Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
26
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 26 R 104/05
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 3 R 50/07
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1.Die Klage wird abgewiesen. 2.Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung einer Altersrente unter Berücksichtigung des Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG).
Die am 00.00.1920 in L in Polen geborene Klägerin ist Jüdin und Verfolgte des Nazi-Regimes und lebt seit 1949 in Israel mit der dortigen Staatsangehörigkeit.
Seit 1990 erhält sie von der Deutschen Rentenversicherung Bund (ehemals Bundesversicherungsanstalt für Angestellte) monatliche Leistungen für Kindererziehung, für die am 00.00.1949 in B geborene Tochter F (nach Artikel 2 §§ 61 ff AnVNG - Bl. 13 der Rentenakte). Ein früherer Antrag der Klägerin auf Anerkennung von Vorkriegs-Beitragszeiten von 1935 bis 20.09.1939 war von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte abgelehnt worden mit bestandskräftigen Bescheiden vom 24.04. und 28.07.1997.
Am 04.11.2002 beantragte die Klägerin erstmals bei der Beklagten die Gewährung einer Regelaltersrente aus der Deutschen Rentenversicherung, nun unter Berücksichtigung von Zeiten nach dem ZRBG, Bl. 75, 108 der Rentenakte. Sie gab im Rentenantrag an, sie habe nicht dem deutschen Sprach- und Kulturkreis angehört (Bl. 83 Rückseite der Rentenakte). Sie habe von September 1941 bis November 1942 während ihres Aufenthaltes im Ghetto von Korzec dort Tätigkeiten als Arbeiterin in einer Wäscherei verrichtet. Sie habe Wäsche von deutschen Soldaten gewaschen, auch mit dem Waschbrett. Sie habe 8 Stunden täglich gearbeitet. Die Arbeit sei durch den Judenrat vermittelt worden. Bekommen habe sie dafür wöchentlich "zusätzliche Lebensmittel" (Bl. 85, 95 der Rentenakte). Im November 1942 sei sie dann in ein Zwangsarbeitslager gekommen und im Herbst 1944 befreit worden. Danach sei sie wieder nach Korzec gegangen, nach C gezogen wo sie geheiratet habe, und später weitergezogen und ausgewandert. Seit 1949 lebe sie in Israel. Die Beklagte zog die Entschädigungsvorgänge nach dem BEG von dem Wiedergutmachungsamt Saarburg und die Unterlagen der Claims Conference bei. Gegenüber dem Wiedergutmachungsamt hatte die Klägerin im November 1957 angegeben: " ... Im September 1941 wurde das Ghetto Korzec errichtet. Ich wurde mit meinen Angehörigen darin inhaftiert ... und durfte das Ghetto unter Androhung der Todesstrafe nicht verlassen ... Ich verrichtete die Zwangsarbeit in einer Wäscherei. Im November 1942 wurden meine Eltern deportiert ... Ich wurde mit den Überlebenden ins Zwangsarbeitslager Suchowola überführt ... ". In dem Antrag von 1993 bei der Claims Conference gab die Klägerin damals an: " ... September 1941 bis November 1942 Zwangsarbeit Wäscherei" und "Zwangsarbeit, Hunger, Mangel an Ernährung, Judenstern, viele Personen in kleinem Raum ..." (Bl. 131, 114, 115 der Verwaltungsakte).
