Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 7 AL 173/00
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 10 AL 403/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Würzburg vom 02.09.2004 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen den Umgang der Beklagten mit ihren Sozialdaten.
Die Klägerin meldete sich am 19.07.1999 bei der Geschäftsstelle der Beklagten in S. arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Arbeitslosengeld.
In dem Antrag hatte sie angegeben, dass sie weiterhin berufsunfähig sei, die entsprechenden Rentenzahlungen der BfA jedoch derzeit eingestellt seien und ein Klageverfahren vor dem Sozialgericht laufe. In diesem Zusammenhang erteilte die Klägerin der Beklagten eine Entbindungserklärung von der Schweigepflicht zur Beiziehung ärztlicher Unterlagen.
Am 22.07.1999 ging bei der Beklagten eine schriftliche Veränderungsmitteilung der Klägerin vom 20.07.1999 ein, in der diese - unter Bezugnahme auf ein mit Herrn K. , einem Bediensteten der Beklagten, am 20.07.1999 geführtes Telefongespräch - mitteilte, weiterhin arbeitsunfähig zu sein. Gleichzeitig widerrief die Klägerin schriftlich die Entbindungserklärung von der Schweigepflicht.
Nachdem die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 22.07.1999 mitgeteilt hatte, dass über deren Leistungsantrag nicht entschieden werden könne, da eine ärztliche Untersuchung erforderlich sei, teilte diese mit Schreiben vom 28.07.1999 der Beklagten mit, dass sie sich bereits am 20.07.1999 abgemeldet und ihren Arbeitslosengeldantrag zurückgenommen habe.
Am 28.09.1999 erkundigte sich der Ärztliche Dienst der Beklagten bei der Klägerin, ob das Einverständnis erteilt wird, die Unterlagen der Beklagten - u.a. ein Gutachten der BfA vom 26.07.1999 (Dr.S.) - an die Versorgungsverwaltung zu übersenden.
Die Klägerin machte daraufhin gegenüber der Beklagten geltend, dass sie ihre Schweigepflichtentbindungserklärung bereits am 20.07.1999 telefonisch widerrufen habe und damit die Erhebung der Sozialdaten in rechtswidriger Weise erfolgt sei.
Mit Schreiben vom 13.10.1999 teilte der Ärztliche Dienst der Beklagten der Klägerin mit, dass man am 20.07.1999 einen Begutachtungsauftrag vom zuständigen Arbeitsvermittler der Klägerin, Herrn K. , erhalten habe, der vom 19.07.1999 datiert war und dem eine Entbindungserklärung von der Schweigepflicht zur Beiziehung ärztlicher Unterlagen beigefügt war. Dementsprechend seien daher am 21.07.1999 ärztliche Unterlagen des Rentenversicherungsträgers, der BfA, angefordert worden. Die Rücknahme der Schweigepflichtentbindungserklärung sei erst am 22.07.1999 eingegangen.
Wegen dieses Vorganges erhob die Klägerin am 17.11.1999 beim Direktor des Arbeitsamtes S. und am 19.01.2000 beim Präsidenten der Bundesanstalt für Arbeit Dienstaufsichtsbeschwerde und am 02.12.1999 Beschwerde beim Bundesbeauftragten für den Datenschutz.
Das für die Bearbeitung der Dienstaufsichtsbeschwerde zuständige Landesarbeitsamt Bayern teilte der Klägerin mit Schreiben vom 07.04.2000 mit, dass der schriftliche Widerruf der Schweigepflichtentbindungserklärung am 22.07.1999 bei der Beklagten eingegangen und erst am 04.08.1999 an den Ärztlichen Dienst weitergeleitet worden sei. Zu diesem Zeitpunkt seien die Unterlagen der BfA jedoch schon angefordert gewesen, wobei eine Stornierung der Anforderung nicht in Betracht gezogen worden sei, weil man davon ausgegangen war, dass sich die Unterlagen bereits auf dem Postweg befänden.
Nachdem die Unterlagen der BfA am 09.09.1999 bei der Beklagten eingegangen waren, habe lediglich Dr.S. vom Ärztlichen Dienst der Beklagten Kenntnis von diesen Unterlagen genommen, wobei die beigezogenen Befundberichte weder ausgewertet noch weitergegeben worden seien. Auch seien diese Unterlagen zwischenzeitlich vernichtet. Die Beklagte räumte ein, dass aufgrund des fehlerhaften Postlaufes keine umgehende Information des Ärztlichen Dienstes erfolgt sei und bat dieses Versehen zu entschuldigen.
