Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 13 AL 320/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 AL 810/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 16. Januar 2006 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Gewährung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) für die Zeit ab 1. Januar 2005.
Der am 1948 geborene Kläger bezog von der Beklagten seit 1. Januar 1999 Arbeitslosengeld (Alg) und seit 28. Februar 2001 Alhi, zuletzt bis 31. Dezember 2004 mit einem wöchentlichen Leistungssatz von 233,94 EUR (Bescheid vom 19. März 2004). Ab 01. Januar 2005 erhielt er Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) in Höhe von 651,73 EUR monatlich.
Am 8. November 2004 beantragte der Kläger die Gewährung von Alhi für die Zeit ab 1. Januar 2005. Mit Bescheid vom 16. November 2004 lehnte die Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, die Alhi werde mit Wirkung zum 1. Januar 2005 durch das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt aufgehoben. Den mit verfassungsrechtlichen Erwägungen begründeten Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14. Januar 2005 zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 26. Januar 2005 beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) Klage erhoben, mit der er nach wie vor die Gewährung von Alhi für die Zeit ab 1. Januar 2005 begehrt. Zur Begründung hat der Kläger in Ergänzung der Widerspruchsbegründung vorgetragen, unter dem Gesichtspunkt der langjährigen Beitragszahlung bestehe ein individuell-rechtlicher Anspruch auf Weiterbewilligung der Alhi gemäß Artikel 14 Grundgesetz (GG). Aus den Sozialstaatsprinzipien in Artikel 20 Abs. 1 GG ergebe sich, dass Regelungen zur Gewährleistung eines sozialen Standards wie jene der Alhi nicht ersatzlos gestrichen oder durch nicht adäquate Regelungen wie jene der Hartz-Gesetzgebung ersetzt werden könnten. Der Gleichbehandlungsgrundsatz des Artikel 3 Abs. 1 GG sei verletzt, da zwischen Alhi und Sozialhilfe ein wesentlicher Unterschied bestehe. Alhi betreffe die Sicherung eines Lebensstandards auf der Basis des zuvor erzielten Einkommens; die durch das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt getroffene Regelung habe keinerlei Bezug zu diesem Lohnausfallprinzip. Das Lohnausfallprinzip habe durch seinen Bezug zur Beitragsleistung, auch Steuerlast, eine differenzierende Wirkung, welche den gesellschaftlichen und persönlichen Unterschieden Rechnung getragen habe. Durch die Aufgabe dieses Prinzips würden verschiedene Gruppen unzulässig miteinander vermischt. Auch der in Artikel 20 GG normierte allgemeine Vertrauensschutz werde verletzt, da der Beitragsleistende in Zeiten der Beschäftigung habe davon ausgehen können, ebenfalls in den Genuss der zum Zeitpunkt der Beitragsleistung bestehenden gesetzlichen Regelungen zu gelangen. Wenn auch konkret nicht anwendbar, zeige beispielsweise ein Blick auf § 428 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) die Verfassungsproblematik des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt. Mit Gerichtsbescheid vom 16. Januar 2006 hat das SG die Klage abgewiesen.
Hiergegen richtet sich die am 17. Februar 2006 beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegte Berufung des Klägers, mit welcher er sein Begehren weiterverfolgt. Ergänzend weist der Kläger auf beim BSG anhängige Verfahren hin (B 7b AS 4/05 R).
Der Kläger beantragt:
den Gerichtsbescheids des Sozialgerichts Karlsruhe vom 16. Januar 2006 und den Bescheid der Beklagten vom 16. November 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Januar 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ab 1. Januar 2005 Arbeitslosenhilfe nach den gesetzlichen Regelungen vor dem Vierten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt anstelle von Arbeitslosengeld II zu gewähren, hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.
