L 10 B 195/07 AS ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
10
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 117 AS 339/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 10 B 195/07 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerden gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 31. Januar 2007 werden zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Der Antrag der Antragstellerin, ihr für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten Prozesskostenhilfe zu gewähren, wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin (Ast) begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung die Verpflichtung der Antragsgegnerin (Ageg), ihr Arbeitslosengeld II (Alg II) ab dem 05. Juli 2006 vorläufig zu zahlen. Die 1983 geborene Ast, die am 16. Juni 2006 erfolgreich eine Ausbildung zur Europakorrespondentin an der F-Schule – OSZ Wirtschaftssprachen – abgeschlossen hat, ist erwerbsfähig. Sie lebt gemeinsam mit ihrer erwerbstätigen, seit 1989 geschiedenen Mutter und der 1981 geborenen erwerbsfähigen Schwester in einer 94,53 qm² großen 4-Zimmer-Wohnung in B. Die Mietkosten für diese Wohnung betragen seit März 2006 838,03 EUR monatlich (532,03 EUR Grundmiete, 32,00 EUR Heizkostenvorauszahlung, 40,00 EUR Aufzugsvorauszahlung, 18,00 EUR Warmwasservorauszahlung sowie 216,00 EUR Umlagenvorauszahlung). Die Mutter der Ast ist als Erzieherin in Vollzeit tätig, ihr Erwerbseinkommen bei der Senatsverwaltung für B – betrug im März 2006 unter Berücksichtigung des Ortszuschlages für ein Kind 2.477,65 EUR brutto bzw 1.477,14 EUR netto. Daneben bezog sie 154,00 EUR Kindergeld für die Ast bis Ende Juni 2006. Die Schwester der Ast besucht die Pschule zur Erlangung des Realschulabschlusses, sie steht bei der Ageg im Leistungsbezug von Alg II iHv 597,00 EUR monatlich (345,00 EUR Regelleistung, 252,09 EUR Kosten der Unterkunft (KdU); Bescheide vom 10. März 2006 (Leistungszeitraum vom 01. März bis 31. August 2006) und vom 01. September 2006 (Leistungszeitraum vom 01. September 2006 bis 28. Februar 2007)).

Am 04. Juli 2006 beantragte die Ast bei der Ageg die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) und legte u.a. eine von der Mutter bzw. deren Arbeitgeber ausgefüllte Einkommensbescheinigung vor (Arbeitsentgelt im August 2006 2.304,50 EUR brutto bzw. 1.401,67 EUR netto, sozialversicherungspflichtiges Entgelt 2.383,05 EUR, Abzüge 902,83 EUR). In der Folgezeit reichte sie den Mietvertrag für die elterliche Wohnung vom 04. Februar 1989 sowie die letzte Mietberechnung vom 08. Februar 2006, den Vergütungsnachweis betreffend die Mutter für März 2006 sowie Unterlagen zum Kindergeldbezug (vorzeitiges Ende im Hinblick auf die Zeugnissausstellung vom 16. Juni 2006) zur Verwaltungsakte. Des Weiteren zeigte die Ast

ihre Arbeitsaufnahme als Kundenberaterin (Call-Center) bei der Fa A ab dem 17. November 2006 in Teilzeit (regelmäßige wöchentliche Stundenzahl: 20) zu einem Bruttoentgelt von 7,80 EUR pro Stunde an. Mit Schreiben vom 29. November 2006 teilte die Ageg. der Mutter der Ast mit, über den Antrag könne wegen des Fehlens von Unterlagen bzw. Angaben noch nicht entschieden werden. So seien Nachweise zur Beendigung des Ausbildungsverhältnisses für die Ast, das Scheidungsurteil, Unterlagen zu Spareinlagen, Lebensversicherung und Krankenversicherung sowie die Kontoauszüge ab Juni 2006 vorzulegen. Der Antrag auf Gewährung von Leistungen müsse zudem von der Mutter gestellt werden, da die Ast. noch nicht 25 Jahre alt sei. Dies ergebe sich aus der zum 01. Juli 2006 in Kraft getretenen Gesetzesänderung. Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 27. November 2006, begehrte die Ast. unter Fristsetzung eine unverzügliche Entscheidung über ihren Antrag sowie die Gewährung von Leistungen. Es sei rechtsfehlerhaft, von einer Bedarfsgemeinschaft mit der Mutter auszugehen. Ebenso wenig liege eine Haushaltsgemeinschaft vor, denn ihre Mutter habe ernsthaft erklärt, keinen Unterhalt mehr zu leisten.