Am 14.04.2000 hat die Klägerin gegen die Bundesanstalt für Arbeit - Landesarbeitsamt Bayern - und andere in Betracht kommende Stellen Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhoben und beantragt: 1) Die Beklagten werden verurteilt, Rechenschaft abzulegen und zwar ohne jegliche Versuche der Rechtsbeugung und Strafvereitelung. 2) Die Beklagten werden verurteilt, alle Schritte zu unterlassen, die zu Nachteilen der Klägerin und deren Zeugen 3) führen. Die Beklagten werden verurteilt, die Übermittlung von auf die Klägerin personenbezogenen geschützten Sozialdaten zu unterlassen. 4) Die Beklagten werden verurteilt, falsche Sozialdaten richtigzustellen. 5) Die Beklagten werden verurteilt, alle Schriftwechsel offenzulegen, die mit der Bundesversicherungsanstalt (BfA) Berlin, dem Amt für Versorgung (AVF) W. - Versorgungsamt - und allen in Betracht kommenden Stellen geführt wurden. 6) Die Beklagten werden verurteilt, der Klägerin Schmerzensgeld zu zahlen. 7) Die Beklagten werden verurteilt, die Übermittlung von auf Zeugen der Klägerin bezogene Daten grundsätzlich zu unterlassen. 8) Die Beklagten werden verurteilt, die Übermittlung von auf die Klägerin bezogene medizinische Daten grundsätzlich zu unterlassen. 9) Die Beklagten werden verurteilt, bezogen auf die Klägerin und deren Zeugen Artikel 1 und 2 Grundgesetz einzuhalten.
Sie vertrat die Auffassung, dass die Beklagte die ärztlichen Unterlagen in grob rechtswidriger Weise beigezogen und missbraucht hätte, wodurch ihr ein erheblicher Schaden entstanden sei.
Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 02.09.2004 als unzulässig abgewiesen und ausgeführt, dass in Bezug auf die gestellten Anträge ein Rechtsschutzbedürfnis nicht zu erkennen sei, da die Beklagte sich vollständig zu den datenschutzrechtlich relevanten Vorgängen geäußert habe und auch ohne Verurteilung verpflichtet sei, sich an die geltenden Gesetze zu halten und Sozialdaten nur zweckentsprechend - unter Beachtung der gesetzlichen Einschränkungen - zu erheben. Auch sei nicht ersichtlich, welche falschen Sozialdaten die Beklagte richtigstellen solle. Soweit die Klägerin Schadensersatz und Schmerzensgeld geltend gemacht hatte, hat sich das SG für sachlich unzuständig angesehen.
Die Klägerin hat gegen diesen Gerichtsbescheid am 06.10.2004 Berufung eingelegt und vorgebracht, dass sich die Beklagte in rechtswidriger Weise Sozialdaten beschafft habe und dass das SG die gerichtlichen und außergerichtlichen Anträge auf Bescheidungsklage und Zusammenhangsklage mit dem sozialgerichtlichen Verfahren S 12 RA 212/00 nicht berücksichtigt habe. Eine Korrektur des Gerichtsbescheides hat das SG - trotz eines Antrages vom 29.09.2004 - nicht vorgenommen.
Die Klägerin beantragt daher, a) die Beklagte zum Erlass eines Ablehnungsbescheides zu verpflichten, aus dem hervorgeht, dass Frau K. H. ab bzw. seit 19.07.1999 keine Leistungen vom Arbeitsamt bzw. von der Bundesagentur für Arbeit zustehen, zumal die Betreffende dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung steht. Es besteht grundsätzlich rechtlich und gesetzlich Anspruch auf Erlass eines unterlassenen Verwaltungsaktes. b) Wiederholte Beantragung bezieht sich hiermit auch auf ein sogenanntes "Bescheidungsurteil". c) Der Antrag auf "Zusammenhangsklage" insbesondere S 12 RA 212/00 mit S 7 AL 173/00 wird ebenfalls wiederholt gestellt. Auf die bisherigen Anträge wird verwiesen. Besonders auf den Antrag auf Unterlassung von Rechtsmissbrauch. d) Dito Antrag hiermit wiederholt gestellt.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend. Im Übrigen erklärte die Beklagte - im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 16.11.2006 zu Protokoll -, dass sie einer Klageerweiterung nicht zustimmt, soweit beantragt wird, die Beklagte zum Erlass eines Ablehnungsbescheides zu verurteilen. Auch stimme sie einer Klageerweiterung in Bezug auf eine Zusammenhangsklage und einem Bescheidungsurteil nicht zu.