Die Berufung sei nicht begründet. Da die Vorschriften der §§ 190 bis 206 des SGB III mit Wirkung ab dem 1. Januar 2005 aufgehoben worden seien, fehle es an einer wirksamen Anspruchsgrundlage für die Bewilligung von Alhi. Entsprechend habe das LSG in seiner Entscheidung vom 28. Oktober 2005 - L 8 AL 1268/05 - zutreffend darauf hingewiesen, dass "(es) nach dem Gewaltenteilungsprinzip (Artikel 20 Abs. 2 Satz 2 GG) der Exekutive (Beklagte) wie der Judikative (SG und Senat) verwehrt (sei), von der Legislative (Gesetzgeber) außer Kraft gesetzte Gesetze "wieder aufheben zu lassen"." Der Kläger könne daher ab dem 1. Januar 2005 die Zahlung von Alhi nicht verlangen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf Band II der Leistungsakten der Beklagten, die Leistungsakte der ARGE Jobcenter Stadt Pforzheim, die Klageakte des SG und die Berufungsakte des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
Die Berufung ist zulässig. Sie ist gemäß § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegt worden sowie statthaft (§ 143 SGG), weil die Berufung wiederkehrende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung von Alhi ab 01. Januar 2005.
Für den geltend gemachten Anspruch besteht keine Rechtsgrundlage (so bereits LSG Baden-Württemberg, Urteile vom 28. Oktober 2005 - L 8 AL 1268/05 und vom 20. Dezember 2005 - L 12 AL 3813/05 - nachgehend: BSG, Beschluss vom 09. Mai 2006 - B 11a AL 19/06 B - (juris); LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 23. November 2006 - L 7 AS 3639/05). Bereits § 190 Abs. 3 SGB III in der seit 01. Januar 2004 geltenden Fassung bestimmte, dass Alhi nur bis zum 31. Dezember 2004 bewilligt werden konnte (Art. 3 Nr. 14 des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954). Durch Art. 61 Abs. 1 des genannten Gesetzes vom 24. Dezember 2003 sind mit Wirkung ab dem 01. Januar 2005 die Vorschriften über die Alhi (§§ 190 bis 206 SGB III) aufgehoben worden. Die Entscheidung der Beklagten steht daher im Einklang mit dem geltenden Recht.
Es ist auch nicht verfassungswidrig, dass der Gesetzgeber die Ansprüche auf Alhi nach den Vorschriften des SGB III in der bis 31. Dezember 2004 geltenden Fassung ohne Übergangsregelung abgeschafft und durch andersartige Ansprüche nach dem SGB II ersetzt hat. Hierzu hat das BSG im Urteil vom 23. November 2006 (B 11b AS 1/06 R) folgendes ausgeführt:
"Die Klägerin kann sich insoweit nicht auf die Eigentumsgarantie des Art 14 Abs 1 GG berufen. Denn die Alhi ist keine beitragsfinanzierte Leistung, sondern eine aus Steuermitteln finanzierte Fürsorgeleistung (vgl BSGE 85, 123, 130 = SozR 3 4100 § 136 Nr 11 mwN; SozR 3 4300 § 427 Nr 2 S 13; SozR 4 4300 § 434c Nr 3 RdNr 16). Selbst wenn im Übrigen der Anspruch auf Alhi dem Eigentumsschutz unterläge, wäre ein Verstoß gegen Art 14 Abs 1 GG zu verneinen, da der Gesetzgeber mit den Vorschriften zur Abschaffung der Alhi und zur Einführung des SGB II seine Befugnis zur Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums nicht überschritten hätte. Insoweit ergäbe sich bei diesem Prüfungsmaßstab hier nichts anderes, als wenn die angegriffenen Regelungen am Maßstab des Rechtsstaatsprinzips des Art 20 Abs 3 GG geprüft werden (vgl BVerfG SozR 3 4100 § 242q Nr 2 S 10, 12 sowie BVerfG SozR 4 2600 § 237a Nr 1 RdNr 24 ff).
