Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 9 Kr 1337/90
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 1 Kr 500/94
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 17. Februar 1994 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Versicherungspflicht zur Künstlersozialversicherung im Jahre 1990.
Der Kläger ist nach seinen eigenen Angaben seit April 1984 als Maler selbständig tätig. Aufgrund einer Anmeldung bei der Beklagten war er ab 20. Februar 1987 in der Rentenversicherung und der Krankenversicherung (Beigeladene zu 1) und 2)) nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) pflichtversichert (Bescheid vom 22. Juni 1987).
Im Schreiben vom 6. Mai 1988 informierte die Beklagte den Kläger über die beabsichtigte Aufhebung des Feststellungsbescheides über das Vorliegen von Versicherungspflicht, da bisher keine oder nur geringfügige Beitragsleistungen erbracht worden seien. Der Kläger reagierte hierauf nicht.
Mit Bescheid vom 8. Juli 1988 hob die Beklagte den Bescheid vom 22. Juni 1987 mit sofortiger Wirkung wegen wesentlicher Änderung der Verhältnisse auf.
Am 4. April 1989 wandte sich der Kläger erneut an die Beklagte mit der Bitte um Nachzahlung des vorhandenen Beitragrückstandes sowie um Wiederaufnahme in die Künstlersozialversicherung. Er sei in der Vergangenheit zur Beitragsentrichtung nicht in der Lage gewesen. Seine Einkünfte 1989 würden voraussichtlich die Mindesthöhe von 5.400,00 DM erreichen. Zum Nachweis hierfür bezog er sich auf eine Fotokopie einer Verkaufsquittung für ein Bild über 1.000,00 DM und eine Einladungskarte zu einer Ausstellung seiner Bilder in einem Frankfurter Café.
Daraufhin stellte die Beklagte erneut die Versicherungspflicht des Klägers in der Rentenversicherung und der Krankenversicherung ab 4. April 1989 (Bescheid vom 20. Juni 1989) fest. In der Folgezeit tilgte der Kläger den vorhandenen Rückstand und erteilte für laufende Beiträge eine Einzugsermächtigung. Eine Jahresmeldung für 1990 gab er trotz entsprechender Aufforderung (Schreiben der Beklagten vom 2. November 1989) nicht ab.
Mit Bescheid vom 29. Dezember 1989 beendete die Beklagte die Versicherungspflicht nach dem KSVG ab 1. Januar 1990, da der Kläger versicherungsfrei sei. Das zugrunde gelegte Jahreseinkommen von 5.400,00 DM liege unterhalb der gesetzlichen Mindestgrenze (1/7 der Bezugsgröße für 1990 = 5.640,00 DM). Zugleich wies die Beklagte darauf hin, daß die Feststellung der Versicherungsfreiheit nur für jeweils ein Jahr gelte und bei einem zu erwartenden höheren Arbeitseinkommen im darauf folgenden Jahr erneut die Feststellung der Versicherungspflicht beantragt werden könnte.
Hiergegen legte der Kläger am 17. Januar 1990 Widerspruch ein und teilte mit, daß er im laufenden Jahr 1990 aufgrund leicht verbesserter Auftragslage ein Jahreseinkommen von mindestens 5.640,00 DM erzielen werde.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 12. März 1990 zurück. Versicherte hätten nach den gesetzlichen Bestimmungen bis zum 1. Dezember eines Jahres das voraussichtliche Arbeitseinkommen für das folgende Kalenderjahr zu melden. Sofern der Versicherte trotz Aufforderung keine Meldung abgebe, könne die Künstlersozialkasse die Höhe des Arbeitseinkommens schätzen. Der Kläger habe sein Einkommen auf 5.400,00 DM geschätzt, obwohl im Anschreiben zur Abgabe einer. Schätzung des Jahreseinkommens für 1990 auf die für dieses Jahr geltende Mindestgrenze und die bei Nichterreichen eintretenden Rechtsfolgen hingewiesen worden sei. Die im Widerspruchsschreiben jetzt erkennbare Einkommensänderung während des laufenden Jahres könne nicht mehr berücksichtigt werden. Ergänzend folgte wiederum der Hinweis auf die Möglichkeit einer erneuten Feststellung der Versicherungspflicht im darauf folgenden Kalenderjahr.
Am 17. April 1990 hat der Kläger beim Sozialgericht Frankfurt am Main Klage erhoben. Er habe keine Schätzung für 1990 abgegeben, vielmehr habe die Beklagte das Vorjahreseinkommen übernommen. In dem Schreiben der Beklagten (der Klageschrift in Fotokopie beigefügt), mit dem er zur Abgabe der Einkommensschätzung für 1990 aufgefordert worden sei, sei der Betrag des Mindesteinkommens durch den Knick des gefalteten Blattes nicht genau erkennbar gewesen. Anstelle von 5.640,00 DM habe er 5.040,00 DM gelesen. Die Beklagte habe ihm zugleich mitgeteilt, daß sie ohne Angabe des voraussichtlichen Jahreseinkommens für 1990 durch ihn bei der Prüfung der weiteren Versicherungspflicht von dem bisherigen Betrag ausgehen werde. Über die Beitragshöhe würde Anfang 1990 eine gesonderte Beitragsmitteilung zugehen. Aus diesen mißverständlichen Formulierungen habe er nicht entnehmen können, daß die Beklagte die Versicherungspflicht beenden würde. Sie trage deshalb dafür die Verantwortung, daß er nicht auf die richtige Art und Weise auf das Schreiben reagiert habe. Im übrigen müsse wegen der in seinem Beruf typischen unsteten Einkommensentwicklungen die Möglichkeit einer Korrektur bei der Einkommensangabe eingeräumt werden.