Zum Vorbringen der Beteiligten im Einzelnen und zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt des beigezogenen Aktenvorgangs der Beklagten, die Akten des SG Würzburg und des Bayer. Landessozialgerichts sowie auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 153 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) ist zulässig.
Soweit der Erlass eines Ablehnungsbescheides, ein "Bescheidungsurteil" und eine "Zusammenhangsklage" begehrt werden, sind die Berufungsanträge - Anträge zu a) bis c) - als Klageerweiterung unzulässig. Im Übrigen ist die Berufung - Antrag zu d) - unter Bezugnahme auf die erstinstanzlichen Anträge - dort Anträge zu 1) bis 9) - unbegründet.
Eine Änderung der Klage ist nur zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält, § 99 Abs 1 SGG.
In der Berufungsinstanz ist - im Rahmen einer im Übrigen zulässigen Berufung - wie in erster Instanz eine Klägeänderung möglich (vgl Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 8.Aufl zu § 99 RdNr 12).
Die von der Klägerin im Berufungsschriftsatz vom 03.10.2004 gestellten Anträge zu a) bis c) sind als Klageänderung anzusehen, da sie weder die tatsächlichen oder rechtlichen Ausführungen des erstinstanzlichen Verfahrens ergänzen oder berichtigen (§ 99 Abs 3 Nr 1 SGG), noch den erstinstanzlichen Klageantrag in der Hauptsache oder in Bezug auf die Nebenforderungen erweitern oder beschränken (§ 99 Abs 3 Nr 2 SGG) oder statt der ursprünglich geforderten Leistung wegen einer später eigetretenen Änderung eine andere Leistung fordern (§ 99 Abs 3 Nr 3 SGG), sondern ein neues Klagebegehren darstellen, das erstinstanzlich nicht geltend gemacht worden war.
Der Senat hält diese Klageänderung auch nicht für sachdienlich, weil sich die Klägerin bisher lediglich gegen den Umgang der Beklagten mit ihren Sozialdaten gewandt hatte und die nunmehr vorgebrachten Anträge den Rechtsstreit auf eine neue Grundlage stellen würden. Die Beklagte hatte insoweit auch noch keine Gelegenheit über das Begehren der Klägerin - einen ablehnenden Bescheid zu erteilen - zu entscheiden, so dass bereits zweifelhaft erscheint, ob die Prozessvoraussetzungen für einen derartigen Antrag vorliegen. Darüberhinaus ist im Hinblick auf das prozessuale Verhalten der Klägerin nicht zu erwarten, dass durch eine Entscheidung in der Sache der Streit zwischen den Beteiligten in diesem Verfahren beigelegt und endgültig bereinigt werden kann.
Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung am 16.11.2006 einer Klageänderung nicht zugestimmt und der Berufungserwiderungsschriftsatz vom 11.11.2004 ist auch nicht dahingehend zu verstehen, dass sich die Beklagte widerspruchslos auf die geänderte Klage eingelassen hätte (§ 99 Abs 2 SGG). Die Beklagte hat sich in diesem Zusammenhang zu den neuen Berufungsanträgen nicht geäußert, sondern zur Begründung lediglich auf die Entscheidungsgründe der erstinstanzlichen Entscheidung und den Klageerwiderungsschriftsatz vom 28.07.2000 Bezug genommen. Eine Stellungnahme zu den Berufungsanträgen a) bis c) erfolgte nicht.