Mit Bescheid vom 03.08.2004 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente ab. Zur Begründung führte sie aus, vom für eine Rente notwendigen Vorliegen einer entgeltlichen aus eigenem Willensentschluss zustande gekommenen freiwilligen Beschäftigung habe sich die Beklagte nicht überzeugen können. Eine solche Beschäftigung sei nicht glaubhaft gemacht. Vielmehr sei nach den eigenen Schilderungen der Klägerin von ihren Arbeitseinsätzen und ihren Zuwendungen dafür dies jeweils als nicht wirklich entgeltliche Zwangsarbeit anzusehen gewesen, die nach dem ZRBG nicht anerkannt werden könne.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 06.08.2004 Widerspruch ein. Zur Begründung reichte sie eine eidesstattliche Versicherung ein. In dieser heißt es, bis September 1941 sei sie zu verschiedenen Säuberungsarbeiten zwar zwangsweise herangezogen worden. Von September 1941 an habe sie aber freiwillig in der Wäscherei gearbeitet, mit Hilfe des Judenrates, und zusätzliche Lebensmittel von der Ghettoverwaltung erhalten. Erst im Zwangsarbeitslager in Suchowola habe sie wieder Zwangsarbeit verrichtet. Weil Essen und Lebensmittel damals wertvoller als Barlohn gewesen seien, so der Bevollmächtigte der Klägerin, hätten diverse Senate des LSG NRW bisher Sachbezüge als ausreichende Entlohnung im Sinne des ZRBG angesehen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 17.02.2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung gab sie ihre bisherige Begründung ausführlicher wieder und führte noch ergänzend aus, im Widerspruch zu den jetzigen Angaben im Rentenantrag habe sie im Entschädigungsverfahren bei der Claims Conference noch zum Verfolgungsschicksal angegeben, an Hunger und Mangel an Ernährung gelitten zu haben.
Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin am 22.02.2005 Klage zum Sozialgericht Düsseldorf erhoben.
Zur Begründung nimmt die Klägerin sinngemäß Bezug auf ihr bisheriges Vorbringen und vertieft dieses. Ergänzend macht sie geltend, für ihre Tätigkeit habe sie Lohn in Form von Sachbezügen zur beliebigen Verfügung und auch zum Tausch bekommen, also täglich Essen am Arbeitsplatz und wöchentlich zusätzliche Lebensmittel für zu Hause wie Kartoffeln, Graupen, Brot, Mehl, Zucker und Öl. Dies hätte die Geringfügigkeitsgrenze überschritten. In ähnlichen Fällen hätte schon der 8. Senat des LSG NRW Klagen von Ghettobewohnern stattgegeben. Im übrigen habe das Ghetto Korzec nahe der Stadt Rowno in der Ukraine gelegen. Sie gehöre auch dem deutschen Sprach- und Kulturkreis an, und wäre zur Sprachprüfung bereit. Auch zur Zahlung freiwilliger Beiträge zur Wartezeiterfüllung sei sie bereit.
Die Klägerin beantragt nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen sinngemäß,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 03.08.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.02.2005 zu verurteilen, ihr unter Berücksichtigung von Beitragszeiten nach dem ZRBG - für die von ihr anlässlich des Aufenthaltes im Ghetto von Korzec von September 1941 bis November 1942 zurückgelegten Zeiten einer Beschäftigung - und unter Berücksichtigung von wegen Verfolgung anzuerkennenden Ersatzzeiten nach Entrichtung noch erforderlicher freiwilliger Beiträge eine Regelaltersrente nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen seit dem 01.07.1997 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte nimmt Bezug auf ihre Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden. Ergänzend macht sie geltend, unter Berücksichtigung des grundsätzlichen Urteils des 13. Senats des Bundessozialgerichts vom 07.10.2004 sei hier von schon nicht ausreichendem versicherungspflichtigem Entgelt im Sinne des ZRBG auszugehen, bzw. sei ein solches Entgelt auch nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Nach den Angaben der Klägerin noch in den Entschädigungsverfahren und im Rentenverfahren habe sie als Entlohnung für die im Ghetto geleistete Arbeit nur Essen bzw. Lebensmittel bekommen; sei habe Hunger gelitten und Mangel an Ernährung geschildert. Mehr als freien Unterhalt könne die Klägerin also nicht erhalten haben. Allein freier Unterhalt stelle kein ausreichendes Entgelt dar. Im übrigen passe das vom Bevollmächtigten der Klägerin zitierte Urteil des 8. Senats des LSG NRW hier schon deshalb nicht, weil es dort um das Ghetto Lodz mit ganz andren Bedingungen gegangen sei. Generell hätten die Verpflegungsrationen in Ghettos allenfalls das Überleben gesichert, so auch das LSG NRW bereits in anderen Verfahren. Den Bezug von mehr habe die Klägerin hier nicht glaubhaft vorgetragen.
Das Gericht hat die Entschädigungsakte über die Klägerin und ihren Ehemann - den sie 1946 heiratete - beigezogen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten und den Inhalt der Entschädigungsakten Bezug genommen; alle diese Akten und Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer konnte in Abwesenheit des Bevollmächtigten der Klägerin in der mündlichen Verhandlung entscheiden, weil dieser in der ordnungsgemäß zugestellten Terminsmitteilung auf diese Verfahrensmöglichkeit hingewiesen worden ist, die sich aus §§ 124 Abs. 1, 126 und 127 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ergibt.
