L 1 AL 3/06

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 3 AL 275/03
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 1 AL 3/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 21.10.2005 geändert. Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Umstritten ist die Verpflichtung der Klägerin zur Zahlung von Winterbauumlage dem Grunde nach.

Die Klägerin ist im Handelsregister mit dem Unternehmensgegenstand "Brandschutzbeschichtungen, Schutzbeschichtungen, Baufugentechnik sowie Dämm- und Isolierarbeiten" eingetragen. Sie beschäftigt fünf sog. Mechaniker, bei denen es sich überwiegend um ungelernte Mitarbeiter handelt, die aufgrund von Schulungen seitens der Hersteller der von der Klägerin eingesetzten Beschichtungsmaterialien qualifiziert werden. Die Mitarbeiter müssen dem Institut für Bautechnik gemeldet werden, damit sie Brandschutzbeschichtungen durchführen dürfen. Arbeitsrechtlich lehnt sich die Klägerin an die tariflichen Regelungen für das Maler- und Lackiererhandwerk an, wobei ihre Zugehörigkeit zu diesem Tarifzweig allerdings noch umstritten ist.

Im Jahre 2003 erbrachte die Klägerin nach dem Volumen der erstellten Rechnungen, das anteilmäßig den geleisteten Arbeitsstunden entspricht, Leistungen, die zu etwa 28 % dem Bereich Trockenbau, zu etwa 17 % dem Bereich Stahlbau und zu je etwa 1 % den Bereichen Lüftungsbau und Handel zuzuordnen waren. Hinsichtlich der übrigen Leistungen ist zwischen den Beteiligten umstritten, ob es sich, wie die Klägerin meint, um Maler- und Lackiererarbeiten handelt oder, wie die Beklagte vorträgt, um Isolierarbeiten. Der Sache nach führt die Klägerin Brandschutzmaßnahmen durch, wobei sie die zu schützenden Teile nicht verkleidet, sondern mit einer Beschichtung versieht, die im Brandfall aufschäumt und auf diese Weise die Weiterleitung von Hitze und Sauerstoff verhindert. Zur Beschichtung setzt die Klägerin Werkzeuge ein, die üblicherweise auch im Maler- und Lackiererhandwerk benutzt werden. Als Beschichtungsmaterial verwendet sie beispielsweise Flammadur A 77 HF, bei dem es sich nach Auskunft der Herstellerfirma um eine auf Wasser basierte Brandschutz-Dispersionsfarbe handelt. Soweit die Klägerin zur Kabel- bzw. Rohrabschottung Brandschutzmatten einbringt, werden diese in ihrem Betrieb vorbereitet und vor Ort zugeschnitten und eingepasst.

Das Leistungsspektrum hat sich seit 2003 bis Anfang 2007 nicht wesentlich verändert. Während der Anteil der Stahlbauarbeiten leicht abgenommen hat, ist ein geringfügiger Anteil an Klimatechnik dazugekommen und hat der Anteil der von der Klägerin als Maler- und Lackiererarbeiten bezeichneten Tätigkeiten leicht zugekommen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Niederschrift des Erörterungstermins vom 16.01.2007 Bezug genommen.

Die Beklagte zieht die Klägerin zur Winterbau-Umlage heran (Grundlagenbescheid vom 17.03.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.08.2003), weil sie die Auffassung vertritt, die Klägerin verrichte mehrheitlich Isolierarbeiten im Sinne von § 1 Abs. 2 Nr. 8 Baubetriebe-Verordnung (BaubetrVO) bzw. Trockenbauarbeiten im Sinne von § 1 Abs. 2 Nr. 36 BaubetrVO.

Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht (SG) Düsseldorf erhoben und vorgetragen: Sie verrichte keine Isolierarbeiten, weil sie keine wärmedämmenden, sondern brandhemmende Mittel auftrage. Da sie überwiegend Malertätigkeiten ausübe, falle sie vielmehr unter den Ausnahmetatbestand des § 2 Nr. 7 BaubetrVO. Hierzu hat sie auf § 6 Nr. 3 der Verordnung über die Berufsausbildung im Maler- und Lackiererhandwerk und auf § 2 Abs. 4 des Tarifvertrags zur Regelung eines Mindestlohns für gewerbliche Arbeitnehmer im Maler- und Lackiererhandwerk (TV-Mindestlohn) verwiesen, wonach die Ausführung von Schutzbeschichtungen, vor allem Brandschutzbeschichtungen und Auskleidung mit Beschichtungsmitteln, Facharbeiten des Malerhandwerks seien. Dementsprechend habe der Zeuge T bei seiner Betriebsprüfung im Auftrag der Bau-Berufsgenossenschaft (Bau-BG) am 25.10.2004 festgestellt, dass sie, die Klägerin, überwiegend Malerarbeiten verrichte. Schließlich habe sie die Winterbau-Umlage aufgrund ihrer betrieblichen Besonderheiten nie in Anspruch genommen. Ein großer Teil ihrer Arbeiten finde frost- und witterungsbeständig in der unternehmenseigenen Betriebshalle statt. Die Arbeiten am Bau würden im fast fertig gestellten und damit witterungsgeschützten Bauwerk ausgeübt.

Das SG hat den Zeugen T und den Zeugen C, der den Betrieb der Klägerin im Auftrag der Beklagten geprüft hat, vernommen. Sodann hat es den angefochtenen Bescheid aufgehoben (Urteil vom 21.10.2005) und die Auffassung vertreten, die Klägerin verrichte überwiegend Malerarbeiten im Sinne von § 2 Nr. 7 BaubetrVO.

Mit der am 12.01.2006 erhobenen Berufung gegen das ihr am 03.01.2006 zugestellte Urteil beruft sich die Beklagte vor allem auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) und des Landessozialgerichts (LSG) Niedersachsen, wonach Brandschutzarbeiten zum Berufsbild des Isoliermonteurs gehörten und auch dann nicht als Maler- und Lackiererarbeiten angesehen werden könnten, wenn sie überwiegend mit zum Malerhandwerk gehörendem Werkzeug verrichtet würden. Zudem weist die Beklagte auf die Entscheidung des Arbeitsgerichts (ArbG) Wiesbaden vom 03.05.2006 (Az 3 Ca 2318/04) hin, derzufolge der Betrieb der Klägerin dem betrieblichen Geltungsbereich des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) unterfalle.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 21.10.2005 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des SG für richtig. Die von der Beklagten herangezogenen Entscheidungen des BAG und des LSG Niedersachsen seien veraltet und würden der technischen Wirklichkeit in ihrem Unternehmen nicht gerecht. Die Entscheidung des ArbG Wiesbaden sei unzutreffend und zudem nicht rechtskräftig. Zwischen der Herstellung von Brandschutz im Wege des Trockenbaus und der von ihr betriebenen Brandschutzbeschichtung gebe es nicht nur technische, sondern auch erhebliche gestalterische und funktionale Unterschiede. So ermögliche es die Brandschutzbeschichtung, das beschichte Ursprungsmaterial (z.B. Stahl) unverändert zur Geltung kommen zu lassen, was bei einer Ummantelung bzw. Abkastung ausgeschlossen sei.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Bescheid der Bau-BG an die Klägerin vom 16.02.2005.

Die Verwaltungsvorgänge der Beklagten sind beigezogen worden und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Der angefochtene Bescheid ist nicht rechtswidrig und beschwert die Klägerin daher nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Die Beklagte hat zutreffend festgestellt, dass die Klägerin verpflichtet ist, die Umlage nach § 354 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) zu entrichten.

Nach § 354 SGB III in der bis zum 31.03.2006 geltenden Fassung wurden die Mittel für das Wintergeld, das Winterausfallgeld bis zur 100. Ausfallstunde und die Erstattung der Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung einschließlich der Verwaltungskosten und der sonstigen Kosten, die mit der Gewährung dieser Leistungen zusammenhängen, von den Arbeitgebern des Baugewerbes, in deren Betrieben die ganzjährige Beschäftigung zu fördern ist, durch Umlage aufgebracht.

Die Klägerin ist seit Heranziehung zur Winterbau-Umlage bis zum 31.03.2006 (zur Zeit danach s.u.) durchgängig ein Betrieb des Baugewerbes gewesen.