Soweit die Klägerin Bezug nimmt auf ihre bisherigen Anträge aus dem Klageverfahren vor dem SG ist die Berufung unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Hinsichtlich der dortigen Anträge 2), 3), 7), 8) und 9) war die Klage unzulässig, da die dort vorgebrachten Begehren allenfalls als Leistungsklage in Form der vorbeugenden Unterlassungsklage angesehen werden konnten. Eine derartige Unterlassungsklage setzt jedoch ein qualifiziertes d.h. gerade auf die Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes gerichtetes Rechtsschutzinteresse voraus, das jedoch in aller Regel solange nicht angenommen werden kann, solange eine Amtshandlung oder deren Wiederholung nicht zu erwarten oder ernstlich zu befürchten ist (vgl Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 8.Aufl, § 54 RdNr 42a). Hierzu hat die Klägerin nichts vorgetragen, so dass die Klage in Bezug auf diese Anträge mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig war.
Die Klageanträge 1) und 5) vor dem SG waren dahingehend auszulegen, dass die Klägerin ein Leistungsbegehren im Sinne eines Informationsanspruches gegenüber der Beklagten im Wege der allgemeinen Leistungsklage nach § 54 Abs 5 SGG geltend gemacht hat. Einem derartigen Begehren fehlte es jedoch ebenfalls am Rechtsschutzbedürfnis, da die Klägerin dieses Informationsbedürfnis auf einfachere Weise durch die Wahrnehmung ihres Rechtes auf Akteneinsicht, § 25 SGB X, erfüllen konnte.
Grundsätzlich haben die Gerichte die Aufgabe den rechtsschutzsuchenden Bürgern zu ihrem Recht zu verhelfen, soweit dies notwendig ist. Dies ist jedoch nicht erforderlich, wenn die Möglichkeit besteht das Recht außerprozessual durchzusetzen, da unter diesen Umständen kein Bedürfnis besteht, gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Soweit die Klägerin daher Rechenschaft durch die Beklagte und Offenlegung des gesamten Schriftwechsels der Beklagten mit anderen Behörden verlangt, hätte sie diesen Informationsanspruch im Wege der Akteneinsicht - gegebenenfalls mit gerichtlicher Hilfe nach einer ablehnenden Entscheidung durch die Beklagte - befriedigen können. Dass die Beklagte ein derartiges Informationsbegehren oder eine beantragte Akteneinsicht abgelehnt hätte, ist weder nach Lage der Akten ersichtlich, noch wird dies von der Klägerin vorgetragen, so dass auch insoweit ein Rechtsschutzbedürfnis nicht ersichtlich und die Klage unzulässig war.
Hinsichtlich des Antrages 4), falsche Sozialdaten richtigzustellen, war die Klage bereits mangels eines erkennbaren Klagegegenstandes unzulässig.
Das Begehren der Klägerin konnte allenfalls als ein Leistungsbegehren im Sinne eines Berichtigungsanspruches gegenüber der Beklagten im Wege der allgemeinen Leistungsklage nach § 54 Abs 5 SGG angesehen werden.
Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Klage ist jedoch, dass nach Ausschöpfung aller Erkenntnismöglichkeiten - unabhängig von einer Antragstellung - zumindest ein definierbares Klageziel ersichtlich wird (vgl Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 8.Aufl, § 92 RdNr 5). Dies setzt jedoch zumindest voraus, dass im Rahmen der Leistungsklage dargelegt wird, welche falschen Sozialdaten erhoben worden sind und in welcher Weise diese richtigzustellen wären. Auch hierzu hat die Klägerin keine Angaben gemacht, so dass die Klage bereits mangels eines erkennbaren Klagegegenstandes als unzulässig zu verwerfen war.
In Bezug auf den geltend gemachten Schmerzensgeldanspruch war die Klage mangels Rechtsgrundlage unbegründet, da das Sozialgesetzbuch einen Geldersatz für immaterielle Schäden nicht vorsieht.
Soweit die Klägerin einen Amtshaftungsanspruch geltend machen will steht es ihr frei, eine eigenständige Klage zum sachlich und örtlich zuständigen Landgericht zu erheben, da für derartige Ansprüche die ordentlichen Gerichte (Landgerichte) ausschließlich zuständig sind, Art 34 Satz 3 GG iVm §§ 839, 847 BGB, § 71 Abs 2 Nr 2 GVG.
Da die Berufung im Ergebnis zurückzuweisen ist, hat die Klägerin mangels Erfolges in der Hauptsache keinen Anspruch auf die Erstattung ihrer außergerichtlichen Kosten. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen den Umgang der Beklagten mit ihren Sozialdaten.