Am 09. Januar 2007 hat die Ast beim Sozialgericht (SG) Berlin Klage erhoben und beantragt, die Ageg zu verurteilen, ihr ab dem 05. Juli 2006 Alg II ausgehend von einer eigenständigen Bedarfsgemeinschaft zu gewähren und für Juli 2006 544,35 EUR sowie für die Monate August 2006 bis Januar 2007 jeweils 625,00 EUR – unter Anrechnung des Einkommens aus der kurzzeitigen Beschäftigung – auszuzahlen. Des Weiteren hat sie beantragt, die Ageg im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr auf diese Forderung einen Vorschuss iHv 3.000,00 EUR sofort auszuzahlen, und ihr sowohl für die Hauptsache als auch für das Einstweilige Rechtsschutzverfahren Prozesskostenhilfe (Pkh) unter Beiordnung ihres Bevollmächtigten zu bewilligen. Der Antrag auf Gewährung von Alg II vom 04. Juli 2006 sei bis heute unbearbeitet geblieben, so dass eine Untätigkeitsklage nach § 88 Sozialgerichtsgesetz (SGG) geboten sei. Ihr stehe aber der Regelsatz iHv 345,00 EUR sowie als Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) ein Betrag iHv 280,00 EUR monatlich zu. Die Höhe der Unterkunftskosten ergebe sich aus einem Untermietvertrag, der mit Wirkung ab 01. Juli 2006 zwischen ihr und ihrer Mutter geschlossen worden sei. Vom 17. November bis zum 09. Dezember 2006 sei sie bei der Fa A beschäftigt gewesen und habe 210,00 EUR an Einkommen erzielt. Davon seien ca. 88,00 EUR nach dem SGB II anrechenbar. Ihre Mutter sei selbst nicht bedürftig, da sie als Erzieherin über ein kleines Einkommen von rund 1.340,00 EUR netto verfüge. Der Kommentierung zu § 7 SGB II (Eicher/Spellbrink) sei zu entnehmen, dass ihre Mutter nur dann zur Bedarfsgemeinschaft der Ast gehören würde, wenn sie selbst erwerbsunfähig und deshalb hilfebedürftig sei. Allenfalls sei eine Haushaltsgemeinschaft nach § 9 Abs 5 SGB II zu prüfen. Es sei nicht die Absicht des SGB II-Gesetzgebers gewesen, eine besondere – sozialrechtliche - gesteigerte Unterhaltspflicht von Eltern gegenüber ihren volljährigen Kindern zu schaffen, die über die familienrechtlichen Unterhaltspflichten hinausgehe. Nach Abschluss ihrer Ausbildungen habe sie - die Ast - keinen Unterhaltsanspruch mehr gegen ihre Mutter. Ebenso wenig liege eine Haushaltsgemeinschaft vor, da die Mutter mehrfach erklärt habe, ihr keinen Unterhalt leisten zu können und zu wollen. Es bestehe ein reiner Untermietvertrag, wonach die Ast ein Drittel der Wohnungsmiete zu tragen habe. Da ihre Mutter im Hinblick auf die Mietrückstände gedroht habe, außerordentlich und fristlos zu kündigen und eine Räumungsklage zu erheben, bestehe höchste Eile. Zudem befinde sie sich wegen der monatelangen Vorenthaltung von Alg II in einer äußerst prekären finanziellen Situation, sie habe diese Zeit nur durch private Verschuldung/Kredite überbrücken können. Zur Glaubhaftmachung ihres Vortrages hat die Ast eine eidesstattliche Versicherung der Mutter R H vom 28. Dezember 2006 und eine Kopie des an die Ast gerichteten Schreibens vom 28. Dezember 2006 mit der Aufforderung, das "untergemietete Zimmer bis zum 31. Januar 2007 zu räumen", beigefügt. Des Weiteren hat die Ast mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 30. Januar 2006 und Vorlage eines Mietangebotes bei der Ageg beantragt, den Umzug in eine eigene Wohnung zu genehmigen und ihr die Umzugskosten sowie die Kosten der Erstausstattung zu zahlen.