Die Klage ist zwar zulässig. Sie wurde insbesondere auch form- und fristgerecht erhoben.
Die Klage ist jedoch unbegründet. Denn die angefochtenen Verwaltungsakte der Beklagten, nämlich der Bescheid vom 03.08.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.02.2005, sind nicht rechtswidrig und beschweren die Klägerin nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 SGG, weil die Beklagte mit diesen Bescheiden zu Recht die Gewährung einer Altersrente abgelehnt hat. Der dahingehenden begehrten Verpflichtung der Beklagten (§ 54 Abs. 4 SGG) war somit nicht zu entsprechen, weil Beitragszeiten nach dem ZRBG hier nicht vorliegen bzw. nicht ausreichend glaubhaft gemacht sind und weil allein Ersatzzeiten wegen Verfolgung nicht ausreichen, einen Rentenanspruch zu begründen.
Zur Meidung unnötiger Wiederholungen nimmt das Sozialgericht Düsseldorf gemäß § 136 Abs. 3 SGG Bezug auf die Ausführungen der Beklagten in den angefochtenen Bescheiden, erklärt sie für im wesentlichen richtig und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab. Insbesondere hat die Beklagte in dem Bescheid vom 03.08.2004 auch bereits die entscheidende Vorschrift des § 1 Abs. 1 ZRBG mit den dortigen wesentlichen Voraussetzungen wiedergegeben und weshalb hier nicht von freiwilliger und auch entgeltlicher Beschäftigung im Sinne des ZRBG ausgegangen werden kann.
Ergänzend führt das Gericht noch folgendes aus: Voraussetzung für die Gewährung einer Regelaltersrente ist nach § 35 des Sozialgesetzbuches (SGB) VI neben der Vollendung des 65. Lebensjahres die Erfüllung der allgemeinen Wartezeit. Darauf anrechenbare Zeiten im Sinne von §§ 50 ff SGB VI hat die Klägerin aber nicht, die sie erst zur Versicherten mit dem Recht zur Nachentrichtung von Beiträgen machen würden. Denn die Anwendbarkeit des ZRBG, also des "Ghetto-Gesetzes" zu ihren Gunsten zur Begründung von Beitragszeiten und eines Versicherten-Status in der deutschen Rentenversicherung und zur Zahlbarmachung einer Rente ins Ausland, scheitert hier schon daran, dass sie keine Beschäftigung in einem Ghetto im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZRBG nachgewiesen bzw. ausreichend glaubhaft gemacht hat, die auch eine "entgeltliche" Beschäftigung aus "eigenem Willensentschluss" darzustellen geeignet wäre.
I. Es fehlt schon an einem schlüssigen Vortrag für die Annahme einer regelmäßigen - auch entgeltlichen - Tätigkeit, für die sogar ein Entgelt oberhalb der Geringfügigkeitsgrenze vorgelegen haben müsste, um rentenrechtlich relevant zu sein (§ 1227 der in den 40iger Jahren geltenden Reichsversicherungsordnung, wonach Zuwendungen nur zur Unterhaltssicherung keine Versicherungspflicht begründet haben). Gerade angesichts der Angaben der Klägerin, die sie früher wesentlich zeitnäher im BEG-Verfahren machte und auch gegenüber der Claims Conference, erscheint der heutige Vortrag nicht glaubhaft bzw. nicht wahrscheinlicher als der frühere Vortrag, dass sie ihre Tätigkeit in der Wäscherei unter Zwang verrichtete und dafür nur unzureichende Ernährung bekam und Hunger litt. Jedenfalls die Annahme der Zahlung eines wirklichen Entgeltes im Sinne eines Austauschverhältnisses zwischen Lohn und Arbeit ist hier nicht glaubhaft, denn angesichts der damaligen allgemeinen Lebensumstände in den Ghettos ist davon auszugehen, dass die zugewandten Lebensmittelrationen regelmäßig nur unterhalb der Geringfügigkeitsgrenze lagen (LSG NRW Urteil vom 18.07.2005 - L 3 RJ 101/04). Das schriftsätzliche Vorbringen mit der Klage hat die Kammer nicht davon überzeugt, dass es hier anders gewesen sei als früher gegenüber der Claims Conference und gegenüber der BEG-Behörde vorgetragen. Die Behauptung in der Klagebegründung, auch zusätzliche Lebensmittel erhalten zu haben, reicht als substanziierter Vortrag ohne eigene Erklärungen der Klägerin so schon nicht aus (vgl. LSG NRW Urteil vom 20.10.2006 - L 14 R 4/06). Darüber hinaus erscheint auch das bloße Bestreiten, Zwangsarbeit verrichtet zu haben, nicht aus, wenn früher wie hier in der BEG-Akte solche Angaben gemacht worden sind und andere Umstände nicht erkennbar sind, die gegen die Richtigkeit der früheren Angaben sprechen würden (SG Hamburg Urteil vom 25.08.2006 - S 19 RJ 162/04). Außerdem erfüllt selbst zusätzliche und bessere Verpflegung allein noch nicht den Entgeltbegriff im Sinne des ZRBG, so auch das den Beteiligten bekannte Urteil des 13. Senats des BSG vom 07.10.2004 und so jetzt auch Sozialgericht Hamburg mit Urteil vom 25.08.2006 (wie bereits angegeben).
II. Die Klage hat auch keinen Erfolg unter dem Gesichtspunkt, dass die Klägerin möglicherweise einen Anspruch auf Lohn nach den Vorschriften für Juden in der Ukraine gehabt hätte. Denn für die Zuerkennung einer auch ins Ausland zahlbaren Rente nach dem Wortlaut von § 1 ZRBG kommt es darauf an, ob tatsächlich Entgelt gezahlt worden war, also Entgelt in nennenswertem Umfang, und nicht ob Anspruch darauf bestanden hätte oder Beiträge dafür hätten entrichtet werden müssen. Das ZRBG ist nämlich ein lex specialis gegenüber anderen insbesondere älteren Vorschriften, auch gegenüber dem WGSVG. Selbst § 14 WGSVG fingierte auch nur eine Beitragsentrichtung aus Verfolgungsgründen, nicht aber die Entgeltzahlung selbst. So hat auch das LSG NRW bereits in für die Kammer überzeugender Weise begründet, dass allein ein Anspruch auf Lohn nicht die Voraussetzungen des § 1 ZRBG erfüllt (LSG NRW Urteil vom 27.01.2006 - L 13 R 123/05 und vom 13.02.2006 - L 3 R 43 /05 und 178/05).
III. Im übrigen wird klägerischerseits verkannt, dass das ZRBG in der vorliegenden Fassung von vornherein nicht geeignet ist, Ansprüche für einen wirklich größeren Personenkreis zu begründen und die von den meisten heute noch lebenden Ghetto-Insassen gehegten Erwartungen zu erfüllen. Denn nach dem Wortlaut dieses Gesetzes reicht eben nicht jede Art von Tätigkeit anlässlich Aufenthalt in einem Ghetto aus, um ins Ausland zahlbare Rentenansprüche zu begründen (BSG Urteil vom 07.10.2004 -B 13 RJ 59/03 R). Von der Klägerin wurde nichts hier schlüssig vorgetragen, was im Lichte dieser Entscheidung hier ihre Ghetto-Tätigkeiten glaubhaft anders bewerten könnte. Eine klare Sachentscheidung, die die Tätigkeit der Klägerin hier anders bewerten könnte, ist auch mit der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 14.12.2006 (B 0 R 00/00 R) nach der bisher vorliegenden Pressemitteilung nicht getroffen worden; es wurde dort nur aus formalen Gründen der Rechtsstreit an das LSG zurückverwiesen ohne klare Festlegung auf neue Gesichtspunkte.
IV. Die Kammer verkennt nicht das Verfolgungsschicksal der Klägerin, sieht aber nach Lage der gesetzlichen Vorschriften und der bisher vom Bundessozialgericht und dem LSG NRW gemachten Vorgaben keine Möglichkeit, dem geltend gemachten Anspruch der Klägerin zu entsprechen. Das ZRBG gibt solche Ansprüche für sie zur Überzeugung der Kammer nicht her.
V. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1, 4 SGG.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung einer Altersrente unter Berücksichtigung des Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG).
Die am 00.00.1920 in L in Polen geborene Klägerin ist Jüdin und Verfolgte des Nazi-Regimes und lebt seit 1949 in Israel mit der dortigen Staatsangehörigkeit.
Seit 1990 erhält sie von der Deutschen Rentenversicherung Bund (ehemals Bundesversicherungsanstalt für Angestellte) monatliche Leistungen für Kindererziehung, für die am 00.00.1949 in B geborene Tochter F (nach Artikel 2 §§ 61 ff AnVNG - Bl. 13 der Rentenakte). Ein früherer Antrag der Klägerin auf Anerkennung von Vorkriegs-Beitragszeiten von 1935 bis 20.09.1939 war von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte abgelehnt worden mit bestandskräftigen Bescheiden vom 24.04. und 28.07.1997.
Am 04.11.2002 beantragte die Klägerin erstmals bei der Beklagten die Gewährung einer Regelaltersrente aus der Deutschen Rentenversicherung, nun unter Berücksichtigung von Zeiten nach dem ZRBG, Bl. 75, 108 der Rentenakte. Sie gab im Rentenantrag an, sie habe nicht dem deutschen Sprach- und Kulturkreis angehört (Bl. 83 Rückseite der Rentenakte). Sie habe von September 1941 bis November 1942 während ihres Aufenthaltes im Ghetto von Korzec dort Tätigkeiten als Arbeiterin in einer Wäscherei verrichtet. Sie habe Wäsche von deutschen Soldaten gewaschen, auch mit dem Waschbrett. Sie habe 8 Stunden täglich gearbeitet. Die Arbeit sei durch den Judenrat vermittelt worden. Bekommen habe sie dafür wöchentlich "zusätzliche Lebensmittel" (Bl. 85, 95 der Rentenakte). Im November 1942 sei sie dann in ein Zwangsarbeitslager gekommen und im Herbst 1944 befreit worden. Danach sei sie wieder nach Korzec gegangen, nach C gezogen wo sie geheiratet habe, und später weitergezogen und ausgewandert. Seit 1949 lebe sie in Israel. Die Beklagte zog die Entschädigungsvorgänge nach dem BEG von dem Wiedergutmachungsamt Saarburg und die Unterlagen der Claims Conference bei. Gegenüber dem Wiedergutmachungsamt hatte die Klägerin im November 1957 angegeben: " ... Im September 1941 wurde das Ghetto Korzec errichtet. Ich wurde mit meinen Angehörigen darin inhaftiert ... und durfte das Ghetto unter Androhung der Todesstrafe nicht verlassen ... Ich verrichtete die Zwangsarbeit in einer Wäscherei. Im November 1942 wurden meine Eltern deportiert ... Ich wurde mit den Überlebenden ins Zwangsarbeitslager Suchowola überführt ... ". In dem Antrag von 1993 bei der Claims Conference gab die Klägerin damals an: " ... September 1941 bis November 1942 Zwangsarbeit Wäscherei" und "Zwangsarbeit, Hunger, Mangel an Ernährung, Judenstern, viele Personen in kleinem Raum ..." (Bl. 131, 114, 115 der Verwaltungsakte).
Mit Bescheid vom 03.08.2004 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente ab. Zur Begründung führte sie aus, vom für eine Rente notwendigen Vorliegen einer entgeltlichen aus eigenem Willensentschluss zustande gekommenen freiwilligen Beschäftigung habe sich die Beklagte nicht überzeugen können. Eine solche Beschäftigung sei nicht glaubhaft gemacht. Vielmehr sei nach den eigenen Schilderungen der Klägerin von ihren Arbeitseinsätzen und ihren Zuwendungen dafür dies jeweils als nicht wirklich entgeltliche Zwangsarbeit anzusehen gewesen, die nach dem ZRBG nicht anerkannt werden könne.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 06.08.2004 Widerspruch ein. Zur Begründung reichte sie eine eidesstattliche Versicherung ein. In dieser heißt es, bis September 1941 sei sie zu verschiedenen Säuberungsarbeiten zwar zwangsweise herangezogen worden. Von September 1941 an habe sie aber freiwillig in der Wäscherei gearbeitet, mit Hilfe des Judenrates, und zusätzliche Lebensmittel von der Ghettoverwaltung erhalten. Erst im Zwangsarbeitslager in Suchowola habe sie wieder Zwangsarbeit verrichtet. Weil Essen und Lebensmittel damals wertvoller als Barlohn gewesen seien, so der Bevollmächtigte der Klägerin, hätten diverse Senate des LSG NRW bisher Sachbezüge als ausreichende Entlohnung im Sinne des ZRBG angesehen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 17.02.2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung gab sie ihre bisherige Begründung ausführlicher wieder und führte noch ergänzend aus, im Widerspruch zu den jetzigen Angaben im Rentenantrag habe sie im Entschädigungsverfahren bei der Claims Conference noch zum Verfolgungsschicksal angegeben, an Hunger und Mangel an Ernährung gelitten zu haben.
Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin am 22.02.2005 Klage zum Sozialgericht Düsseldorf erhoben.
Zur Begründung nimmt die Klägerin sinngemäß Bezug auf ihr bisheriges Vorbringen und vertieft dieses. Ergänzend macht sie geltend, für ihre Tätigkeit habe sie Lohn in Form von Sachbezügen zur beliebigen Verfügung und auch zum Tausch bekommen, also täglich Essen am Arbeitsplatz und wöchentlich zusätzliche Lebensmittel für zu Hause wie Kartoffeln, Graupen, Brot, Mehl, Zucker und Öl. Dies hätte die Geringfügigkeitsgrenze überschritten. In ähnlichen Fällen hätte schon der 8. Senat des LSG NRW Klagen von Ghettobewohnern stattgegeben. Im übrigen habe das Ghetto Korzec nahe der Stadt Rowno in der Ukraine gelegen. Sie gehöre auch dem deutschen Sprach- und Kulturkreis an, und wäre zur Sprachprüfung bereit. Auch zur Zahlung freiwilliger Beiträge zur Wartezeiterfüllung sei sie bereit.
Die Klägerin beantragt nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen sinngemäß,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 03.08.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.02.2005 zu verurteilen, ihr unter Berücksichtigung von Beitragszeiten nach dem ZRBG - für die von ihr anlässlich des Aufenthaltes im Ghetto von Korzec von September 1941 bis November 1942 zurückgelegten Zeiten einer Beschäftigung - und unter Berücksichtigung von wegen Verfolgung anzuerkennenden Ersatzzeiten nach Entrichtung noch erforderlicher freiwilliger Beiträge eine Regelaltersrente nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen seit dem 01.07.1997 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte nimmt Bezug auf ihre Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden. Ergänzend macht sie geltend, unter Berücksichtigung des grundsätzlichen Urteils des 13. Senats des Bundessozialgerichts vom 07.10.2004 sei hier von schon nicht ausreichendem versicherungspflichtigem Entgelt im Sinne des ZRBG auszugehen, bzw. sei ein solches Entgelt auch nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Nach den Angaben der Klägerin noch in den Entschädigungsverfahren und im Rentenverfahren habe sie als Entlohnung für die im Ghetto geleistete Arbeit nur Essen bzw. Lebensmittel bekommen; sei habe Hunger gelitten und Mangel an Ernährung geschildert. Mehr als freien Unterhalt könne die Klägerin also nicht erhalten haben. Allein freier Unterhalt stelle kein ausreichendes Entgelt dar. Im übrigen passe das vom Bevollmächtigten der Klägerin zitierte Urteil des 8. Senats des LSG NRW hier schon deshalb nicht, weil es dort um das Ghetto Lodz mit ganz andren Bedingungen gegangen sei. Generell hätten die Verpflegungsrationen in Ghettos allenfalls das Überleben gesichert, so auch das LSG NRW bereits in anderen Verfahren. Den Bezug von mehr habe die Klägerin hier nicht glaubhaft vorgetragen.
Das Gericht hat die Entschädigungsakte über die Klägerin und ihren Ehemann - den sie 1946 heiratete - beigezogen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten und den Inhalt der Entschädigungsakten Bezug genommen; alle diese Akten und Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer konnte in Abwesenheit des Bevollmächtigten der Klägerin in der mündlichen Verhandlung entscheiden, weil dieser in der ordnungsgemäß zugestellten Terminsmitteilung auf diese Verfahrensmöglichkeit hingewiesen worden ist, die sich aus §§ 124 Abs. 1, 126 und 127 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ergibt.
Die Klage ist zwar zulässig. Sie wurde insbesondere auch form- und fristgerecht erhoben.
Die Klage ist jedoch unbegründet. Denn die angefochtenen Verwaltungsakte der Beklagten, nämlich der Bescheid vom 03.08.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.02.2005, sind nicht rechtswidrig und beschweren die Klägerin nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 SGG, weil die Beklagte mit diesen Bescheiden zu Recht die Gewährung einer Altersrente abgelehnt hat. Der dahingehenden begehrten Verpflichtung der Beklagten (§ 54 Abs. 4 SGG) war somit nicht zu entsprechen, weil Beitragszeiten nach dem ZRBG hier nicht vorliegen bzw. nicht ausreichend glaubhaft gemacht sind und weil allein Ersatzzeiten wegen Verfolgung nicht ausreichen, einen Rentenanspruch zu begründen.
Zur Meidung unnötiger Wiederholungen nimmt das Sozialgericht Düsseldorf gemäß § 136 Abs. 3 SGG Bezug auf die Ausführungen der Beklagten in den angefochtenen Bescheiden, erklärt sie für im wesentlichen richtig und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab. Insbesondere hat die Beklagte in dem Bescheid vom 03.08.2004 auch bereits die entscheidende Vorschrift des § 1 Abs. 1 ZRBG mit den dortigen wesentlichen Voraussetzungen wiedergegeben und weshalb hier nicht von freiwilliger und auch entgeltlicher Beschäftigung im Sinne des ZRBG ausgegangen werden kann.
Ergänzend führt das Gericht noch folgendes aus: Voraussetzung für die Gewährung einer Regelaltersrente ist nach § 35 des Sozialgesetzbuches (SGB) VI neben der Vollendung des 65. Lebensjahres die Erfüllung der allgemeinen Wartezeit. Darauf anrechenbare Zeiten im Sinne von §§ 50 ff SGB VI hat die Klägerin aber nicht, die sie erst zur Versicherten mit dem Recht zur Nachentrichtung von Beiträgen machen würden. Denn die Anwendbarkeit des ZRBG, also des "Ghetto-Gesetzes" zu ihren Gunsten zur Begründung von Beitragszeiten und eines Versicherten-Status in der deutschen Rentenversicherung und zur Zahlbarmachung einer Rente ins Ausland, scheitert hier schon daran, dass sie keine Beschäftigung in einem Ghetto im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZRBG nachgewiesen bzw. ausreichend glaubhaft gemacht hat, die auch eine "entgeltliche" Beschäftigung aus "eigenem Willensentschluss" darzustellen geeignet wäre.
I. Es fehlt schon an einem schlüssigen Vortrag für die Annahme einer regelmäßigen - auch entgeltlichen - Tätigkeit, für die sogar ein Entgelt oberhalb der Geringfügigkeitsgrenze vorgelegen haben müsste, um rentenrechtlich relevant zu sein (§ 1227 der in den 40iger Jahren geltenden Reichsversicherungsordnung, wonach Zuwendungen nur zur Unterhaltssicherung keine Versicherungspflicht begründet haben). Gerade angesichts der Angaben der Klägerin, die sie früher wesentlich zeitnäher im BEG-Verfahren machte und auch gegenüber der Claims Conference, erscheint der heutige Vortrag nicht glaubhaft bzw. nicht wahrscheinlicher als der frühere Vortrag, dass sie ihre Tätigkeit in der Wäscherei unter Zwang verrichtete und dafür nur unzureichende Ernährung bekam und Hunger litt. Jedenfalls die Annahme der Zahlung eines wirklichen Entgeltes im Sinne eines Austauschverhältnisses zwischen Lohn und Arbeit ist hier nicht glaubhaft, denn angesichts der damaligen allgemeinen Lebensumstände in den Ghettos ist davon auszugehen, dass die zugewandten Lebensmittelrationen regelmäßig nur unterhalb der Geringfügigkeitsgrenze lagen (LSG NRW Urteil vom 18.07.2005 - L 3 RJ 101/04). Das schriftsätzliche Vorbringen mit der Klage