Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
24
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 10 KR 335/04
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 24 KR 157/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 14. März 2006 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt von der Beklagten Kostenerstattung in Höhe von 424,26 Euro für die selbstbeschafften Medikamente Uromethin und Methionin (Wirkstoff jeweils Methionin) sowie die weitere Versorgung mit diesen Arzneimitteln als Sachleistung.
Der 1973 geborene Kläger, der bei der Beklagten versichert ist, ist querschnittsgelähmt. Er leidet an einer neurogenen Blasenentleerungsstörung, so dass er sich viermal täglich katheterisieren muss.
Die Fachärztin für Allgemeinmedizin J verordnete dem Kläger am 21. Januar 2004 auf Privatrezept Uromethin, das sich der Kläger am 22. Januar 2004 in einer Apotheke für 27,55 Euro beschaffte.
Am 28. Januar 2004 beantragte der Kläger telefonisch Kostenerstattung, was die Beklagte am selben Tag ebenfalls telefonisch ablehnte. Sie wies darauf hin, dass wegen einer Verordnung dieses Medikaments auf Kassenrezept eine Überweisung zum Urologen notwendig sei.
Am 08. Juni 2004 beantragte der Kläger über den Facharzt für Urologie Dr. P unter Vorlage dessen Kurzbriefes vom 18. Mai 2004 Kostenübernahme für das Medikament Uromethin.
Mit Bescheid vom 10. Juni 2004 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Das Medikament Uromethin enthalte den Wirkstoff Methionin, der nicht verschreibungspflichtig und deshalb ab 01. Januar 2004 nicht mehr zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnungsfähig sei. Eine Ausnahme im Sinne der Arzneimittelrichtlinien liege nicht vor.
Mit dem dagegen eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, ein Facharzt habe die medizinische Notwendigkeit des Medikaments belegt.
Der Kläger beschaffte sich auf Privatrezept aufgrund Verordnung des Facharztes für Urologie Dr. P vom 10. Juni 2004 am 10. Juni 2004 für 27,55 Euro, Verordnung der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie S vom 22. Juli 2004 am 24. Juli 2004 für 19,85 Euro und Verordnung der Fachärztin für Allgemeinmedizin J vom 30. August 2004 am 01. September 2004 für 19,85 Euro das jeweils verordnete Arzneimittel Uromethin in einer Apotheke.
Mit Widerspruchsbescheid vom 16. September 2004 wies die Beklagte den Widerspruch zurück: Nach Titel F, Nr. 16.4.12 der Arzneimittelrichtlinien seien Citrate, zu denen das beantragte Arzneimittel gehöre, nur ausnahmsweise zur Behandlung von Harnkonkrementen verordnungsfähig. Zum vorbeugenden Einsatz im Rahmen einer Infektionsprophylaxe könne es nicht verordnet werden.
Dagegen hat der Kläger am 18. Oktober 2004 beim Sozialgericht Cottbus Klage erhoben und begehrt, die Kosten für das Medikament Uromethin zu erstatten.
Er hat darauf hingewiesen, dass wegen der Notwendigkeit der täglichen Selbstkatheterisierung die Möglichkeit einer Infektion auf der Hand liege. Eine entsprechende Infektion und die Aussicht, dass diese wiederholt auftreten könne, stelle eine die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigende Gesundheitsstörung dar, so dass eine schwerwiegende Krankheit im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) vorliege. Die Verordnung des begehrten Arzneimittels zur Verhinderung einer entsprechenden Entzündung entspreche dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnis. Den Arzneimittelrichtlinien komme im Übrigen kein Normcharakter zu.
Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 10. Juni 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. September 2004 zu verurteilen, dem Kläger die Kosten für das Medikament Uromethin für den Zeitraum von Juli 2004 bis Februar 2006 zu erstatten.
Die Beklagte ist der Ansicht gewesen, dass eine Erstattung schon deswegen ausscheide, weil der behandelnde Arzt das Medikament auf einem Privatrezept verordnet habe.
Das Sozialgericht hat die Befundberichte des Facharztes für Urologie Dr. P vom 13. März 2005 und der Fachärztin für Allgemeinmedizin J vom 14. April 2005 eingeholt.
Der Kläger hat darauf hingewiesen, dass nach dem Befundbericht der Fachärztin für Allgemeinmedizin J das Medikament auch zur Vermeidung einer Steinbildung im Harn notwendig sei. In den geänderten Arzneimittelrichtlinien werde der Arzneimittelwirkstoff Methionin nunmehr genannt. Die behandelnden Ärzte verweigerten wegen eines befürchteten Arztregresses die Verordnung auf Kassenrezept.
Die Beklagte hat den Befundberichten keine Hinweise auf Harnkonkremente entnehmen können. Auch nach Änderung der Arzneimittelrichtlinien sei das Arzneimittel im Falle des Klägers nicht verordnungsfähig.
Während des Klageverfahrens hat sich der Kläger auf Privatrezept aufgrund Verordnung der Fachärztin für Allgemein J vom 12. November 2004 über Uromethin am 12. November 2004 für 19,85 Euro, Verordnung der Fachärztin für Allgemeinmedizin J vom 20. Dezember 2004 über Uromethin am 21. Dezember 2004 für 19,85 Euro, Verordnung der Fachärztin für Allgemeinmedizin J vom 20. Januar 2005 über Uromethin am 26. Januar 2005 für 19,85 Euro, Verordnung der Fachärztin für Allgemeinmedizin J vom 14. März 2005 über Uromethin am 19. März 2005 für 19,85 Euro, Verordnung der Fachärztin für Allgemeinmedizin J vom 31. Mai 2005 über Uromethin am 06. Juni 2005 für 19,85 Euro, Verordnung der Fachärztin für Allgemeinmedizin J vom 09. August 2005 über Methionin am 12. August 2005 für 17,53 Euro, Verordnung der Fachärztin für Allgemeinmedizin J vom 15. September 2005 über Methionin am 21. September 2005 für 17,53 Euro, Verordnung der Fachärztin für Allgemeinmedizin J vom 28. Oktober 2005 über Uromethin am 28. Oktober 2005 für 19,85 Euro, Verordnung der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Svom 29. November 2005 über Methionin am 03. Dezember 2005 für 17,53 Euro und Verordnung der Fachärztin für Allgemeinmedizin J vom 07. Februar 2006 über Methionin am 13. Februar 2006 für 17,53 Euro die entsprechenden Arzneimittel in einer Apotheke beschafft.
Mit Urteil vom 14. März 2006 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es hat sich wegen der Begründung auf den Widerspruchsbescheid bezogen und im Übrigen ausgeführt: Nach Ziffer 16.4.43 der geänderten Arzneimittelrichtlinien sei zwar bestimmt, dass Methionin zur Vermeidung der Steinneubildung bei Phosphatsteinen bei neurogener Blasenlähmung verordnungsfähig sei, wenn Ernährungsempfehlungen und Blasenentleerungstraining erfolglos geblieben seien. Dies rechtfertige jedoch keine andere Beurteilung, da sich aus den beigezogenen Befundberichten nicht ergebe, dass beim Kläger die Verordnung zur Vermeidung einer Steinneubildung erfolge; die Verordnung sei vielmehr zur Prophylaxe im Sinne einer Infektionsvermeidung vorgenommen worden.
Gegen das seinen Prozessbevollmächtigten am 03. April 2006 zugestellte Urteil richtet sich die am 02. Mai 2006 eingelegte Berufung des Klägers.
Er verweist darauf, dass es aufgrund der Ausführungen der Ärztin J offensichtlich sei, dass das begehrte Medikament auch zur Vermeidung der Steinbildung verordnet worden sei. Eine Selbstkatheterisierung ohne eine solche Begleitbehandlung führe zwingend zur Bildung von Harnkonkrementen. Unklarheiten darüber, was unter Steinneubildung zu verstehen sei, könnten nicht zu Lasten des Klägers gehen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 14. März 2006 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 10. Juni 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. September 2004 zu verurteilen, an den Kläger 424,26 Euro zu zahlen und ihm ein Medikament mit dem Wirkstoff Methionin als Sachleistung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Der Senat hat die Auskünfte des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte vom 26. Juli 2006 und des Gemeinsamen Bundesausschusses vom 05. September 2006 und 15. November 2006 sowie die Berichte des Facharztes für Urologie Dr. P vom 22. Juli 2006, der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie S vom 29. August 2006 und der Fachärztin für Allgemeinmedizin J vom 18. September 2006 und 11. November 2006 eingeholt.
Während des Berufungsverfahrens hat sich der Kläger auf Privatrezept aufgrund Verordnung der Fachärztin für Allgemeinmedizin J vom 16. März 2006 über Methionin am 21. März 2006 für 17,53 Euro, Verordnung der Fachärztin für Allgemeinmedizin J vom 24. April 2006 über Methionin am 24. April 2006 für 17,53 Euro, Verordnung der Fachärztin für Allgemeinmedizin J vom 15. Mai 2006 über Methionin am 19. Mai 2006 für 17,53 Euro, Verordnung der Fachärztin für Allgemeinmedizin J vom 21. Juni 2006 über Methionin am 27. Juni 2006 für 17,53 Euro, Verordnung der Fachärztin für Allgemeinmedizin J vom 31. Juli 2006 über Methionin am 03. August 2006 für 17,53 Euro, Verordnung der Fachärztin für Allgemeinmedizin J vom 04. September 2006 über Methionin am 07.September 2006 für 17,53 Euro, Verordnung der Fachärztin für Allgemeinmedizin J vom 05. Oktober 2006 über Methionin am 05. Oktober 2006 für 17,53 Euro und Verordnung der Fachärztin für Allgemeinmedizin J vom 06. November 2006 über Methionin am 06. November 2006 für 17,53 Euro die entsprechenden Arzneimittel in einer Apotheke beschafft.