Das SG Berlin hat durch Beschluss vom 31. Januar 2007 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sowie die Gewährung von PKH abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, soweit Leistungen für die Zeit vor Antragstellung bei Gericht geltend gemacht werden, bestehe schon kein Anordnungsgrund, da es der Ast in der Vergangenheit offensichtlich gelungen sei, ihren Lebensunterhalt zu sichern. Für den Zeitraum ab dem 09. Januar 2007 bestehe kein Anordnungsanspruch, da die Ast mit ihrer erwerbstätigen Mutter eine Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II bilde. Daher sei das Einkommen der Mutter bei Bestimmung der Hilfebedürftigkeit zu berücksichtigen, diese sei jedoch in der Lage, ihren wie auch den Bedarf der Ast aus dem Erwerbseinkommen zu decken. Von der monatlichen Gesamtmiete sei der anteilige Unterkunftskostenbetrag für die 1981 geborene Tochter von 252,09 EUR abzuziehen, so dass der Bedarfsgemeinschaft – ausgehend von einem Nettoentgelt von 1.401,67 EUR (August 2006) und einer monatlichen Restmiete von 585,94 EUR ein Betrag von 815,73 EUR zur Deckung der allgemeinen Lebenshaltungskosten verbleibe. Hilfebedürftigkeit nach § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II liege daher nicht vor. Dementsprechend sei auch der Antrag auf Gewährung von PKH abzulehnen.

Mit ihrer Beschwerde, der das SG nicht abgeholfen sondern dem Landessozialgericht zur Entscheidung vorgelegt hat, verfolgt die Ast. ihr Begehren weiter. Sie trägt vor, die Mutter habe sie der Wohnung verwiesen. Deshalb habe sie vom 01. Februar bis 11. Februar 2007 abwechselnd bei Freundinnen übernachtet; diese stünden als Zeuginnen zur Verfügung. Zudem habe die Mutter das Zimmer in der Z wie folgt annonciert: "Biete kleines Zimmer in M, renovierungsbedürftig, Nichtraucherin, Nichttrinkerin, Festpreis: 280,00 EUR" (erschienen in der Kioskausgabe vom 13. Februar 2007 und am gleichen Tag online im Anzeigenmarkt). Grundsätzlich wäre die Mutter bereit, mit ihr in einer Wohngemeinschaft zu wohnen, jedoch nur wenn die Ageg der Ast Alg II in der beantragten Höhe leisten würde. Auf ihre beim Amtsgericht Pa/W erhobene Unterhaltsklage ( F ) habe die zuständige Richterin, wie aus der beigefügten Kopie des Schreibens vom 14. Februar 2007 ersichtlich sei, den Hinweis erteilt, dass Bedenken gegen die erhobene Klage im Hinblick darauf bestünden, weil sie – die Ast – nicht mehr in der Ausbildung sei, und eine Rücknahme der Klage angeregt.

Der Ageg ist Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden, sie hält eine Aufhebung der Haushaltsgemeinschaft allein durch Übernachtungen bei Freundinnen noch nicht für belegt, zumal die Ast. nach wie vor bei der Mutter polizeilich gemeldet sei. An der Ernsthaftigkeit der von der Mutter demonstrierten Untervermietungsabsicht beständen im Hinblick auf Fassung bzw. Inhalt (Preisvorstellung, Größe des Raums nicht angegeben und zusätzlich renovierungsbedürftig) der Annonce erhebliche Zweifel. Schließlich könnten zu diesen Konditionen in B auch Ein-Zimmer-Wohnungen angemietet werden.

Bei der Entscheidungsfindung haben neben der Gerichtsakte auch die Verwaltungsakte der Beklagten vorgelegen.

II.

Die frist- und formgerecht eingelegten Beschwerden gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 31. Januar 2007, in dem die Anträge der Ast auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und auf Bewilligung von PKH abgelehnt worden sind, sind zwar statthaft (§ 172 SGG), jedoch unbegründet. Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG kann das Gericht zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Ein Anordnungsanspruch - die Rechtsposition, deren Durchsetzung im Hauptsacheverfahren beabsichtigt ist – sowie der Anordnungsgrund – die Eilbedürftigkeit der begehrten sofortigen Regelung – sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 4 SGG iVm § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO)). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung in der jeweiligen Instanz; im Beschwerdeverfahren kommt es hiernach auf den Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung an.