Die Klägerin meldete sich am 19.07.1999 bei der Geschäftsstelle der Beklagten in S. arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Arbeitslosengeld.
In dem Antrag hatte sie angegeben, dass sie weiterhin berufsunfähig sei, die entsprechenden Rentenzahlungen der BfA jedoch derzeit eingestellt seien und ein Klageverfahren vor dem Sozialgericht laufe. In diesem Zusammenhang erteilte die Klägerin der Beklagten eine Entbindungserklärung von der Schweigepflicht zur Beiziehung ärztlicher Unterlagen.
Am 22.07.1999 ging bei der Beklagten eine schriftliche Veränderungsmitteilung der Klägerin vom 20.07.1999 ein, in der diese - unter Bezugnahme auf ein mit Herrn K. , einem Bediensteten der Beklagten, am 20.07.1999 geführtes Telefongespräch - mitteilte, weiterhin arbeitsunfähig zu sein. Gleichzeitig widerrief die Klägerin schriftlich die Entbindungserklärung von der Schweigepflicht.
Nachdem die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 22.07.1999 mitgeteilt hatte, dass über deren Leistungsantrag nicht entschieden werden könne, da eine ärztliche Untersuchung erforderlich sei, teilte diese mit Schreiben vom 28.07.1999 der Beklagten mit, dass sie sich bereits am 20.07.1999 abgemeldet und ihren Arbeitslosengeldantrag zurückgenommen habe.
Am 28.09.1999 erkundigte sich der Ärztliche Dienst der Beklagten bei der Klägerin, ob das Einverständnis erteilt wird, die Unterlagen der Beklagten - u.a. ein Gutachten der BfA vom 26.07.1999 (Dr.S.) - an die Versorgungsverwaltung zu übersenden.
Die Klägerin machte daraufhin gegenüber der Beklagten geltend, dass sie ihre Schweigepflichtentbindungserklärung bereits am 20.07.1999 telefonisch widerrufen habe und damit die Erhebung der Sozialdaten in rechtswidriger Weise erfolgt sei.
Mit Schreiben vom 13.10.1999 teilte der Ärztliche Dienst der Beklagten der Klägerin mit, dass man am 20.07.1999 einen Begutachtungsauftrag vom zuständigen Arbeitsvermittler der Klägerin, Herrn K. , erhalten habe, der vom 19.07.1999 datiert war und dem eine Entbindungserklärung von der Schweigepflicht zur Beiziehung ärztlicher Unterlagen beigefügt war. Dementsprechend seien daher am 21.07.1999 ärztliche Unterlagen des Rentenversicherungsträgers, der BfA, angefordert worden. Die Rücknahme der Schweigepflichtentbindungserklärung sei erst am 22.07.1999 eingegangen.
Wegen dieses Vorganges erhob die Klägerin am 17.11.1999 beim Direktor des Arbeitsamtes S. und am 19.01.2000 beim Präsidenten der Bundesanstalt für Arbeit Dienstaufsichtsbeschwerde und am 02.12.1999 Beschwerde beim Bundesbeauftragten für den Datenschutz.
Das für die Bearbeitung der Dienstaufsichtsbeschwerde zuständige Landesarbeitsamt Bayern teilte der Klägerin mit Schreiben vom 07.04.2000 mit, dass der schriftliche Widerruf der Schweigepflichtentbindungserklärung am 22.07.1999 bei der Beklagten eingegangen und erst am 04.08.1999 an den Ärztlichen Dienst weitergeleitet worden sei. Zu diesem Zeitpunkt seien die Unterlagen der BfA jedoch schon angefordert gewesen, wobei eine Stornierung der Anforderung nicht in Betracht gezogen worden sei, weil man davon ausgegangen war, dass sich die Unterlagen bereits auf dem Postweg befänden.
Nachdem die Unterlagen der BfA am 09.09.1999 bei der Beklagten eingegangen waren, habe lediglich Dr.S. vom Ärztlichen Dienst der Beklagten Kenntnis von diesen Unterlagen genommen, wobei die beigezogenen Befundberichte weder ausgewertet noch weitergegeben worden seien. Auch seien diese Unterlagen zwischenzeitlich vernichtet. Die Beklagte räumte ein, dass aufgrund des fehlerhaften Postlaufes keine umgehende Information des Ärztlichen Dienstes erfolgt sei und bat dieses Versehen zu entschuldigen.