Der Senat vermag nicht zu erkennen, dass mit der Abschaffung der Alhi und der Einführung des SGB II bzw des Alg II eine Verletzung des aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitenden Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit (vgl Jarass/Pieroth, GG, 8. Auflage 2006, Art 20 RdNr 80 ff) verbunden war. Zu beachten ist insoweit, dass der Gesetzgeber bei der vorgenommenen Umgestaltung und Zusammenführung bisheriger getrennter staatlicher Fürsorgesysteme zu einem einheitlichen System der Grundsicherung für Arbeitsuchende wichtige Gemeinwohlinteressen im Sinne der Anpassung der Sozialausgaben an eine geänderte Wirtschaftslage verfolgt hat (vgl ua BT-Drucks 15/1516 S 1 ff, 41 ff). Zu beachten ist weiter die in § 1 Abs 1 Satz 1 SGB II zum Ausdruck kommende Absicht des Gesetzgebers, mit der Einführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Eigenverantwortung erwerbsfähiger Hilfebedürftiger und mit diesen in einer Bedarfsgemeinschaft lebender Personen zu stärken und dazu beizutragen, dass sie ihren Lebensunterhalt unabhängig von der Grundsicherung aus eigenen Mitteln und Kräften bestreiten können. Außerdem hat der Gesetzgeber vor dem Hintergrund der Abschaffung der (Anschluss )Alhi für ehemalige Alg-Bezieher, die bereits unter 2a aa erwähnte Regelung über den befristeten Zuschlag in § 24 SGB II vorgesehen, mit der ein Teil der Einkommenseinbußen abgefedert werden soll, die in der Regel beim Übertritt in die Grundsicherung für Arbeitsuchende entstehen (BT-Drucks 15/1516 S 57 f, zu § 24). Unter Berücksichtigung dieser Umstände ist nicht ersichtlich, dass die Einführung der neuen gesetzlichen Bestimmungen Betroffene wie die Klägerin bei Abwägung ihrer Interessen mit den verfolgten Gemeinwohlbelangen unverhältnismäßig belasten würde oder dass der Gesetzgeber den ihm zustehenden weiten Gestaltungsspielraum in unverhältnismäßiger Weise überschritten hätte.
Der Gesetzgeber hat nach der Überzeugung des Senats auch nicht die Anforderungen des rechtsstaatlichen Vertrauensschutzprinzips verletzt (vgl BVerfG, Beschluss vom 13. Juni 2006 1 BvL 9/00 ua; dazu auch Schlegel, jurisPR-SozR 19/2006 und Wenner, SozSich 2006, 316). Denn abgesehen von der seit Jahren öffentlich geführten Diskussion über die Zusammenführung von Alhi und Sozialhilfe sind die Bestimmungen zur Aufhebung der §§ 190 ff SGB III und zur Einführung des SGB II bereits am 24. Dezember 2003 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht worden, die Änderungen aber erst am 1. Januar 2005 in Kraft getreten. Die Betroffenen hatten somit ausreichend Gelegenheit, sich auf die neue Rechtslage einzustellen. Im Übrigen stand die Alhi wegen ihres Charakters als Fürsorgeleistung von jeher unter der Prämisse der jederzeitigen Änderbarkeit, wie wiederholte Reduzierungen der letzten Jahre belegen (ua zeitliche Anspruchsbegrenzung der originären Alhi durch Gesetz vom 21. Dezember 1993, BGBl I 2353, und deren Abschaffung durch Gesetz vom 22. Dezember 1999, BGBl I 2624; ferner zB Minderung des Bemessungsentgelts durch § 201 Abs 1 Satz 1 SGB III in der Fassung des Arbeitsförderungs-Reformgesetzes vom 24. März 1997, BGBl I 594). Insofern lässt sich ein schutzwürdiges Vertrauen auf den Fortbestand der bis Ende 2004 geltenden Rechtslage nicht begründen. Jedenfalls ist einem Vertrauen betroffener Arbeitsloser nicht größeres Gewicht beizumessen als dem Gemeinwohlinteresse an der Änderung der Rechtslage (vgl BVerfG SozR 3 4100 § 242q Nr 2 S 11). Der Senat hat im Übrigen einen Verstoß gegen das rechtsstaatliche Vertrauensschutzprinzip durch die Abschaffung der Alhi sogar für Arbeitslose, die eine Erklärung nach § 428 SGB III abgegeben hatten, verneint (BSG, Urteil vom 23. November 2006 B 11b AS 9/06 R ).