hat die Kammer nicht davon überzeugt, dass es hier anders gewesen sei als früher gegenüber der Claims Conference und gegenüber der BEG-Behörde vorgetragen. Die Behauptung in der Klagebegründung, auch zusätzliche Lebensmittel erhalten zu haben, reicht als substanziierter Vortrag ohne eigene Erklärungen der Klägerin so schon nicht aus (vgl. LSG NRW Urteil vom 20.10.2006 - L 14 R 4/06). Darüber hinaus erscheint auch das bloße Bestreiten, Zwangsarbeit verrichtet zu haben, nicht aus, wenn früher wie hier in der BEG-Akte solche Angaben gemacht worden sind und andere Umstände nicht erkennbar sind, die gegen die Richtigkeit der früheren Angaben sprechen würden (SG Hamburg Urteil vom 25.08.2006 - S 19 RJ 162/04). Außerdem erfüllt selbst zusätzliche und bessere Verpflegung allein noch nicht den Entgeltbegriff im Sinne des ZRBG, so auch das den Beteiligten bekannte Urteil des 13. Senats des BSG vom 07.10.2004 und so jetzt auch Sozialgericht Hamburg mit Urteil vom 25.08.2006 (wie bereits angegeben).
II. Die Klage hat auch keinen Erfolg unter dem Gesichtspunkt, dass die Klägerin möglicherweise einen Anspruch auf Lohn nach den Vorschriften für Juden in der Ukraine gehabt hätte. Denn für die Zuerkennung einer auch ins Ausland zahlbaren Rente nach dem Wortlaut von § 1 ZRBG kommt es darauf an, ob tatsächlich Entgelt gezahlt worden war, also Entgelt in nennenswertem Umfang, und nicht ob Anspruch darauf bestanden hätte oder Beiträge dafür hätten entrichtet werden müssen. Das ZRBG ist nämlich ein lex specialis gegenüber anderen insbesondere älteren Vorschriften, auch gegenüber dem WGSVG. Selbst § 14 WGSVG fingierte auch nur eine Beitragsentrichtung aus Verfolgungsgründen, nicht aber die Entgeltzahlung selbst. So hat auch das LSG NRW bereits in für die Kammer überzeugender Weise begründet, dass allein ein Anspruch auf Lohn nicht die Voraussetzungen des § 1 ZRBG erfüllt (LSG NRW Urteil vom 27.01.2006 - L 13 R 123/05 und vom 13.02.2006 - L 3 R 43 /05 und 178/05).
III. Im übrigen wird klägerischerseits verkannt, dass das ZRBG in der vorliegenden Fassung von vornherein nicht geeignet ist, Ansprüche für einen wirklich größeren Personenkreis zu begründen und die von den meisten heute noch lebenden Ghetto-Insassen gehegten Erwartungen zu erfüllen. Denn nach dem Wortlaut dieses Gesetzes reicht eben nicht jede Art von Tätigkeit anlässlich Aufenthalt in einem Ghetto aus, um ins Ausland zahlbare Rentenansprüche zu begründen (BSG Urteil vom 07.10.2004 -B 13 RJ 59/03 R). Von der Klägerin wurde nichts hier schlüssig vorgetragen, was im Lichte dieser Entscheidung hier ihre Ghetto-Tätigkeiten glaubhaft anders bewerten könnte. Eine klare Sachentscheidung, die die Tätigkeit der Klägerin hier anders bewerten könnte, ist auch mit der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 14.12.2006 (B 0 R 00/00 R) nach der bisher vorliegenden Pressemitteilung nicht getroffen worden; es wurde dort nur aus formalen Gründen der Rechtsstreit an das LSG zurückverwiesen ohne klare Festlegung auf neue Gesichtspunkte.
IV. Die Kammer verkennt nicht das Verfolgungsschicksal der Klägerin, sieht aber nach Lage der gesetzlichen Vorschriften und der bisher vom Bundessozialgericht und dem LSG NRW gemachten Vorgaben keine Möglichkeit, dem geltend gemachten Anspruch der Klägerin zu entsprechen. Das ZRBG gibt solche Ansprüche für sie zur Überzeugung der Kammer nicht her.
V. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1, 4 SGG.
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