L 2 U 146/06

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 1 U 5037/04 L
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 146/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 76/07 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 1. Februar 2006 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Anerkennung des Unfalls des Klägers vom 03.04.2004, bei dem er u.a. Wirbelsäulen- und Rippenfrakturen erlitt, als landwirtschaftlicher Arbeitsunfall.

Der Kläger, Fertigungsfachmann bei B., gab in der Unfallanzeige vom 08.04.2004 an, am 03.04.2004 sei er beim Fällen eines Nussbaumes, der in die falsche Richtung gefallen sei, am Rücken verletzt worden. Eigentümer des Baumes sei A. O. , der ihm den Baum geschenkt habe, den er als Möbelholz habe verwenden wollen. In einem Telefongespräch mit einem Bediensteten der Beklagten vom 03.06.2004 gab der Kläger an, er sei gelernter Schreiner, fertige aber nur noch gelegentlich Möbel für sich selbst. Der Nussbaum habe gefällt werden müssen, da an dieser Stelle ein Haus gebaut werden sollte. Herr O. habe angeboten, ihm den Baum zu schenken. Er habe vorgehabt, das Holz zum Trocknen zu lagern und dann zu gegebener Zeit zu verarbeiten.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 11.06.2004 einen Entschädigungsanspruch ab, da ein Arbeitsunfall nicht vorliege. Es habe sich um eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit gehandelt, die nicht versichert sei.

Den Widerspruch vom 29.06.2004 begründete der Kläger damit, er habe den Baum nicht aus rein persönlichem Interesse gefällt. Der Baum habe aus Sicherheitsgründen wegen der Gefährdung des Bauvorhabens entfernt werden müssen. Da der Eigentümer des Baumes wegen Bandscheibenbeschwerden den Baum nicht habe selbst fällen können, habe er den Kläger gebeten, den Baum zu fällen. Es sei vereinbart worden, dass der Kläger als Gegenleistung den Baum erhalte.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 04.08.2004 zurück. Der Zusammenhang mit der Bewirtschaftung des landwirtschaftlichen Unternehmens des Herrn O. sei nachrangig, weil die Betätigung ganz überwiegend den persönlichen Interessen des Klägers gedient habe.

Zur Begründung der Klage wies der Kläger nochmals darauf hin, dass der Baum aus Sicherheitsgründen habe gefällt werden müssen. Da mit dem Fällen ein erheblicher Aufwand verbunden gewesen sei, sei als Gegenleistung vereinbart worden, dass er den Baum erhalte. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 08.12.2004 erklärte der Kläger, das Fällen des Baumes sei aus Sicherheitsgründen erforderlich gewesen, da der Abstand des Stammes zur Baugrube weniger als einen Meter betragen habe.

Die Beklagte führte im Schreiben vom 17.03.2005 aus, der Kläger habe sich zur Herbeiführung eines bestimmten Arbeitsergebnisses, dem Fällen des Baumes, verpflichtet. Die Vergütung sei nicht nach dem zeitlichen Aufwand erfolgt. Der Kläger habe die Fällung eigenverantwortlich ohne weitere Weisung durchgeführt. Er stehe in keinem Abhängigkeitsverhältnis zu Herrn O ... Der Kläger wandte mit Schreiben vom 07.04.2005 ein, Herr O. habe ihn ganz genau unterwiesen, wie er den Baum zu fällen habe. Auch habe Herr O. ursprünglich gewollt, dass er dessen Motorsäge benutze, er habe aber dann seine eigene Säge benutzt, da er sie besser kenne.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 01.02.2006 erklärte der Zeuge O. , der gefällte Baum sei zwar ein 100 Jahre alter landschaftsprägender Baum am Ortseingang gewesen, aber ein Schandfleck und zu 2/3 morsch, so dass er eine Gefahr für Mensch und Tier dargestellt habe. Über die Verwendung des Holzes sei nichts Konkretes vereinbart gewesen, weil nicht absehbar gewesen sei, ob sich überhaupt noch brauchbares Holz herausschneiden lasse. Das verwertbare Holz sollte der Kläger behalten. Da er selbst wegen eines Bandscheibenleidens den Baum nicht habe fällen können, habe er den Kläger gebeten, dies zu übernehmen. Eine Vereinbarung über eine Entlohnung sei nicht getroffen worden, da sie sich immer wieder gegenseitig geholfen hätten. Er habe dem Kläger die Anweisung gegeben, dass der Baum beim Fällen in die Baugrube fallen sollte, damit er dort aufgearbeitet werden konnte.