Am 14.04.2000 hat die Klägerin gegen die Bundesanstalt für Arbeit - Landesarbeitsamt Bayern - und andere in Betracht kommende Stellen Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhoben und beantragt: 1) Die Beklagten werden verurteilt, Rechenschaft abzulegen und zwar ohne jegliche Versuche der Rechtsbeugung und Strafvereitelung. 2) Die Beklagten werden verurteilt, alle Schritte zu unterlassen, die zu Nachteilen der Klägerin und deren Zeugen 3) führen. Die Beklagten werden verurteilt, die Übermittlung von auf die Klägerin personenbezogenen geschützten Sozialdaten zu unterlassen. 4) Die Beklagten werden verurteilt, falsche Sozialdaten richtigzustellen. 5) Die Beklagten werden verurteilt, alle Schriftwechsel offenzulegen, die mit der Bundesversicherungsanstalt (BfA) Berlin, dem Amt für Versorgung (AVF) W. - Versorgungsamt - und allen in Betracht kommenden Stellen geführt wurden. 6) Die Beklagten werden verurteilt, der Klägerin Schmerzensgeld zu zahlen. 7) Die Beklagten werden verurteilt, die Übermittlung von auf Zeugen der Klägerin bezogene Daten grundsätzlich zu unterlassen. 8) Die Beklagten werden verurteilt, die Übermittlung von auf die Klägerin bezogene medizinische Daten grundsätzlich zu unterlassen. 9) Die Beklagten werden verurteilt, bezogen auf die Klägerin und deren Zeugen Artikel 1 und 2 Grundgesetz einzuhalten.
Sie vertrat die Auffassung, dass die Beklagte die ärztlichen Unterlagen in grob rechtswidriger Weise beigezogen und missbraucht hätte, wodurch ihr ein erheblicher Schaden entstanden sei.
Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 02.09.2004 als unzulässig abgewiesen und ausgeführt, dass in Bezug auf die gestellten Anträge ein Rechtsschutzbedürfnis nicht zu erkennen sei, da die Beklagte sich vollständig zu den datenschutzrechtlich relevanten Vorgängen geäußert habe und auch ohne Verurteilung verpflichtet sei, sich an die geltenden Gesetze zu halten und Sozialdaten nur zweckentsprechend - unter Beachtung der gesetzlichen Einschränkungen - zu erheben. Auch sei nicht ersichtlich, welche falschen Sozialdaten die Beklagte richtigstellen solle. Soweit die Klägerin Schadensersatz und Schmerzensgeld geltend gemacht hatte, hat sich das SG für sachlich unzuständig angesehen.
Die Klägerin hat gegen diesen Gerichtsbescheid am 06.10.2004 Berufung eingelegt und vorgebracht, dass sich die Beklagte in rechtswidriger Weise Sozialdaten beschafft habe und dass das SG die gerichtlichen und außergerichtlichen Anträge auf Bescheidungsklage und Zusammenhangsklage mit dem sozialgerichtlichen Verfahren S 12 RA 212/00 nicht berücksichtigt habe. Eine Korrektur des Gerichtsbescheides hat das SG - trotz eines Antrages vom 29.09.2004 - nicht vorgenommen.
Die Klägerin beantragt daher, a) die Beklagte zum Erlass eines Ablehnungsbescheides zu verpflichten, aus dem hervorgeht, dass Frau K. H. ab bzw. seit 19.07.1999 keine Leistungen vom Arbeitsamt bzw. von der Bundesagentur für Arbeit zustehen, zumal die Betreffende dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung steht. Es besteht grundsätzlich rechtlich und gesetzlich Anspruch auf Erlass eines unterlassenen Verwaltungsaktes. b) Wiederholte Beantragung bezieht sich hiermit auch auf ein sogenanntes "Bescheidungsurteil". c) Der Antrag auf "Zusammenhangsklage" insbesondere S 12 RA 212/00 mit S 7 AL 173/00 wird ebenfalls wiederholt gestellt. Auf die bisherigen Anträge wird verwiesen. Besonders auf den Antrag auf Unterlassung von Rechtsmissbrauch. d) Dito Antrag hiermit wiederholt gestellt.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend. Im Übrigen erklärte die Beklagte - im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 16.11.2006 zu Protokoll -, dass sie einer Klageerweiterung nicht zustimmt, soweit beantragt wird, die Beklagte zum Erlass eines Ablehnungsbescheides zu verurteilen. Auch stimme sie einer Klageerweiterung in Bezug auf eine Zusammenhangsklage und einem Bescheidungsurteil nicht zu.