Der Kläger hat die entsprechenden Rezepte bzw. ärztlichen Bestätigungen und Rechnungsquittungen vorgelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten (), der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig. Sie bedarf insbesondere nicht der Zulassung im Urteil des Sozialgerichts.
Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 500 Euro nicht übersteigt. Dies gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.
Unabhängig davon, wie das erstinstanzlich erhobene Begehren zu verstehen und der in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht gestellte Antrag auszulegen ist, ist die Berufung statthaft. Wird allein auf den erhobenen Anspruch auf Kostenerstattung als Zahlungsanspruch abgehoben, hat der Wert des Beschwerdegegenstandes zum Zeitpunkt der Entscheidung des Sozialgerichts zwar lediglich nach der dem Schriftsatz des Klägers vom 09. März 2006 beigefügten Kostenaufstellung 246,45 Euro betragen. Die Klage hat jedoch wiederkehrende Leistungen für mehr als ein Jahr betroffen, denn die begehrten Arzneimittel sind nach dieser Kostenaufstellung im Zeitraum von Juli 2004 bis Februar 2006 gemäß ihrer indikationsbezogenen Zielrichtung im Rahmen der mehrmaligen Katheterisierung täglich wiederholt eingesetzt worden.
Die Berufung ist jedoch unbegründet.
Das Sozialgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 10. Juni 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. September 2004 ist rechtmäßig. Der Kläger hat weder Anspruch auf Kostenerstattung, also auf Zahlung von 424,26 Euro, noch auf Versorgung mit einem Arzneimittel des Wirkstoffes Methionin. Die Arzneimittel Uromethin und Methionin gehören nicht zu den Leistungen der Krankenversicherung.
Die Klage ist zulässig.
Dem steht - nunmehr - nicht entgegen, dass die Klage aufgrund des erstinstanzlich gestellten Klageantrages bezüglich des erhobenen Anspruches auf Kostenerstattung unzulässig gewesen ist. Dieser Mangel ist mit der Berufung dadurch geheilt worden, dass ein bezifferter Zahlungsantrag gestellt worden ist.
Ein Kostenerstattungsanspruch hat stets die Zahlung eines bestimmten Geldbetrages zum Inhalt. Es muss daher grundsätzlich ein bezifferter Zahlungsantrag gestellt und in der Klageschrift dargelegt werden, wie sich dieser Betrag im Einzelnen zusammensetzt. Nur ein so bezifferter Antrag und eine derartige Substantiierung des Sachvortrages bieten eine hinreichende Grundlage für die notwendigen gerichtlichen Tatsachenfeststellungen (§ 103 SGG) und für eine abschließende, einen weiteren Streit vermeidende Erledigung des Rechtsstreits. Fehlt es daran, ist eine solche Klage grundsätzlich unzulässig (vgl. Urteile des Bundessozialgerichts - BSG - vom 28. Januar 1999 - B 3 KR 4/98 R, abgedruckt in SozR 3-2500 § 37 Nr. 1, vom 13. Mai 2004 - B 3 KR 18/03 R, abgedruckt in SozR 4-2500 § 39 Nr. 2 und vom 26. Januar 2006 - B 3 KR 4/05 R). Es handelt sich hierbei um einen allgemeinen Verfahrensgrundsatz, der gewährleistet, dass zum einen der Streitgegenstand seitens des Klägers hinreichend bestimmt ist und dass zum anderen das Gericht nicht über ein Begehren des Klägers hinausgehend oder hinter einem solchen Begehren zurückbleibend entscheidet.
Die Klage ist auch im Übrigen zulässig. Insbesondere fehlt es nicht am vorangegangenen Verwaltungsverfahren bezüglich des geltend gemachten Anspruches auf Kostenerstattung.
Gerichtliche Auseinandersetzungen zwischen einem Versicherten und seiner Krankenkasse über einen Leistungsanspruch sind grundsätzlich nur in zwei Konstellationen denkbar. Entweder klagt der Versicherte auf Gewährung einer noch ausstehenden Leistung als Sachleistung oder er beschafft sich die Leistung privat auf eigene Rechnung und verlangt von der Krankenkasse die Erstattung der Kosten (BSG, Urteil vom 09. Oktober 2001 - B 1 KR 6/01 R, abgedruckt SozR 3-2500 § 13 Nr. 25). Ausnahmsweise kann eine Kostenerstattung bei noch nicht durchgeführter Behandlung auch dann in Betracht kommen, wenn die begehrte Leistung nicht vom EBM erfasst wird (BSG, Urteil vom 03. April 2001 - B 1 KR 40/00 R, abgedruckt in SozR 3-2500 § 27 a Nr. 3).
Der am 08. Juni 2004 über den Facharzt für Urologie Dr. P gestellte Antrag auf "Kostenübernahme" für das Medikament Uromethin ist in der Weise auszulegen, dass die kostenfreie Gewährung einer Sachleistung begehrt wurde. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 10. Juni 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. September 2004 ab. Bei einem solchen Sachverhalt umfasst die ursprüngliche Ablehnung der Sachleistung zugleich auch die Ablehnung der Einstandspflicht für die Kosten (BSG, Urteil vom 15. April 1997 - 1 RK 4/96, abgedruckt in SozR 3-2500 § 13 Nr. 14).
Die demnach insgesamt zulässige Klage ist jedoch unbegründet.
Streitgegenstand des gerichtlichen Verfahrens ist - entgegen der Ansicht des Sozialgerichts -nicht lediglich ein Anspruch auf Kostenerstattung. Das klägerische Begehren ist vielmehr auch weiterhin auf die Gewährung eines Arzneimittels mit dem Wirkstoff Methionin als Sachleistung gerichtet bzw. gerichtet gewesen. Mit der Klageschrift hat der Kläger an diesem Begehren festgehalten. Soweit damit "Kostenerstattung" beantragt worden ist, hat sich dies nicht allein auf die bereits angefallenen Kosten bezogen. Dies ergibt sich aus der Klagebegründung, die (auch) auf eine zukünftige Versorgung abstellt. Aus dem weiteren Fortgang des Klageverfahrens ist kein Grund dafür ersichtlich, dass der Kläger seinen Sachleistungsanspruch aufgegeben hätte. Der in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht gestellte Klageantrag bezeichnet somit nicht vollumfänglich das eigentliche Klagebegehren. Es ist daher geboten (gewesen), abweichend von diesem Antrag das wirkliche Begehren des Klägers der gerichtlichen Entscheidung zugrunde zu legen. Nach § 123 SGG entscheidet das Gericht über die vom Kläger erhobenen Ansprüche, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger ausdrücklich sein Problem dahingehend dargestellt, dass sich die ihn behandelnden Ärzte weigern, das strittige Medikament auf Kassenrezept zu verordnen.
Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB V erhalten die Versicherten die Leistungen der Krankenversicherung als Sach- und Dienstleistungen, soweit dieses oder das Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) nichts Abweichendes vorsehen. Die Krankenkasse darf anstelle der Sach- oder Dienstleistung (§ 2 Abs. 2 SGB V) Kosten nur erstatten, soweit es dieses Buch oder das SGB IX vorsieht (§ 13 Abs. 1 SGB V).
Die hier allein in Betracht kommende Vorschrift des § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V bestimmt: Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war.
Der Kostenerstattungsanspruch reicht hierbei nicht weiter als der entsprechende Sachleistungsanspruch. Er setzt daher voraus, dass die selbstbeschaffte Leistung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (BSG, Urteile vom 19. Oktober 2004 - B 1 KR 27/02 R und vom 18. Mai 2004 - B 1 KR 21/02 R; BSGE 79, 125, 126 = SozR 3-2500 § 13 Nr. 11 m.w.N.).
Die dem Kläger am 22. Januar 2004 (Verordnung der Fachärztin für Allgemeinmedizin Jvom 21. Januar 2004) und am 10. Juni 2004 (Verordnung des Facharztes für Urologie Dr. Pvom 10. Juni 2004) entstandenen Kosten in Höhe von jeweils 27,55 Euro können unabhängig davon, ob ein entsprechender Sachleistungsanspruch besteht, schon nicht erstattet werden.