Durch Urteil vom 17. Februar 1994 hat das Sozialgericht Frankfurt am Main die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 29. Dezember 1989 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.03.1990 verurteilt, "dem (den) Kläger im Jahre 1990 als Versicherungspflichtigen nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz anzusehen”. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, daß der Kläger auch 1990 in der Künstlersozialversicherung versicherungspflichtig gewesen sei. Der Kläger gehöre zum erfaßten Personenkreis. Er habe auch ein Mindesteinkommen von 5.640,00 DM für 1990 gemeldet. Auf Verspätung könne sich die Beklagte nicht berufen, denn bei unterlassener Meldung sei ihr ein Ermessen zur Schätzung des voraussichtlichen Einkommens eingeräumt. Hiervon habe sie aber keinen Gebrauch gemacht, so daß der Verwaltungsakt bereits deshalb rechtswidrig sei. Im übrigen bestehe die Versicherungspflicht des Klägers aufgrund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs fort, da die Beklagte ihn mißverständlich über die Einhaltung von Fristen und die Bedeutung der Jahreseinkommensmeldung informiert habe.
Gegen dieses der Beklagten gegen Empfangsbekenntnis am 18. Mai 1994 zugestellte Urteil richtet sich die mit Schriftsatz vom 26. Mai 1994 – eingegangen beim Hessischen Landessozialgericht in Darmstadt am 27. Mai 1994 – eingelegte Berufung, mit der sich die Beklagte unter Hinweis auf die Rechtsprechung des 1. Senats des Hessischen Landessozialgerichts gegen die getroffene Entscheidung des Sozialgerichts wendet. Sie sei gesetzlich dazu verpflichtet, eine Prognose über das zukünftige Jahreseinkommen eines Versicherten abzugeben. Da es der Kläger unterlassen habe, rechtzeitig eine Selbsteinschätzung vorzulegen, sei es sachgerecht gewesen, das zuletzt gemeldete Jahreseinkommen für das Folgejahr zugrunde zu legen. Für das nachträglich vom Kläger geschätzte Einkommen in Höhe von 5.640,00 DM habe dieser keinerlei Nachweise vorgelegt. Ein Verstoß gegen Beratungspflichten liege nicht vor, da der Kläger eindeutig auf die Mindesteinkommensgrenze 1990 hingewiesen worden sei.
Die Beklagte beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 17. Februar 1994 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend.
Durch Beschluss vom 17. Februar 1995 hat der Senat die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte und die Barmer Ersatzkasse zum Rechtsstreit beigeladen. Die Beigeladenen haben sich im Verfahren nicht geäußert und keine Anträge gestellt.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Hinsichtlich des Vorbringens der Beteiligten im übrigen wird auf den weiteren Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte über die Berufung der Beklagten im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§§ 124 Abs. 2, 153 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz –SGG–).
Die Berufung ist zulässig, denn sie ist form- und fristgerecht eingelegt sowie an sich statthaft (§§ 143, 151 SGG).
Die Berufung ist auch sachlich begründet.
Das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main mußte aufgehoben werden, denn ein Anspruch auf Feststellung der Versicherungspflicht in der Künstlersozialversicherung besteht für das Jahr 1990 nicht. Die Beklagte hat im Hinblick auf die unterlassene Jahresmeldung des Klägers zu Recht für dieses Kalenderjahr das voraussichtliche Jahreseinkommen geschätzt und als Bemessungsgrundlage das vom Kläger für das Jahr 1989 angegebene Einkommen berücksichtigt, das die gesetzliche Mindestgrenze für 1990 nicht erreichte.
Nach § 3 Abs. 1 des Gesetzes über die Sozialversicherung der selbständigen Künstler und Publizisten (Künstlersozialversicherungsgesetz –KSVG–) vom 27. Juli 1981 (BGBl. I, S. 705) in der ab 1. Januar 1989 geltenden Fassung (Änderungsgesetz vom 20. Dezember 1988, BGBl. I, S. 2606) ist versicherungsfrei nach diesem Gesetz, wer in dem Kalenderjahr aus selbständiger künstlerischer und publizistischer Tätigkeit voraussichtlich ein Arbeitseinkommen erzielt, das ein Siebtel der Bezugsgröße nach § 18 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch, bei höherem Arbeitseinkommen ein Sechstel des Gesamteinkommens nicht übersteigt. Wird die künstlerische oder publizistische Tätigkeit nur während eines Teils des Kalenderjahres ausgeübt, sind die in Satz 1 genannten Grenzen entsprechend herabzusetzen.
