L 1 Kr 603/95

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 9 Kr 678/90
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 1 Kr 603/95
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Steht fest, daß die Beschäftigung eines Studenten neben dem Studium und diesem nach Zweck und Dauer untergeordnet ausgeübt wird, ist sie versicherungsfrei.
2. Das „Werkstudentenprivileg” gilt unabhängig von der Dauer des Studiums zeitlich unbeschränkt, solange das Studium das „Erscheinungsbild” prägt (Anschluß an: BSGE 71, 144 ff).
I. Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 16. Februar 1995 sowie die Bescheide der Beklagten vom 30. August 1988, 14. Februar 1989 und 8. Dezember 1989 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1. Februar 1990 aufgehoben.

II. Die Beklagte hat die der Klägerin und dem Beigeladenen zu 2) entstandenen außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten. Im übrigen haben die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Nachentrichtung von Beiträgen zur Krankenversicherung und Rentenversicherung für den Beigeladenen zu 2) in Höhe von 11.223,37 DM.

Die Klägerin mit Sitz in betreibt ein Kaufhaus in Aufgrund einer Betriebsprüfung für den Zeitraum Januar bis März 1984 und Mai 1984 bis Januar 1988 forderte die Beklagte mit Bescheid vom 30. August 1988 die Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von insgesamt 33.214,70 DM, unter anderem für die Teilzeitbeschäftigung des Beigeladenen zu 2) als Auffüller im Zeitraum von April 1985 bis Januar 1988.

Hiergegen legte die Klägerin nach Zahlung eines Teilbetrages von 21.396,37 DM am 26. September 1988 Widerspruch ein, soweit Sozialversicherungsbeiträge für vier Studenten, darunter der Beigeladene zu 2), in Höhe von insgesamt 11.818,33 DM geltend gemacht wurden. Die betreffenden Beschäftigten seien nach den vorgelegten Immatrikulationsbescheinigungen ordentliche Studierende, die versicherungsfrei seien. Die wöchentliche Arbeitszeit habe bei ihnen im Regelfall unter 20 Stunden gelegen. Eine Versicherungspflicht ergebe sich – entgegen der Begründung im angefochtenen Bescheid – nicht daraus, daß es sich um "Langzeitstudenten” handele.

Mit Änderungsbescheid vom 14. Februar 1989 minderte die Beklagte ihre Forderung um einen Betrag in Höhe von 317,90 DM ohne Anerkennung einer Rechtspflicht für eine nur kurzzeitig ausgeübte Beschäftigung zweier Studenten. Im übrigen verwies sie darauf, daß nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nur solche Studenten versicherungsfrei blieben, deren Zeit und Arbeitskraft überwiegend durch das Studium in Anspruch genommen werde. Die Immatrikulation gebe allein noch keinen Aufschluß darüber, ob der Betreffende nach seinen gesamten Lebensumständen ernsthaft mit dem Willen eines Abschlusses studiere. Die Gesamtumstände ließen bei den betreffenden Personen erkennen, daß sie nicht mehr als ordentliche Studierende anzusehen seien. Anläßlich der Betriebsprüfung sei unter anderem festgestellt worden, daß für die von studentischen Vermittlungsdiensten vermittelten Personen überwiegend keine ordnungsgemäßen Aufzeichnungen vorgelegen hätten. Anhand der vorliegenden Unterlagen sei eine versicherungsrechtliche Beurteilung der Beschäftigungsverhältnisse kaum möglich gewesen. Dies sei Anlaß für ein ausführliches Informationsgespräch über Aufzeichnungspflichten, Führung von Lohnunterlagen und deren Inhalt gewesen, wobei die Beschäftigung sogenannter "Langzeitstudenten” den Schwerpunkt gebildet habe. Der Beigeladene zu 2) sei bereits bei der im April 1985 erfolgten Betriebsprüfung mit damals 33 Hochschul- bzw. 24 Fachsemestern als "Langzeitstudent” Gegenstand der Besprechung gewesen.