Die Entscheidung der Beklagten über eine Erstattung der am 22. Januar 2004 entstandenen Kosten ist bestandskräftig. Einen entsprechenden Kostenerstattungsanspruch lehnte die Beklagte am 28. Januar 2004 telefonisch ab. Nach § 33 Abs. 2 Sätze 1 und 2 SGB X kann ein Verwaltungsakt unter anderem mündlich oder in anderer Weise erlassen werden. Ein mündlicher Verwaltungsakt ist schriftlich oder elektronisch zu bestätigen, wenn hieran ein berechtigtes Interesse besteht und der Betroffene dies unverzüglich verlangt. Ein entsprechendes Verlangen wurde vom Kläger nicht zum Ausdruck gebracht. Gegen den am 28. Januar 2004 erlassenen Verwaltungsakt wurde vom Kläger auch kein Widerspruch eingelegt. Der am 08. Juni 2004 gestellte Antrag auf (weitere) Kostenübernahme war ersichtlich zukunftsbezogen und nicht auf die Überprüfung der Entscheidung vom 28. Januar 2004 gerichtet. Der Anspruch auf Kostenerstattung hinsichtlich der am 22. Januar 2004 entstandenen Kosten wurde vom Kläger auch nicht innerhalb der Jahresfrist des § 66 Abs. 2 SGG geltend gemacht. Vielmehr hat der Kläger einen solchen Anspruch erstmals unter Vorlage des entsprechenden Privatrezepts und der Rechnungsquittung mit Schriftsatz vom 26. September 2006 geltend gemacht. Zu diesem Zeitpunkt ist der am 28. Januar 2004 ergangene Verwaltungsakt jedoch wegen der zwischenzeitlich abgelaufenen Frist zur Einlegung des Widerspruches von einem Monat (§ 84 Abs. 1 Satz 1 SGG) bzw. von einem Jahr, wenn eine Rechtsmittelbelehrung unterblieben ist (§ 66 Abs. 2 SGG), bereits bestandskräftig gewesen. Bestandskraft bewirkt, dass der Verwaltungsakt für die Beteiligten in der Sache bindend ist (§ 77 SGG), so dass dem Gericht eine inhaltliche Entscheidung zu einem solchen Verwaltungsakt verwehrt ist.
Die dem Kläger am 10. Juni 2004 (Verordnung des Facharztes für Urologie Dr. P vom 10. Juni 2004) entstandenen Kosten können deswegen nicht erstattet werden, weil diese Kosten nicht ursächlich kausal darauf zurückzuführen sind, dass eine unaufschiebbar Leistung nicht rechtzeitig erbracht werden konnte oder die Beklagte eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat. Der Kläger beantragte zwar am 08. Juni 2004 Kostenübernahme für das Arzneimittel Uromethin. Er wartete jedoch die Entscheidung der Beklagten (Bescheid vom 10. Juni 2004) vor der Beschaffung nicht ab, so dass die dadurch entstandenen Kosten nicht ursächlich auf eine Ablehnung der Beklagten zurückzuführen sind. Die Versorgung mit dem Medikament Uromethin ist auch nicht unaufschiebbar gewesen. Unaufschiebbarkeit ist gegeben, wenn die Leistung ausschließlich aus medizinischen Gründen sofort, ohne die Möglichkeit eines nennenswerten zeitlichen Aufschubes erbracht werden muss (BSGE 73, 271, 287; BSG SozR 3-2500 § 13 Nr. 22). Es ist nicht ersichtlich, dass die Versorgung mit diesem Arzneimittel - auch angesichts der Vorgeschichte - so dringlich gewesen sein könnte, dass dem Kläger das Abwarten auf die Entscheidung der Beklagten unzumutbar war.
Hinsichtlich der weiteren Kosten (369,16 Euro) kommt ein Anspruch auf Erstattung nicht in Betracht, denn insoweit bestand und besteht kein Anspruch auf eine Sachleistung. Die Arzneimittel Uromethin und Methionin mit dem Wirkstoff Methionin gehören nicht zum Leistungsumfang der Krankenversicherung.
Nach § 11 Abs. 1 Nr. 4 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Leistungen zur Behandlung einer Krankheit (§§ 27 bis 52 SGB V). Versicherte haben Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst u. a. die Versorgung mit Arzneimitteln (§ 27 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 3 SGB V).
Nach § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln, soweit die Arzneimittel nicht nach § 34 SGB V oder durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V ausgeschlossen sind.
§ 34 Abs. 1 Sätze 1 bis 4 SGB V bestimmen: Nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel sind von der Versorgung nach § 31 SGB V ausgeschlossen. Der Gemeinsame Bundesausschuss legt in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V erstmals bis zum 31. März 2004 fest, welche nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel, die bei der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen als Therapiestandard gelten, zur Anwendung bei diesen Erkrankungen mit Begründung vom Vertragsarzt ausnahmsweise verordnet werden können. Dabei ist der therapeutischen Vielfalt Rechnung zu tragen. Bis zum In-Kraft-Treten dieser Richtlinien kann der Vertragsarzt nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel nach den Kriterien des § 34 Abs. 1 Satz 2 SGB V verordnen.
Der Gemeinsame Bundesausschuss hat mit Beschluss vom 16. März 2004 (Bundesanzeiger Nr. 77 Seite 8905 vom 23. April 2004) die Arzneimittelrichtlinien um den neuen Abschnitt "F. Gesetzliche Verordnungsausschlüsse bei der Arzneimittelversorgung und zugelassene Ausnahmen" mit den Ziffern 16 bis 19 ergänzt und unter anderem mit dem weiteren Beschluss vom 21. Dezember 2004 (Bundesanzeiger Nr. 65 Seite 5416 vom 07. April 2005) unter Ziffer 16 die Nummer 16.4.43 angefügt. Darin wird u. a. geregelt: Eine Krankheit ist schwerwiegend, wenn sie lebensbedrohlich ist oder wenn sie aufgrund der Schwere der durch sie verursachten Gesundheitsstörung die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigt (Ziffer 16.2). Ein Arzneimittel gilt als Therapiestandard, wenn der therapeutische Nutzen zur Behandlung der schwerwiegenden Erkrankung dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht (Ziffer 16.3). Schwerwiegende Erkrankungen und Standardtherapeutika zu deren Behandlung sind (Ziffer 16.4) u. a.:
16.4.7 Antiseptika und Gleitmittel nur für Patienten mit Selbstkatheterisierung 16.4.12 Citrate nur zur Behandlung von Harnkonkrementen 16.4.43 L-Methionin nur zur Vermeidung der Steinneubildung bei Phosphatsteinen bei neurogener Blasenlähmung, wenn Ernährungsempfehlungen und Blasenentleerungstraining erfolglos geblieben sind.
Nach der Auskunft des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte vom 26. Juli 2006 sind die Arzneimittel der Bezeichnung Uromethin (ab 30.Oktober 2004: Urol methin) apothekenpflichtige, aber nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel. Nach einem beigefügten Auszug aus der Datenbank "Arzneimittel-Informationssystem" (AMIS29) des Deutschen Instituts für medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) enthalten diese Arzneimittel den arzneilich wirksamen Bestandteil Methionin. Anwendungsgebiete sind danach a) Optimierung der Wirkung von Antibiotika mit Wirkungsoptimum im sauren Urin, b) Vermeidung der Steinneubildungen bei Phospatsteinen und c) Hemmung des Bakterienwachstums.
Die Voraussetzungen, unter denen diese nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel nach den Arzneimittelrichtlinien verordnungsfähig sind, sind im Falle des Klägers nicht erfüllt. Diese Arzneimittel werden beim Kläger weder zur Behandlung von Harnkonkrementen noch zur Vermeidung der Steinneubildung bei Phospatsteinen eingesetzt.
Unter einem Konkrement ist eine feste Masse zu verstehen, die durch Ausfällung vorher gelöster Stoffe in Hohlkörpern oder im Gewebe gebildet wird, wie Blasensteine, Gallensteine, Uretersteine (vgl. Pschyrembel, Medizinisches Wörterbuch, 257. Auflage, Seiten 810, 596).
Nach den ärztlichen Berichten des Facharztes für Urologie Dr. P vom 13. März 2005 und 22. Juli 2006 sind beim Kläger infolge der Selbstkatheterisierung bei neurogener Blasenentleerungsstörung wiederholt Harnwegsinfekte aufgetreten. Steinbildungen allgemein und Phosphatsteine speziell lagen hingegen beim Kläger nicht vor. In seinem Kurzbrief vom 18. Mai 2004 teilte dieser Arzt mit, dass dieses Arzneimittel im Sinne einer Infektionsprophylaxe erforderlich ist.
Die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie S hat in ihrem Bericht vom 29. August 2006 mitgeteilt, sie habe die Arzneimittel vertretungsweise zur Harnansäuerung verschrieben. Ob die spezielle Situation der o. g. Ziffer 16.4.43 der Arzneimittelrichtlinien vorliege, müsse vom Urologen eingeschätzt werden.
Die Fachärztin für Allgemeinmedizin J hat in ihren Berichten vom 14. April 2005, 18. September 2006 und 11. November 2006 ebenfalls Harnwegsinfekte angegeben. Sie hat außerdem mitgeteilt, dass die Arzneimittel der Ansäuerung des Harns, der Vermeidung von Steinbildung und von Bakteriumwachstums dienten. Steinbildungen beim Kläger sind ihr jedoch nicht bekannt gewesen.
Angesichts dessen steht fest, dass die Arzneimittel nicht zur Behandlung von Harnkonkrementen oder zur Vermeidung der Steinneubildung Anwendung finden. Harnkonkremente oder Steinbildungen lagen und liegen beim Kläger nicht vor. Deswegen kann insbesondere die Indikation einer "Steinneubildung" nicht erfüllt sein, denn sie setzt das vorherige Auftreten einer Steinbildung voraus. Der Wortteil "neu" wäre überflüssig, wenn bereits die abstrakte Möglichkeit einer Steinbildung, die immer gegeben ist, ausreichen würde. Die Ausbildung eines "neuen" Steins setzt denknotwendig das ehemalige Vorhandensein eines "alten" Steins voraus. Die Richtigkeit dieser Auslegung wird durch den Bedingungssatz (wenn) bestätigt. Danach darf L-Methionin nur verordnet werden, wenn Ernährungsempfehlungen und Blasenentleerungstraining erfolglos geblieben sind, es also trotz dieser Maßnahmen zu einer Steinneubildung gekommen ist. Entgegen der Ansicht des Klägers ist damit insbesondere Ziffer 16.4.43 nicht unklar.