Soweit die Ast vor dem SG die Gewährung von Alg II ab dem 05. Juli 2006 im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes begehrt hat und damit für im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats bzw. des SG bereits abgelaufene Zeiträume, steht ihr schon kein Anordnungsgrund zur Seite, da derartige Ansprüche nach der ständigen Rechtsprechung des Senats grundsätzlich nur in einem Hauptsacheverfahren zu klären sind. Denn Aufgabe einstweiligen Rechtsschutzes der vorliegenden Art ist es, eine akute Notlage zu beseitigen, denn nur dann kann von einem wesentlichen Nachteil gesprochen werden, den es abzuwenden gilt und bei dem ein Abwarten bis zur Entscheidung in der Hauptsache nicht zuzumuten wäre. Nur ausnahmsweise kann eine Fallgestaltung gegeben sein, in der die sofortige Verfügbarkeit von Geldleistungen für die Vergangenheit zur Abwendung eines gegenwärtigen drohenden Nachteils erforderlich ist.

Abgesehen davon, dass ein besonderer Nachholbedarf hinsichtlich der für Zeiträume vor Februar 2007 geltend gemachten Leistungen von der Ast nicht glaubhaft gemacht worden ist - insoweit ist die pauschale Behauptung einer sofortigen Fälligkeit der im Einzelnen (nach Höhe, Gebern und Konditionen) weder dargelegten noch nachgewiesenen Darlehen nicht ausreichend - fehlt es auch an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruches.

Anspruch auf Alg II (§§ 19, 20, 22 SGB II) haben gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II Personen, bei denen neben den unter Nrn. 1, 2 und 4 genannten Voraussetzungen – die hier nicht streitig sind – u.a. Hilfebedürftigkeit (Nr. 3) besteht. Vorliegend ist eine Hilfebedürftigkeit der Ast i.S.v. § 7 Abs. 1 Nr. 3 SGB II i.V.m. § 9 SGB II jeweils i.d.F. des Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und andere Gesetze vom 24. März 2006 (BGBl I S 558; im Folgenden ohne Zusatz zitiert) nicht glaubhaft gemacht. Ob die Ast hilfebedürftig ist, beurteilt sich nicht nur nach ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen, die für den streitigen Zeitraum noch nicht abschließend geklärt werden konnten, da von der Ast weder die Fragen der Ageg nach Sparvermögen beantwortet noch die angeforderten Kontoauszüge, Gehaltsabrechnungen etc vorgelegt worden sind. Maßgeblich sind auch die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Mutter der Ast, auch wenn diese ein Einkommen aus Erwerbstätigkeit hat, das ihre Hilfebedürftigkeit als Einzel¬person ausschließt. Denn nach § 9 Abs. 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunter¬halt und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Person nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, u.a. nicht aus dem zu berück¬sich¬tigenden Einkommen (§ 11 SGB II), sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen erhält. Insbesondere ist bei unverheirateten Kindern, die mit einem Elternteil in einer Bedarfsgemeinschaft leben und die die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht aus ihrem eigenen Einkommen oder Vermögen beschaffen können, auch das Einkommen und Vermögen der Eltern oder des Elternteils zu berücksichtigen (§ 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II). Grundsätzlich gilt jede Person der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf als hilfebedürftig, soweit in der Bedarfsgemeinschaft nicht der gesamte Bedarf aus eigenen Kräften und Mitteln gedeckt ist (§ 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II).

