L 6 R 248/06

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 14 R 46/04
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 6 R 248/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 4 R 241/07 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 3. Januar 2006 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit für die Zeit bis zum Bezug der Altersrente (ab 01.10.2004).

Der Kläger ist 1939 in Bosnien-Herzegowina geboren. Er hat dort ohne erlernten Beruf zunächst Versicherungszeiten von 1959 bis Oktober 1966 zurückgelegt. In Deutschland war er dann von 1966 bis August 1982 versicherungspflichtig beschäftigt, und zwar nach seinen Angaben als qualifizierter Metalldrechsler; der Arbeitgeber konnte hierzu keine Auskunft mehr erteilen. Von August 1982 bis Dezember 1983 war der Kläger arbeitslos gemeldet. Nach einer Lücke war er von Juni 1988 bis Januar 1991 - insgesamt also 32 Monate - in Bosnien-Herzegowina versicherungspflichtig beschäftigt, nach seinen Angaben ebenfalls als qualifizierter Metalldrechsler.

Den Rentenantrag des Klägers vom 25.11.1999 lehnte die Beklagte aus versicherungsrechtlichen Gründen ab (Bescheid vom 22.03.2001) und später - nachdem der Kläger mit seinem Widerspruch eine bereits vor 1984 eingetretene Erwerbsminderung geltend machte - mit Bescheid vom 21.08.2001 aus medizinischen Gründen. Sie sah dabei noch ein mehr als sechsstündiges Leistungsvermögen des Klägers auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bei Minderung des Hörvermögens beidseits nach Hirnhautentzündung. Die Beklagte ging dabei von dem Gutachten der Invalidenkommission B. vom 01.02.2001 aus, die den Kläger zwar als Metalldrechsler für nicht mehr leistungsfähig ansah, wohl aber noch für alle anderen "leichteren Arbeiten vollschichtig ohne Lärm".

Mit Schreiben vom 02.11.2001 machte der Kläger geltend, bereits im Jahr 1984 schwerbehindert auf Grund beidseitiger Taubheit mit einer MdE von 70 gewesen zu sein. Er legte eine entsprechende ärztliche Bescheinigung vor und beantragte die Vorladung zur Untersuchung. Bezüglich dieses Schreibens anerkannte die Beklagte im anschließenden Klageverfahren, dass es sich um einen "Widerspruch" handelte.

Die Beklagte wies diesen mit Widerspruchsbescheid vom 16.09.2005 zurück. Auf Grund seiner in Deutschland ausgeübten ungelernten Tätigkeit könne er auf den allgemeinen Arbeitsmarkt breit verwiesen werden. Im Übrigen hätte er aus versicherungsrechtlichen Gründen einen Rentenanspruch auch dann nicht, wenn Erwerbsminderung bei Rentenantragstellung eingetreten wäre. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen seien letztmals für einen fiktiven Versicherungsfall im Januar 1986 erfüllt.

Mit seiner Klage zum Sozialgericht (SG) Landshut wies der Kläger auf die weit zurückliegende Meningitiserkrankung und die seither eingetretene Progredienz hin.

Mit Gerichtsbescheid vom 03.01.2006 wies das SG die Klage ab und schloss sich im Wesentlichen der Begründung der Beklagten an. Das Sozialgericht wies weiter darauf hin, dass die auf Grund der durchgemachten Meningitis vorliegende Taubheit den Kläger an seiner Beschäftigung in Deutschland bis 1983 ebenso wenig gehindert habe wie an der erneuten Beschäftigung in Bosnien-Herzegowina von 1988 bis 1991. Auch der heimische Versicherungsträger habe eine zeitliche Leistungseinschränkung nur für die Tätigkeit als Metalldrechsler festgestellt, nicht aber für leichtere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes. Insgesamt habe im Januar 1986 daher noch ein vollschichtiges Leistungsvermögen bestanden, weshalb die Klage keinen Erfolg haben könne.

Bezüglich der verfristet erhobenen Berufung gewährte der Senat Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (Beschluss vom 31.07.2006).

In der Sache legte der Senat dem Kläger zugleich die Rücknahme der Berufung nahe, weil der Gerichtsbescheid zutreffend sei (so gerichtliche Schreiben vom 28.07.2006 und zuletzt vom 28.11.2006).