Ein Anspruch der Klägerin auf Leistungen in Höhe der bisherigen Alhi folgt auch nicht aus Art 1 Abs 1 GG iVm dem insbesondere auf Art 20 Abs 1 GG beruhenden Sozialstaatsprinzip (zu letzterem vgl Jarass/Pieroth aaO Art 20 RdNr 112). Die genannten Verfassungsnormen begründen zwar für den Gesetzgeber einen Gestaltungsauftrag; dieser ist jedoch nicht geeignet, eine Verpflichtung des Staates zur Gewährung sozialer Leistungen in einem bestimmten Umfang zu begründen (vgl etwa BVerfGE 94, 241, 263 = SozR 3 2200 § 1255a Nr 5). Vielmehr sind dem Gesetzgeber im Rahmen der Entscheidung, in welchem Umfang soziale Hilfe unter Berücksichtigung vorhandener Mittel und anderer gleichwertiger Staatsaufgaben gewährt werden kann, weite Gestaltungsmöglichkeiten eingeräumt (vgl BVerfGE 82, 60, 80 f = SozR 3 5870 § 10 Nr 1; BVerfGE 98, 169, 204 = NJW 1998, 3337; O’Sullivan SGb 2005, 370)."
Diesen Ausführungen schließt sich der erkennende Senat nach sorgfältiger Überprüfung an. Ihnen ist nichts hinzuzufügen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierzu, insbesondere ein Bedürfnis nach weiterer obergerichtlicher Klärung (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) im Hinblick auf die Entscheidung des BSG vom 23. November 2006 (B 11b AS 1/06 R) nicht vorliegen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Gewährung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) für die Zeit ab 1. Januar 2005.
Der am 1948 geborene Kläger bezog von der Beklagten seit 1. Januar 1999 Arbeitslosengeld (Alg) und seit 28. Februar 2001 Alhi, zuletzt bis 31. Dezember 2004 mit einem wöchentlichen Leistungssatz von 233,94 EUR (Bescheid vom 19. März 2004). Ab 01. Januar 2005 erhielt er Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) in Höhe von 651,73 EUR monatlich.
Am 8. November 2004 beantragte der Kläger die Gewährung von Alhi für die Zeit ab 1. Januar 2005. Mit Bescheid vom 16. November 2004 lehnte die Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, die Alhi werde mit Wirkung zum 1. Januar 2005 durch das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt aufgehoben. Den mit verfassungsrechtlichen Erwägungen begründeten Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14. Januar 2005 zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 26. Januar 2005 beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) Klage erhoben, mit der er nach wie vor die Gewährung von Alhi für die Zeit ab 1. Januar 2005 begehrt. Zur Begründung hat der Kläger in Ergänzung der Widerspruchsbegründung vorgetragen, unter dem Gesichtspunkt der langjährigen Beitragszahlung bestehe ein individuell-rechtlicher Anspruch auf Weiterbewilligung der Alhi gemäß Artikel 14 Grundgesetz (GG). Aus den Sozialstaatsprinzipien in Artikel 20 Abs. 1 GG ergebe sich, dass Regelungen zur Gewährleistung eines sozialen Standards wie jene der Alhi nicht ersatzlos gestrichen oder durch nicht adäquate Regelungen wie jene der Hartz-Gesetzgebung ersetzt werden könnten. Der Gleichbehandlungsgrundsatz des Artikel 3 Abs. 1 GG sei verletzt, da zwischen Alhi und Sozialhilfe ein wesentlicher Unterschied bestehe. Alhi betreffe die Sicherung eines Lebensstandards auf der Basis des zuvor erzielten Einkommens; die durch das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt getroffene Regelung habe keinerlei Bezug zu diesem Lohnausfallprinzip. Das Lohnausfallprinzip habe durch seinen Bezug zur Beitragsleistung, auch Steuerlast, eine differenzierende Wirkung, welche den gesellschaftlichen und persönlichen Unterschieden Rechnung getragen habe. Durch die Aufgabe dieses Prinzips würden verschiedene Gruppen unzulässig miteinander vermischt. Auch der in Artikel 20 GG normierte allgemeine Vertrauensschutz werde verletzt, da der Beitragsleistende in Zeiten der Beschäftigung habe davon ausgehen können, ebenfalls in den Genuss der zum Zeitpunkt der Beitragsleistung bestehenden gesetzlichen Regelungen zu gelangen. Wenn auch konkret nicht anwendbar, zeige beispielsweise ein Blick auf § 428 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) die Verfassungsproblematik des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt. Mit Gerichtsbescheid vom 16. Januar 2006 hat das SG die Klage abgewiesen.