Mit Urteil vom 01.02.2006 hat das Sozialgericht Landshut die Klage abgewiesen. Anhaltspunkte für das Vorliegen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 des Siebten Sozialgesetzbuches (SGB VII) lägen zweifelsfrei nicht vor. Der Kläger sei im Unfallzeitpunkt auch nicht gemäß § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII versichert gewesen. Die unfallbringende Tätigkeit habe zwar dem landwirtschaftlichen Unternehmen des Zeugen gedient, nach Würdigung des Gesamtbildes sei aber eindeutig im Vordergrund das Interesse des Klägers am Erwerb des Holzes gestanden. Dies belegten bereits die Erstangaben. Der Kläger sei auch nicht als land- und forstwirtschaftlicher Unternehmer gemäß § 2 Abs. 5a SGB VII unter Unfallversicherungsschutz gestanden, denn zum einen habe sich der Unfall in einem fremden Unternehmen ereignet, zum anderen habe die unfallbringende Tätigkeit seinem Lebensbereich als Hobbyschreiner gedient. Nicht nachvollziehbar seien die Angaben des Zeugen zu dem akuten Gefährdungsrisiko, das von dem Baum ausgegangen sein solle. Die Angaben, wonach der Baum zu 2/3 morsch gewesen sei, widersprächen den Erstangaben des Klägers, dass das Holz für ihn als Möbel- und Schreinerholz Bedeutung gehabt habe. Die Beurteilung, wonach die Handlungstendenz des Klägers auf die Belange seiner eigenwirtschaftlichen Tätigkeit gerichtet gewesen sei, finde letztlich eine weitere Stütze auch darin, dass er seine eigene Motorsäge benutzt habe. Die unfallbringende Tätigkeit sei außerdem im Sinne einer sogenannten nachbarschaftlichen Gefälligkeit zu sehen, wie sie im ländlichen Bereich üblich sei.

Zur Begründung der hiergegen gerichteten Berufung führte der Kläger aus, das Fällen des Baumes habe im Interesse des Zeugen O. gestanden, der auch genau angegeben habe, in welche Richtung der Baum fallen solle, und welche Sicherungsmaßnahmen erforderlich seien. Es handle sich nicht um eine nachbarschaftliche Gefälligkeit, da das Fällen von Bäumen auch im ländlichen Bereich nicht zu den Gefälligkeitsleistungen gehöre. Auch sei die Tätigkeit nicht unentgeltlich erfolgt. Der Kläger habe sich durch das ihm überlassene Holz entlohnen lassen.

Die Beklagte erklärte im Schreiben vom 01.06.2006, es sei eine Vielzahl konkreter Zweifel verblieben, dass der Kläger bei einer versicherten Tätigkeit verunglückt sein solle. Der Kläger habe weder Weisungen von Herrn O. hinsichtlich der Arbeitsleistung entgegennehmen müssen, noch habe Herr O. Vorgaben bezüglich der Art und Weise der Fällung gemacht. Der Kläger habe eigenverantwortlich, mit seinem eigenen Arbeitsgerät gearbeitet. Es habe sich um eine nachbarschaftliche Gefälligkeit gehandelt. Die Handlungstendenz des Klägers sei auf die Belange seiner eigenwirtschaftlichen Tätigkeit als Hobbyschreiner gerichtet gewesen.

