Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 12/1 KR 3/90
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 1 Kr 878/90
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Einmalig gezahltes Arbeitsentgelt ist bei der Bemessung der Höhe von Krankenversicherungsbeiträgen freiwillig Versicherter grundsätzlich in dem Monat der jeweiligen Zahlung zu berücksichtigen (Zuflußprinzip).
2. Eine hiervon abweichende Satzungsbestimmung verstößt gegen höherrangiges Recht.
2. Eine hiervon abweichende Satzungsbestimmung verstößt gegen höherrangiges Recht.
I. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 18. Juli 1990 sowie die Bescheide der Beklagten vom 3. Juli 1989 und 24. Juli 1989 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. Dezember 1989 aufgehoben.
II. Die Beklagte hat die dem Kläger zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen Aufwendungen des Rechtsstreits zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Höhe des monatlichen Krankenversicherungsbeitrages.
Der Kläger ist Beamter und bei der Beklagten freiwillig krankenversichert. Auf eine entsprechende Anfrage der Beklagten vom Juni 1989 teilte der Kläger neben seinen monatlichen Einnahmen (3916,56 DM ab dem 1. April 1989) mit, daß er im Juli jeden Jahres 300,00 DM Urlaubsgeld und im Dezember Weihnachtsgeld in Höhe eines weiteren Bruttomonatsgehaltes erhalte.
Mit Bescheid vom 3. Juli 1989 (ohne Rechtsmittelbelehrung) stufte die Beklagte den Kläger auf Grund beitragspflichtiger Einnahmen von insgesamt 4267,94 DM (Monatsgehalt + 1/12 des Jahresbetrages der einmaligen Einnahmen) ab 1. Juli 1989 in die Versicherungsklasse 841 – ohne Krankengeldanspruch – zu einem monatlichen Beitrag von 528,00 DM um.
Hiergegen legte der Kläger am 6. Juli 1989 Widerspruch ein, da die Beklagte bei der Berechnung des Krankenversicherungsbeitrages von einer Besoldung ausgehe, die er keinesfalls auch tatsächlich in den einzelnen Monaten erziele. Lediglich im Juli und Dezember erhalte er durch Urlaubs- und Weihnachtsgeld eine höhere Besoldung, so daß auch nur in diesen Monaten ein höherer Krankenversicherungsbeitrag erhoben werden dürfe.
Durch förmlichen Bescheid vom 24. Juli 1989 wiederholte die Beklagte die getroffene Entscheidung und verwies auf ihre Satzungsbestimmungen. Einmalige Einnahmen könnten danach nicht nur in dem Monat der Auszahlung bei der Beitragsberechnung berücksichtigt werden.
Den auch hiergegen am 9. August 1989 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 8. Dezember 1989 zurück. Nach der Satzung käme es für die Beitragsbemessung nicht auf den Zeitpunkt der Auszahlung an. Obwohl diese neue Bestimmung bereits ab 1. Januar 1989 in Kraft sei, werde sie – die freiwilligen Mitglieder begünstigend – erst ab 1. Juli 1989 angewendet.
Mit seiner am 2. Januar 1990 beim Sozialgericht Kassel erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Die Beklagte hat darauf hingewiesen, daß die Differenz zwischen den Beitragsklassen 831 und 841 36,00 DM betrage.
Durch Urteil vom 18. Juli 1990 hat das Sozialgericht Kassel die Klage abgewiesen und in den Entscheidungsgründen ausgeführt, daß die Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder ausschließlich die Satzung regele. Nach den gesetzlichen Bestimmungen müsse hierbei nur beachtet werden, daß die Beitragsbelastung dieser Mitglieder mindestens derjenigen von Pflichtversicherten entspreche. Der Gesetzgeber habe somit lediglich eine Besserstellung der freiwillig Versicherten verhindern wollen. Der Krankenkasse sei es hingegen nicht verboten, einmalig gezahltes Entgelt bei der Bemessung auf sämtliche 12 Monate eines Jahres zu verteilen. Die hiervon abweichende Regelung einer Beitragserfassung einmaliger Zahlungen im Monat ihres Zuflusses gelte nur für Pflichtversicherte.