Dahinstehen kann, ob die Arzneimittel Uromethin und Methionin über ihren zugelassenen Anwendungsbereich "Vermeidung von Steinneubildungen" hinaus für den Anwendungsbereich "Vermeidung von Steinbildungen" verordnungsfähig sind.
Ebenfalls keiner Entscheidung bedarf es, ob der Gemeinsame Bundesausschuss mit Ziffer 16.4.43 die Ermächtigungsgrundlage des § 34 Abs. 1 Satz 2 SGB V überschritten und damit in rechtswidriger Weise zu Lasten der Krankenversicherung die Verordnungsfähigkeit von L-Methionin angeordnet hat. Nach § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V haben Qualität und Wirksamkeit der Leistungen dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen. Daran anknüpfend ordnet § 92 Abs. 1 Satz 1 dritter Halbsatz SGB V an, dass der Gemeinsame Bundesausschuss die Erbringung und Verordnung von Leistungen einschließlich Arzneimitteln oder Maßnahmen einschränken oder ausschließen kann, wenn nach allgemein anerkanntem Stand der medizinischen Erkenntnisse der diagnostische oder therapeutische Nutzen, die medizinische Notwendigkeit oder die Wirtschaftlichkeit nicht nachgewiesen sind sowie wenn insbesondere ein Arzneimittel unzweckmäßig oder eine andere, wirtschaftlichere Behandlungsmöglichkeit mit vergleichbarem diagnostischen oder therapeutischen Nutzen verfügbar ist. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat in der Auskunft vom 15. November 2006 mitgeteilt, dass die Bewertung der internationalen wissenschaftlichen Studienlage eine Aufnahme von L-Methionin in den Abschnitt F der Arzneimittelrichtlinie nicht unterstützt. Deswegen hat er das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen mit einer Nutzenbewertung von L-Methionin bei Patienten mit neurogener Blasenstörung beauftragt. Der Unterausschuss Arzneimittel hat lediglich im Hinblick auf die deutsche Versorgungssituation die Aufnahme des Arzneimittels L-Methionin empfohlen.
Zur Infektionsprophylaxe besteht im Falle des Klägers eine ausreichende Versorgungssituation. Insoweit kann er die in Ziffer 16.4.7 genannten nicht verschreibungspflichtigen Antiseptika in Anspruch nehmen.
Nach Abschnitt F Ziffer 16.9 der Arzneimittelrichtlinien, zuletzt geändert am 16. Mai 2005 (Bundesanzeiger 2006 Nr. 156 S. 5774) - seinerzeit nach dem Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses vom 16. März 2004 Ziffer 16.7 - regeln die Vorschriften in Nr. 16.1 bis 8 (seinerzeit 6) abschließend, unter welchen Voraussetzungen nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnungsfähig sind. Insoweit finden die Vorschriften anderer Abschnitte der Arzneimittel-Richtlinien, insbesondere die Vorschriften der Nr. 20 ff. der Arzneimittel-Richtlinien, keine Anwendung.
Entgegen der Ansicht des Klägers sind die Arzneimittelrichtlinien nicht lediglich gegenüber den Vertragsärzten bindend.
Bei allen Richtlinien nach § 92 Abs. 1 SGB V handelt es sich um untergesetzliche Normen, die auch innerhalb des Leistungsrechts zu beachten sind (BSG, Urteil vom 26. Januar 2006 – B 3 KR 4/05 R m.w.N.). Dies gilt insbesondere für die Arzneimittel-Richtlinien. Dies folgt unmittelbar aus § 92 Abs. 1 Satz 1 SGB V. Mit dieser Vorschrift wird dem Gemeinsamen Bundesausschuss die Befugnis zur Richtliniengebung über eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten übertragen. Funktion der Richtlinien ist es damit, die Verpflichtung der Vertragsärzte zu einer wirtschaftlichen Behandlungs- und Verordnungsweise mit den Ansprüchen der Versicherten zu koordinieren. § 92 Abs. 1 Satz 1 SGB V und die leistungsrechtliche Vorschrift des § 12 Abs. 1 SGB V stehen damit in einem unmittelbaren sachlogischen Zusammenhang. Der Umfang der zu gewährenden Krankenversorgung kann im Verhältnis von Versicherten zu Krankenkassen kein anderer sein als im Verhältnis der ärztlichen Leistungserbringer zu den Kassenärztlichen Vereinigungen und wiederum den Krankenkassen. Gegenüber den Versicherten bedurfte es entsprechender Regelungen, mit denen gegenüber den Vertragsärzten, den Kassenärztlichen Vereinigungen und den Krankenkassen die verbindliche Wirkung der Richtlinien abgesichert worden ist (§ 92 Abs. 8, § 82 Abs. 1 Satz 2, § 95 Abs. 3 Satz 3, § 81 Abs. 3 Nr. 2 im Verhältnis zu den Kassenärztlichen Vereinigungen und den Vertragsärzten und § 92 Abs. 8, § 82 Abs. 1 Satz 2, § 83 Abs. 1 und § 210 Abs. 2 SGB V im Verhältnis zu den Krankenkassen), deshalb nicht, weil diese - anders als die ärztlichen Leistungserbringer oder die Krankenkassen - nicht selbst in die Leistungserbringung einbezogen sind, sondern die Leistungen entgegennehmen. Das führt dazu, dass eine generelle ausdrückliche Erklärung der Verbindlichkeit der Richtlinien über den aufgezeigten Rahmen hinaus im Verhältnis zu den Versicherten rechtstechnisch nicht erforderlich ist. In den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses wird daher mit normativer Wirkung für die am Versicherungsverhältnis Beteiligten sowie die Ärzte und ihre Körperschaften der Umfang der Leistungspflicht im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung festgelegt. Als untergesetzliche Rechtsnormen unterliegen sie hierbei allerdings der Überprüfung auf ihre Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht (so grundlegend BSG, Urteil vom 20. März 1996 - 6 RKa 62/94, abgedruckt in SozR 3-2500 § 92 Nr. 6 = BSGE 78, 70; vgl. auch BSG, Urteil vom 16. September 1997 - 1 RK 32/95, abgedruckt in SozR 3-2500 § 92 Nr. 7 = BSGE 81, 73; BSG, Urteil vom 30. September 1999 - B 8 KN 9/98 KR R, abgedruckt in SozR 3-2500 § 27 Nr. 11 = BSGE 85, 36). Ein Verstoß gegen höherrangiges Recht und damit die Nichtverbindlichkeit ihrer Anwendung insbesondere für die Gerichte verlangt hierbei stets die Feststellung, dass der Gemeinsame Bundesausschuss die besondere Fallgestaltung nicht bedacht, die Rechtsbegriffe der Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit unzutreffend ausgelegt oder die Bewertung der Notwendigkeit oder Wirtschaftlichkeit einer Behandlungsmaßnahme evident fehlerhaft vorgenommen hat (BSG, Urteil vom 26. Januar 2006 - B 3 KR 4/05 R m.w.N.).
Speziell bezogen auf § 34 Abs. 1 Satz 2 SGB V setzt eine solche Rechtsverletzung voraus, dass der Gemeinsame Bundesausschuss insbesondere die Rechtsbegriffe der schwerwiegenden Erkrankung und des Therapiestandards fehlerhaft ausgelegt hat.
Dies lässt sich weder bezogen auf die allgemeine Definition dieser Rechtsbegriffe in Abschnitt F Ziffern 16.2 und 16.3 der Arzneimittelrichtlinien noch in Bezug auf den konkreten Sachverhalt des Klägers feststellen. Insbesondere ist keine nachhaltige Beeinträchtigung der Lebensqualität aufgrund einer erst zukünftig möglichen Gesundheitsstörung, die sich im Auftreten von Harnkonkrementen oder von Steinneubildungen zeigt, zum gegenwärtigen Zeitpunkt auch nur annähernd ersichtlich.
Durch den Leistungsausschluss der genannten Arzneimittel wird das Recht auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz - GG) nicht verletzt. Diese Vorschrift gewährt dem Versicherten zwar die freie Selbstbestimmung über ärztliche Heileingriffe und belässt ihm die Entscheidung über die in seinem Fall anzuwendende Therapie. Aus diesem Grundrecht kann jedoch kein verfassungsrechtlicher Anspruch auf Bereitstellung entsprechender medizinischer Versorgung oder auf Gewährung finanzieller Leistungen hierfür abgeleitet werden. Die aus dieser Grundrechtsnorm resultierende objektiv-rechtliche Pflicht des Staates, sich schützend und fördernd vor dieses Rechtsgut zu stellen, beschränkt sich darauf, dass die öffentliche Gewalt Vorkehrungen zum Schutz des Grundrechts trifft, die nicht völlig ungeeignet oder völlig unzulänglich sind (vgl. Bundesverfassungsgericht - BVerfGE 88, 203, 294 ; 46,160, 164; 39, 1, 36/42/44).
Wie dargestellt ist eine ausreichende Infektionsprophylaxe gewährleistet. Sollte diese nicht ausreichend sein, weil es zu Folgeerkrankungen kommt, dürfte der Kläger die begehrten Arzneimittel nach Maßgabe der o. g. Regelungen der Arzneimittelrichtlinien beanspruchen können.