Diese Voraussetzungen lagen im Falle des Klägers für das Kalenderjahr 1990 vor. Zwar wird er als selbständiger Maler grundsätzlich vom Schutz der Künstlersozialversicherung erfaßt (§§ 1, 2 KSVG). Für die Feststellung der Versicherungs- und Beitragspflicht ist jedoch für jedes Kalenderjahr im voraus von der Beklagten eine Entscheidung zu treffen, ob der Künstler mit den zu erwartenden Einnahmen die jeweilige gesetzliche Mindestgrenze erreichen wird (§ 3 Abs. 1 KSVG). Die hiervon nach § 3 Abs. 2 KSVG vorgesehene gesetzliche Ausnahme für Künstler bis zum Ablauf von fünf Jahren nach erstmaliger Aufnahme einer Tätigkeit (hier: April 1984) ist vorliegend nicht einschlägig. Das Verfahren zur Feststellung des Versicherungspflichtigen Personenkreises unterscheidet sich insoweit nicht von der vorausschauenden Betrachtung, die auch eine Krankenkasse als Einzugsstelle der Gesamtsozialversicherungsbeiträge für jeden Versicherungspflichtigen Arbeitnehmer vornehmen muß. Im Unterschied hierzu ist lediglich die Grundlage der Entscheidung im Regelfall nicht ebenso sicher vorhersehbar, da der selbständige Künstler nicht mit einem monatlich wiederkehrenden, gleich hohen Zahlbetrag rechnen, kann. Dennoch besteht aber auch für diesen Personenkreis nach Ablauf einer bestimmten Zeit die Möglichkeit, voraussichtliche Einnahmen unter Berücksichtigung der vorangegangenen Geschäftsentwicklung und bestehender Geschäftsbeziehungen so zu konkretisieren, daß die Verwaltung eine Entscheidung über die Frage treffen kann, ob zumindest die gesetzliche Geringfügigkeitsgrenze im folgenden Jahr überschritten wird.
Grundlage der von der Beklagten zu treffenden Prognoseentscheidung ist im Regelfall die Selbsteinschätzung des selbständigen Künstlers. Dieser hat gemäß § 12 Abs. 1 KSVG der Künstlersozialkasse bis zum 1. Dezember eines Jahres das voraussichtliche Arbeitseinkommen bis zur Höhe der Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung für das folgende Kalenderjahr zu melden. Einer dementsprechenden Aufforderung der Beklagten im Schreiben vom 2. November 1989, das der Kläger in Fotokopie zusammen mit seiner Klageschrift selbst vorgelegt hat, ist dieser aber nicht nachgekommen. Das Schreiben hebt bereits im Kopf den Abgabetermin: 1.12.89 deutlich hervor. Es nennt ausdrücklich das für 1990 geltende Mindesteinkommen (5.640,00 DM), wobei die Ziffern selbst in der dem Gericht vorgelegten Fotokopie ohne Schwierigkeiten zu lesen sind. Ferner wird im Text eindeutig darauf hingewiesen, daß die Höhe des voraussichtlichen Arbeitseinkommens für das Fortbestehen der Versicherungspflicht maßgebend ist und bei Nichtabgabe der Meldung eine Schätzung auf der Grundlage des für 1989 gemeldeten Einkommens in Höhe von 5.400,00 DM vorgenommen werden wird. Dieser Ankündigung entsprechend hat die Beklagte, nachdem eine Meldung für das Jahr 1990 nicht eingegangen war, für dieses Kalenderjahr das voraussichtliche Arbeitseinkommen geschätzt. Hierzu war sie auch gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 KSVG berechtigt: Erstattet der Versicherte trotz Aufforderung die Meldung nach Satz 1 nicht, kann die Künstlersozialkasse die Höhe des Arbeitseinkommens schätzen. Entgegen dem Gesetzeswortlaut ist der Beklagten bei der Vornahme der Schätzung kein Entschließungsermessen eingeräumt. Vielmehr muß bei unterlassener Mitteilung des voraussichtlichen Arbeitseinkommens eine Schätzung vorgenommen werden (Brandmüller, KSVG, Kommentar, § 12 Anm. II.5.). Andernfalls könnte die Beklagte ihrem gesetzlichen Auftrag nicht nachkommen. In den Gesetzesmaterialien (BT-Drucksache 11/2964, S. 16) heißt es deshalb hierzu: "Satz 2 gibt der Künstlersozialkasse die Möglichkeit, bei fehlender Meldung durch den Versicherten sein voraussichtliches Jahresarbeitseinkommen zu schätzen. Dies ist erforderlich, da die Künstlersozialkasse zum Januar des jeweils folgenden Kalenderjahres die zu zahlenden Beiträge festzusetzen und den Krankenkassen das voraussichtliche Jahresarbeitseinkommen mitzuteilen hat”. Diese Ausführungen zur Gesetzesbegründung belegen, daß der Verwaltung für den Fall fehlender Mitwirkung des Künstlers ein Mittel (Schätzung) zur Aufgabenerfüllung zur Verfügung gestellt werden sollte, das vor dem 