S 8 AS 91/06

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
8
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 8 AS 91/06
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Bescheid vom 08.08.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.10.2006 wird abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, weitere 324,80 EUR zu erstatten. Die Beklagte hat die Kosten des Klägers zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Höhe der erstattungsfähigen Anwaltskosten.

Mit Bescheid vom 31.03.2006 sprach die Beklagte dem Kläger, der Grundsicherungsleistungen bezieht, Leistungen in Höhe von monatlich 639,89 EUR zu. Bei Berechnung der Unterkunftskosten berücksichtigte die Beklagte Zinsbelastungen für ein Darlehenskonto nicht. Sie war der Auffassung, diese Aufwendungen seien nicht zur Finanzierung der Unterkunft erfolgt. Gegen diese Entscheidung legte der Kläger anwaltlich vertreten am 18.04.2006 Widerspruch ein. Er begründete den Widerspruch näher. Nachdem die Beklagte in einem internen Vermerk festgehalten hatte, dem Widerspruch könne nicht abgeholfen werden, wandte sie sich mit Schreiben vom 08.05.2006 an den Bevollmächtigten des Klägers. Sie führte aus, sie sei grundsätzlich bereit, die Zinsaufwendungen auch für das bislang nicht berücksichtigte Darlehenskonto zu berücksichtigen. Sie bat den Bevollmächtigten, "die vorfällige Ablösung durch Vorlage einer Quittung, eines Zahlungsbelegs oder einer Erklärung des Bruders zu belegen". Sie forderte zudem einen Nachweis darüber, in welcher Höhe ein Konsumentenkredit aus dem Darlehenskonto abgelöst wurde. Die Beklagte forderte den Bevollmächtigten des Klägers ausdrücklich auf, diesen auf seine Mitwirkungspflichten hinzuweisen. Der Bevollmächtigte des Klägers überreichte mit Schreiben vom 19.05.2006 eine Bescheinigung des Bruders des Klägers und er gab weitergehende Erklärungen ab. Mit Bescheid vom 21.07.2006 half die Beklagte dem Widerspruch ab. Sie erkannte die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten als notwendig an und erklärt, die Kosten des Widerspruchsverfahrens auf Antrag zu erstatten.

Der Bevollmächtigte des Klägers machte mit Schreiben vom 24.07.2006 folgende Kosten geltend: "Gebühr Nr. 2500 RVG 240,00 EUR Erledigungsgebühr gem. Nr. 1005 RVG 280,00 EUR Auslagenpauschale 20,00 EUR 540,00 EUR 16 % MwSt. 86,40 EUR 626,40 EUR" Mit Bescheid vom 08.08.2006 erstattete die Beklagte nur 301,60 EUR. Sie erkannte die Gebühr nach Ziffer 2500 VV/RVG nebst Mehrwertsteuer an. Die Gebühr nach Ziffer 1005 VV/RVG könne nicht erstattet werden, weil der Bevollmächtigte des Klägers an der Erledigung der Rechtssache nicht in besonderem Maße mitgewirkt habe. Die bloße Durchführung des Verfahrens reiche hierfür nicht aus.

Im Widerspruchsverfahren wies der Kläger darauf hin, die anwaltliche Tätigkeit habe sich nicht lediglich auf die Stellung von Verfahrensanträgen beschränkt, sondern insbesondere in der Erledigung der Auflagen aus dem Schreiben der Beklagten vom 08.05.2006 liege eine besondere Mitwirkung im Hinblick auf die Verfahrenserledigung. Mit Bescheid vom 18.10.2006 wies die Beklagte den Widerspruch unter Wiederholung und Vertiefung der Gründe aus der angefochtenen Entscheidung zurück.

Hiergegen richtet sich die am 25.10.2006 erhobene Klage. Der Kläger meint, auch angesichts des Urteils des BSG vom 07.11.2006 - B 1 KR 23/06 R - stehe ihm die Gebührenerhöhung zu. Die Beklagte habe den Bevollmächtigten mit Schreiben vom 08.05.2006 ausdrücklich zu einer besonderen Mitwirkung aufgefordert, dieser Aufforderung sei der Bevollmächtigte nachgekommen.

Der Kläger beantragt schriftsätzlich:

"unter Änderung des Kostenfestsetzungsbescheides vom 08.08.2006 in Form des Widerspruchsbescheides vom 18.10.2006 die im Festsetzungantrag vom 24.07.2006 berechnete Erledigungsgebühr in Höhe von 280,00 EUR nebst anteiliger Mehrwertsteuer festzusetzen."

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

die Klage abzuweisen.

Sie hält ihre Auffassung durch die genannte Entscheidung des BSG für bestätigt.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig i. S. d. § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG, soweit die Beklagte die Zahlung von 324,80 EUR verweigert. Der Kläger hat einen entsprechenden Zahlungsanspruch.

Gemäß § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X hat der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, dem Widerspruchsführer die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendung zu erstatten, soweit der Widerspruch erfolgreich war. § 63 Abs. 2 SGB X bestimmt, dass die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts im Vorverfahren erstattungsfähig sind, wenn die Zuziehung eines Bevollmächtigten notwendig war.

Die Beklagte hat im Widerspruchsbescheid ausdrücklich und zutreffend anerkannt, dass die Zuziehung eines Bevollmächtigten notwendig war und sie zur Kostenerstattung verpflichtet ist.

Gebühren und Auslagen i. S. v. § 63 Abs. 2 SGB X sind nur gesetzliche Gebühren. Die Vergütung für die Tätigkeit der Rechtsanwälte bemisst sich nach dem RVG. Gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 RVG bestimmt sich die Höhe der Vergütung nach dem Vergütungsverzeichnis der Anlage 1 zum RVG. In Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen das GKG - wie hier - nicht anzuwenden ist, entstehen gemäß § 3 Abs. 1 RVG Betragsrahmengebühren.

Die Beklagte hat diesen Vorschriften entsprechend zutreffend die Geschäftsgebühr (jetzt Ziffer 2400 VV/RVG) in Höhe der Mittelgebühr mit Mehrwertsteuer festgesetzt. Nicht zutreffend ist die Verweigerung der Erstattung der Erledigungsgebühr nach Ziffer 1005 VV/RVG. Nach Ziffer 1005 VV/RVG i. V. m. 1002 VV/RVG entsteht die Erledigungsgebühr, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise nach Aufhebung oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsaktes durch die anwaltliche Mitwirkung erledigt. Das gleiche gilt, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise durch Erlass eines bisher abgelehnten Verwaltungsaktes erledigt. Mit Urteil vom 07.11.2006 - B 1 KR 23/06 R - hat das BSG (ebenso wie in den Entscheidungen vom selben Tage B 1 KR 13/06 und B 1 KR 22/06) entschieden, dass die Zubilligung der Erledigungsgebühr regelmäßig eine Tätigkeit des Rechtsanwalts erfordert, die über die bloße Einlegung und Begründung des Widerspruchs hinausgeht. Die Kammer schließt sich trotz verbleibender Bedenken (vgl. hierzu zuletzt Urteil der Kammer vom 13.10.2006 - S 8 R 76/06) dieser Rechtsprechung an. Indes hat das BSG den die Erledigungsgebühr auslösenden Umfang der notwendigen qualifizierten erledigungsgerichteten Mitwirkung mit seinen Urteilen nur insoweit geklärt, als die Fertigung eines Widerspruchs und einer kurzen Begründung hierfür nicht genügt (so auch Keller, jurisPR-SozR 5/2007 Anm. 6). Ob eine Tätigkeit des Anwaltes ausreicht, um als besondere Mitwirkungshandlung anerkannt zu werden, ist eine Frage des Einzelfalls. Keinesfalls ist die Entscheidung des BSG so zu verstehen, dass bei Abhilfe eines Widerspruchs grundsätzlich die Erledigungsgebühr nicht anfällt.

In vorliegendem Fall liegt ein besonderes Bemühen des Bevollmächtigten um eine unstreitige Erledigung vor. Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 08.05.2006 selbst dargelegt, welche Mitwirkungshandlungen - vermittelt durch den Bevollmächtigten - erforderlich sind, um zu einer Abhilfe des Widerspruchs zu gelangen. Die Beklagte hat den Bevollmächtigten des Klägers ausdrücklich dazu aufgefordert, den Mandanten an seine Mitwirkungspflichten zu erinnern. In Erfüllung dieser Auflagen hat der Bevollmächtigte mit Schreiben vom 19.05.2006 die entsprechenden Erklärungen abgegeben und eine Bescheinigung vorgelegt. Damit ist auch unter Zugrundelegung der genannten Rechtsprechung des BSG die Erledigungsgebühr zuzusprechen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der gemäß § 144 Abs. 1 SGG zulassungsbedürftigen Berufung liegen nicht vor (§ 144 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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