Betriebe des Baugewerbes waren nach der bis zum 31.03.2006 geltenden Rechtslage Betriebe, die gewerblich überwiegend Bauleistungen auf dem Baumarkt erbrachten (§ 211 Abs. 1 Satz 1 SGB III). Als Bauleistungen definierte der Gesetzgeber alle Leistungen, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienten (§ 211 Abs. 1 Satz 2 SGB III). Der Begriff der "Bauleistungen" ist dabei nach den Motiven des Gesetzgebers umfassend zu verstehen. Lediglich Arbeiten, die nicht herkömmlich vom Baugewerbe verrichtet wurden, sollen ausgeschlossen bleiben (vgl. BT-Drucks. 6/2689, S. 11; BSG, Urteil v. 24.06.1999, B 11/10 AL 7/98 R, EzS 150/80). Erfasst werden nicht nur die Erstellung des Rohbaus, sondern auch alle weiteren Arbeiten, die zur bestimmungsgemäßen Nutzung des Bauwerks erforderlich sind (BSG, Urteil v. 15.11.1979, 7 RAr 17/79, SozR 4100 § 75 Nr. 8. m.w.N.).

Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist die Klägerin nach dem bis zum 31.03.2006 geltenden Recht durchgängig ein Betrieb des Baugewerbes gewesen. Ihr Leistungsspektrum hat sich nach den Feststellungen des Senates nicht wesentlich verändert. Im Vordergrund haben Arbeiten gestanden, die - was zwischen den Beteiligten unstreitig ist - als Dämmungs- bzw. Beschichtungsarbeiten dem Brandschutz von Gebäuden dienten. Auf diese Tätigkeitsbereiche sind durchgängig die meisten der von den Mitarbeitern der Klägerin geleisteten Arbeitsstunden entfallen. Da ein Gebäude erst dann bestimmungsgemäß genutzt werden kann, wenn die erforderlichen Brandschutzmaßnahmen erfolgt sind (vgl. LSG Niedersachsen, Urteil v. 25.09.2001, L 7 AL 234/99), dienen Brandschutzmaßnahmen der Erstellung eines Gebäudes bzw. - soweit sie nach der Erstellung durchgeführt werden – seiner Erhaltung. Die Qualifizierung eines Betriebes als Baubetrieb erfordert auch nicht, dass die Bautätigkeiten überwiegend oder ausschließlich "vor Ort" verrichtet werden. Soweit der Betriebszweck darauf ausgerichtet ist, die Brandschutzmaterialien auf den Baustellen zu montieren, ist auch das Vorfertigen der Montageteile bauliche Leistung (vgl. BAG, Urteil v. 11.06.1997, 10 AZR 525/96, AP Nr. 200 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau). Dementsprechend ist es unerheblich, dass die Klägerin einen großen Teil der Vorbereitungsarbeiten, z.B. das Vorbereiten von Brandschutzmatten, frost- und witterungsunabhängig in ihrer eigenen Betriebshalle durchführt.

Der Betrieb der Klägerin gehört zu den Zweigen des Baugewerbes, die nach den Bestimmungen der §§ 209 ff. SGB III zu fördern waren.

Der Gesetzgeber hat in § 216 Abs. 1 SGB III die Ermächtigung geschaffen, diese Zweige durch Rechtsverordnung, nämlich die BaubetrVO, festzulegen. Da es auf die "Zweige" und nicht den einzelnen Betrieb ankommt, durfte der Verordnungsgeber in zulässiger Weise typisierende Regelungen hinsichtlich der zu fördernden Gruppen des Baugewerbes treffen (Bieback in Gagel, SGB III, § 216 Rdnr. 25 ff. m.w.N.).

Nach dem Regelungssystem der BaubetrVO kann ein Betrieb des Baugewerbes nur dann zur Umlage für das Wintergeld herangezogen werden, wenn er einem der in § 1 Abs. 2 bis 4 BaubetrVO einzeln aufgeführten Zweige der Bauwirtschaft zugehört; ein Auffangtatbestand in Form einer Generalklausel besteht insoweit nicht (BSG, Urteil v. 09.12.1997, 10 RAr 3/97, SozR 3-4100 § 186a Nr. 8). Nach § 1 Abs. 1 BaubetrVO ist entsprechend der Vorgabe des Gesetzgebers in § 211 Abs. 1 Satz 1 SGB III die ganzjährige Beschäftigung im Baugewerbe zu fördern, wenn der Betrieb gewerblich überwiegend Bauleistungen erbringt. Betriebe und Betriebsabteilungen im Sinne des § 1 Abs. 1 BaubetrVO sind dabei unter anderem solche, in denen folgende Arbeiten verrichtet werden: Dämm-(Isolier-)Arbeiten (das sind z.B. Wärme-, Kälte-, Schallschutz, Schallschluck- Schallverbesserungs- und Schallveredelungsarbeiten) einschließlich der Anbringung von Unterkonstruktionen (§ 1 Abs. 2 Nr. 8 BaubetrVO) sowie Trocken- und Montagebauarbeiten (§ 1 Abs. 2 Nr. 8 BaubetrVO).

