Manipulationen vorgenommen würden. Sowohl für die Feststellung der Unterkunfts- und Heizkosten als auch für die Höhe eventuellen Einkommens und Vermögens sei es notwendig, Unterlagen von Banken und Versicherungen im Original einzusehen, um einen Missbrauch auszuschließen. Dies gelte entsprechend für die Vorlage von ungeschwärzten Kontoauszügen für die letzten sechs Monate. Datenschutzrechtliche Bedenken bestünden nicht, da es sich bei den angeforderten Unterlagen um erhebliche Tatsachen und Beweismittel im Sinne des § 60 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) handle die zur ordnungsgemäßen Erfüllung der Aufgaben der Sozialverwaltung erforderlich seien. Es werde aus zurückliegenden Kontobewegungen z. B. ersichtlich, ob die Antragstellerin Zuwendungen Dritter erhalten oder größere Beträge transferiert habe und welche sonstigen leistungserheblichen Transaktionen bisher vorgenommen worden seien. Wenn die Antragstellerin Leistungen erhalten wolle, müsse sie die angeforderten Nachweise vorlegen, da das informationelle Selbstbestimmungsrecht durch die §§ 60 ff. SGB I durch das Interesse, aus Steuermitteln finanzierte ungerechtfertigte Leistungen zu vermeiden, eingeschränkt werde.
Mit Bescheid vom 20. April 2006 wurde der Antrag der Antragstellerin auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II schließlich wegen fehlender Mitwirkung abgelehnt.
Am 28. September 2006 hat die Antragstellerin beim Sozialgericht Heilbronn (SG) einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt.
Sie trug im Wesentlichen vor, nur die "Soll-Buchungen" seien geschwärzt worden. Somit sei es dem Antragsgegner von Anfang an möglich gewesen, die Kontobewegungen anhand des Gesamtkontostandes nachzuvollziehen. Durch die Haltung des Antragsgegners habe sie seit November 2005 keine Unterstützung mehr für die entstehenden Unterkunfts- und Heizkosten erhalten. Sie habe ihr gesamtes Vermögen aufgebraucht.
Die Antragsgegnerin hielt dem entgegen, es sei unwesentlich, dass nur die "Soll-Buchungen" geschwärzt worden seien. Auch aus diesen könnten sich Hinweise auf das Vorliegen von Vermögen (z. B. Lebensversicherungen, Sparverträge) ergeben. Eine positive oder negative Feststellung könne nur nach Einsichtnahme in die ungeschwärzten Kontoauszüge erfolgen.
Mit Beschluss vom 30.10.2006 verpflichtete das SG die Antragsgegnerin vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Form von Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 102,43 EUR ab dem 28. September 2006 zu zahlen. Die Anordnung war bis 28.2.2007 befristet. In den Gründen wurde im Wesentlichen ausgeführt, nach summarischer Prüfung habe die Antragstellerin einen Anspruch auf Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 102,43 EUR glaubhaft gemacht. Der Anspruch ergebe sich aus §§ 19 Satz 1 Nr. 1, 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Danach seien Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes auch die angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung. Diese würden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen seien.
Die Antragstellerin habe auch keine Mitwirkungspflichten im Sinne der §§ 60 ff. SGB I verletzt. Denn sie habe alle leistungserheblichen Tatsachen in dem dafür vorgesehenen Antragsformular (vgl. § 60 Abs. 2 SGB I) angegeben. So sei im Antragsformular vom 5. Oktober 2005 insbesondere angegeben, dass sich in den Vermögensverhältnissen im Vergleich zu den Angaben im Antrag vom 7. Februar 2005 nichts geändert habe. Dort hätte sie es verneint, über Vermögen, insbesondere auch in Form von Bank- und Sparguthaben zu verfügen, das den Wert von 4.850.- EUR je Person übersteige. Dem Verlangen der Antragsgegnerin, diese Angaben zu belegen, sei sie nach Auffassung des SG mit Übersendung der Kontoauszüge für das Jahr 2005 mit den Nrn. 24 bis 31 und für das Jahr 2006 mit den Nrn. 1 bis 6 hinreichend nachgekommen. So habe sie nach § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB I auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers Beweisurkunden vorzulegen. Die Vorlagepflicht beziehe sich jedoch nur auf solche Beweisurkunden, die leistungs- und entscheidungserhebliche sowie gleichzeitig beweisbedürftige Tatsachen betreffen. Soweit die Antragstellerin teilweise Schwärzungen auf den Kontoauszügen bei den "Soll-Buchungen" vorgenommen habe, so stütze sie sich hierfür zu Recht auf ihr Sozialgeheimnis im Sinne des § 35 SGB I. Danach dürften die sie betreffenden Sozialdaten im Sinne des § 67 Abs. 1 SGB X von den Leistungsträgern nicht unbefugt erhoben werden. Um solche Einzelangaben über persönliche und sachliche Verhältnisse der Antragstellerin (Sozialdaten) gehe