Die Klägerin hielt ihren Widerspruch aufrecht und verwies darauf, daß Versicherungsfreiheit in jedem Fall bestehe, wenn die wöchentliche Arbeitszeit nicht mehr als 20 Stunden betrage.

Nach Durchführung weiterer Ermittlungen berichtigte die Beklagte mit weiterem Änderungsbescheid vom 8. Dezember 1989 ihre Forderung nochmals um 277,06 DM. Die noch verbliebene Beitragsforderung hinsichtlich des Beigeladenen zu 2) (Krankenversicherung – 4.674,88 DM und Rentenversicherung – 6.548,49 DM) sei aber berechtigt, da nicht mehr davon ausgegangen werden könne, daß dieser sein Studium ernsthaft und mit dem Ziel eines Abschlusses betreibe. Die Anmeldung des Beigeladenen zu 2) zu einer Ersatzkasse ab 1. Februar 1988 belege im übrigen, daß die Klägerin diesen Arbeitnehmer ebenfalls nicht mehr als Werkstudent ansehe.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 1. Februar 1990 zurück.

Am 23. Februar 1990 hat die Klägerin beim Sozialgericht Frankfurt am Main Klage erhoben und sich weiterhin gegen die Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen für den Beigeladenen zu 2) gewandt. Im beanstandeten Zeitraum von April 1985 bis Januar 1988 sei der Beigeladene zu 2) ordentlich eingeschriebener Student gewesen und habe gleichzeitig als teilzeitbeschäftigter Auffüller monatlich durchschnittlich 78 Stunden, werktäglich von 7.30–10.30 Uhr, in der Betriebsstätte am gearbeitet. Die Rechtsauffassung der Beklagten finde im Gesetz und in der Rechtsprechung keine Stütze. Die Anmeldung bei einer Ersatzkasse beruhe darauf, daß der Beigeladene zu 2) ab diesem Zeitpunkt ganztags bei ihr beschäftigt sei. Angaben zum tatsächlichen Beschäftigungsumfang des Beigeladenen zu 2) könnten mit Ausnahme des Monats Januar 1988 nicht mehr gemacht werden, da Stempelkarten, Lohn- und Gehaltslisten zulässigerweise vernichtet worden seien.

Das Sozialgericht hat die Landesversicherungsanstalt und den betroffenen Beschäftigten zum Rechtsstreit beigeladen (Beschluss vom 9. August 1990) sowie Studienbücher und Leistungsnachweise des Beigeladenen zu 2) beigezogen. Der Beigeladene zu 2) hat vorgetragen, daß das Erreichen des Examens für ihn bis zu dem Zeitpunkt seines endgültigen Scheiterns durch erneute Nichtabgabe der Examenshausarbeit im Vordergrund gestanden habe. Gerade im Hinblick auf die bevorstehende Prüfungsphase habe er zur Sicherung seines Lebensunterhalts eine feste Beschäftigung in den Morgenstunden gesucht, die seinen Arbeitsrhythmus zur Prüfungsvorbereitung nicht gestört habe. Die vertraglich vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit sei nicht überschritten worden. Soweit er an einzelnen Tagen im Ausnahmefall länger gearbeitet habe, sei dies durch anschließende arbeitsfreie Tage ausgeglichen worden. Da an der Freien Universität keine Belegpflicht bestanden habe, enthalte das vorgelegte Studienbuch nicht die Aufstellung und die Anzahl der tatsächlich besuchten Lehrveranstaltungen.