1. Januar 1989 in der von der Rechtsprechung gebilligten Verwaltungspraxis angewandt worden (vgl. hierzu die Urteile des HLSG vom 31. Oktober 1991 – L-1/Kr-793/90 – und vom 22. Juli 1993 – L-1/Kr-446/92 –), aber nicht ausdrücklich im Gesetz vorgesehen war. Nach Auffassung des Senats wollte der Gesetzgeber – auch wenn der Wortlaut des § 12 Abs. 1 Satz 2 KSVG insoweit mißverständlich ist – diese bis 1989 streitige Rechtsfrage (Schätzung zulässig oder nicht) klären, es jedoch nicht der Verwaltung überlassen, ob sie eine Entscheidung über die Versicherungspflicht bzw. die Höhe des zugrundeliegenden Einkommens aufgrund einer Schätzung trifft oder nicht. Dies belegen auch die hiermit im Zusammenhang stehenden §§ 11, 12 KSVG, die umfassend Melde- und Auskunftspflichten der Versicherten regeln sowie bei Verletzung derselben die Verhängung von Bußgeldern vorsehen (§ 36 KSVG). Von dieser Auslegung der Vorschrift geht ersichtlich auch das Bundessozialgericht ohne nähere Begründung und unter Hinweis auf ältere Rechtsprechung (BSG SozR 4100 § 115 Nr. 2) aus. Nach dieser in Bezug genommenen Entscheidung handelt es sich bei einer Schätzung im angefochtenen Verwaltungsakt – ungeachtet der Rechtsgrundlage hierfür – nicht um Verwaltungsermessen. Die Schätzung unterliege als Tatsachenfeststellung der Überprüfung durch die Tatsacheninstanzen (BSGE 74, 129).
Im Hinblick darauf, daß zu Beginn eines Geschäftsjahres feststehen muß, wer zum versicherten Personenkreis gehört und im Leistungsfall Ansprüche auf Sozialleistungen geltend machen. kann, mußte die Beklagte mangels Mitwirkung des Klägers für das Jahr 1990 eine Prognose über das voraussichtliche Arbeitseinkommen stellen. Daß sie hierbei von den gemeldeten, voraussichtlichen Einnahmen im vorangegangenen Jahr ausgegangen ist, ist nicht zu beanstanden. Anhaltspunkte oder Unterlagen, die eine andere Beurteilung zugelassen hätten, lagen der Beklagten nicht vor. Zudem wußte der Kläger bereits durch das Aufforderungsschreiben vom November 1989, daß die Beklagte von diesem Einkommen ausgehen würde, wenn eine Meldung nicht rechtzeitig abgegeben wird. Da die Hinweise im Schreiben vom 2. November 1989 eindeutig sind, vermag der Senat die vom Sozialgericht angestellten Erwägungen zum sozialrechtlichen Herstellungsanspruch nicht nachzuvollziehen. Sollten beim Kläger – dem vergleichbare Schreiben der Beklagten bereits aus den vorangegangenen Jahren bekannt waren – tatsächlich Fragen offen geblieben sein, hätte es näher gelegen, sich mit einer konkreten Frage und der Bitte um Klärung an die Beklagte zu wenden. Der Kläger hat aber – wie bereits schon einmal in früheren Jahren – nichts getan und hat erst auf die ablehnende Entscheidung der Beklagten, die Gegenstand des Rechtsstreits ist, reagiert. Die angefochtenen Verwaltungsakte sind aber – wie dargelegt – rechtlich nicht zu beanstanden.
Entgegen der Auffassung des Klägers ist bei einer Prognoseentscheidung von vornherein ausgeschlossen, diese rückblickend zu ändern. Bei einer solchen Entscheidungsfindung ist naturgemäß möglich, daß sich die getroffene Entscheidung im nachhinein als falsch herausstellt. Das ist aber nicht zuletzt, um der Gefahr nachträglicher Manipulationen zu begegnen, hinzunehmen. Bei Änderung der Verhältnisse können diese – wie § 12 Abs. 3 KSVG ausdrücklich bestimmt, nur für die Zukunft ("vom Ersten des Monats an, der auf den Monat folgt, in dem der Antrag bei der Künstlersozialkasse eingeht”) berücksichtigt werden. Abgesehen von der verspätet abgegebenen Selbsteinschätzung, die die Verwaltungsentscheidung nicht mehr ändern konnte, hat der Kläger auch später zu keinem Zeitpunkt Unterlagen vorgelegt, die die Unrichtigkeit der getroffenen Entscheidung mit der Folge, einer zukünftigen Änderung im Rahmen des § 12 Abs. 3 KSVG hätten nachweisen oder glaubhaft machen können. Da die Beklagte insgesamt zu Recht das Bestehen von Versicherungspflicht 1990 verneint hat, mußte auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main aufgehoben und die Klage abgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nrn. 1, 2 SGG nicht vorliegen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Versicherungspflicht zur Künstlersozialversicherung im Jahre 1990.