Der Kläger stellt den Antrag,

das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 01.02.2006 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 11.06.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.08.2004 zu verurteilen, festzustellen, dass das Ereignis vom 03.04.2004 ein von der Beklagten zu entschädigender Arbeitsunfall ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der beigezogenen Akte der Beklagten sowie der Klage- und Berufungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Zu Recht hat das Sozialgericht Landshut die Klage abgewiesen. Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe wird abgesehen, da der Senat die zulässige Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist (§ 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Ergänzend ist noch darauf hinzuweisen, dass auch die im Berufungsverfahren vorgebrachten Argumente zu keiner anderen Beurteilung der Sach- und Rechtslage führen können. Mit dem Sozialgericht ist der Senat der Meinung, dass ein Versicherungsschutz nicht bestanden hat, weil der Kläger bei seiner Arbeitsleistung wesentlich eigene Interessen verfolgt hat.

Für Verrichtungen, die sowohl privaten unversicherten als auch versicherten betrieblichen Interessen dienen - sog. gemischte Tätigkeiten -, besteht nach der in der gesetzlichen Unfallversicherung geltenden Kausalitätslehre Versicherungsschutz, wenn die Verrichtung im Einzelfall betrieblichen Interessen wesentlich gedient hat. Lässt sich eine Tätigkeit dagegen in zwei Teile zerlegen, von denen eine dem Betrieb und die andere privaten Interessen gedient hat, so ist für die Annahme einer gemischten Tätigkeit kein Raum. Diesen Grundsätzen entsprechend ist der Senat der Auffassung, dass, auch unter Berücksichtigung der Erstangaben nach dem Unfall, beim Fällen des Baumes eigenwirtschaftliche Handlungsmotive so sehr im Vordergrund standen, dass im Verhältnis dazu mögliches Handeln für den Betrieb des Zeugen O. in einer Weise in den Hintergrund trat, dass es lediglich als unwesentlicher und damit rechtlicher irrelevanter Nebenzweck des Baumfällens angesehen werden könnte.

Nicht alles, was einem Unternehmen objektiv nützlich und der Art der Verrichtung nach üblicher Weise sonst dem allgemeinen Arbeitsmarkt zugänglich ist, wird in arbeitnehmerähnlicher Tätigkeit verrichtet. Es muss vielmehr die Handlungstendenz der betreffenden Person auf die Belange des Unternehmens gerichtet sein. Die notwendige Handlungstendenz kommt bereits in dem von der Rechtsprechung gebrauchten Begriff der dem Unternehmen dienlichen bzw. dienenden Tätigkeit zum Ausdruck. Verfolgt eine Person mit ihrem Verhalten in Wirklichkeit wesentlich allein ihre eigenen Angelegenheiten, ist sie nicht mit fremdwirtschaftlicher Zweckbestimmung und somit nicht wie im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses, sondern eigenwirtschaftlich tätig und steht daher auch nicht wie ein Beschäftigter unter Versicherungsschutz (vgl. BSG SozR 2200 § 539 Nr. 19). Besteht, wie im vorliegenden Fall, das Interesse des Baumeigentümers im Fällen des Baumes und dient dies zugleich der Gewinnung des Schreinerholzes durch den an dessen privaten Verwertung Interessierten, ist die Handlungstendenz insgesamt nicht fremdnützig, sondern wesentlich auf die eigennützige Tätigkeit im Interesse des eigenen Hobbys gerichtet. Der Kläger hat den Baum gefällt, um Holz für eigene Zwecke zu gewinnen. Dass der Zeuge O. die Aneignung gestattet hatte, weil ihm die Entfernung des Baumes erwünscht war, macht aus der Tätigkeit ihrer Handlungstendenz nach noch keine fremdwirtschaftlich zweckbestimmte.

Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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