Hiergegen richtet sich die am 17. Februar 2006 beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegte Berufung des Klägers, mit welcher er sein Begehren weiterverfolgt. Ergänzend weist der Kläger auf beim BSG anhängige Verfahren hin (B 7b AS 4/05 R).
Der Kläger beantragt:
den Gerichtsbescheids des Sozialgerichts Karlsruhe vom 16. Januar 2006 und den Bescheid der Beklagten vom 16. November 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Januar 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ab 1. Januar 2005 Arbeitslosenhilfe nach den gesetzlichen Regelungen vor dem Vierten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt anstelle von Arbeitslosengeld II zu gewähren, hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.
Die Berufung sei nicht begründet. Da die Vorschriften der §§ 190 bis 206 des SGB III mit Wirkung ab dem 1. Januar 2005 aufgehoben worden seien, fehle es an einer wirksamen Anspruchsgrundlage für die Bewilligung von Alhi. Entsprechend habe das LSG in seiner Entscheidung vom 28. Oktober 2005 - L 8 AL 1268/05 - zutreffend darauf hingewiesen, dass "(es) nach dem Gewaltenteilungsprinzip (Artikel 20 Abs. 2 Satz 2 GG) der Exekutive (Beklagte) wie der Judikative (SG und Senat) verwehrt (sei), von der Legislative (Gesetzgeber) außer Kraft gesetzte Gesetze "wieder aufheben zu lassen"." Der Kläger könne daher ab dem 1. Januar 2005 die Zahlung von Alhi nicht verlangen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf Band II der Leistungsakten der Beklagten, die Leistungsakte der ARGE Jobcenter Stadt Pforzheim, die Klageakte des SG und die Berufungsakte des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
Die Berufung ist zulässig. Sie ist gemäß § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegt worden sowie statthaft (§ 143 SGG), weil die Berufung wiederkehrende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung von Alhi ab 01. Januar 2005.
Für den geltend gemachten Anspruch besteht keine Rechtsgrundlage (so bereits LSG Baden-Württemberg, Urteile vom 28. Oktober 2005 - L 8 AL 1268/05 und vom 20. Dezember 2005 - L 12 AL 3813/05 - nachgehend: BSG, Beschluss vom 09. Mai 2006 - B 11a AL 19/06 B - (juris); LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 23. November 2006 - L 7 AS 3639/05). Bereits § 190 Abs. 3 SGB III in der seit 01. Januar 2004 geltenden Fassung bestimmte, dass Alhi nur bis zum 31. Dezember 2004 bewilligt werden konnte (Art. 3 Nr. 14 des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954). Durch Art. 61 Abs. 1 des genannten Gesetzes vom 24. Dezember 2003 sind mit Wirkung ab dem 01. Januar 2005 die Vorschriften über die Alhi (§§ 190 bis 206 SGB III) aufgehoben worden. Die Entscheidung der Beklagten steht daher im Einklang mit dem geltenden Recht.