Gegen dieses dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers gegen Empfangsbekenntnis am 30. Juli 1990 zugestellte Urteil richtet sich die mit Schriftsatz vom 10. August 1990 – eingegangen beim Hessischen Landessozialgericht in Darmstadt am 20. August 1990 – eingelegte Berufung, mit der sich der Kläger unter Wiederholung seines Rechtsstandpunkts gegen die getroffene Entscheidung des Sozialgerichts wendet. Er werde durch die Beitragsberechnung der Beklagten in nicht zu rechtfertigender Weise benachteiligt. Sofern er vor Fälligkeit der Jahressonderzahlungen sterbe, werde er für Leistungen in Anspruch genommen, die er überhaupt nicht erhalten habe. Für die Schlechterstellung gegenüber Pflichtversicherten gäbe es keinen sinnvollen Grund.
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 18. Juli 1990 sowie die Bescheide der Beklagten vom 3. Juli 1989 und 24. Juli 1989 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. Dezember 1989 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend und bezieht sich zur Begründung auf die Entscheidungsgründe und ihr bisheriges Vorbringen. Sie betont erneut, daß ihre Satzungsbestimmungen nicht gegen höherrangiges Recht verstießen. Sie könne innerhalb des ihr eingeräumten Gestaltungsspielraumes bestimmen, daß ein anteiliger Betrag von Einmalzahlungen bei der Bemessung der monatlichen Beiträge herangezogen werde. Im Vergleich zur Praktikabilität dieser Regelung für die Verwaltung sei nicht erkennbar, daß Interessen des Klägers über Gebühr beeinträchtigt würden. Während bei Pflichtversicherten der Arbeitgeber im Wege des Lohnabzuges die erhöhten Beiträge einzubehalten und abzuführen habe, müsse bei freiwillig Versicherten der Beitragseinzug und dessen Überwachung von ihr, ggf. durch Erlaß mehrfacher Änderungsbescheide im Jahr, veranlaßt werden.
Hinsichtlich des Vorbringens der Beteiligten im übrigen wird auf den weiteren Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten nebst Satzung Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte über die Berufung auch in Abwesenheit des Klägers aufgrund mündlicher Verhandlung entscheiden, da auf diese Möglichkeit in der schriftlichen Terminsladung hingewiesen worden ist (§§ 110 Abs. 1 Satz 2, 124 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz –SGG–).
Die Berufung ist zulässig, denn sie ist form- und fristgerecht eingelegt sowie an sich statthaft (§§ 143, 151 SGG).
Die Berufung ist auch sachlich begründet.
Das Urteil des Sozialgerichts Kassel mußte aufgehoben werden, denn der Kläger kann die Berücksichtigung von einmalig gezahltem Arbeitsentgelt bei der Beitragsbemessung allein im Monat der jeweiligen Zahlung beanspruchen.
Nach § 240 Abs. 1 Satz 1, 2 Sozialgesetzbuch-Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) wird die Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder durch die Satzung geregelt. Dabei ist sicherzustellen, daß die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds berücksichtigt. Die Satzung der Krankenkasse muß gemäß Abs, 2 mindestens die Einnahmen des freiwilligen Mitglieds berücksichtigen, die bei einem vergleichbaren versicherungspflichtig Beschäftigten der Beitragsbemessung zugrunde zu legen sind. Die §§ 223 und 227, § 228 Abs. 2, § 229 Abs. 2 und § 243 Abs. 2 gelten entsprechend.
Unter Beachtung dieser gesetzlichen Vorgaben verstößt die in der Satzung der Beklagten (in der Fassung vom 1. Januar 1989) vorgenommene Regelung zur Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder bezüglich der hier zu entscheidenden Frage gegen höherrangiges Recht und ist deshalb nichtig.
Grundsätzlich folgt die Einstufung freiwillig Versicherter entsprechend der Personenkreiszugehörigkeit in Versicherungsklassen (vgl. § 240 Abs. 5 SGB V) nach Vomhundertsätzen der monatlichen Einnahmen, die zum Lebensunterhalt verbraucht werden könnten, ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung (§ 15 Abs. 1, 2, 3 der Satzung). Einmalige Einnahmen gelten mit einem Zwölftel des Jahresbetrages als monatliche beitragspflichtige Einnahmen (§ 15 Abs. 3 Satz 3).