Der Kläger ist nach seinen eigenen Angaben seit April 1984 als Maler selbständig tätig. Aufgrund einer Anmeldung bei der Beklagten war er ab 20. Februar 1987 in der Rentenversicherung und der Krankenversicherung (Beigeladene zu 1) und 2)) nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) pflichtversichert (Bescheid vom 22. Juni 1987).
Im Schreiben vom 6. Mai 1988 informierte die Beklagte den Kläger über die beabsichtigte Aufhebung des Feststellungsbescheides über das Vorliegen von Versicherungspflicht, da bisher keine oder nur geringfügige Beitragsleistungen erbracht worden seien. Der Kläger reagierte hierauf nicht.
Mit Bescheid vom 8. Juli 1988 hob die Beklagte den Bescheid vom 22. Juni 1987 mit sofortiger Wirkung wegen wesentlicher Änderung der Verhältnisse auf.
Am 4. April 1989 wandte sich der Kläger erneut an die Beklagte mit der Bitte um Nachzahlung des vorhandenen Beitragrückstandes sowie um Wiederaufnahme in die Künstlersozialversicherung. Er sei in der Vergangenheit zur Beitragsentrichtung nicht in der Lage gewesen. Seine Einkünfte 1989 würden voraussichtlich die Mindesthöhe von 5.400,00 DM erreichen. Zum Nachweis hierfür bezog er sich auf eine Fotokopie einer Verkaufsquittung für ein Bild über 1.000,00 DM und eine Einladungskarte zu einer Ausstellung seiner Bilder in einem Frankfurter Café.
Daraufhin stellte die Beklagte erneut die Versicherungspflicht des Klägers in der Rentenversicherung und der Krankenversicherung ab 4. April 1989 (Bescheid vom 20. Juni 1989) fest. In der Folgezeit tilgte der Kläger den vorhandenen Rückstand und erteilte für laufende Beiträge eine Einzugsermächtigung. Eine Jahresmeldung für 1990 gab er trotz entsprechender Aufforderung (Schreiben der Beklagten vom 2. November 1989) nicht ab.
Mit Bescheid vom 29. Dezember 1989 beendete die Beklagte die Versicherungspflicht nach dem KSVG ab 1. Januar 1990, da der Kläger versicherungsfrei sei. Das zugrunde gelegte Jahreseinkommen von 5.400,00 DM liege unterhalb der gesetzlichen Mindestgrenze (1/7 der Bezugsgröße für 1990 = 5.640,00 DM). Zugleich wies die Beklagte darauf hin, daß die Feststellung der Versicherungsfreiheit nur für jeweils ein Jahr gelte und bei einem zu erwartenden höheren Arbeitseinkommen im darauf folgenden Jahr erneut die Feststellung der Versicherungspflicht beantragt werden könnte.
Hiergegen legte der Kläger am 17. Januar 1990 Widerspruch ein und teilte mit, daß er im laufenden Jahr 1990 aufgrund leicht verbesserter Auftragslage ein Jahreseinkommen von mindestens 5.640,00 DM erzielen werde.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 12. März 1990 zurück. Versicherte hätten nach den gesetzlichen Bestimmungen bis zum 1. Dezember eines Jahres das voraussichtliche Arbeitseinkommen für das folgende Kalenderjahr zu melden. Sofern der Versicherte trotz Aufforderung keine Meldung abgebe, könne die Künstlersozialkasse die Höhe des Arbeitseinkommens schätzen. Der Kläger habe sein Einkommen auf 5.400,00 DM geschätzt, obwohl im Anschreiben zur Abgabe einer. Schätzung des Jahreseinkommens für 1990 auf die für dieses Jahr geltende Mindestgrenze und die bei Nichterreichen eintretenden Rechtsfolgen hingewiesen worden sei. Die im Widerspruchsschreiben jetzt erkennbare Einkommensänderung während des laufenden Jahres könne nicht mehr berücksichtigt werden. Ergänzend folgte wiederum der Hinweis auf die Möglichkeit einer erneuten Feststellung der Versicherungspflicht im darauf folgenden Kalenderjahr.
Am 17. April 1990 hat der Kläger beim Sozialgericht Frankfurt am Main Klage erhoben. Er habe keine Schätzung für 1990 abgegeben, vielmehr habe die Beklagte das Vorjahreseinkommen übernommen. In dem Schreiben der Beklagten (der Klageschrift in Fotokopie beigefügt), mit dem er zur Abgabe der Einkommensschätzung für 1990 aufgefordert worden sei, sei der Betrag des Mindesteinkommens durch den Knick des gefalteten Blattes nicht genau erkennbar gewesen. Anstelle von 5.640,00 DM habe er 5.040,00 DM gelesen. Die Beklagte habe ihm zugleich mitgeteilt, daß sie ohne Angabe des voraussichtlichen Jahreseinkommens für 1990 durch ihn bei der Prüfung der weiteren Versicherungspflicht von dem bisherigen Betrag ausgehen werde. Über die Beitragshöhe würde Anfang 1990 eine gesonderte Beitragsmitteilung zugehen. Aus diesen mißverständlichen Formulierungen habe er nicht entnehmen können, daß die Beklagte die Versicherungspflicht beenden würde. Sie trage deshalb dafür die Verantwortung, daß er nicht auf die richtige Art und Weise auf das Schreiben reagiert habe. Im übrigen müsse wegen der in seinem Beruf typischen unsteten Einkommensentwicklungen die Möglichkeit einer Korrektur bei der Einkommensangabe eingeräumt werden.
