L 6 R 219/06

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 7 R 711/04 A
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 6 R 219/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung des Klägers werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 15. Dezember 2005 und der Bescheid der Beklagten vom 14. Oktober 2003 und der Widerspruchsbescheid vom 8. Juni 2004 aufgehoben.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Aufrechnung einer zu Unrecht gezahlten Rente gegen den Anspruch auf Regelaltersrente.

Der 1935 geborene Kläger lebt in Serbien und hat in Deutschland Versicherungszeiten von 1972 bis 1976 zurückgelegt. In Serbien erhält er seit 1991 Invalidenpension.

Wiederholte Rentenanträge des Klägers seit 1991 waren erfolglos geblieben. Mit Bescheid vom 09.01.2002 gewährte ihm die Beklagte Regelaltersrente ab 01.10.2000.

Mit Urteil vom 23.11.2001 sprach ihm das Sozialgericht Landshut Rente wegen Erwerbsunfähigkeit für die Zeit vom 01.09.1997 bis 30.09.2000 zu und wies die Klage, mit der auch Rente wegen Berufsunfähigkeit ab dem 01.10.1991 begehrt worden war, ab. Es billigte dem Kläger keinen Berufsschutz in seiner deutschen Beschäftigung zu. Im Übrigen war der Eintritt des Versicherungsfalles nicht streitig, wohl aber die Erfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente. Hier billigte das Sozialgericht dem Kläger wegen mangelnder Beratung über die Erfordernisse zur Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes in den vorangegangenen Rentenverfahren einen Herstellungsanspruch zu.

Die Beklagte legte dagegen Berufung ein und beantragte die Aussetzung der Vollstreckung. Diesen Antrag wies das Bayer. Landessozialgericht ohne Begründung mit Beschluss vom 14.05.2002 zurück. Das Bayer. Landessozialgericht hob die Entscheidung des Sozialgerichts mit Urteil vom 25.02.2003 auf, weil der Kläger keinen Herstellungsanspruch habe, und wies die Anschlussberufung des Klägers zurück, weil der Kläger nicht berufsunfähig gewesen sei. Für seine Nichtzulassungsbeschwerde erhielt der Kläger vom Bundessozialgericht keine Prozesskostenhilfe.

Die Beklagte führte das Urteil des Sozialgerichts Landshut mit Bescheid vom 04.06.2000 aus. Nach der Aufhebung des Urteils hob die Beklagte die Rentengewährung mit Bescheid vom 19.05.2003 auf und forderte die Überzahlung in Höhe von EUR 4.523,76 zurück. Der Bescheid ging dem Kläger am 10.06.2003 zu.

Mit Schreiben vom 02.09.2003 kündigte die Beklagte an, sie beabsichtige, die Überzahlung gegen die laufende Regelaltersrente in deren halber Höhe aufzurechnen.

Hiergegen wandte sich der Kläger, weil die Entscheidung des Sozialgerichts richtig gewesen, er nicht auf eine mögliche Rückzahlung hingewiesen worden, die Rente in dieser Höhe nicht pfändbar sei und er damit unter dem Existenzminimum leben müsse. Das Geld habe er sofort verbraucht, um einen Großteil seiner Schulden zurückzuzahlen. Im weiteren Verfahren hat der Kläger geltend gemacht, schon vorher unter der Armutsgrenze gelebt und Unterstützung von Verwandten und Freunden in Anspruch genommen zu haben. Mit der Ausführung des Urteils des Sozialgerichts habe die Beklagte den Anspruch anerkannt und nach dem Beschluss des Bayer. Landessozialgerichts vom 14.05.2002 habe er nicht mehr mit einer Rückforderung rechnen müssen.

Mit Bescheid vom 14.10.2003 verfügte die Beklagte, die Berechnungsgrundlagen hätten sich geändert, die Rente sei daher neu berechnet worden. Ab 01.12.2003 würden monatlich 65,25 EUR gezahlt. Die monatliche Rente betrage ab 01.12.2003 130,51 EUR. Es würden monatlich einbehalten: 65,26 EUR, somit verbleibe ein auszuzahlender Betrag von monatlich 65,25 EUR. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 08.06.2004 als unbegründet zurück. Hierbei führte sie aus, nach § 51 SGB I könne sie gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen bis zu deren Hälfte aufrechnen und legte im Weiteren dar, aus welchen Gründen sie im vorliegenden Fall hiervon habe Gebrauch machen dürfen.