Dieser Regelung in § 15 Abs. 3 Satz 3 folgend hat die Beklagte das zu erwartende Urlaubs- und Weihnachtsgeld des Klägers mit einem Zwölftel des Jahresbetrages ihrer monatlichen Beitragsbemessung zugrunde gelegt. Hierdurch soll ungeachtet des Zeitpunktes der tatsächlichen Zahlung regelmäßig monatlich ein fiktiver Anteil an diesen Sonderzahlungen erfaßt werden, um eine mehrfache Änderung der Beitragshöhe während eines Jahres zu vermeiden. Aus der Sicht der Beklagten ist zwar nachvollziehbar, daß sie den Verwaltungsaufwand für die Führung der Versicherungskonten freiwilliger Mitglieder möglichst gering halten möchte. Während bei Pflichtversicherten vom Arbeitgeber Änderungen der Beitragshöhe selbst nachberechnet sowie die Beiträge den Arbeitnehmern unmittelbar vom Lohn abgezogen und an die Beklagte abgeführt werden, müssen freiwilligen Mitgliedern jeweils rechtsmittelfähige Änderungsbescheide zugestellt und der Eingang entsprechender Zahlungen kontrolliert werden. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die in der Satzung vorgenommene Zwölftelung der Jahressonderzahlungen aber nicht von der ihr in § 240 Abs. 1 Satz 1 SGB V eingeräumten Satzungsautonomie für die Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder gedeckt. Dieser Grundsatz wird nämlich im folgenden vom Gesetzgeber konkretisiert und zugleich der Rahmen festgelegt, innerhalb dessen die jeweilige Satzung Regelungen treffen kann. Hierzu gehört u.a. die direkte Verweisung in § 240 Abs. 2 Satz 2 SGB V auf die entsprechende Geltung des § 227 SGB V. Danach ist einmalig gezahltes Arbeitsentgelt (um das es sich beim Weihnachts- und Urlaubsgeld des Klägers handelt, § 227 Abs. 1 Satz 1 SGB V) Versicherungspflichtiger Beschäftigter dem Entgeltabrechnungszeitraum zuzuordnen, in dem es gezahlt wird, sofern die Abs. 2 und 4 nichts Abweichendes bestimmen. Anders als in der Satzung der Beklagten gilt somit das "Zuflußprinzip”, das die Beklagte gerade nicht durch autonome Regelung außer Kraft setzen kann.
Soweit die Verweisung auf § 227 SGB V nur den Begriffsinhalt und die beitragspflichtigen Einnahmen als solche erfassen soll, vermochte den Senat die Auffassung der Beklagten nicht zu überzeugen. Zum einen ergibt sich diese einschränkende Bedeutung der Verweisung aus dem Wortlaut des § 240 Abs. 2 Satz 2 SGB V nicht. Sollte tatsächlich nur das "Ob”, nicht aber auch das "Wie” der Erfassung beitragspflichtiger Einnahmen für freiwillig versicherte Mitglieder gelten, hätte dies durch eine Verweisung allein auf § 227 Abs. 1 Satz 1 SGB V zum Ausdruck, kommen müssen. Das vom Wortlaut gebotene Verständnis der Verweisung bestätigt auch die gesetzessystematische Auslegung. Bereits § 240 Abs. 2 Satz 1 SGB V bestimmt, daß die Satzung der Krankenkasse mindestens die Einnahmen des freiwilligen Mitglieds berücksichtigen muß, die bei einem vergleichbaren versicherungspflichtig Beschäftigten der Bemessung zugrunde zu legen ist. Hierzu gehört demgemäß auch einmalig gezahltes Arbeitsentgelt. Dann aber wäre eine Verweisung u.a. auf § 227 SGB V mit dem Inhalt, wie ihn die Beklagte versteht, überflüssig. Schließlich geben auch die Gesetzesmaterialien keinen Hinweis für die Richtigkeit der Auffassung der Beklagten. Sie stützen vielmehr die Auslegung des Senats, wenn es in der Begründung zum Gesetzesentwurf (BT-Drucksache 11/2237, S. 225 zu § 249 Abs. 2) heißt: "Die allgemeinen Vorschriften über die Beitragsberechnung, insbesondere die Vorschriften über die Beitragsberechnung bei Einmalzahlungen finden Anwendung”.
Angesichts dessen ist es vorliegend ohne Bedeutung, daß der Kläger die Bescheide der Beklagten wegen einer sachwidrigen Ungleichbehandlung zu Pflichtversicherten beanstandet hat. Entscheidend ist allein, daß bereits der Gesetzgeber hinsichtlich der Berücksichtigung von Einmalzahlungen eine Gleichbehandlung von Pflichtversicherten und freiwillig Versicherten angeordnet hat. Die hieraus im Verwaltungsvollzug von der Beklagten dargestellten Probleme könnten im übrigen dadurch vermieden werden, daß die jährliche Beitragsmitteilung zugleich die Beitragsänderungen für die Monate der Einmalzahlungen, die im voraus feststehen, vorsieht.