Durch Urteil vom 17. Februar 1994 hat das Sozialgericht Frankfurt am Main die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 29. Dezember 1989 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.03.1990 verurteilt, "dem (den) Kläger im Jahre 1990 als Versicherungspflichtigen nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz anzusehen”. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, daß der Kläger auch 1990 in der Künstlersozialversicherung versicherungspflichtig gewesen sei. Der Kläger gehöre zum erfaßten Personenkreis. Er habe auch ein Mindesteinkommen von 5.640,00 DM für 1990 gemeldet. Auf Verspätung könne sich die Beklagte nicht berufen, denn bei unterlassener Meldung sei ihr ein Ermessen zur Schätzung des voraussichtlichen Einkommens eingeräumt. Hiervon habe sie aber keinen Gebrauch gemacht, so daß der Verwaltungsakt bereits deshalb rechtswidrig sei. Im übrigen bestehe die Versicherungspflicht des Klägers aufgrund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs fort, da die Beklagte ihn mißverständlich über die Einhaltung von Fristen und die Bedeutung der Jahreseinkommensmeldung informiert habe.
Gegen dieses der Beklagten gegen Empfangsbekenntnis am 18. Mai 1994 zugestellte Urteil richtet sich die mit Schriftsatz vom 26. Mai 1994 – eingegangen beim Hessischen Landessozialgericht in Darmstadt am 27. Mai 1994 – eingelegte Berufung, mit der sich die Beklagte unter Hinweis auf die Rechtsprechung des 1. Senats des Hessischen Landessozialgerichts gegen die getroffene Entscheidung des Sozialgerichts wendet. Sie sei gesetzlich dazu verpflichtet, eine Prognose über das zukünftige Jahreseinkommen eines Versicherten abzugeben. Da es der Kläger unterlassen habe, rechtzeitig eine Selbsteinschätzung vorzulegen, sei es sachgerecht gewesen, das zuletzt gemeldete Jahreseinkommen für das Folgejahr zugrunde zu legen. Für das nachträglich vom Kläger geschätzte Einkommen in Höhe von 5.640,00 DM habe dieser keinerlei Nachweise vorgelegt. Ein Verstoß gegen Beratungspflichten liege nicht vor, da der Kläger eindeutig auf die Mindesteinkommensgrenze 1990 hingewiesen worden sei.
Die Beklagte beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 17. Februar 1994 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend.
Durch Beschluss vom 17. Februar 1995 hat der Senat die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte und die Barmer Ersatzkasse zum Rechtsstreit beigeladen. Die Beigeladenen haben sich im Verfahren nicht geäußert und keine Anträge gestellt.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Hinsichtlich des Vorbringens der Beteiligten im übrigen wird auf den weiteren Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte über die Berufung der Beklagten im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§§ 124 Abs. 2, 153 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz –SGG–).
Die Berufung ist zulässig, denn sie ist form- und fristgerecht eingelegt sowie an sich statthaft (§§ 143, 151 SGG).
Die Berufung ist auch sachlich begründet.
Das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main mußte aufgehoben werden, denn ein Anspruch auf Feststellung der Versicherungspflicht in der Künstlersozialversicherung besteht für das Jahr 1990 nicht. Die Beklagte hat im Hinblick auf die unterlassene Jahresmeldung des Klägers zu Recht für dieses Kalenderjahr das voraussichtliche Jahreseinkommen geschätzt und als Bemessungsgrundlage das vom Kläger für das Jahr 1989 angegebene Einkommen berücksichtigt, das die gesetzliche Mindestgrenze für 1990 nicht erreichte.
Nach § 3 Abs. 1 des Gesetzes über die Sozialversicherung der selbständigen Künstler und Publizisten (Künstlersozialversicherungsgesetz –KSVG–) vom 27. Juli 1981 (BGBl. I, S. 705) in der ab 1. Januar 1989 geltenden Fassung (Änderungsgesetz vom 20. Dezember 1988, BGBl. I, S. 2606) ist versicherungsfrei nach diesem Gesetz, wer in dem Kalenderjahr aus selbständiger künstlerischer und publizistischer Tätigkeit voraussichtlich ein Arbeitseinkommen erzielt, das ein Siebtel der Bezugsgröße nach § 18 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch, bei höherem Arbeitseinkommen ein Sechstel des Gesamteinkommens nicht übersteigt. Wird die künstlerische oder publizistische Tätigkeit nur während eines Teils des Kalenderjahres ausgeübt, sind die in Satz 1 genannten Grenzen entsprechend herabzusetzen.