es jedoch vorliegend. Sie dürften gemäß § 67 a Abs. 1 SGB X nur erhoben werden, wenn ihre Kenntnis zur Erfüllung der Aufgaben der erhebenden Stelle erforderlich sei. Überdies seien sie vom Grundsatz her gemäß § 67 a Abs. 2 SGB X beim Betroffenen zu erheben. Das aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG abgeleitete Grundrecht der informationellen Selbstbestimmung müsse hierbei beachtet werden. Daher sei eine derartige Datenerhebung nur im überwiegenden allgemeinen Interesse zulässig. Diese Anforderungen seien vorliegend nicht erfüllt. Es stehe ferner nicht im Belieben der Verwaltung, Umfang und Reichweite der Mitwirkungspflichten von Antragstellern ohne konkrete rechtliche Grundlage festzulegen und bei deren Nichterfüllung sogar die Sanktion der Leistungsversagung zu wählen. Zur Verhinderung des Leistungsmissbrauchs habe der Gesetzgeber vielmehr den automatisierten Datenabgleich gemäß § 52 SGB II und besondere Anzeige- und Mitwirkungspflichten gemäß §§ 56 ff. SGB II eingeführt. Diese würden dem Antragsgegner keine Rechtsgrundlage für seine Forderung auf Vorlage von Kontoauszügen bieten, auf denen sämtliche "Soll-Buchungen" lesbar seien. Das Grundrecht der informationellen Selbstbestimmung lasse Einschränkungen nur im überwiegenden allgemeinen Interesse zu, die zudem einer verfassungsgemäßen gesetzlichen Grundlage bedürfen und dem rechtsstaatlichen Gebot der Normenklarheit entsprechen müssten. Dieses grundgesetzlich geschützte Recht stehe insoweit den Mitwirkungspflichten (hier: § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB 1) entgegen. Eine Ausnahme sei zwar nach Auffassung des Gerichts dann zu machen, wenn der Leistungsträger begründete Zweifel vorbringen könne, nach denen es erforderlich sei, gerade auch die geschwärzten Positionen lesen zu können. Soweit die Antragsgegnerin vortrage, auch aus den "Soll-Buchungen" könnten sich Hinweise auf das Vorliegen von Vermögen ergeben, namentlich in Form von Lebensversicherungen und Sparverträgen, so könne die Vorlage von ungeschwärzten Kontoauszügen hierfür zwar nützlich sein; hingegen fehle es an der Erforderlichkeit eines solchen Eingriffs. Denn ob und in welcher Form Vermögen vorhanden sei, könne in gleich geeigneter Weise mittels des Antragsformulars in Erfahrung gebracht werden. Gleich geeignet sei dieser Weg deshalb, weil von einem redlichen Antragsteller auszugehen sei, der vollständige Angaben mache und sich auch der Grenze bewusst sei, die ihm das Strafrecht (z. B. § 263 Strafgesetzbuch) setze. Folglich sei die Art des Vermögensgegenstandes mittels des Antragsformulars zu erfragen. Ob die Antragstellerin vor diesem Hintergrund dann gehalten wäre, überhaupt Kontoauszüge vorzulegen, könne dahingestellt bleiben. Jedenfalls sei sie mit den von ihr vorgelegten Kontoauszügen ihrer Mitwirkungspflicht nach § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB 1 hinreichend nachgekommen. Begründete Zweifel habe der Antragsgegner nicht vorbringen können.
Die Eilbedürftigkeit ergebe sich daraus, dass der Antragstellerin keine ausreichenden finanziellen Mittel zur Verfügung stünden, die Kosten für Unterkunft und Heizung anderweitig aufzubringen. So habe sie von der Antragsgegnerin seit November 2005 keine Unterstützung mehr für die entstehenden Unterkunfts- und Heizkosten erhalten. Zudem lege sie glaubhaft dar, dass sie alle ihr rechtmäßig zur Verfügung stehenden Vermögensquellen aufgebraucht habe und sich daher sogar von ihrem Sohn zum Ausgleich der Hausgeldzahlungen Geld leihen müsse, welches dieser eigentlich für sein Studium benötige und das er in den Semesterferien erarbeitet habe.
Gegen diesen Beschluss hat der Antragsgegner am 29.11.2006 Beschwerde eingelegt, welches das SG nach Entscheidung über die Nichtabhilfe dem LSG Baden-Württemberg vorgelegt hat.
Der Antragsgegner trägt vor, der Leistungsträger habe nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, gemachte Angaben zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen regelmäßig zu überprüfen. Ein Antragsteller müsse nicht nur seine Hilfebedürftigkeit behaupten, sondern müsse sie auch nachweisen. Nur so könne einem missbräuchlichen Leistungsbezug vorgebeugt werden. Die Vorlage von Kontoauszügen sei geeignet, die Hilfebedürftigkeit festzustellen. Dies zu verlangen sei auch erforderlich. Mit geschwärzten Kontoauszügen könnte diese Feststellung nicht getroffen werden.
II.
Die Beschwerde ist zulässig und auch begründet.
Das SG hat die rechtlichen Voraussetzungen für den Erlass der einstweiligen Regelung umfassend und zutreffend dargelegt. Insoweit nimmt der Senat darauf Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).