Da der Kläger lediglich die Nichtanwendung der nichtigen Satzungsbestimmungen begehrt hat, war seinem Anspruch bereits auf eine bloße Anfechtungsklage bzw. durch die Aufhebung der angefochtenen Bescheide zu entsprechen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen.
II. Die Beklagte hat die dem Kläger zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen Aufwendungen des Rechtsstreits zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Höhe des monatlichen Krankenversicherungsbeitrages.
Der Kläger ist Beamter und bei der Beklagten freiwillig krankenversichert. Auf eine entsprechende Anfrage der Beklagten vom Juni 1989 teilte der Kläger neben seinen monatlichen Einnahmen (3916,56 DM ab dem 1. April 1989) mit, daß er im Juli jeden Jahres 300,00 DM Urlaubsgeld und im Dezember Weihnachtsgeld in Höhe eines weiteren Bruttomonatsgehaltes erhalte.
Mit Bescheid vom 3. Juli 1989 (ohne Rechtsmittelbelehrung) stufte die Beklagte den Kläger auf Grund beitragspflichtiger Einnahmen von insgesamt 4267,94 DM (Monatsgehalt + 1/12 des Jahresbetrages der einmaligen Einnahmen) ab 1. Juli 1989 in die Versicherungsklasse 841 – ohne Krankengeldanspruch – zu einem monatlichen Beitrag von 528,00 DM um.
Hiergegen legte der Kläger am 6. Juli 1989 Widerspruch ein, da die Beklagte bei der Berechnung des Krankenversicherungsbeitrages von einer Besoldung ausgehe, die er keinesfalls auch tatsächlich in den einzelnen Monaten erziele. Lediglich im Juli und Dezember erhalte er durch Urlaubs- und Weihnachtsgeld eine höhere Besoldung, so daß auch nur in diesen Monaten ein höherer Krankenversicherungsbeitrag erhoben werden dürfe.
Durch förmlichen Bescheid vom 24. Juli 1989 wiederholte die Beklagte die getroffene Entscheidung und verwies auf ihre Satzungsbestimmungen. Einmalige Einnahmen könnten danach nicht nur in dem Monat der Auszahlung bei der Beitragsberechnung berücksichtigt werden.
Den auch hiergegen am 9. August 1989 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 8. Dezember 1989 zurück. Nach der Satzung käme es für die Beitragsbemessung nicht auf den Zeitpunkt der Auszahlung an. Obwohl diese neue Bestimmung bereits ab 1. Januar 1989 in Kraft sei, werde sie – die freiwilligen Mitglieder begünstigend – erst ab 1. Juli 1989 angewendet.
Mit seiner am 2. Januar 1990 beim Sozialgericht Kassel erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Die Beklagte hat darauf hingewiesen, daß die Differenz zwischen den Beitragsklassen 831 und 841 36,00 DM betrage.
Durch Urteil vom 18. Juli 1990 hat das Sozialgericht Kassel die Klage abgewiesen und in den Entscheidungsgründen ausgeführt, daß die Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder ausschließlich die Satzung regele. Nach den gesetzlichen Bestimmungen müsse hierbei nur beachtet werden, daß die Beitragsbelastung dieser Mitglieder mindestens derjenigen von Pflichtversicherten entspreche. Der Gesetzgeber habe somit lediglich eine Besserstellung der freiwillig Versicherten verhindern wollen. Der Krankenkasse sei es hingegen nicht verboten, einmalig gezahltes Entgelt bei der Bemessung auf sämtliche 12 Monate eines Jahres zu verteilen. Die hiervon abweichende Regelung einer Beitragserfassung einmaliger Zahlungen im Monat ihres Zuflusses gelte nur für Pflichtversicherte.
Gegen dieses dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers gegen Empfangsbekenntnis am 30. Juli 1990 zugestellte Urteil richtet sich die mit Schriftsatz vom 10. August 1990 – eingegangen beim Hessischen Landessozialgericht in Darmstadt am 20. August 1990 – eingelegte Berufung, mit der sich der Kläger unter Wiederholung seines Rechtsstandpunkts gegen die getroffene Entscheidung des Sozialgerichts wendet. Er werde durch die Beitragsberechnung der Beklagten in nicht zu rechtfertigender Weise benachteiligt. Sofern er vor Fälligkeit der Jahressonderzahlungen sterbe, werde er für Leistungen in Anspruch genommen, die er überhaupt nicht erhalten habe. Für die Schlechterstellung gegenüber Pflichtversicherten gäbe es keinen sinnvollen Grund.