Die Berufung muss daher erfolglos bleiben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) nicht vorliegen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt von der Beklagten Kostenerstattung in Höhe von 424,26 Euro für die selbstbeschafften Medikamente Uromethin und Methionin (Wirkstoff jeweils Methionin) sowie die weitere Versorgung mit diesen Arzneimitteln als Sachleistung.
Der 1973 geborene Kläger, der bei der Beklagten versichert ist, ist querschnittsgelähmt. Er leidet an einer neurogenen Blasenentleerungsstörung, so dass er sich viermal täglich katheterisieren muss.
Die Fachärztin für Allgemeinmedizin J verordnete dem Kläger am 21. Januar 2004 auf Privatrezept Uromethin, das sich der Kläger am 22. Januar 2004 in einer Apotheke für 27,55 Euro beschaffte.
Am 28. Januar 2004 beantragte der Kläger telefonisch Kostenerstattung, was die Beklagte am selben Tag ebenfalls telefonisch ablehnte. Sie wies darauf hin, dass wegen einer Verordnung dieses Medikaments auf Kassenrezept eine Überweisung zum Urologen notwendig sei.
Am 08. Juni 2004 beantragte der Kläger über den Facharzt für Urologie Dr. P unter Vorlage dessen Kurzbriefes vom 18. Mai 2004 Kostenübernahme für das Medikament Uromethin.
Mit Bescheid vom 10. Juni 2004 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Das Medikament Uromethin enthalte den Wirkstoff Methionin, der nicht verschreibungspflichtig und deshalb ab 01. Januar 2004 nicht mehr zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnungsfähig sei. Eine Ausnahme im Sinne der Arzneimittelrichtlinien liege nicht vor.
Mit dem dagegen eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, ein Facharzt habe die medizinische Notwendigkeit des Medikaments belegt.
Der Kläger beschaffte sich auf Privatrezept aufgrund Verordnung des Facharztes für Urologie Dr. P vom 10. Juni 2004 am 10. Juni 2004 für 27,55 Euro, Verordnung der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie S vom 22. Juli 2004 am 24. Juli 2004 für 19,85 Euro und Verordnung der Fachärztin für Allgemeinmedizin J vom 30. August 2004 am 01. September 2004 für 19,85 Euro das jeweils verordnete Arzneimittel Uromethin in einer Apotheke.
Mit Widerspruchsbescheid vom 16. September 2004 wies die Beklagte den Widerspruch zurück: Nach Titel F, Nr. 16.4.12 der Arzneimittelrichtlinien seien Citrate, zu denen das beantragte Arzneimittel gehöre, nur ausnahmsweise zur Behandlung von Harnkonkrementen verordnungsfähig. Zum vorbeugenden Einsatz im Rahmen einer Infektionsprophylaxe könne es nicht verordnet werden.
Dagegen hat der Kläger am 18. Oktober 2004 beim Sozialgericht Cottbus Klage erhoben und begehrt, die Kosten für das Medikament Uromethin zu erstatten.
Er hat darauf hingewiesen, dass wegen der Notwendigkeit der täglichen Selbstkatheterisierung die Möglichkeit einer Infektion auf der Hand liege. Eine entsprechende Infektion und die Aussicht, dass diese wiederholt auftreten könne, stelle eine die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigende Gesundheitsstörung dar, so dass eine schwerwiegende Krankheit im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) vorliege. Die Verordnung des begehrten Arzneimittels zur Verhinderung einer entsprechenden Entzündung entspreche dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnis. Den Arzneimittelrichtlinien komme im Übrigen kein Normcharakter zu.
Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 10. Juni 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. September 2004 zu verurteilen, dem Kläger die Kosten für das Medikament Uromethin für den Zeitraum von Juli 2004 bis Februar 2006 zu erstatten.
Die Beklagte ist der Ansicht gewesen, dass eine Erstattung schon deswegen ausscheide, weil der behandelnde Arzt das Medikament auf einem Privatrezept verordnet habe.
Das Sozialgericht hat die Befundberichte des Facharztes für Urologie Dr. P vom 13. März 2005 und der Fachärztin für Allgemeinmedizin J vom 14. April 2005 eingeholt.
Der Kläger hat darauf hingewiesen, dass nach dem Befundbericht der Fachärztin für Allgemeinmedizin J das Medikament auch zur Vermeidung einer Steinbildung im Harn notwendig sei. In den geänderten Arzneimittelrichtlinien werde der Arzneimittelwirkstoff Methionin nunmehr genannt. Die behandelnden Ärzte verweigerten wegen eines befürchteten Arztregresses die Verordnung auf Kassenrezept.
Die Beklagte hat den Befundberichten keine Hinweise auf Harnkonkremente entnehmen können. Auch nach Änderung der Arzneimittelrichtlinien sei das Arzneimittel im Falle des Klägers nicht verordnungsfähig.
Während des Klageverfahrens hat sich der Kläger auf Privatrezept aufgrund Verordnung der Fachärztin für Allgemein J vom 12. November 2004 über Uromethin am 12. November 2004 für 19,85 Euro, Verordnung der Fachärztin für Allgemeinmedizin J vom 20. Dezember 2004 über Uromethin am 21. Dezember 2004 für 19,85 Euro, Verordnung der Fachärztin für Allgemeinmedizin J vom 20. Januar 2005 über Uromethin am 26. Januar 2005 für 19,85 Euro, Verordnung der Fachärztin für Allgemeinmedizin J vom 14. März 2005 über Uromethin am 19. März 2005 für 19,85 Euro, Verordnung der Fachärztin für Allgemeinmedizin J vom 31. Mai 2005 über Uromethin am 06. Juni 2005 für 19,85 Euro, Verordnung der Fachärztin für Allgemeinmedizin J vom 09. August 2005 über Methionin am 12. August 2005 für 17,53 Euro, Verordnung der Fachärztin für Allgemeinmedizin J vom 15. September 2005 über Methionin am 21. September 2005 für 17,53 Euro, Verordnung der Fachärztin für Allgemeinmedizin J vom 28. Oktober 2005 über Uromethin am 28. Oktober 2005 für 19,85 Euro, Verordnung der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Svom 29. November 2005 über Methionin am 03. Dezember 2005 für 17,53 Euro und Verordnung der Fachärztin für Allgemeinmedizin J vom 07. Februar 2006 über Methionin am 13. Februar 2006 für 17,53 Euro die entsprechenden Arzneimittel in einer Apotheke beschafft.
Mit Urteil vom 14. März 2006 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es hat sich wegen der Begründung auf den Widerspruchsbescheid bezogen und im Übrigen ausgeführt: Nach Ziffer 16.4.43 der geänderten Arzneimittelrichtlinien sei zwar bestimmt, dass Methionin zur Vermeidung der Steinneubildung bei Phosphatsteinen bei neurogener Blasenlähmung verordnungsfähig sei, wenn Ernährungsempfehlungen und Blasenentleerungstraining erfolglos geblieben seien. Dies rechtfertige jedoch keine andere Beurteilung, da sich aus den beigezogenen Befundberichten nicht ergebe, dass beim Kläger die Verordnung zur Vermeidung einer Steinneubildung erfolge; die Verordnung sei vielmehr zur Prophylaxe im Sinne einer Infektionsvermeidung vorgenommen worden.
Gegen das seinen Prozessbevollmächtigten am 03. April 2006 zugestellte Urteil richtet sich die am 02. Mai 2006 eingelegte Berufung des Klägers.
Er verweist darauf, dass es aufgrund der Ausführungen der Ärztin J offensichtlich sei, dass das begehrte Medikament auch zur Vermeidung der Steinbildung verordnet worden sei. Eine Selbstkatheterisierung ohne eine solche Begleitbehandlung führe zwingend zur Bildung von Harnkonkrementen. Unklarheiten darüber, was unter Steinneubildung zu verstehen sei, könnten nicht zu Lasten des Klägers gehen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 14. März 2006 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 10. Juni 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. September 2004 zu verurteilen, an den Kläger 424,26 Euro zu zahlen und ihm ein Medikament mit dem Wirkstoff Methionin als Sachleistung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Der Senat hat die Auskünfte des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte vom 26. Juli 2006 und des Gemeinsamen Bundesausschusses vom 05. September 2006 und 15. November 2006 sowie die Berichte des Facharztes für Urologie Dr. P vom 22. Juli 2006, der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie S vom 29. August 2006 und der Fachärztin für Allgemeinmedizin J vom 18. September 2006 und 11. November 2006 eingeholt.
Während des Berufungsverfahrens hat sich der Kläger auf Privatrezept aufgrund Verordnung der Fachärztin für Allgemeinmedizin J vom 16. März 2006 über Methionin am 21. März 2006 für 17,53 Euro, Verordnung der Fachärztin für Allgemeinmedizin J vom 24. April 2006 über Methionin am 24. April 2006 für 17,53 Euro, Verordnung der Fachärztin für Allgemeinmedizin J vom 15. Mai 2006 über Methionin am 19. Mai 2006 für 17,53 Euro, Verordnung der Fachärztin für Allgemeinmedizin J vom 21. Juni 2006 über Methionin am 27. Juni 2006 für 17,53 Euro, Verordnung der Fachärztin für Allgemeinmedizin J vom 31. Juli 2006 über Methionin am 03. August 2006 für 17,53 Euro, Verordnung der Fachärztin für Allgemeinmedizin J vom 04. September 2006 über Methionin am 07.September 2006 für 17,53 Euro, Verordnung der Fachärztin für Allgemeinmedizin J vom 05. Oktober 2006 über Methionin am 05. Oktober 2006 für 17,53 Euro und Verordnung der Fachärztin für Allgemeinmedizin J vom 06. November 2006 über Methionin am 06. November 2006 für 17,53 Euro die entsprechenden Arzneimittel in einer Apotheke beschafft.