Diese Voraussetzungen lagen im Falle des Klägers für das Kalenderjahr 1990 vor. Zwar wird er als selbständiger Maler grundsätzlich vom Schutz der Künstlersozialversicherung erfaßt (§§ 1, 2 KSVG). Für die Feststellung der Versicherungs- und Beitragspflicht ist jedoch für jedes Kalenderjahr im voraus von der Beklagten eine Entscheidung zu treffen, ob der Künstler mit den zu erwartenden Einnahmen die jeweilige gesetzliche Mindestgrenze erreichen wird (§ 3 Abs. 1 KSVG). Die hiervon nach § 3 Abs. 2 KSVG vorgesehene gesetzliche Ausnahme für Künstler bis zum Ablauf von fünf Jahren nach erstmaliger Aufnahme einer Tätigkeit (hier: April 1984) ist vorliegend nicht einschlägig. Das Verfahren zur Feststellung des Versicherungspflichtigen Personenkreises unterscheidet sich insoweit nicht von der vorausschauenden Betrachtung, die auch eine Krankenkasse als Einzugsstelle der Gesamtsozialversicherungsbeiträge für jeden Versicherungspflichtigen Arbeitnehmer vornehmen muß. Im Unterschied hierzu ist lediglich die Grundlage der Entscheidung im Regelfall nicht ebenso sicher vorhersehbar, da der selbständige Künstler nicht mit einem monatlich wiederkehrenden, gleich hohen Zahlbetrag rechnen, kann. Dennoch besteht aber auch für diesen Personenkreis nach Ablauf einer bestimmten Zeit die Möglichkeit, voraussichtliche Einnahmen unter Berücksichtigung der vorangegangenen Geschäftsentwicklung und bestehender Geschäftsbeziehungen so zu konkretisieren, daß die Verwaltung eine Entscheidung über die Frage treffen kann, ob zumindest die gesetzliche Geringfügigkeitsgrenze im folgenden Jahr überschritten wird.
Grundlage der von der Beklagten zu treffenden Prognoseentscheidung ist im Regelfall die Selbsteinschätzung des selbständigen Künstlers. Dieser hat gemäß § 12 Abs. 1 KSVG der Künstlersozialkasse bis zum 1. Dezember eines Jahres das voraussichtliche Arbeitseinkommen bis zur Höhe der Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung für das folgende Kalenderjahr zu melden. Einer dementsprechenden Aufforderung der Beklagten im Schreiben vom 2. November 1989, das der Kläger in Fotokopie zusammen mit seiner Klageschrift selbst vorgelegt hat, ist dieser aber nicht nachgekommen. Das Schreiben hebt bereits im Kopf den Abgabetermin: 1.12.89 deutlich hervor. Es nennt ausdrücklich das für 1990 geltende Mindesteinkommen (5.640,00 DM), wobei die Ziffern selbst in der dem Gericht vorgelegten Fotokopie ohne Schwierigkeiten zu lesen sind. Ferner wird im Text eindeutig darauf hingewiesen, daß die Höhe des voraussichtlichen Arbeitseinkommens für das Fortbestehen der Versicherungspflicht maßgebend ist und bei Nichtabgabe der Meldung eine Schätzung auf der Grundlage des für 1989 gemeldeten Einkommens in Höhe von 5.400,00 DM vorgenommen werden wird. Dieser Ankündigung entsprechend hat die Beklagte, nachdem eine Meldung für das Jahr 1990 nicht eingegangen war, für dieses Kalenderjahr das voraussichtliche Arbeitseinkommen geschätzt. Hierzu war sie auch gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 KSVG berechtigt: Erstattet der Versicherte trotz Aufforderung die Meldung nach Satz 1 nicht, kann die Künstlersozialkasse die Höhe des Arbeitseinkommens schätzen. Entgegen dem Gesetzeswortlaut ist der Beklagten bei der Vornahme der Schätzung kein Entschließungsermessen eingeräumt. Vielmehr muß bei unterlassener Mitteilung des voraussichtlichen Arbeitseinkommens eine Schätzung vorgenommen werden (Brandmüller, KSVG, Kommentar, § 12 Anm. II.5.). Andernfalls könnte die Beklagte ihrem gesetzlichen Auftrag nicht nachkommen. In den Gesetzesmaterialien (BT-Drucksache 11/2964, S. 16) heißt es deshalb hierzu: "Satz 2 gibt der Künstlersozialkasse die Möglichkeit, bei fehlender Meldung durch den Versicherten sein voraussichtliches Jahresarbeitseinkommen zu schätzen. Dies ist erforderlich, da die Künstlersozialkasse zum Januar des jeweils folgenden Kalenderjahres die zu zahlenden Beiträge festzusetzen und den Krankenkassen das voraussichtliche Jahresarbeitseinkommen mitzuteilen hat”. Diese Ausführungen zur Gesetzesbegründung belegen, daß der Verwaltung für den Fall fehlender Mitwirkung des Künstlers ein Mittel (Schätzung) zur Aufgabenerfüllung zur Verfügung