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 18. Juli 1990 sowie die Bescheide der Beklagten vom 3. Juli 1989 und 24. Juli 1989 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. Dezember 1989 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend und bezieht sich zur Begründung auf die Entscheidungsgründe und ihr bisheriges Vorbringen. Sie betont erneut, daß ihre Satzungsbestimmungen nicht gegen höherrangiges Recht verstießen. Sie könne innerhalb des ihr eingeräumten Gestaltungsspielraumes bestimmen, daß ein anteiliger Betrag von Einmalzahlungen bei der Bemessung der monatlichen Beiträge herangezogen werde. Im Vergleich zur Praktikabilität dieser Regelung für die Verwaltung sei nicht erkennbar, daß Interessen des Klägers über Gebühr beeinträchtigt würden. Während bei Pflichtversicherten der Arbeitgeber im Wege des Lohnabzuges die erhöhten Beiträge einzubehalten und abzuführen habe, müsse bei freiwillig Versicherten der Beitragseinzug und dessen Überwachung von ihr, ggf. durch Erlaß mehrfacher Änderungsbescheide im Jahr, veranlaßt werden.
Hinsichtlich des Vorbringens der Beteiligten im übrigen wird auf den weiteren Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten nebst Satzung Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte über die Berufung auch in Abwesenheit des Klägers aufgrund mündlicher Verhandlung entscheiden, da auf diese Möglichkeit in der schriftlichen Terminsladung hingewiesen worden ist (§§ 110 Abs. 1 Satz 2, 124 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz –SGG–).
Die Berufung ist zulässig, denn sie ist form- und fristgerecht eingelegt sowie an sich statthaft (§§ 143, 151 SGG).
Die Berufung ist auch sachlich begründet.
Das Urteil des Sozialgerichts Kassel mußte aufgehoben werden, denn der Kläger kann die Berücksichtigung von einmalig gezahltem Arbeitsentgelt bei der Beitragsbemessung allein im Monat der jeweiligen Zahlung beanspruchen.
Nach § 240 Abs. 1 Satz 1, 2 Sozialgesetzbuch-Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) wird die Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder durch die Satzung geregelt. Dabei ist sicherzustellen, daß die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds berücksichtigt. Die Satzung der Krankenkasse muß gemäß Abs, 2 mindestens die Einnahmen des freiwilligen Mitglieds berücksichtigen, die bei einem vergleichbaren versicherungspflichtig Beschäftigten der Beitragsbemessung zugrunde zu legen sind. Die §§ 223 und 227, § 228 Abs. 2, § 229 Abs. 2 und § 243 Abs. 2 gelten entsprechend.
Unter Beachtung dieser gesetzlichen Vorgaben verstößt die in der Satzung der Beklagten (in der Fassung vom 1. Januar 1989) vorgenommene Regelung zur Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder bezüglich der hier zu entscheidenden Frage gegen höherrangiges Recht und ist deshalb nichtig.
Grundsätzlich folgt die Einstufung freiwillig Versicherter entsprechend der Personenkreiszugehörigkeit in Versicherungsklassen (vgl. § 240 Abs. 5 SGB V) nach Vomhundertsätzen der monatlichen Einnahmen, die zum Lebensunterhalt verbraucht werden könnten, ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung (§ 15 Abs. 1, 2, 3 der Satzung). Einmalige Einnahmen gelten mit einem Zwölftel des Jahresbetrages als monatliche beitragspflichtige Einnahmen (§ 15 Abs. 3 Satz 3).