Welche individuellen Einzelleistungsansprüche (dazu Senatsurteil vom 09. Mai 2006 – L 10 AS 1093/05 -, abrufbar unter sozialgerichtsbarkeit.de) der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft begründet sind, ist dementsprechend bei bestehender Bedarfsgemeinschaft zu ermitteln, indem der Summe des Hilfebedarfs der die Bedarfsgemeinschaft bildenden Personen das ("bereinigte", einzusetzende) Einkommen und Vermögen gegenüber gestellt wird und das ggf. verbleibende Defizit (der vom Träger zu deckende Bedarf) den Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft anteilig zugeordnet wird. Insoweit können auch bei entsprechender Antragstellung realisierbare Ansprüche der Mutter der Ast begründet sein, wenn das Einkommen und Vermögen der Mutter nicht den Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft sichert (so genannte fiktive Hilfebedürftigkeit vgl. dazu BSG Urteile vom 07. November 2006 – B 7b AS 8/06 R und B 7b AS 10/06 R – veröffentlicht in Juris). Dabei ist es im Ergebnis nicht von Belang, ob die Bedarfsgemeinschaft ausgehend von der Mutter der Ast gebildet wird (§ 7 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. Abs. 3 Nr. 4 SGB II) oder ob die Ast als erwerbsfähige Hilfebedürftige (§ 7 Abs.3 Nr. 1 SGB II) angesehen wird und ihre Mutter nach § 7 Abs. 3 Nr. 2 SGB II als Mitglied der Bedarfsgemeinschaft erfasst wird, in jedem Fall sind einerseits der Bedarf und andererseits das Einkommen und Vermögen beider maßgebend dafür, ob und ggf. in welcher Höhe Leistungsansprüche bestehen.

Ob eine Bedarfsgemeinschaft zwischen Eltern und unverheirateten Kindern, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, besteht, hängt nach § 7 Abs. 3 Nr. 2 und Nr. 4 SGB II davon ab, ob die Beteiligten in einem Haushalt leben bzw. einem Haushalt angehören. Wenn zwischen engen Verwandten eine Haushaltsgemeinschaft besteht, reicht dieser Sachverhalt aus, eine Bedarfsgemeinschaft zu begründen. Die Feststellung weiterer subjektiver Tatsachen ist in diesem Zusammenhang nicht erforderlich. Anders als etwa dann, wenn es um die Voraussetzungen einer eheähnlichen Gemeinschaft geht und es der Feststellung bedarf, ob innere Verbindungen vorliegen, die ein gegenseitiges füreinander Einstehen begründen, ist nach der gesetzlichen Regelung unter engen Verwandten, die zusammen leben, allein der Bestand einer Haushaltsgemeinschaft notwendig, um die Bedarfsgemeinschaft als konstituiert anzusehen.

Davon ausgehend ist hier zunächst mit dem Untermietverhältnis kein Sachverhalt vorgetragen, der – die entsprechende Tatsachenlage unterstellt – rechtlich als Beendigung der Haushaltsgemeinschaft, die jedenfalls bestanden hat, solange sich die Ast noch in Ausbildung befand, zu würdigen wäre. Der Abschluss eines Untermietvertrages besagt für sich betrachtet nicht mehr, als dass eine rechtliche Grundlage für die Überlassung des Zimmers geschaffen wird. Diese erfolgt entgeltlich und zu den ggf. ansonsten festgelegten Bedingungen. Veränderte Verhältnisse bezüglich einer gemeinsamen Haushaltsführung folgern hieraus noch nicht. Zwar kann ein solcher Untermietvertrag als Element des Bemühens anzusehen sein, die Beteiligung der Ast an den Haushaltskosten neu und verbindlich zu organisieren. Allein durch den Vertrag – selbst wenn er durchgeführt worden sein sollte – tritt aber keine Veränderung der Verhältnisse in dem Sinne ein, dass aus einem Haushalt zwei werden. Für eine solche grundlegende Änderung, die im Übrigen je nach dem persönlichen und durch die (Wohn-) Verhältnisse begründeten Gegebenheiten nicht immer möglich (und häufig nicht zwingend darstellbar) sein wird, ist nichts weiter vorgetragen oder ersichtlich. Auch für sich genommen ist die Darstellung des Untermietverhältnisses als ein bereits seit Juli 2006 begründeter Sachverhalt wenig überzeugend. Bei Stellung des Alg II- Antrages und Darlegung der KdU im Juli 2006 sowie bei Einreichung der Belege (Mietvertrag für die elterliche Wohnung, Mietberechnung ab März 2006, Einkommensnachweise für die Mutter) im Herbst 2006 als auch in dem anwaltlichen Schreiben vom 27. November 2006 findet weder das erstmals bei Erhebung der Klage behauptete "seit Ende Juni 2006 bestehende Untermietverhältnis mit einem Mietzins von 280,00 EUR monatlich" eine Erwähnung, noch wurde ein entsprechender Untermietvertrag vorgelegt. Stattdessen wurde von der Ast. bei Stellung ihres Antrages angegeben, mit der Mutter und der Schwester in einem Haushalt zu leben, und es wurden in der Folgezeit die gesamten Kosten der gemeinschaftlich genutzten Wohnung belegt. Der Senat hält daher ein seit Ende Juni 2006 bestehendes Mietverhältnis im Sinne der Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) nicht für überwiegend wahrscheinlich. Es drängt sich vielmehr der Eindruck auf, dass allein zum Zwecke des Klage- und einstweiligen Rechtsschutzverfahrens durch das zeitgleich mit der eidesstattlichen Versicherung der Mutter der Ast vom 28. Dezember 2006 aufgesetzte "Kündigungsschreiben" ein Untermietverhältnis rückwirkend konstruiert werden sollte; dies zumal die eidesstattliche Versicherung der Mutter der Ast vom 28. Dezember 2006 nicht die Bekundung enthält, der Untermietvertrag sei im Juni oder Juli 2006 geschlossen worden.