Es ist auch nicht verfassungswidrig, dass der Gesetzgeber die Ansprüche auf Alhi nach den Vorschriften des SGB III in der bis 31. Dezember 2004 geltenden Fassung ohne Übergangsregelung abgeschafft und durch andersartige Ansprüche nach dem SGB II ersetzt hat. Hierzu hat das BSG im Urteil vom 23. November 2006 (B 11b AS 1/06 R) folgendes ausgeführt:
"Die Klägerin kann sich insoweit nicht auf die Eigentumsgarantie des Art 14 Abs 1 GG berufen. Denn die Alhi ist keine beitragsfinanzierte Leistung, sondern eine aus Steuermitteln finanzierte Fürsorgeleistung (vgl BSGE 85, 123, 130 = SozR 3 4100 § 136 Nr 11 mwN; SozR 3 4300 § 427 Nr 2 S 13; SozR 4 4300 § 434c Nr 3 RdNr 16). Selbst wenn im Übrigen der Anspruch auf Alhi dem Eigentumsschutz unterläge, wäre ein Verstoß gegen Art 14 Abs 1 GG zu verneinen, da der Gesetzgeber mit den Vorschriften zur Abschaffung der Alhi und zur Einführung des SGB II seine Befugnis zur Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums nicht überschritten hätte. Insoweit ergäbe sich bei diesem Prüfungsmaßstab hier nichts anderes, als wenn die angegriffenen Regelungen am Maßstab des Rechtsstaatsprinzips des Art 20 Abs 3 GG geprüft werden (vgl BVerfG SozR 3 4100 § 242q Nr 2 S 10, 12 sowie BVerfG SozR 4 2600 § 237a Nr 1 RdNr 24 ff).
Der Senat vermag nicht zu erkennen, dass mit der Abschaffung der Alhi und der Einführung des SGB II bzw des Alg II eine Verletzung des aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitenden Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit (vgl Jarass/Pieroth, GG, 8. Auflage 2006, Art 20 RdNr 80 ff) verbunden war. Zu beachten ist insoweit, dass der Gesetzgeber bei der vorgenommenen Umgestaltung und Zusammenführung bisheriger getrennter staatlicher Fürsorgesysteme zu einem einheitlichen System der Grundsicherung für Arbeitsuchende wichtige Gemeinwohlinteressen im Sinne der Anpassung der Sozialausgaben an eine geänderte Wirtschaftslage verfolgt hat (vgl ua BT-Drucks 15/1516 S 1 ff, 41 ff). Zu beachten ist weiter die in § 1 Abs 1 Satz 1 SGB II zum Ausdruck kommende Absicht des Gesetzgebers, mit der Einführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Eigenverantwortung erwerbsfähiger Hilfebedürftiger und mit diesen in einer Bedarfsgemeinschaft lebender Personen zu stärken und dazu beizutragen, dass sie ihren Lebensunterhalt unabhängig von der Grundsicherung aus eigenen Mitteln und Kräften bestreiten können. Außerdem hat der Gesetzgeber vor dem Hintergrund der Abschaffung der (Anschluss )Alhi für ehemalige Alg-Bezieher, die bereits unter 2a aa erwähnte Regelung über den befristeten Zuschlag in § 24 SGB II vorgesehen, mit der ein Teil der Einkommenseinbußen abgefedert werden soll, die in der Regel beim Übertritt in die Grundsicherung für Arbeitsuchende entstehen (BT-Drucks 15/1516 S 57 f, zu § 24). Unter Berücksichtigung dieser Umstände ist nicht ersichtlich, dass die Einführung der neuen gesetzlichen Bestimmungen Betroffene wie die Klägerin bei Abwägung ihrer Interessen mit den verfolgten Gemeinwohlbelangen unverhältnismäßig belasten würde oder dass der Gesetzgeber den ihm zustehenden weiten Gestaltungsspielraum in unverhältnismäßiger Weise überschritten hätte.