Die Ladung zur mündlichen Verhandlung ging dem Kläger am 18.12.2006 zu. Mit Schreiben vom 29.12.2006, bei Gericht eingegangen am 15.01.2007, beantragte der Kläger "den Termin etwas zu verschieben, falls ich in S. kein Einreisevisum erhalte ...".

Der Kläger beantragt in der Sache sinngemäß, 1. den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 3. Januar 2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom 21.08.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. 06.09.2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bzw. Berufsunfähigkeit von November 1999 bis September 2004 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten und des SG sowie die Berufungsakte hingewiesen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die nach Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zulässige Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Der Kläger hat bis September 2004 keinen Rentenanspruch.

1. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit gemäß § 44 Abs.1 Nr.2 i.V.m. § 44 Abs.4, § 43 Abs.3 des Sechsten Sozialgesetzbuches (SGB VI) in der bis zum Jahr 2000 geltenden Fassung (a.F.) sind nicht erfüllt. Sie wären nur erfüllt, wenn der Kläger spätestens im Januar 1986 erwerbsunfähig geworden wäre. Der gesetzliche Fünfjahreszeitraum würde dann von Januar 1981 bis Januar 1986 zählen mit der Folge, dass der Kläger die drei Jahre Mindestbelegung mit Pflichtbeitragszeiten - Januar 1981 bis Dezember 1983 - exakt erfüllt hätte. Eine günstigere Regelung ergibt sich für den Kläger auch nicht übergangsrechtlich aus § 241 Abs.2 SGB VI in der bis zum Jahr 2000 geltenden Fassung: Denn insoweit fehlt es an einer durchgehenden Belegung der Zeit ab Januar 1984 mit sog. "Anwartschaftserhaltungszeiten". Insbesondere die Zeiten von 1984 bis Mai 1988 und ab Februar 1991 sind völlig unbelegt und lassen sich - sei es nach deutschem Recht (§ 197 Abs.2 SGB VI), sei es nach den Rechtsvorschriften von Bosnien-Herzogewina - auch nicht mehr rückwirkend lückenlos mit freiwilligen Beiträgen belegen.

Die hiernach entscheidende Frage, ob der Kläger bereits im Januar 1986 erwerbsunfähig gewesen ist, hat das SG mit zutreffenden Argumenten verneint. Der Senat schließt sich dieser Begründung an und sieht von einer nochmaligen Darstellung daher ab (§ 153 Abs.2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG ).

Auch im Berufungsverfahren hat der Kläger keine neuen Gesichtspunkte ins Verfahren eingeführt, so dass Ermittlungen nicht angezeigt waren.

2. Rentenanspruch besteht für den Kläger auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Berufsunfähigkeit (§ 43 SGB VI a.F., § 240 SGB VI). Eine Arbeitgeberauskunft war im Berufungsverfahren nicht mehr zu erlangen. Der berufliche Status des Klägers ist nicht mehr aufklärbar, was nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast (s. Meyer-Ladewig, Kommentar zum SGG, § 103, Anm. 19a) zu Lasten des Klägers geht.

3. Auch nach der seit 2001 geltenden Rechtslage (SGB VI n.F.) ergibt sich kein Rentenanspruch, da der Kläger für Leisstungsfälle ab 2001 die - unverändert gebliebenen - versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erst recht nicht erfüllt.

4. Der Senat konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 16.01.2007 trotz Abwesenheit des Klägers entscheiden. Dem Kläger ist seit Monaten die Auffassung des Senats bekannt, dass die Streitsache entscheidungsreif ist. Mit dem Erhalt der Ladung - vier Wochen vor der mündlichen Verhandlung - hat der Kläger außerdem zur Kenntnis nehmen können und müssen, dass der Senat auch ohne sein persönliches Erscheinen entscheiden werde. Diese Zeit wäre ausreichend gewesen, sich um ein Visum zu kümmern. Wenn der Kläger dies erst verspätet getan hat, so stellt dies keinen "erheblichen Grund" (s. Meyer-Ladewig, § 110 SGG, Anm.4b) dar, der allein einen Aufhebungsantrag und die dadurch ausgelöste Prozessverzögerung rechtfertigen könnte.

Nach alledem konnte die Berufung keinen Erfolg haben.

Dem entspricht auch die Kostenentscheidung (§§ 183, 193 SGG).

Gründe, die Revision gemäß §160 Abs.2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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