Zum Vorbringen der Beteiligten im Einzelnen und zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt des beigezogenen Aktenvorgangs der Beklagten, die Akten des SG Würzburg und des Bayer. Landessozialgerichts sowie auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 153 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) ist zulässig.
Soweit der Erlass eines Ablehnungsbescheides, ein "Bescheidungsurteil" und eine "Zusammenhangsklage" begehrt werden, sind die Berufungsanträge - Anträge zu a) bis c) - als Klageerweiterung unzulässig. Im Übrigen ist die Berufung - Antrag zu d) - unter Bezugnahme auf die erstinstanzlichen Anträge - dort Anträge zu 1) bis 9) - unbegründet.
Eine Änderung der Klage ist nur zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält, § 99 Abs 1 SGG.
In der Berufungsinstanz ist - im Rahmen einer im Übrigen zulässigen Berufung - wie in erster Instanz eine Klägeänderung möglich (vgl Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 8.Aufl zu § 99 RdNr 12).
Die von der Klägerin im Berufungsschriftsatz vom 03.10.2004 gestellten Anträge zu a) bis c) sind als Klageänderung anzusehen, da sie weder die tatsächlichen oder rechtlichen Ausführungen des erstinstanzlichen Verfahrens ergänzen oder berichtigen (§ 99 Abs 3 Nr 1 SGG), noch den erstinstanzlichen Klageantrag in der Hauptsache oder in Bezug auf die Nebenforderungen erweitern oder beschränken (§ 99 Abs 3 Nr 2 SGG) oder statt der ursprünglich geforderten Leistung wegen einer später eigetretenen Änderung eine andere Leistung fordern (§ 99 Abs 3 Nr 3 SGG), sondern ein neues Klagebegehren darstellen, das erstinstanzlich nicht geltend gemacht worden war.
Der Senat hält diese Klageänderung auch nicht für sachdienlich, weil sich die Klägerin bisher lediglich gegen den Umgang der Beklagten mit ihren Sozialdaten gewandt hatte und die nunmehr vorgebrachten Anträge den Rechtsstreit auf eine neue Grundlage stellen würden. Die Beklagte hatte insoweit auch noch keine Gelegenheit über das Begehren der Klägerin - einen ablehnenden Bescheid zu erteilen - zu entscheiden, so dass bereits zweifelhaft erscheint, ob die Prozessvoraussetzungen für einen derartigen Antrag vorliegen. Darüberhinaus ist im Hinblick auf das prozessuale Verhalten der Klägerin nicht zu erwarten, dass durch eine Entscheidung in der Sache der Streit zwischen den Beteiligten in diesem Verfahren beigelegt und endgültig bereinigt werden kann.
Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung am 16.11.2006 einer Klageänderung nicht zugestimmt und der Berufungserwiderungsschriftsatz vom 11.11.2004 ist auch nicht dahingehend zu verstehen, dass sich die Beklagte widerspruchslos auf die geänderte Klage eingelassen hätte (§ 99 Abs 2 SGG). Die Beklagte hat sich in diesem Zusammenhang zu den neuen Berufungsanträgen nicht geäußert, sondern zur Begründung lediglich auf die Entscheidungsgründe der erstinstanzlichen Entscheidung und den Klageerwiderungsschriftsatz vom 28.07.2000 Bezug genommen. Eine Stellungnahme zu den Berufungsanträgen a) bis c) erfolgte nicht.