Durch Urteil vom 16. Februar 1995 hat das Sozialgericht Frankfurt am Main die Klage abgewiesen und in den Entscheidungsgründen ausgeführt, daß der Beigeladene zu 2) trotz seines Studiums nach seinem Erscheinungsbild zum Kreis der Beschäftigten gehört habe. Dieser habe im Sommersemester 1984 und im Wintersemester 1986/87 lediglich vier bzw. fünf Wochenstunden belegt, in der übrigen Zeit bis Sommer 1987 nur jeweils zwei Wochenstunden. Für das Wintersemester 1987/88 sei kein Studiennachweis vorgelegt worden. Bei der Klägerin sei er aber durchgehend mindestens 18 Stunden pro Woche tätig gewesen, so daß sein Einsatz als Arbeiter im Vordergrund gestanden habe. Daran ändere nichts, daß der Beigeladene zu 2) während des streitigen Zeitraumes zweimal versucht habe, eine Examenshausarbeit anzufertigen. Schriftliche Unterlagen seien hierüber nicht vorhanden. Die Länge des Studiums verdeutliche, daß das Studium nur mit geringem Aufwand betrieben worden sei.

Gegen dieses der Klägerin mit Postzustellungsurkunde am 15. Mai 1995 zugestellte Urteil richtet sich die mit Schriftsatz vom 14. Juni 1995 – eingegangen beim Hessischen Landessozialgericht in Darmstadt per Telefax am selben Tag – eingelegte Berufung, mit der sich die Klägerin gegen die getroffene Entscheidung des Sozialgerichts wendet. Die Einhaltung einer wöchentlichen Arbeitszeit unter 20 Stunden sei nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ein wesentliches Beweisanzeichen für das Erscheinungsbild als Student. Eine Abgrenzung nach der Semesterzahl sei untauglich, da auch ein Student im ersten Semester die neben der Erwerbstätigkeit verbleibende Zeit nicht unbedingt zum Studium nutzen müsse. Das Sozialgericht habe die auch schriftsätzlich vorgetragenen Angaben des Beigeladenen zu 2) nicht ausreichend gewürdigt, wonach für diesen ausschließlich das Erreichen des Examens im Vordergrund gestanden habe. Die geringe Belegstundenzahl entspreche der gängigen Praxis vor der Examensprüfung. An ihre Stelle trete die Prüfungsvorbereitung durch Repetition und Vertiefung des Prüfungsstoffs. Daß der Beigeladene zu 2) eine Immatrikulation nur zum Zwecke der Versicherungsfreiheit seiner Beschäftigung vorgenommen habe, werde schon dadurch widerlegt, daß er in diesem Zeitraum zweimal versucht habe, eine Examenshausarbeit anzufertigen. Schließlich seien Zweifel am Umfang der wöchentlichen Arbeitszeit durch die nunmehr vorliegenden Gehaltsabrechnungen des Beigeladenen zu 2) ausgeräumt.

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 16. Februar 1995 sowie die Bescheide der Beklagten vom 30. August 1988, 14. Februar 1989 und 8. Dezember 1989 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1. Februar 1990 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend und bezieht sich zur Begründung auf ihr bisheriges Vorbringen.

Die Beigeladene zu 1) hat sich schriftsätzlich dem Antrag der Beklagten angeschlossen.

Der Beigeladene zu 2) hat sich mit Schriftsatz vom 9. Dezember 1995 ausdrücklich dem Vorbringen und dem Antrag der Klägerin angeschlossen.

Hinsichtlich des Vorbringens der Beteiligten im übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie den weiteren Inhalt der Gerichtsakte – insbesondere Photokopien der Immatrikulationsbescheinigungen, Studienbücher, Lohnabrechnungen des Beigeladenen zu 2) (Bl. 35–41, Anlagen zu Bl. 96 und Bl. 186–221)– Bezug genommen und auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, denn sie ist form- und fristgerecht eingelegt sowie an sich statthaft (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz – SGG). Da die Klägerin ihr Klageziel mit der Aufhebung der angefochtenen Bescheide der Beklagten, also der reinen Anfechtungsklage, erreichen kann, war insoweit auf Anregung des Senats der ursprünglich gestellte Sachantrag zu ändern.

Die Berufung ist auch sachlich begründet.