Die Klägerin verrichtet überwiegend Dämmarbeiten im Sinne von § 1 Abs. 2 Nr. 8 BaubetrVO und Trockenbauarbeiten im Sinne von § 1 Abs. 2 Nr. 36 BaubetrVO. Der Gesamtanteil der Leistungen, die unstreitig dem Bereich der Trockenbauarbeiten zuzuordnen sind, sowie der Leistungen, die nach Auffassung der Klägerin Maler- und Lackiererarbeiten sind, macht zumindest zwischen 75 % und 80 % des Leistungsspektrums der Klägerin und der von ihren Mitarbeitern geleisteten Arbeitsstunden aus. Allein die von der Klägerin als Maler- und Lackiererarbeiten angesehenen Tätigkeiten repräsentieren den überwiegenden Anteil ihrer Leistungen. Entgegen der Auffassung der Klägerin handelt es sich dabei jedoch um Dämmarbeiten im Sinne von § 1 Abs. 2 Nr. 8 BaubetrVO.

Bei der Auslegung der BaubetrVO sind die Tarifverträge des Baugewerbes heranzuziehen (BSG, Urteil v. 09.12.1997, 10 RAr 2/96, SozR 3-4100 § 186 a Nr. 7; Urteil v. 09.12.1997, 10 RAr 3/97, SozR 3-4100 § 186a Nr. 8; Urteil v. 08.10.1998, B 10 AL 6/97 R, EzS 150/74). Diese Auffassung wird nicht zuletzt durch § 216 Abs. 1 Satz 3 SGB III gestützt, wonach bei der Festlegung der förderungswürdigen Zweige des Baugewerbes der fachliche Geltungsbereich tariflicher Regelungen berücksichtigt und die Tarifparteien des Baugewerbes nach Möglichkeit vorher angehört werden sollen.

Was die Tarifvertragsparteien und ihnen folgend der Verordungsgeber der BaubetrVO unter "Dämmarbeiten" verstanden haben, ist in den Tarifverträgen für das Baugewerbe zwar nicht näher erläutert. Die in den Beispielen des § 1 Abs. 2 Abschnitt V des Bundesrahmentarifvertrages für das Baugewerbe (BRTV-Bau) vom 04.07.2002 beispielhaft genannten Tätigkeiten, die in einem Betrieb des Baugewerbes typischerweise anfallen und an denen sich auch der Katalog des § 1 Abs. 2 BaubetrVO orientiert, sind jedoch durchweg berufsbezogen. Deshalb ist davon auszugehen, dass die Tarifvertragsparteien mit den Beispielen die Tätigkeiten des jeweils entsprechenden Berufs erfassen wollten (BAG, Urteil v. 06.05.1987, 4 AZR 585/86). Dämm- und Isolierarbeiten im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 8 BaubetrVO gehören typischerweise zum Berufsbild des Wärme-, Kälte- und Schallschutzisolierers. Dabei ist der Begriff der "Dämmung" keineswegs nur im Sinne eines Schutzes vor äußeren Einflüssen zu verstehen (so bereits BSG, Urteil v. 24.06.1999, a.a.O.). Vielmehr umfasst der Beruf des Wärme-, Kälte- und Schallschutzisolierers neben dem Trockenbau gerade auch den von der Klägerin in erster Linie angebotenen und durchgeführten Brandschutz (§ 58 Nrn. 10, 11 und 12 der Verordnung über die Berufsausbildung in der Bauwirtschaft v. 02.06.1999, BGBl. I, S. 1102).