Der Kläger hat die entsprechenden Rezepte bzw. ärztlichen Bestätigungen und Rechnungsquittungen vorgelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten (), der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig. Sie bedarf insbesondere nicht der Zulassung im Urteil des Sozialgerichts.
Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 500 Euro nicht übersteigt. Dies gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.
Unabhängig davon, wie das erstinstanzlich erhobene Begehren zu verstehen und der in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht gestellte Antrag auszulegen ist, ist die Berufung statthaft. Wird allein auf den erhobenen Anspruch auf Kostenerstattung als Zahlungsanspruch abgehoben, hat der Wert des Beschwerdegegenstandes zum Zeitpunkt der Entscheidung des Sozialgerichts zwar lediglich nach der dem Schriftsatz des Klägers vom 09. März 2006 beigefügten Kostenaufstellung 246,45 Euro betragen. Die Klage hat jedoch wiederkehrende Leistungen für mehr als ein Jahr betroffen, denn die begehrten Arzneimittel sind nach dieser Kostenaufstellung im Zeitraum von Juli 2004 bis Februar 2006 gemäß ihrer indikationsbezogenen Zielrichtung im Rahmen der mehrmaligen Katheterisierung täglich wiederholt eingesetzt worden.
Die Berufung ist jedoch unbegründet.
Das Sozialgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 10. Juni 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. September 2004 ist rechtmäßig. Der Kläger hat weder Anspruch auf Kostenerstattung, also auf Zahlung von 424,26 Euro, noch auf Versorgung mit einem Arzneimittel des Wirkstoffes Methionin. Die Arzneimittel Uromethin und Methionin gehören nicht zu den Leistungen der Krankenversicherung.
Die Klage ist zulässig.
Dem steht - nunmehr - nicht entgegen, dass die Klage aufgrund des erstinstanzlich gestellten Klageantrages bezüglich des erhobenen Anspruches auf Kostenerstattung unzulässig gewesen ist. Dieser Mangel ist mit der Berufung dadurch geheilt worden, dass ein bezifferter Zahlungsantrag gestellt worden ist.
Ein Kostenerstattungsanspruch hat stets die Zahlung eines bestimmten Geldbetrages zum Inhalt. Es muss daher grundsätzlich ein bezifferter Zahlungsantrag gestellt und in der Klageschrift dargelegt werden, wie sich dieser Betrag im Einzelnen zusammensetzt. Nur ein so bezifferter Antrag und eine derartige Substantiierung des Sachvortrages bieten eine hinreichende Grundlage für die notwendigen gerichtlichen Tatsachenfeststellungen (§ 103 SGG) und für eine abschließende, einen weiteren Streit vermeidende Erledigung des Rechtsstreits. Fehlt es daran, ist eine solche Klage grundsätzlich unzulässig (vgl. Urteile des Bundessozialgerichts - BSG - vom 28. Januar 1999 - B 3 KR 4/98 R, abgedruckt in SozR 3-2500 § 37 Nr. 1, vom 13. Mai 2004 - B 3 KR 18/03 R, abgedruckt in SozR 4-2500 § 39 Nr. 2 und vom 26. Januar 2006 - B 3 KR 4/05 R). Es handelt sich hierbei um einen allgemeinen Verfahrensgrundsatz, der gewährleistet, dass zum einen der Streitgegenstand seitens des Klägers hinreichend bestimmt ist und dass zum anderen das Gericht nicht über ein Begehren des Klägers hinausgehend oder hinter einem solchen Begehren zurückbleibend entscheidet.
Die Klage ist auch im Übrigen zulässig. Insbesondere fehlt es nicht am vorangegangenen Verwaltungsverfahren bezüglich des geltend gemachten Anspruches auf Kostenerstattung.
Gerichtliche Auseinandersetzungen zwischen einem Versicherten und seiner Krankenkasse über einen Leistungsanspruch sind grundsätzlich nur in zwei Konstellationen denkbar. Entweder klagt der Versicherte auf Gewährung einer noch ausstehenden Leistung als Sachleistung oder er beschafft sich die Leistung privat auf eigene Rechnung und verlangt von der Krankenkasse die Erstattung der Kosten (BSG, Urteil vom 09. Oktober 2001 - B 1 KR 6/01 R, abgedruckt SozR 3-2500 § 13 Nr. 25). Ausnahmsweise kann eine Kostenerstattung bei noch nicht durchgeführter Behandlung auch dann in Betracht kommen, wenn die begehrte Leistung nicht vom EBM erfasst wird (BSG, Urteil vom 03. April 2001 - B 1 KR 40/00 R, abgedruckt in SozR 3-2500 § 27 a Nr. 3).
Der am 08. Juni 2004 über den Facharzt für Urologie Dr. P gestellte Antrag auf "Kostenübernahme" für das Medikament Uromethin ist in der Weise auszulegen, dass die kostenfreie Gewährung einer Sachleistung begehrt wurde. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 10. Juni 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. September 2004 ab. Bei einem solchen Sachverhalt umfasst die ursprüngliche Ablehnung der Sachleistung zugleich auch die Ablehnung der Einstandspflicht für die Kosten (BSG, Urteil vom 15. April 1997 - 1 RK 4/96, abgedruckt in SozR 3-2500 § 13 Nr. 14).
Die demnach insgesamt zulässige Klage ist jedoch unbegründet.
Streitgegenstand des gerichtlichen Verfahrens ist - entgegen der Ansicht des Sozialgerichts -nicht lediglich ein Anspruch auf Kostenerstattung. Das klägerische Begehren ist vielmehr auch weiterhin auf die Gewährung eines Arzneimittels mit dem Wirkstoff Methionin als Sachleistung gerichtet bzw. gerichtet gewesen. Mit der Klageschrift hat der Kläger an diesem Begehren festgehalten. Soweit damit "Kostenerstattung" beantragt worden ist, hat sich dies nicht allein auf die bereits angefallenen Kosten bezogen. Dies ergibt sich aus der Klagebegründung, die (auch) auf eine zukünftige Versorgung abstellt. Aus dem weiteren Fortgang des Klageverfahrens ist kein Grund dafür ersichtlich, dass der Kläger seinen Sachleistungsanspruch aufgegeben hätte. Der in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht gestellte Klageantrag bezeichnet somit nicht vollumfänglich das eigentliche Klagebegehren. Es ist daher geboten (gewesen), abweichend von diesem Antrag das wirkliche Begehren des Klägers der gerichtlichen Entscheidung zugrunde zu legen. Nach § 123 SGG entscheidet das Gericht über die vom Kläger erhobenen Ansprüche, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger ausdrücklich sein Problem dahingehend dargestellt, dass sich die ihn behandelnden Ärzte weigern, das strittige Medikament auf Kassenrezept zu verordnen.
Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB V erhalten die Versicherten die Leistungen der Krankenversicherung als Sach- und Dienstleistungen, soweit dieses oder das Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) nichts Abweichendes vorsehen. Die Krankenkasse darf anstelle der Sach- oder Dienstleistung (§ 2 Abs. 2 SGB V) Kosten nur erstatten, soweit es dieses Buch oder das SGB IX vorsieht (§ 13 Abs. 1 SGB V).
Die hier allein in Betracht kommende Vorschrift des § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V bestimmt: Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war.
Der Kostenerstattungsanspruch reicht hierbei nicht weiter als der entsprechende Sachleistungsanspruch. Er setzt daher voraus, dass die selbstbeschaffte Leistung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (BSG, Urteile vom 19. Oktober 2004 - B 1 KR 27/02 R und vom 18. Mai 2004 - B 1 KR 21/02 R; BSGE 79, 125, 126 = SozR 3-2500 § 13 Nr. 11 m.w.N.).
Die dem Kläger am 22. Januar 2004 (Verordnung der Fachärztin für Allgemeinmedizin Jvom 21. Januar 2004) und am 10. Juni 2004 (Verordnung des Facharztes für Urologie Dr. Pvom 10. Juni 2004) entstandenen Kosten in Höhe von jeweils 27,55 Euro können unabhängig davon, ob ein entsprechender Sachleistungsanspruch besteht, schon nicht erstattet werden.
Die Entscheidung der Beklagten über eine Erstattung der am 22. Januar 2004 entstandenen Kosten ist bestandskräftig. Einen entsprechenden Kostenerstattungsanspruch lehnte die Beklagte am 28. Januar 2004 telefonisch ab. Nach § 33 Abs. 2 Sätze 1 und 2 SGB X kann ein Verwaltungsakt unter anderem mündlich oder in anderer Weise erlassen werden. Ein mündlicher Verwaltungsakt ist schriftlich oder elektronisch zu bestätigen, wenn hieran ein berechtigtes Interesse besteht und der Betroffene dies unverzüglich verlangt. Ein entsprechendes Verlangen wurde vom Kläger nicht zum Ausdruck gebracht. Gegen den am 28. Januar 2004 erlassenen Verwaltungsakt wurde vom Kläger auch kein Widerspruch eingelegt. Der am 08. Juni 2004 gestellte Antrag auf (weitere) Kostenübernahme war ersichtlich zukunftsbezogen und nicht auf die Überprüfung der Entscheidung vom 28. Januar 2004 gerichtet. Der Anspruch auf Kostenerstattung hinsichtlich der am 22. Januar 2004 entstandenen Kosten wurde vom Kläger auch nicht innerhalb der Jahresfrist des § 66 Abs. 2 SGG geltend gemacht. Vielmehr hat der Kläger einen solchen Anspruch erstmals unter Vorlage des entsprechenden Privatrezepts und der Rechnungsquittung mit Schriftsatz vom 26. September 2006 geltend gemacht. Zu diesem Zeitpunkt ist der am 28. Januar 2004 ergangene Verwaltungsakt jedoch wegen der zwischenzeitlich abgelaufenen Frist zur Einlegung des Widerspruches von einem Monat (§ 84 Abs. 1 Satz 1 SGG) bzw. von einem Jahr, wenn eine Rechtsmittelbelehrung unterblieben ist (§ 66 Abs. 2 SGG), bereits bestandskräftig gewesen. Bestandskraft bewirkt, dass der Verwaltungsakt für die Beteiligten in der Sache bindend ist (§ 77 SGG), so dass dem Gericht eine inhaltliche Entscheidung zu einem solchen Verwaltungsakt verwehrt ist.
Die dem Kläger am 10. Juni 2004 (Verordnung des Facharztes für Urologie Dr. P vom 10. Juni 2004) entstandenen Kosten können deswegen nicht erstattet werden, weil diese Kosten nicht ursächlich kausal darauf zurückzuführen sind, dass eine unaufschiebbar Leistung nicht rechtzeitig erbracht werden konnte oder die Beklagte eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat. Der Kläger beantragte zwar am 08. Juni 2004 Kostenübernahme für das Arzneimittel Uromethin. Er wartete jedoch die Entscheidung der Beklagten (Bescheid vom 10. Juni 2004) vor der Beschaffung nicht ab, so dass die dadurch entstandenen Kosten nicht ursächlich auf eine Ablehnung der Beklagten zurückzuführen sind. Die Versorgung mit dem Medikament Uromethin ist auch nicht unaufschiebbar gewesen. Unaufschiebbarkeit ist gegeben, wenn die Leistung ausschließlich aus medizinischen Gründen sofort, ohne die Möglichkeit eines nennenswerten zeitlichen Aufschubes erbracht werden muss (BSGE 73, 271, 287; BSG SozR 3-2500 § 13 Nr. 22). Es ist nicht ersichtlich, dass die Versorgung mit diesem Arzneimittel - auch angesichts der Vorgeschichte - so dringlich gewesen sein könnte, dass dem Kläger das Abwarten auf die Entscheidung der Beklagten unzumutbar war.
Hinsichtlich der weiteren Kosten (369,16 Euro) kommt ein Anspruch auf Erstattung nicht in Betracht, denn insoweit bestand und besteht kein Anspruch auf eine Sachleistung. Die Arzneimittel Uromethin und Methionin mit dem Wirkstoff Methionin gehören nicht zum Leistungsumfang der Krankenversicherung.
Nach § 11 Abs. 1 Nr. 4 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Leistungen zur Behandlung einer Krankheit (§§ 27 bis 52 SGB V). Versicherte haben Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst u. a. die Versorgung mit Arzneimitteln (§ 27 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 3 SGB V).
Nach § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln, soweit die Arzneimittel nicht nach § 34 SGB V oder durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V ausgeschlossen sind.
§ 34 Abs. 1 Sätze 1 bis 4 SGB V bestimmen: Nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel sind von der Versorgung nach § 31 SGB V ausgeschlossen. Der Gemeinsame Bundesausschuss legt in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V erstmals bis zum 31. März 2004 fest, welche nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel, die bei der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen als Therapiestandard gelten, zur Anwendung bei diesen Erkrankungen mit Begründung vom Vertragsarzt ausnahmsweise verordnet werden können. Dabei ist der therapeutischen Vielfalt Rechnung zu tragen. Bis zum In-Kraft-Treten dieser Richtlinien kann der Vertragsarzt nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel nach den Kriterien des § 34 Abs. 1 Satz 2 SGB V verordnen.
Der Gemeinsame Bundesausschuss hat mit Beschluss vom 16. März 2004 (Bundesanzeiger Nr. 77 Seite 8905 vom 23. April 2004) die Arzneimittelrichtlinien um den neuen Abschnitt "F. Gesetzliche Verordnungsausschlüsse bei der Arzneimittelversorgung und zugelassene Ausnahmen" mit den Ziffern 16 bis 19 ergänzt und unter anderem mit dem weiteren Beschluss vom 21. Dezember 2004 (Bundesanzeiger Nr. 65 Seite 5416 vom 07. April 2005) unter Ziffer 16 die Nummer 16.4.43 angefügt. Darin wird u. a. geregelt: Eine Krankheit ist schwerwiegend, wenn sie lebensbedrohlich ist oder wenn sie aufgrund der Schwere der durch sie verursachten Gesundheitsstörung die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigt (Ziffer 16.2). Ein Arzneimittel gilt als Therapiestandard, wenn der therapeutische Nutzen zur Behandlung der schwerwiegenden Erkrankung dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht (Ziffer 16.3). Schwerwiegende Erkrankungen und Standardtherapeutika zu deren Behandlung sind (Ziffer 16.4) u. a.:
16.4.7 Antiseptika und Gleitmittel nur für Patienten mit Selbstkatheterisierung 16.4.12 Citrate nur zur Behandlung von Harnkonkrementen 16.4.43 L-Methionin nur zur Vermeidung der Steinneubildung bei Phosphatsteinen bei neurogener Blasenlähmung, wenn Ernährungsempfehlungen und Blasenentleerungstraining erfolglos geblieben sind.
Nach der Auskunft des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte vom 26. Juli 2006 sind die Arzneimittel der Bezeichnung Uromethin (ab 30.Oktober 2004: Urol methin) apothekenpflichtige, aber nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel. Nach einem beigefügten Auszug aus der Datenbank "Arzneimittel-Informationssystem" (AMIS29) des Deutschen Instituts für medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) enthalten diese Arzneimittel den arzneilich wirksamen Bestandteil Methionin. Anwendungsgebiete sind danach a) Optimierung der Wirkung von Antibiotika mit Wirkungsoptimum im sauren Urin, b) Vermeidung der Steinneubildungen bei Phospatsteinen und c) Hemmung des Bakterienwachstums.
Die Voraussetzungen, unter denen diese nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel nach den Arzneimittelrichtlinien verordnungsfähig sind, sind im Falle des Klägers nicht erfüllt. Diese Arzneimittel werden beim Kläger weder zur Behandlung von Harnkonkrementen noch zur Vermeidung der Steinneubildung bei Phospatsteinen eingesetzt.
Unter einem Konkrement ist eine feste Masse zu verstehen, die durch Ausfällung vorher gelöster Stoffe in Hohlkörpern oder im Gewebe gebildet wird, wie Blasensteine, Gallensteine, Uretersteine (vgl. Pschyrembel, Medizinisches Wörterbuch, 257. Auflage, Seiten 810, 596).
Nach den ärztlichen Berichten des Facharztes für Urologie Dr. P vom 13. März 2005 und 22. Juli 2006 sind beim Kläger infolge der Selbstkatheterisierung bei neurogener Blasenentleerungsstörung wiederholt Harnwegsinfekte aufgetreten. Steinbildungen allgemein und Phosphatsteine speziell lagen hingegen beim Kläger nicht vor. In seinem Kurzbrief vom 18. Mai 2004 teilte dieser Arzt mit, dass dieses Arzneimittel im Sinne einer Infektionsprophylaxe erforderlich ist.
Die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie S hat in ihrem Bericht vom 29. August 2006 mitgeteilt, sie habe die Arzneimittel vertretungsweise zur Harnansäuerung verschrieben. Ob die spezielle Situation der o. g. Ziffer 16.4.43 der Arzneimittelrichtlinien vorliege, müsse vom Urologen eingeschätzt werden.
Die Fachärztin für Allgemeinmedizin J hat in ihren Berichten vom 14. April 2005, 18. September 2006 und 11. November 2006 ebenfalls Harnwegsinfekte angegeben. Sie hat außerdem mitgeteilt, dass die Arzneimittel der Ansäuerung des Harns, der Vermeidung von Steinbildung und von Bakteriumwachstums dienten. Steinbildungen beim Kläger sind ihr jedoch nicht bekannt gewesen.
Angesichts dessen steht fest, dass die Arzneimittel nicht zur Behandlung von Harnkonkrementen oder zur Vermeidung der Steinneubildung Anwendung finden. Harnkonkremente oder Steinbildungen lagen und liegen beim Kläger nicht vor. Deswegen kann insbesondere die Indikation einer "Steinneubildung" nicht erfüllt sein, denn sie setzt das vorherige Auftreten einer Steinbildung voraus. Der Wortteil "neu" wäre überflüssig, wenn bereits die abstrakte Möglichkeit einer Steinbildung, die immer gegeben ist, ausreichen würde. Die Ausbildung eines "neuen" Steins setzt denknotwendig das ehemalige Vorhandensein eines "alten" Steins voraus. Die Richtigkeit dieser Auslegung wird durch den Bedingungssatz (wenn) bestätigt. Danach darf L-Methionin nur verordnet werden, wenn Ernährungsempfehlungen und Blasenentleerungstraining erfolglos geblieben sind, es also trotz dieser Maßnahmen zu einer Steinneubildung gekommen ist. Entgegen der Ansicht des Klägers ist damit insbesondere Ziffer 16.4.43 nicht unklar.