gestellt werden sollte, das vor dem 1. Januar 1989 in der von der Rechtsprechung gebilligten Verwaltungspraxis angewandt worden (vgl. hierzu die Urteile des HLSG vom 31. Oktober 1991 – L-1/Kr-793/90 – und vom 22. Juli 1993 – L-1/Kr-446/92 –), aber nicht ausdrücklich im Gesetz vorgesehen war. Nach Auffassung des Senats wollte der Gesetzgeber – auch wenn der Wortlaut des § 12 Abs. 1 Satz 2 KSVG insoweit mißverständlich ist – diese bis 1989 streitige Rechtsfrage (Schätzung zulässig oder nicht) klären, es jedoch nicht der Verwaltung überlassen, ob sie eine Entscheidung über die Versicherungspflicht bzw. die Höhe des zugrundeliegenden Einkommens aufgrund einer Schätzung trifft oder nicht. Dies belegen auch die hiermit im Zusammenhang stehenden §§ 11, 12 KSVG, die umfassend Melde- und Auskunftspflichten der Versicherten regeln sowie bei Verletzung derselben die Verhängung von Bußgeldern vorsehen (§ 36 KSVG). Von dieser Auslegung der Vorschrift geht ersichtlich auch das Bundessozialgericht ohne nähere Begründung und unter Hinweis auf ältere Rechtsprechung (BSG SozR 4100 § 115 Nr. 2) aus. Nach dieser in Bezug genommenen Entscheidung handelt es sich bei einer Schätzung im angefochtenen Verwaltungsakt – ungeachtet der Rechtsgrundlage hierfür – nicht um Verwaltungsermessen. Die Schätzung unterliege als Tatsachenfeststellung der Überprüfung durch die Tatsacheninstanzen (BSGE 74, 129).
Im Hinblick darauf, daß zu Beginn eines Geschäftsjahres feststehen muß, wer zum versicherten Personenkreis gehört und im Leistungsfall Ansprüche auf Sozialleistungen geltend machen. kann, mußte die Beklagte mangels Mitwirkung des Klägers für das Jahr 1990 eine Prognose über das voraussichtliche Arbeitseinkommen stellen. Daß sie hierbei von den gemeldeten, voraussichtlichen Einnahmen im vorangegangenen Jahr ausgegangen ist, ist nicht zu beanstanden. Anhaltspunkte oder Unterlagen, die eine andere Beurteilung zugelassen hätten, lagen der Beklagten nicht vor. Zudem wußte der Kläger bereits durch das Aufforderungsschreiben vom November 1989, daß die Beklagte von diesem Einkommen ausgehen würde, wenn eine Meldung nicht rechtzeitig abgegeben wird. Da die Hinweise im Schreiben vom 2. November 1989 eindeutig sind, vermag der Senat die vom Sozialgericht angestellten Erwägungen zum sozialrechtlichen Herstellungsanspruch nicht nachzuvollziehen. Sollten beim Kläger – dem vergleichbare Schreiben der Beklagten bereits aus den vorangegangenen Jahren bekannt waren – tatsächlich Fragen offen geblieben sein, hätte es näher gelegen, sich mit einer konkreten Frage und der Bitte um Klärung an die Beklagte zu wenden. Der Kläger hat aber – wie bereits schon einmal in früheren Jahren – nichts getan und hat erst auf die ablehnende Entscheidung der Beklagten, die Gegenstand des Rechtsstreits ist, reagiert. Die angefochtenen Verwaltungsakte sind aber – wie dargelegt – rechtlich nicht zu beanstanden.
Entgegen der Auffassung des Klägers ist bei einer Prognoseentscheidung von vornherein ausgeschlossen, diese rückblickend zu ändern. Bei einer solchen Entscheidungsfindung ist naturgemäß möglich, daß sich die getroffene Entscheidung im nachhinein als falsch herausstellt. Das ist aber nicht zuletzt, um der Gefahr nachträglicher Manipulationen zu begegnen, hinzunehmen. Bei Änderung der Verhältnisse können diese – wie § 12 Abs. 3 KSVG ausdrücklich bestimmt, nur für die Zukunft ("vom Ersten des Monats an, der auf den Monat folgt, in dem der Antrag bei der Künstlersozialkasse eingeht”) berücksichtigt werden. Abgesehen von der verspätet abgegebenen Selbsteinschätzung, die die Verwaltungsentscheidung nicht mehr ändern konnte, hat der Kläger auch später zu keinem Zeitpunkt Unterlagen vorgelegt, die die Unrichtigkeit der getroffenen Entscheidung mit der Folge, einer zukünftigen Änderung im Rahmen des § 12 Abs. 3 KSVG hätten nachweisen oder glaubhaft machen können. Da die Beklagte insgesamt zu Recht das Bestehen von Versicherungspflicht 1990 verneint hat, mußte auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main aufgehoben und die Klage abgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nrn. 1, 2 SGG nicht vorliegen.
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