Dieser Beurteilung steht entgegen der Auffassung des SG nicht entgegen, dass die Klägerin überwiegend Mittel (wie z.B. Dispersionsfarbe) bzw. Werkzeuge verwendet, die auch oder sogar maßgeblich im Maler- und Lackiererhandwerk zum Einsatz kommen. Entscheidend für die Zuordnung zu einem der in § 1 Abs. 2 BaubetrVO genannten Zweige ist nämlich vielmehr in erster Linie der Zweck der Tätigkeit (ebenso: Thüringer LSG, Urteil v. 28.04.1998, L 3 AL 383/97, EzS 150/73 m.w.N.). Für diese Sichtweise spricht insbesondere der Gleichbehandlungsgrundsatz (Art 3 Abs. 1 Grundgesetz). Dieser gebietet es, Betriebe, die in gleicher Weise dem Risiko des witterungsbedingten Arbeitsausfalls unterliegen oder von den Leistungen der Winterbauförderung profitieren können, auch in gleicher Weise zur Winterbau-Umlage heranzuziehen. Für die Witterungsabhängigkeit von Brandschutzarbeiten spielt es jedoch keine Rolle, mittels welcher Technik oder Baustoffe sie ausgeführt werden. Vielmehr unterliegt ein Unternehmen, das zum Zwecke des Brandschutzes Verkleidungen bzw. Abkastungen durchführt, in gleichem Maße dem Risiko witterungsbedingten Arbeitsausfalls wie ein Unternehmen, das den Brandschutz mittels Beschichtungen bewirkt. Demgegenüber treten weitere mit der Entscheidung für eine Brandschutzbeschichtung verbundene Zielsetzungen, wie z.B. gestalterische oder auch funktionale Überlegungen, in den Hintergrund. Denn mit Blick auf die Funktionsfähigkeit und Nutzbarkeit des jeweiligen Gebäudes kommt es in erster Linie darauf an, dass die Klägerin den notwendigen Brandschutz bewirkt.

Der Beurteilung der Klägerin als Betrieb des Baugewerbes steht dabei nicht entgegen, dass Brandschutzarbeiten auch von Betrieben des Maler- und Lackiererhandwerks auf dem Markt angeboten werden und daher, wie die Klägerin unter Benennung der maßgeblichen Rechtsgrundlagen im Einzelnen dargelegt hat, auch diesem Berufsbild zugeordnet werden können. Von der Möglichkeit, dass Arbeiten sowohl zum Baugewerbe als auch zu anderen Tätigkeitsbereichen gehören (sog. "Sowohl-als-auch"-Tätigkeiten), ist erkennbar auch der Verordnungsgeber ausgegangen. Das ist gerade in § 2 Nr. 7 BaubetrVO zum Ausdruck gekommen, wonach ein Betrieb des Maler- und Lackiererhandwerks nur insoweit nicht der Winterbauförderung unterliegt, als er nicht überwiegend Bauleistungen im Sinne des § 1 Abs. 1 und 2 BaubetrVO erbringt. Damit hat der Verordnungsgeber im Ansatz an die Rechtsprechung des BAG angeknüpft, wonach es für die Anwendung des BRTV-Bau bei "Sowohl-als-auch"-Tätigkeiten darauf ankommt, ob zumindest im Umfang von 20 % Tätigkeiten durchgeführt werden, die ausschließlich einem Gewerk zuzuordnen sind, das nicht dem Geltungsbereich des BRTV-Bau unterfällt (vgl. BAG, Urteil v. 19.07.2000, 10 AZR 918/88, AP Nr. 232 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau). Ein Maler- und Lackiererbetrieb, der Brandschutzarbeiten verrichtet, unterliegt danach dem BRTV-Bau nur dann nicht, wenn er im Umfang von mindestens 20 % Leistungen erbringt, die ihrer Zweckbestimmung nach von Betrieben des Baugewerbes nicht angeboten werden. Anders als nach dieser Rechtsprechung reicht es demgegenüber für die Winterbauförderung nach § 2 Nr. 7 BaubetrVO bereits aus, dass in dem betreffenden Betrieb überwiegend, d.h. zu mehr als 50 % Leistungen des Bauhauptgewerbes erbracht werden. Das ist bei der Klägerin aus den genannten Gründen jedoch der Fall. Leistungen, die ihrem Zweck nach ausschließlich dem Maler- und Lackiererhandwerk zuzuordnen sind, bietet sie schon nach eigenen Angaben nicht oder jedenfalls nicht in nennenswertem Umfang an.