Eine Auflösung der Haushaltsgemeinschaft zwischen der Ast. und ihrer Mutter Anfang Februar 2007 ist nicht glaubhaft gemacht. Unter Beweis gestellt ist insoweit nur der Umstand, dass die Ast. in der Zeit von 01. bis zum 11. Februar 2007 bei verschiedenen Freundinnen übernachtet hat. Welchen Grund dies Verhalten hat, das zwar ungewöhnlich ist, aber nach dem Lebensalter der Ast und der typischen Ausgestaltung freundschaftlicher Beziehungen zu Gleichaltrigen nicht zwingend auf einem außergewöhnlichen Ereignis ("Rausschmiß") beruhen muss, ist nicht weiter belegt worden. Eine authentische Äußerung der Ast oder ihrer Mutter in Form einer eidesstattlichen Versicherung ist hierzu nicht beigebracht worden, wobei – dies zeigt die eidesstattliche Versicherung der Mutter vom 28. Dezember 2006 – sehr wohl bekannt ist, dass der Anspruch durch eine Erklärungen der Ast wie ihrer Mutter (in diesem Verfahren als Zeugin) gestützt werden kann und muss, und dass es dabei auf jedes Wort ankommt. Zudem verwundert, dass der Vortrag, den der Bevoll¬mächtigte bereits am 11. Februar 2007 als Ausdruck einer "sehr zugespitzten Situation" verstanden wissen wollte, im nachgehenden Schriftsatz nicht mehr aufgegriffen wird und keinerlei Erwähnung findet, wo und wie die Ast in der Folgezeit untergekommen ist. Im Tatsächlichen bleibt festzuhalten, dass nur eine dauerhafte Auflösung der Haushalts¬gemeinschaft das Bestehen einer Bedarfsgemeinschaft beenden würde. Dass aber die Ast ihr Zimmer geräumt hätte und nunmehr mit ihrer Bekleidung und den wesentlichen Haushaltsgegen¬ständen in ständig wechselnden Unterkünften lebt, wird nicht geltend gemacht und erscheint auch wenig nahe liegend.

Soweit von der Ast die in § 7 Abs. 3 Nrn. 1 und 4, § 9 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 SGB II normierte, über die elterliche Unterhaltspflicht hinausgehende Einstandspflicht von Eltern für im Haushalt lebende volljährige Kinder gerügt wird, sind erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken in dem Sinne, dass auch im einstweiligen Rechtsschutzverfahren hierüber abschließend zu befinden wäre, nicht erkennbar. Die Einkommens- und Vermögensberücksichtigung nach § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II ist eine Regelung des öffentlichen Rechts, die nicht an bürgerlich-rechtliche Unterhaltspflichten anknüpft. Deshalb ist auch der unterhaltsrechtliche Selbstbehalt für die Ermittlung des zu berücksichtigenden Einkommens innerhalb der Bedarfsgemeinschaft ohne Bedeutung (vgl. zum früheren Bundessozialhilfegesetz: Bayerischer VGH, Urteil vom 16. Januar 2002 – 12 CE 01.2310 – und VGH Baden-Württemberg Urteil vom 24. März 1998 – 6 S 354/97 - mwN; jeweils veröffentlicht in Juris). Zudem ist von der Ast bisher auch nicht hinreichend dargetan, dass ein zivilrechtlicher Anspruch nach §§ 1601 ff BGB unter jedem denkbaren Gesichtspunkt ausgeschlossen ist. Allein der pauschale Hinweis auf die Beendigung der Ausbildung genügt dem noch nicht, da in der zivilrechtlichen Rechtsprechung auch ein nachgehender Zeitraum zur Arbeitsplatzsuche zugestanden wird (vgl. Nachweise bei Palandt, BGB, 63. Aufl, RdNr 22 zu § 1610).