Das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main mußte aufgehoben werden, denn eine Verpflichtung zur Nachzahlung von Beiträgen zur gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung für den Beigeladenen zu 2) besteht nicht. Dessen neben dem Studium ausgeübte Teilzeitbeschäftigung bei der Klägerin von April 1985 bis Januar 1988 war beitragsfrei.

Nach § 165 Abs. 1 Nr. 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) in der hier noch anzuwendenden bis zum 31. Dezember 1988 geltenden Fassung (a.F.), werden für den Fall der Krankheit u.a. Arbeiter versichert, die gegen Entgelt beschäftigt werden (§ 165 Abs. 2 RVO a.F.). Entsprechendes bestimmte der bis zum 31. Dezember 1991 geltende § 1227 Abs. 1 Nr. 1 RVO a.F. für die Versicherungspflicht in der Rentenversicherung.

Der Beigeladene zu 2) übte von April 1985 bis Januar 1988 eine mehr als geringfügige, entgeltliche Beschäftigung (78 Stunden im Monat für 858,– DM brutto bei Vertragsabschluß) als Auffüller bei der Klägerin aus und war somit in der gesetzlichen Renten- und Krankenversicherung grundsätzlich versicherungspflichtig.

Abweichend hiervon sind gemäß § 172 Abs. 1 Nr. 5 RVO a.F. (bzw. 1228 Abs. 1 Nr. 3 RVO a.F.) Personen versicherungsfrei, die während der Dauer ihres Studiums als ordentliche Studierende einer Hochschule oder einer sonstigen der wissenschaftlichen oder fachlichen Ausbildung dienenden. Schule gegen Entgelt beschäftigt sind.

Im streitigen Zeitraum, für den von der Beklagten Beiträge nachgefordert worden sind, war der Beigeladene zu 2) ausweislich der vorgelegten Immatrikulationsbescheinigungen als ordentlicher Studierender der Freien Universität eingeschrieben. Dieser Umstand allein begründet jedoch nicht ohne weiteres die Beitragsfreiheit der Tätigkeit für die Klägerin (BSG SozR 2200 § 172 Nr. 20).

Die Abgrenzung der Versicherungspflichtigen von der versicherungsfreien Beschäftigung als Werkstudent wird nach der Rechtsprechung (BSGE 27, 192 ff.; 40, 93 ff.; 50, 25 ff.; 78, 229 ff.; BSG SozR 2200 § 172 Nrn. 19, 20; BSG SozR 3–2500 § 6 Nr. 2; BSG SozR 3–2200 § 172 Nr. 2), der der Senat folgt, danach vorgenommen, ob Zeit und Arbeitskraft des Betreffenden überwiegend vom Studium oder überwiegend von der Erwerbstätigkeit in Anspruch genommen werden, ob also der Betreffende nach seinem "Erscheinungsbild” Student oder Erwerbstätiger ist. Die Beschäftigung ist versicherungsfrei, wenn und solange sie "neben” dem Studium, d.h. ihm nach Zweck und Dauer untergeordnet, ausgeübt wird, das Studium also die Haupt-, die Beschäftigung die Nebensache ist. Umgekehrt wird derjenige, der seinem "Erscheinungsbild” nach zum Kreis der Beschäftigten gehört, durch ein gleichzeitiges Studium nicht versicherungsfrei. Ein wesentliches Beweisanzeichen für die Annahme von Versicherungspflicht ist – bei einer üblichen Arbeitszeit von 40 Stunden in der Woche – eine wöchentliche Arbeitszeit während des Semesters von mehr als 20 Stunden. Im übrigen sind aber alle erheblichen Umstände des einzelnen Falles zur Ermittlung des "Erscheinungsbildes” beachtlich.