Mit der hier vertretenen Auffassung steht der Senat auch im Übrigen im Gleichklang mit der unfallversicherungs- und der arbeitsrechtlichen Betrachtungsweise. Die Bau-BG hat die Klägerin, obwohl sie nach ihrer Auffassung aus technischer Sicht überwiegend Malerarbeiten verrichtet, wegen der Zweckbestimmung ihrer Tätigkeit bestandskräftig in die Gefahrklasse "Bautenschutz, Isolierung" eingestuft (Bescheid vom 16.02.2005). Auch das BAG hat bereits entschieden, dass die Dämmung von Elektrokabeln tarifrechtlich betrachtet keine Malertätigkeit ist (BAG, Urteil v. 06.05.1987, 4 AZR 585/86). Dementsprechend hat das ArbG Wiesbaden mit Urteil vom 03.05.2006 (Az 3 Ca 2318/04) festgestellt, dass der Betrieb der Klägerin dem betrieblichen Geltungsbereich des VTV unterfällt.

Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die Klägerin auch von ihrer betrieblichen Struktur her nicht eindeutig dem Maler- und Lackiererhandwerk zuzuordnen ist. Die abhängig beschäftigten Mitarbeiter sind nach ihren Angaben im Erörterungstermin vom 16.01.2007 nicht etwa gelernte Maler und Lackierer, sondern überwiegend ungelernte Kräfte. Die Erlaubnis, im Bereich des Brandschutzes tätig zu werden, erteilt ihnen das Deutsche Institut für Bautechnik. Dieses Institut, ist unzweifelhaft dem Bereich der Bauwirtschaft zuzuordnen.

Ein anderweitiger Ausnahmefall des § 2 BaubetrVO ist ebenfalls nicht gegeben. Die Klägerin leistet keinen Bautenschutz im Sinne des § 2 Nr. 1 BaubetrVO. Mit diesem Begriff ist insbesondere der Schutz vor äußeren Witterungseinflüssen, vor allem der Korrosionsschutz gemeint. Demgegenüber werden Brandschutzarbeiten, wie dargelegt, als Dämmarbeiten von § 1 Abs. 2 Nr. 8 BaubetrVO erfasst. Schließlich ist die Klägerin schon im Hinblick auf den geringen und in den vergangenen Jahren noch zurückgegangenen Anteil an Stahlbauleistungen auch kein Betrieb des reinen Stahlbaus im Sinne von § 2 Nr. 13 BaubetrVO.

Ob für die Klägerin im Einzelfall das Risiko eines witterungsbedingten Arbeitsausfalls besteht, insbesondere, ob in der Vergangenheit bereits Leistungen der Winterbauförderung in Anspruch genommen worden sind, ist für die Teilnahme an der Winterbau-Umlage grundsätzlich ohne Bedeutung (BSG, Urteil v. 08.10.1998, B 10 AL 6/97 R, a.a.O.; BSG, Urteil v. 29.01.1985, 10 RAr 2/84 - JURIS). Leistet ein Betrieb Bauarbeiten, die in der BaubetrVO genannt sind, so entfällt die Förderungsfähigkeit und damit die Umlagepflicht des Inhabers auch dann nicht, wenn der Betrieb nur einen Teil der für die bezeichnete Gruppe typischen Arbeiten ausführt (z.B. überwiegend Innenarbeiten) und dadurch witterungsunabhängig wird. Dies liegt im besonderen Charakter der Winterbau-Umlage begründet. Mittels dieser sollen alle Unternehmen, die - sei es auch nur mittelbar - von der Winterbauförderung profitieren, zur Finanzierung dieser "Versicherung" herangezogen werden. Dabei nimmt die Umlage im Spannungsverhältnis zwischen der Einzelfallgerechtigkeit und dem Solidarprinzip eine besondere Stellung ein. Sie hat den Zweck, die Bauwirtschaft insgesamt zu fördern. Die gesetzlichen Leistungen dienen dazu, die Bauwirtschaft und die Bauinteressenten in die Lage zu versetzen, ihre Planung mit den geringstmöglichen Störungen durch Wintereinflüsse durchzuführen. Diese mittelbare Förderung kommt auch denjenigen Bauunternehmern zugute, die zwar ebenfalls mit Witterungseinflüssen rechnen müssen, aber aus Gründen der individuellen Betriebsgestaltung nicht die unmittelbaren Leistungen der Winterbauförderung in Anspruch nehmen können.