Dieser Regelung in § 15 Abs. 3 Satz 3 folgend hat die Beklagte das zu erwartende Urlaubs- und Weihnachtsgeld des Klägers mit einem Zwölftel des Jahresbetrages ihrer monatlichen Beitragsbemessung zugrunde gelegt. Hierdurch soll ungeachtet des Zeitpunktes der tatsächlichen Zahlung regelmäßig monatlich ein fiktiver Anteil an diesen Sonderzahlungen erfaßt werden, um eine mehrfache Änderung der Beitragshöhe während eines Jahres zu vermeiden. Aus der Sicht der Beklagten ist zwar nachvollziehbar, daß sie den Verwaltungsaufwand für die Führung der Versicherungskonten freiwilliger Mitglieder möglichst gering halten möchte. Während bei Pflichtversicherten vom Arbeitgeber Änderungen der Beitragshöhe selbst nachberechnet sowie die Beiträge den Arbeitnehmern unmittelbar vom Lohn abgezogen und an die Beklagte abgeführt werden, müssen freiwilligen Mitgliedern jeweils rechtsmittelfähige Änderungsbescheide zugestellt und der Eingang entsprechender Zahlungen kontrolliert werden. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die in der Satzung vorgenommene Zwölftelung der Jahressonderzahlungen aber nicht von der ihr in § 240 Abs. 1 Satz 1 SGB V eingeräumten Satzungsautonomie für die Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder gedeckt. Dieser Grundsatz wird nämlich im folgenden vom Gesetzgeber konkretisiert und zugleich der Rahmen festgelegt, innerhalb dessen die jeweilige Satzung Regelungen treffen kann. Hierzu gehört u.a. die direkte Verweisung in § 240 Abs. 2 Satz 2 SGB V auf die entsprechende Geltung des § 227 SGB V. Danach ist einmalig gezahltes Arbeitsentgelt (um das es sich beim Weihnachts- und Urlaubsgeld des Klägers handelt, § 227 Abs. 1 Satz 1 SGB V) Versicherungspflichtiger Beschäftigter dem Entgeltabrechnungszeitraum zuzuordnen, in dem es gezahlt wird, sofern die Abs. 2 und 4 nichts Abweichendes bestimmen. Anders als in der Satzung der Beklagten gilt somit das "Zuflußprinzip”, das die Beklagte gerade nicht durch autonome Regelung außer Kraft setzen kann.
Soweit die Verweisung auf § 227 SGB V nur den Begriffsinhalt und die beitragspflichtigen Einnahmen als solche erfassen soll, vermochte den Senat die Auffassung der Beklagten nicht zu überzeugen. Zum einen ergibt sich diese einschränkende Bedeutung der Verweisung aus dem Wortlaut des § 240 Abs. 2 Satz 2 SGB V nicht. Sollte tatsächlich nur das "Ob”, nicht aber auch das "Wie” der Erfassung beitragspflichtiger Einnahmen für freiwillig versicherte Mitglieder gelten, hätte dies durch eine Verweisung allein auf § 227 Abs. 1 Satz 1 SGB V zum Ausdruck, kommen müssen. Das vom Wortlaut gebotene Verständnis der Verweisung bestätigt auch die gesetzessystematische Auslegung. Bereits § 240 Abs. 2 Satz 1 SGB V bestimmt, daß die Satzung der Krankenkasse mindestens die Einnahmen des freiwilligen Mitglieds berücksichtigen muß, die bei einem vergleichbaren versicherungspflichtig Beschäftigten der Bemessung zugrunde zu legen ist. Hierzu gehört demgemäß auch einmalig gezahltes Arbeitsentgelt. Dann aber wäre eine Verweisung u.a. auf § 227 SGB V mit dem Inhalt, wie ihn die Beklagte versteht, überflüssig. Schließlich geben auch die Gesetzesmaterialien keinen Hinweis für die Richtigkeit der Auffassung der Beklagten. Sie stützen vielmehr die Auslegung des Senats, wenn es in der Begründung zum Gesetzesentwurf (BT-Drucksache 11/2237, S. 225 zu § 249 Abs. 2) heißt: "Die allgemeinen Vorschriften über die Beitragsberechnung, insbesondere die Vorschriften über die Beitragsberechnung bei Einmalzahlungen finden Anwendung”.
Angesichts dessen ist es vorliegend ohne Bedeutung, daß der Kläger die Bescheide der Beklagten wegen einer sachwidrigen Ungleichbehandlung zu Pflichtversicherten beanstandet hat. Entscheidend ist allein, daß bereits der Gesetzgeber hinsichtlich der Berücksichtigung von Einmalzahlungen eine Gleichbehandlung von Pflichtversicherten und freiwillig Versicherten angeordnet hat. Die hieraus im Verwaltungsvollzug von der Beklagten dargestellten Probleme könnten im übrigen dadurch vermieden werden, daß die jährliche Beitragsmitteilung zugleich die Beitragsänderungen für die Monate der Einmalzahlungen, die im voraus feststehen, vorsieht.
Da der Kläger lediglich die Nichtanwendung der nichtigen Satzungsbestimmungen begehrt hat, war seinem Anspruch bereits auf eine bloße Anfechtungsklage bzw. durch die Aufhebung der angefochtenen Bescheide zu entsprechen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen.
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