Unter Beachtung dieser Grundsätze war der Beigeladene zu 2) für die Zeit seiner Teilzeitbeschäftigung für die Klägerin versicherungsfrei. Beitragspflicht zur Bundesanstalt für Arbeit bestand ungeachtet dessen von vornherein nicht, denn die im damaligen Zeitraum geltenden zeitlichen Mindestvoraussetzungen hierfür lagen bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 18 Stunden nicht vor. Arbeitnehmer in einer kurzzeitigen Beschäftigung waren nach §§ 169 Nr. 6, 102 Arbeitsförderungsgesetz (AFG – in der Fassung des Einführungsgesetzes zum Einkommensteuerreformgesetz vom 21. Dezember 1974, BGBl. I, 3656 sowie des Gesetzes vom 23. Dezember 1976, BGBl. I, 3845 und des 7. AFG-Änderungsgesetzes vom 20. Dezember 1985, BGBl. I, 2484) beitragsfrei. Kurzzeitig war hiernach eine Beschäftigung, die auf weniger als 20 Stunden (bzw. 19 Stunden ab 1.1.1986) wöchentlich der Natur der Sache nach beschränkt zu sein pflegt oder im voraus durch einen Arbeitsvertrag beschränkt ist. Gelegentliche Abweichungen von geringer Dauer bleiben unberücksichtigt.

Der Beigeladene zu 2) hat im streitigen Zeitraum entsprechend den arbeitsvertraglichen Vereinbarungen nicht mehr als 18 Stunden wöchentlich gearbeitet. Nachdem der zeitliche Umfang der Arbeiten im erstinstanzlichen Verfahren mangels Nachweisen offen geblieben war, steht nunmehr durch die im Berufungsverfahren vollständig vorgelegten Lohn-/Gehaltsabrechnungen fest, daß der vertraglich vereinbarte Rahmen auch tatsächlich nicht überschritten worden ist. Angesichts dessen bedurfte es auch einer Beiladung der Bundesanstalt für Arbeit zu diesem Rechtsstreit nicht.

Hinsichtlich der Versicherungsfreiheit im übrigen ist der Senat davon überzeugt, daß der Beigeladene zu 2) trotz der zeitlich langen Dauer seines Studiums nach dem äußeren "Erscheinungsbild” Student war und demgemäß dem Werkstudentenprivileg unterlag. Für den gesamten streitigen Zeitraum liegen Immatrikulationsbescheinigungen vor. Daß ausweislich des Studienbuches nur wenige Veranstaltungen belegt worden sind, hat der Beigeladene zu 2) nachvollziehbar mit der fehlenden Belegpflicht an der Freien Universität und der Vorbereitung auf das bevorstehende Staatsexamen erklärt. Zwar befand sich der Beigeladene zu 2) zu Beginn seiner Tätigkeit für die Klägerin bereits im 24. Fachsemester im Studiengang Germanistik/katholische Theologie. Die ungewöhnlich lange Dauer des Studiums mag Zweifel an der Ernsthaftigkeit, mit der ein Studienabschluß angestrebt wird, begründet erscheinen lassen. Für den hier streitigen Zeitraum hat der Beigeladene zu 2) aber nachgewiesen, daß für ihn das Studium und das Ziel, Studienrat zu werden, im Vordergrund stand, während die daneben zur Finanzierung seines Lebensunterhalts ausgeübte Beschäftigung diesem Ziel untergeordnet war. Unmittelbar vor Aufnahme der Beschäftigung hatte der Beigeladene zu 2) im September 1984 die Erste Kirchliche Prüfung im Fach Katholische Religionslehre bestanden. Sodann ist ihm auf seinen Antrag mit Schreiben des Wissenschaftlichen Landesprüfungsamtes vom 7. Januar 1985 das Thema einer Hausarbeit im Fachgebiet Deutsch zugeteilt worden. Da der Abgabetermin hierfür nicht eingehalten wurde, ist die Prüfung für nicht bestanden erklärt worden (Schreiben des Prüfungsamtes vom 20. Mai 1985). Der Beigeladene zu 2) hat aber auch in der Folgezeit an seinem Berufsziel festgehalten, denn andernfalls wäre nicht eine erneute Ausgabe einer Hausarbeit (Wiederholungsprüfung mit Schreiben vom 27. August 1987) erfolgt. Erst nachdem der Beigeladene zu 2) auch bei diesem Prüfungsversuch innerhalb der bis zum 29. Dezember 1987 laufenden Frist keine Arbeit fertigstellen konnte, hat er sein Vorhaben endgültig aufgegeben und sein Studium abgebrochen. Zutreffend hat insoweit die Klägerin darauf hingewiesen, daß allein diese Umstände es ausschließen, daß die Immatrikulation nur zum Zwecke der Versicherungsfreiheit der Beschäftigung bei der Klägerin erfolgt ist. Weder ihr noch der Beklagten waren bis zur Klageerhebung Einzelheiten zum Studium des Beigeladenen zu 2) bekannt. Erst die Ermittlungen des Sozialgerichts und die persönliche Anhörung des Beigeladenen zu 2) einschließlich seiner schriftsätzlichen Stellungnahmen haben die Feststellungen des Senats ermöglicht, die die Beklagte von ihrem Rechtsstandpunkt aus im Verwaltungsverfahren unterlassen hatte. Für die Annahme eines Rechtsmißbrauchs bestehen somit aufgrund des tatsächlichen Geschehensablaufs keine Anhaltspunkte.