Dahinstehen kann, ob die Arzneimittel Uromethin und Methionin über ihren zugelassenen Anwendungsbereich "Vermeidung von Steinneubildungen" hinaus für den Anwendungsbereich "Vermeidung von Steinbildungen" verordnungsfähig sind.
Ebenfalls keiner Entscheidung bedarf es, ob der Gemeinsame Bundesausschuss mit Ziffer 16.4.43 die Ermächtigungsgrundlage des § 34 Abs. 1 Satz 2 SGB V überschritten und damit in rechtswidriger Weise zu Lasten der Krankenversicherung die Verordnungsfähigkeit von L-Methionin angeordnet hat. Nach § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V haben Qualität und Wirksamkeit der Leistungen dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen. Daran anknüpfend ordnet § 92 Abs. 1 Satz 1 dritter Halbsatz SGB V an, dass der Gemeinsame Bundesausschuss die Erbringung und Verordnung von Leistungen einschließlich Arzneimitteln oder Maßnahmen einschränken oder ausschließen kann, wenn nach allgemein anerkanntem Stand der medizinischen Erkenntnisse der diagnostische oder therapeutische Nutzen, die medizinische Notwendigkeit oder die Wirtschaftlichkeit nicht nachgewiesen sind sowie wenn insbesondere ein Arzneimittel unzweckmäßig oder eine andere, wirtschaftlichere Behandlungsmöglichkeit mit vergleichbarem diagnostischen oder therapeutischen Nutzen verfügbar ist. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat in der Auskunft vom 15. November 2006 mitgeteilt, dass die Bewertung der internationalen wissenschaftlichen Studienlage eine Aufnahme von L-Methionin in den Abschnitt F der Arzneimittelrichtlinie nicht unterstützt. Deswegen hat er das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen mit einer Nutzenbewertung von L-Methionin bei Patienten mit neurogener Blasenstörung beauftragt. Der Unterausschuss Arzneimittel hat lediglich im Hinblick auf die deutsche Versorgungssituation die Aufnahme des Arzneimittels L-Methionin empfohlen.
Zur Infektionsprophylaxe besteht im Falle des Klägers eine ausreichende Versorgungssituation. Insoweit kann er die in Ziffer 16.4.7 genannten nicht verschreibungspflichtigen Antiseptika in Anspruch nehmen.
Nach Abschnitt F Ziffer 16.9 der Arzneimittelrichtlinien, zuletzt geändert am 16. Mai 2005 (Bundesanzeiger 2006 Nr. 156 S. 5774) - seinerzeit nach dem Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses vom 16. März 2004 Ziffer 16.7 - regeln die Vorschriften in Nr. 16.1 bis 8 (seinerzeit 6) abschließend, unter welchen Voraussetzungen nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnungsfähig sind. Insoweit finden die Vorschriften anderer Abschnitte der Arzneimittel-Richtlinien, insbesondere die Vorschriften der Nr. 20 ff. der Arzneimittel-Richtlinien, keine Anwendung.
Entgegen der Ansicht des Klägers sind die Arzneimittelrichtlinien nicht lediglich gegenüber den Vertragsärzten bindend.
Bei allen Richtlinien nach § 92 Abs. 1 SGB V handelt es sich um untergesetzliche Normen, die auch innerhalb des Leistungsrechts zu beachten sind (BSG, Urteil vom 26. Januar 2006 – B 3 KR 4/05 R m.w.N.). Dies gilt insbesondere für die Arzneimittel-Richtlinien. Dies folgt unmittelbar aus § 92 Abs. 1 Satz 1 SGB V. Mit dieser Vorschrift wird dem Gemeinsamen Bundesausschuss die Befugnis zur Richtliniengebung über eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten übertragen. Funktion der Richtlinien ist es damit, die Verpflichtung der Vertragsärzte zu einer wirtschaftlichen Behandlungs- und Verordnungsweise mit den Ansprüchen der Versicherten zu koordinieren. § 92 Abs. 1 Satz 1 SGB V und die leistungsrechtliche Vorschrift des § 12 Abs. 1 SGB V stehen damit in einem unmittelbaren sachlogischen Zusammenhang. Der Umfang der zu gewährenden Krankenversorgung kann im Verhältnis von Versicherten zu Krankenkassen kein anderer sein als im Verhältnis der ärztlichen Leistungserbringer zu den Kassenärztlichen Vereinigungen und wiederum den Krankenkassen. Gegenüber den Versicherten bedurfte es entsprechender Regelungen, mit denen gegenüber den Vertragsärzten, den Kassenärztlichen Vereinigungen und den Krankenkassen die verbindliche Wirkung der Richtlinien abgesichert worden ist (§ 92 Abs. 8, § 82 Abs. 1 Satz 2, § 95 Abs. 3 Satz 3, § 81 Abs. 3 Nr. 2 im Verhältnis zu den Kassenärztlichen Vereinigungen und den Vertragsärzten und § 92 Abs. 8, § 82 Abs. 1 Satz 2, § 83 Abs. 1 und § 210 Abs. 2 SGB V im Verhältnis zu den Krankenkassen), deshalb nicht, weil diese - anders als die ärztlichen Leistungserbringer oder die Krankenkassen - nicht selbst in die Leistungserbringung einbezogen sind, sondern die Leistungen entgegennehmen. Das führt dazu, dass eine generelle ausdrückliche Erklärung der Verbindlichkeit der Richtlinien über den aufgezeigten Rahmen hinaus im Verhältnis zu den Versicherten rechtstechnisch nicht erforderlich ist. In den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses wird daher mit normativer Wirkung für die am Versicherungsverhältnis Beteiligten sowie die Ärzte und ihre Körperschaften der Umfang der Leistungspflicht im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung festgelegt. Als untergesetzliche Rechtsnormen unterliegen sie hierbei allerdings der Überprüfung auf ihre Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht (so grundlegend BSG, Urteil vom 20. März 1996 - 6 RKa 62/94, abgedruckt in SozR 3-2500 § 92 Nr. 6 = BSGE 78, 70; vgl. auch BSG, Urteil vom 16. September 1997 - 1 RK 32/95, abgedruckt in SozR 3-2500 § 92 Nr. 7 = BSGE 81, 73; BSG, Urteil vom 30. September 1999 - B 8 KN 9/98 KR R, abgedruckt in SozR 3-2500 § 27 Nr. 11 = BSGE 85, 36). Ein Verstoß gegen höherrangiges Recht und damit die Nichtverbindlichkeit ihrer Anwendung insbesondere für die Gerichte verlangt hierbei stets die Feststellung, dass der Gemeinsame Bundesausschuss die besondere Fallgestaltung nicht bedacht, die Rechtsbegriffe der Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit unzutreffend ausgelegt oder die Bewertung der Notwendigkeit oder Wirtschaftlichkeit einer Behandlungsmaßnahme evident fehlerhaft vorgenommen hat (BSG, Urteil vom 26. Januar 2006 - B 3 KR 4/05 R m.w.N.).
Speziell bezogen auf § 34 Abs. 1 Satz 2 SGB V setzt eine solche Rechtsverletzung voraus, dass der Gemeinsame Bundesausschuss insbesondere die Rechtsbegriffe der schwerwiegenden Erkrankung und des Therapiestandards fehlerhaft ausgelegt hat.
Dies lässt sich weder bezogen auf die allgemeine Definition dieser Rechtsbegriffe in Abschnitt F Ziffern 16.2 und 16.3 der Arzneimittelrichtlinien noch in Bezug auf den konkreten Sachverhalt des Klägers feststellen. Insbesondere ist keine nachhaltige Beeinträchtigung der Lebensqualität aufgrund einer erst zukünftig möglichen Gesundheitsstörung, die sich im Auftreten von Harnkonkrementen oder von Steinneubildungen zeigt, zum gegenwärtigen Zeitpunkt auch nur annähernd ersichtlich.
Durch den Leistungsausschluss der genannten Arzneimittel wird das Recht auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz - GG) nicht verletzt. Diese Vorschrift gewährt dem Versicherten zwar die freie Selbstbestimmung über ärztliche Heileingriffe und belässt ihm die Entscheidung über die in seinem Fall anzuwendende Therapie. Aus diesem Grundrecht kann jedoch kein verfassungsrechtlicher Anspruch auf Bereitstellung entsprechender medizinischer Versorgung oder auf Gewährung finanzieller Leistungen hierfür abgeleitet werden. Die aus dieser Grundrechtsnorm resultierende objektiv-rechtliche Pflicht des Staates, sich schützend und fördernd vor dieses Rechtsgut zu stellen, beschränkt sich darauf, dass die öffentliche Gewalt Vorkehrungen zum Schutz des Grundrechts trifft, die nicht völlig ungeeignet oder völlig unzulänglich sind (vgl. Bundesverfassungsgericht - BVerfGE 88, 203, 294 ; 46,160, 164; 39, 1, 36/42/44).
Wie dargestellt ist eine ausreichende Infektionsprophylaxe gewährleistet. Sollte diese nicht ausreichend sein, weil es zu Folgeerkrankungen kommt, dürfte der Kläger die begehrten Arzneimittel nach Maßgabe der o. g. Regelungen der Arzneimittelrichtlinien beanspruchen können.
Die Berufung muss daher erfolglos bleiben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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