Die hiergegen erhobene Klage hat das Sozialgericht Landshut mit Gerichtsbescheid vom 15.12.2005 als unbegründet abgewiesen und sich in der Begründung auf die Gründe des Widerspruchsbescheides bezogen.

Hiergegen hat der Kläger Berufung eingelegt und begehrt mit den bereits vorgebrachten Gründen die Aufhebung der Entscheidungen des Sozialgerichts und der Beklagten.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Zum Verfahren beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren die Akte der Beklagten und die Akten des Sozialgerichts Landshut und des Bayer. Landessozialgerichts in den vorangegangenen Verfahren. Auf ihren Inhalt wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die vom Kläger form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig; eine Beschränkung der Berufung nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) besteht nicht.

Die Berufung ist auch begründet, denn die Beklagte hat keine wirksame Aufrechnung vorgenommen.

Für die in § 51 SGB I geregelte Aufrechnung ist umstritten, ob ihre Vornahme in der Form eines Bescheides zulässig ist (vgl. Verbandskommentar § 51 Sozialgesetzbuch (SGB) I Anm.2.2 mit weiteren Nachweisen) oder dem Leistungsträger die hierfür notwendige Rechtsgrundlage fehlt (BSG SozR 4-1200 § 52 Nr.1). Nach letzterer Meinung wäre die Entscheidung der Beklagten und damit auch die des Sozialgerichts aufzuheben, soweit die Beklagte sich für die Aufrechnung der Form eines Bescheides bedient hat.

Im Ergebnis kann der Streit jedoch dahingestellt bleiben, denn die Aufrechnung bedarf einer nach § 388 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) wirksamen Erklärung. Für die Erklärung der Aufrechnung nach § 51 SGB I gelten die Regeln der §§ 387 ff. BGB (BSGE 15, 36). Eine Aufrechnungserklärung muss allen Anforderungen des § 388 BGB entsprechen und u.a. bezüglich beider zur Aufrechnung herangezogener Forderungen deren Höhe, Rechtsgrund, Bezugszeit und Fälligkeit und gegebenenfalls ihre Rechts- bzw. Bestandskraft angeben (BSG SozR 4-1200 § 52 Nr.1 mit Bezug auf BGH NJW 2000, 958 ff.). Ferner muss die Erklärung der Aufrechnung einen klaren Aufrechnungswillen erkennen lassen (Heinrichs in Palandt BGB 64. Auflage § 388 Rdnr.1).

Das trifft für den angefochtenen Bescheid nicht zu. Er enthält nicht einmal die Erklärung eines erkennbaren Aufrechnungswillens, sondern im ersten Verfügungssatz eine Neuberechnung des Zahlbetrages und in einem zweiten Verfügungssatz die Feststellung des Zahlungsanspruches und dessen Einbehaltung zur Hälfte. Es fehlt damit in mehrfacher Hinsicht an den rechtlichen Anforderungen an eine Aufrechnungserklärung. Es kann dahingestellt bleiben, ob eine solche Aufrechnung noch wirksam im Widerspruchsbescheid vorgenommen werden kann. Im vorliegenden Fall enthält der angefochtene Widerspruchsbescheid ebenfalls keine wirksame Aufrechnungserklärung, sondern nur die Zurückweisung des Widerspruchs und die Begründung, warum der Bescheid rechtens sei.

Die angefochtenen Entscheidungen waren deshalb aufzuheben. Die Beklagte ist dadurch jedoch nicht gehindert, erneut eine Aufrechnung zu versuchen (BSG SozR 4-1200 § 52 Nr.1).

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf § 193 SGG und folgt der Erwägung, dass der Kläger im Ergebnis in vollem Umfang obsiegt hat.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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