Neben diesen Bemühungen um das Erreichen des Studienabschlusses, die – entgegen den Feststellungen im sozialgerichtlichen Urteil – aufgrund verschiedener Schreiben des zuständigen Prüfungsamtes nachgewiesen sind, war die Tätigkeit für die Klägerin nur von untergeordneter Bedeutung. Nach dem Inhalt des am 22. April 1985 abgeschlossenen Arbeitsvertrages nebst Zusatzvereinbarung für Teilzeitkräfte betrug die wöchentliche Arbeitszeit als Auszeichner mit Lagertätigkeit 18 Stunden, jeweils täglich 3 Stunden von 7.30 Uhr bis 10.30 Uhr. Dementsprechend ist der Vertrag auch in der Folgezeit durchgeführt worden. Den im Berufungsverfahren vorgelegten Lohn-/Gehaltsabrechnungen ist zu entnehmen, daß die wöchentliche Arbeitszeit durchgehend – auch in den Semesterferien – nicht überschritten worden ist. Zur zeitlichen Lage der Arbeitszeit haben die Klägerin und der Beigeladene zu 2) übereinstimmend vorgetragen, daß die Arbeit in den Morgenstunden abgeleistet werden mußte, um eine kontinuierliche Arbeit für das Studium zu ermöglichen. Zweifel an der Unrichtigkeit dieser Angaben sind nicht ersichtlich. Da der zeitliche Umfang der Tätigkeit unter Berücksichtigung der Lage der Arbeitszeit den von der Rechtsprechung ausgefüllten Rahmen der gesetzlichen Ausnahmeregelungen nicht überschreitet und das Studium nach den Feststellungen des Senats im streitigen Zeitraum das "Erscheinungsbild” des Beigeladenen zu 2) prägte, war dessen Beschäftigung versicherungsfrei.

Soweit die Beklagte ihre abweichende Entscheidung allein damit begründet hat, daß der Beigeladene zu 2) als "Langzeitstudent” nicht mehr unter die gesetzliche Ausnahmevorschrift fallen könne, findet sich hierfür im Wortlaut der §§ 172 Abs. 1 Nr. 5, 1228 Abs. 1 Nr. 3 RVO a.F. keine Stütze. Eine zeitliche Begrenzung nach der Dauer des Hochschulstudiums oder dessen erfolgreichem Abschluß ist nicht vorgesehen und entspricht auch nicht dem Motiven des Gesetzgebers, der sich bewußt für eine weite Fassung des Versicherungsfreiheitstatbestandes entschieden hat (BSGE 71, 144 ff. m.w.N. und hierzu Anm. von Trenk-Hinterberger, SGb 1992, S. 371 ff.). Auf die Berufung der Klägerin mußte deshalb das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main aufgehoben werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nrn. 1, 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
Saved