Eine Ausnahme von den Bestimmungen der BaubetrVO kommt danach nur dann in Betracht, wenn es eine nennenswerte Gruppe von Betrieben gibt, die dieselben Tätigkeiten wie die Klägerin verrichten und mittels der Winterbauförderung nicht gefördert werden können (vgl. BSG, Urteil v. 22.08.1990, 10 RAr 18/89, SozR 3-4100 § 186a Nr. 3). Ob die betreffende Gruppe zahlenmäßig ins Gewicht fällt, beurteilt sich nach zwei alternativen Kriterien (statt aller: BSG, Urteil v. 30.01.1996, 10 RAr 10/94, SozR 3-4100 § 186a Nr. 6), die im Falle der Klägerin beide nicht erfüllt sind: Die Tarifvertragsparteien des BRTV-Bau haben keine abweichende Aufteilung der tariflichen Zuordnung der betreffenden Betriebe zum Geltungsbereich des BRTV-Bau vorgenommen, d.h. es gibt keine neue tarifliche Regelung, die Brandschutzbetriebe dann vom Geltungsbereich des BRTV-Bau ausnimmt, wenn sie überwiegend Beschichtungen durchführen oder im Bereich des Innenausbaus tätig werden. Es hat sich im Wirtschaftsleben auch keine bestimmte, einheitliche, nicht mehr als bloß zufällige Ansammlung zu vernachlässigende, dauerhafte Gruppe von Brandschutzbetrieben etabliert, deren Mitgliedsbetriebe im Wesentlichen witterungsunabhängig sind. Die Klägerin selbst führt aus, dass lediglich eine geringe Anzahl von Betrieben im Bundesgebiet eine ihr vergleichbare Ausrichtung haben. Sie hat auch auf Nachfragen im Erörterungstermin nicht vorgetragen, Mitglied eines Verbandes zu sein, der sich die Förderung witterungsunabhängig Brandschutz betreibender Unternehmen zum Ziel gesetzt hätte. Die Existenz eines solchen Verbandes ist auch anderweitig nicht ersichtlich. Die Gütegemeinschaft Brandschutz im Ausbau umfasst den gesamten Brandschutz und nicht lediglich den witterungsunabhängigen Bereich des Innenausbaus (vgl. www.gba-brandschutz.de). Der Bundesverband Brandschutz-Fachbetriebe e.V. hat sich die Förderung des Brandschutzes insgesamt zum Ziel gesetzt (z.B. einschließlich des Verkaufs von Feuerlöschern sowie der damit einher gehenden Beratung) und geht damit sogar über den Bereich des Bauwesens hinaus (vgl. www.bvbf-brandschutz.de).

Keine andere Beurteilung ergibt sich für die Zeit ab dem 01.04.2006. Seit diesem Zeitpunkt werden die Mittel für die sog. ergänzenden Leistungen nach § 175a SGB III (Wintergeld als Zuschuss- bzw. Mehraufwandswintergeld) einschließlich der Verwaltungskosten und der sonstigen Kosten, die mit der Gewährung dieser Leistungen zusammenhängen, in den durch Verordnung nach § 182 Abs. 3 SGB III bestimmten Wirtschaftszweigen durch Umlage aufgebracht (§ 354 Satz 1 SGB III). Zu diesen Wirtschaftszweigen gehört nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 der auf Grund von § 182 Abs. 3 SGB III erlassenen Verordnung über ergänzende Leistungen zum Saison-Kurzarbeitergeld und die Aufbringung der erforderlichen Mittel zur Aufrechterhaltung der Beschäftigung in den Wintermonaten u.a. das Baugewerbe iSv § 1 Abs. 2 BaubetrVO. Insofern ergibt sich gegenüber der bis zum 31.03.2006 geltenden Rechtslage kein Unterschied, sodass die Klägerin auch über den 31.03.2006 bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung (vgl. BSG, Urteil v. 11.03.1987, 10 RAr 5/85, SozR 4100 § 186a Nr. 21) der Winterbau-Umlage unterliegt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung. Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 Satz 1 SGG), sind nicht ersichtlich. Die durch den Fall aufgeworfenen Rechtsfragen sind sämtlich höchstrichterlich geklärt.
Rechtskraft
Aus
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