Soweit die Klägerin Bezug nimmt auf ihre bisherigen Anträge aus dem Klageverfahren vor dem SG ist die Berufung unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Hinsichtlich der dortigen Anträge 2), 3), 7), 8) und 9) war die Klage unzulässig, da die dort vorgebrachten Begehren allenfalls als Leistungsklage in Form der vorbeugenden Unterlassungsklage angesehen werden konnten. Eine derartige Unterlassungsklage setzt jedoch ein qualifiziertes d.h. gerade auf die Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes gerichtetes Rechtsschutzinteresse voraus, das jedoch in aller Regel solange nicht angenommen werden kann, solange eine Amtshandlung oder deren Wiederholung nicht zu erwarten oder ernstlich zu befürchten ist (vgl Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 8.Aufl, § 54 RdNr 42a). Hierzu hat die Klägerin nichts vorgetragen, so dass die Klage in Bezug auf diese Anträge mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig war.
Die Klageanträge 1) und 5) vor dem SG waren dahingehend auszulegen, dass die Klägerin ein Leistungsbegehren im Sinne eines Informationsanspruches gegenüber der Beklagten im Wege der allgemeinen Leistungsklage nach § 54 Abs 5 SGG geltend gemacht hat. Einem derartigen Begehren fehlte es jedoch ebenfalls am Rechtsschutzbedürfnis, da die Klägerin dieses Informationsbedürfnis auf einfachere Weise durch die Wahrnehmung ihres Rechtes auf Akteneinsicht, § 25 SGB X, erfüllen konnte.
Grundsätzlich haben die Gerichte die Aufgabe den rechtsschutzsuchenden Bürgern zu ihrem Recht zu verhelfen, soweit dies notwendig ist. Dies ist jedoch nicht erforderlich, wenn die Möglichkeit besteht das Recht außerprozessual durchzusetzen, da unter diesen Umständen kein Bedürfnis besteht, gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Soweit die Klägerin daher Rechenschaft durch die Beklagte und Offenlegung des gesamten Schriftwechsels der Beklagten mit anderen Behörden verlangt, hätte sie diesen Informationsanspruch im Wege der Akteneinsicht - gegebenenfalls mit gerichtlicher Hilfe nach einer ablehnenden Entscheidung durch die Beklagte - befriedigen können. Dass die Beklagte ein derartiges Informationsbegehren oder eine beantragte Akteneinsicht abgelehnt hätte, ist weder nach Lage der Akten ersichtlich, noch wird dies von der Klägerin vorgetragen, so dass auch insoweit ein Rechtsschutzbedürfnis nicht ersichtlich und die Klage unzulässig war.
Hinsichtlich des Antrages 4), falsche Sozialdaten richtigzustellen, war die Klage bereits mangels eines erkennbaren Klagegegenstandes unzulässig.
Das Begehren der Klägerin konnte allenfalls als ein Leistungsbegehren im Sinne eines Berichtigungsanspruches gegenüber der Beklagten im Wege der allgemeinen Leistungsklage nach § 54 Abs 5 SGG angesehen werden.
Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Klage ist jedoch, dass nach Ausschöpfung aller Erkenntnismöglichkeiten - unabhängig von einer Antragstellung - zumindest ein definierbares Klageziel ersichtlich wird (vgl Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 8.Aufl, § 92 RdNr 5). Dies setzt jedoch zumindest voraus, dass im Rahmen der Leistungsklage dargelegt wird, welche falschen Sozialdaten erhoben worden sind und in welcher Weise diese richtigzustellen wären. Auch hierzu hat die Klägerin keine Angaben gemacht, so dass die Klage bereits mangels eines erkennbaren Klagegegenstandes als unzulässig zu verwerfen war.
In Bezug auf den geltend gemachten Schmerzensgeldanspruch war die Klage mangels Rechtsgrundlage unbegründet, da das Sozialgesetzbuch einen Geldersatz für immaterielle Schäden nicht vorsieht.
Soweit die Klägerin einen Amtshaftungsanspruch geltend machen will steht es ihr frei, eine eigenständige Klage zum sachlich und örtlich zuständigen Landgericht zu erheben, da für derartige Ansprüche die ordentlichen Gerichte (Landgerichte) ausschließlich zuständig sind, Art 34 Satz 3 GG iVm §§ 839, 847 BGB, § 71 Abs 2 Nr 2 GVG.
Da die Berufung im Ergebnis zurückzuweisen ist, hat die Klägerin mangels Erfolges in der Hauptsache keinen Anspruch auf die Erstattung ihrer außergerichtlichen Kosten. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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