Im Gegensatz zum SG ist der Senat aber der Überzeugung, dass ein Anordnungsanspruch nicht gegeben ist. Das Verlangen des Antragsgegners nach der Vorlage ungeschwärzter Kontoauszüge ist nicht rechtswidrig. Die Antragstellerin ist verpflichtet, dem Antragsgegner ihre Kontoauszüge ungeschwärzt vorzulegen, sofern sie Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitssuchende für sich beantragt.
Diese Pflicht folgt aus § 60 Abs. 1 Satz 1 Ziffer 3 SGB I i.V.m. § 67a Abs. 1 Satz 1 SGB X. Nach § 60 Abs. 1 Satz 1 Ziffer 3 SGB I hat derjenige, der Sozialleistungen beantragt, auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers Beweisurkunden vorzulegen. Beweisurkunden in diesem Sinne sind auch Kontoauszüge (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 12.07.2006, Az.: L 9 B 48/06 AS ER). Die in den Kontoauszügen enthaltenen Daten geben Aufschluss über die Höhe der Ein- und Ausgänge, das Buchungsdatum, den Empfänger bzw. Absender der Buchung und im Regelfall auch über den Grund des Ein- bzw. Ausgangs der Zahlung. Nach § 67a Abs. 1 Satz 1 SGB X ist das Erheben von Sozialdaten durch die in § 35 SGB I genannten Stellen zulässig, wenn ihre Kenntnisse zur Erfüllung einer Aufgabe der erhebenden Stelle nach dem SGB erforderlich ist. Die Vorlage der Kontoauszüge ist im vorliegenden Fall erforderlich und geeignet, um die Hilfebedürftigkeit der Antragstellerin im Sinne des § 9 SGB II festzustellen zu können, welche die Voraussetzung für die Gewährung von Leistungen zur Grundsicherung für Arbeit ist. Die Vorlage lediglich (teilweise) geschwärzter Kontoauszüge widerspricht dem Zweck der Vorlage, weil dann für den Leistungsträger nicht ersichtlich ist, welche Buchungsposten geschwärzt sind. Die Vorlage von Kontoauszüge, auf denen der Buchungstext geschwärzt ist, würde zur Klärung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse nicht in ausreichendem Maße beitragen, sondern regelmäßig Nachfragen und weitere Erkundigungen veranlassen, ist also zur Zweckerreichung – der Feststellung der Hilfebedürftigkeit – nicht geeignet.
Die Pflicht zur Vorlage ungeschwärzter Kontoauszüge ist auch nicht davon abhängig, ob ein konkreter Verdacht besteht, dass der Betroffene falsche Angaben gemacht habe. Dies ist die angemessene Antwort des Gesetzes auf die Zwänge einer Massenverwaltung, die einerseits die berechtigten Ansprüche der Betroffenen zu erfüllen hat, andererseits aber auch ohne konkreten Verdacht im einzelnen von vorneherein dem Leistungsmissbrauch entgegenwirken muss. Dies gilt erst Recht dann wenn es um die Vergabe von steuerfinanzierten Leistungen geht (siehe auch SG München, Beschluss vom 09.09.2005, Az.: S 50 AS 472/05 ER; SG Dresden, Beschluss vom 01.03.2006, Az.: S 34 AS 274/06 ER).
Der Pflicht zur Vorlage ungeschwärzter Kontoauszüge steht auch nicht der Schutz der Sozialdaten aus §§ 35 SGB I, 67 ff. SGB X entgegen. Hier handelt es sich um leistungserhebliche Beweismittel, die nach § 67a SGB X zur ordnungsgemäßen Erfüllung der Aufgaben der Sozialverwaltung erforderlich sind.
Schließlich verstößt die Pflicht zur Vorlage ungeschwärzter Kontoauszüge auch nicht gegen Verfassungsrecht. Zwar liegt in der Auferlegung dieser Pflicht ein Eingriff in das sich aus Art. 2 GG ergebende Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung vor. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gilt jedoch nicht schrankenlos (BVerfGE 80, 367). Eingriffe in die durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützten Rechte sind vielmehr im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung, das heißt hier aufgrund der Gesamtheit aller formell und materiell verfassungsmäßigen Normen zulässig (ständige Rechtsprechung, siehe nur BVerfGE 90, 171 f.). § 60 Abs. 1 Satz 1 Ziffer 3 SGB I und § 67a Abs. 1 Satz 1 SGB X stellen solche, formell und materiell verfassungsmäßige Normen dar, die damit taugliche Schranken des informationellen Selbstbestimmungsrechts sind. Bei diesen einschränkenden Gesetzen muss aber der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt sein. Dies ist bei den genannten Normen der Fall. Will jemand steuerfinanzierte öffentliche Sozialleistungen ohne eigenes Leistungsäquivalent, muss er Eingriffe in seine informationelles Selbstbestimmungsrecht dulden, ohne dass dies gegen Verfassungsrecht verstößt. Die bloße Pflicht zur Vorlage von Kontoauszügen berührt bei weitem nicht den Kern dieses Rechts.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Diese Entscheidung ist endgültig (§ 177 SGG).
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