Ausgehend von einer Bedarfsgemeinschaft der Ast und ihrer Mutter und des bisher belegten Nettoeinkommens i.H.v. 1.401,67 EUR monatlich (August 2006) käme (zumindest für die Zeit, in der die Ast über keinerlei eigenes Einkommen verfügt) zwar ein geringfügiger Alg II-Leistungsanspruch sowohl für die Ast als auch deren Mutter an Hand folgender überschlägiger Prüfung in Betracht: Von dem monatlichen Nettoeinkommen sind zunächst der Grundfreibetrag (§ 11 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 3 bis 5, Satz 2 SGB II) i.H.v. 100,00 EUR sowie die weiteren Freibeträge nach § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 SGB II i.V.m. § 30 SGB II i.H.v. 140,00 EUR (20 v.H. des 100,00 Euro übersteigenden Bruttoeinkommens bis 800,00 EUR, § 30 Satz 2 Nr. 1 SGB II) und 40,00 EUR (10 v.H. des 800,00 Euro übersteigenden Bruttoeinkommens bis 1.200,00 EUR, § 30 Satz 2 Nr. 2 SGB II) abzusetzen, so dass als einsetzbares Einkommen ein Betrag von 1.121,67 EUR verbleibt; dem steht als Gesamtbedarf ein Betrag von 1.167,69 EUR gegenüber, der sich aus der Regelleistung für die Mutter i.H.v. 345,00 EUR (§ 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II) und für die Ast i.H.v. 276,00 EUR (§ 20 Abs. 2 Satz 2 SGB II) sowie den anteiligen KdU i.H.v. 546,69 EUR (zwei Drittel der Miete einschließlich Nebenkosten und ohne Warmwasseraufbereitungskosten (838,03 EUR – 18,00 EUR = 820, 03 EUR)) zusammensetzt. Selbst wenn man mit der Ageg als KdU pro Kopf nur einen Betrag von 252,09 EUR wie bei der älteren Schwester der Ast berücksichtigen würde, ergäbe sich bei einem Gesamtbedarf i.H.v. 1.125,18 EUR noch ein ungedeckter Bedarf, der als Einzelanspruch der Ast und der Mutter jeweils im Verhältnis ihres individuellen Bedarfs zum Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft zuzuordnen wäre. Auch ist die von der Ageg vertretene Auffassung, ein Antrag auf Alg II könne für die Bedarfsgemeinschaft nur durch die Mutter der Ast wirksam gestellt werden, nicht mit der gesetzlichen Regelung des § 38 SGB II vereinbar. Denn bei den Ansprüchen nach dem SGB II handelt es sich um Individualansprüche, deren verwaltungsverfahrensrechtliche und gerichtliche Geltendmachung von jedem Mitglied der Bedarfsgemeinschaft für sich selbst betrieben werden kann bzw. (vor Gericht) muss (ständige Rspr. des Senats – vgl. Urteil vom 09. Mai 2006 – L 10 AS 1093/05 -, BSG Urteil vom 07. November 2006 – B 7b AS 8/06 R -; jeweils aaO). Jedoch sieht der Senat derzeit auch eine Hilfebedürftigkeit in diesem – geringfügigen – Umfang nicht als glaubhaft gemacht an, weil die Ast und ihre Mutter trotz entsprechender Aufforderungen der Ageg die Einkommens- und Vermögensverhältnisse nicht umfassend offen gelegt haben.

Im Hinblick darauf, dass aus den zuvor genannten Gründen sowohl vor dem SG als auch im Beschwerdeverfahren die Rechtsverfolgung der Ast ohne hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinne von §§ 73 a SGG, 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO war bzw. ist, ist die Ablehnung von PKH durch das SG im angefochtenen Beschluss vom 31. Januar 2007 nicht zu beanstanden. Ebenso wenig kommt die Gewährung von PKH für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung des Prozessbevollmächtigten der Ast in Betracht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG in entsprechender Anwendung. Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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