Der Gesetzgeber hat nach der Überzeugung des Senats auch nicht die Anforderungen des rechtsstaatlichen Vertrauensschutzprinzips verletzt (vgl BVerfG, Beschluss vom 13. Juni 2006 1 BvL 9/00 ua; dazu auch Schlegel, jurisPR-SozR 19/2006 und Wenner, SozSich 2006, 316). Denn abgesehen von der seit Jahren öffentlich geführten Diskussion über die Zusammenführung von Alhi und Sozialhilfe sind die Bestimmungen zur Aufhebung der §§ 190 ff SGB III und zur Einführung des SGB II bereits am 24. Dezember 2003 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht worden, die Änderungen aber erst am 1. Januar 2005 in Kraft getreten. Die Betroffenen hatten somit ausreichend Gelegenheit, sich auf die neue Rechtslage einzustellen. Im Übrigen stand die Alhi wegen ihres Charakters als Fürsorgeleistung von jeher unter der Prämisse der jederzeitigen Änderbarkeit, wie wiederholte Reduzierungen der letzten Jahre belegen (ua zeitliche Anspruchsbegrenzung der originären Alhi durch Gesetz vom 21. Dezember 1993, BGBl I 2353, und deren Abschaffung durch Gesetz vom 22. Dezember 1999, BGBl I 2624; ferner zB Minderung des Bemessungsentgelts durch § 201 Abs 1 Satz 1 SGB III in der Fassung des Arbeitsförderungs-Reformgesetzes vom 24. März 1997, BGBl I 594). Insofern lässt sich ein schutzwürdiges Vertrauen auf den Fortbestand der bis Ende 2004 geltenden Rechtslage nicht begründen. Jedenfalls ist einem Vertrauen betroffener Arbeitsloser nicht größeres Gewicht beizumessen als dem Gemeinwohlinteresse an der Änderung der Rechtslage (vgl BVerfG SozR 3 4100 § 242q Nr 2 S 11). Der Senat hat im Übrigen einen Verstoß gegen das rechtsstaatliche Vertrauensschutzprinzip durch die Abschaffung der Alhi sogar für Arbeitslose, die eine Erklärung nach § 428 SGB III abgegeben hatten, verneint (BSG, Urteil vom 23. November 2006 B 11b AS 9/06 R ).
Ein Anspruch der Klägerin auf Leistungen in Höhe der bisherigen Alhi folgt auch nicht aus Art 1 Abs 1 GG iVm dem insbesondere auf Art 20 Abs 1 GG beruhenden Sozialstaatsprinzip (zu letzterem vgl Jarass/Pieroth aaO Art 20 RdNr 112). Die genannten Verfassungsnormen begründen zwar für den Gesetzgeber einen Gestaltungsauftrag; dieser ist jedoch nicht geeignet, eine Verpflichtung des Staates zur Gewährung sozialer Leistungen in einem bestimmten Umfang zu begründen (vgl etwa BVerfGE 94, 241, 263 = SozR 3 2200 § 1255a Nr 5). Vielmehr sind dem Gesetzgeber im Rahmen der Entscheidung, in welchem Umfang soziale Hilfe unter Berücksichtigung vorhandener Mittel und anderer gleichwertiger Staatsaufgaben gewährt werden kann, weite Gestaltungsmöglichkeiten eingeräumt (vgl BVerfGE 82, 60, 80 f = SozR 3 5870 § 10 Nr 1; BVerfGE 98, 169, 204 = NJW 1998, 3337; O’Sullivan SGb 2005, 370)."
Diesen Ausführungen schließt sich der erkennende Senat nach sorgfältiger Überprüfung an. Ihnen ist nichts hinzuzufügen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierzu, insbesondere ein Bedürfnis nach weiterer obergerichtlicher Klärung (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) im Hinblick auf die Entscheidung des BSG vom 23. November 2006 (B 11b AS 1/06 R) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved