Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
19
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 21 AS 653/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 19 B 687/06 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 17. Juli 2006 wird zurückgewiesen. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt. Außergerichtliche Kosten sind für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I. Der Antragsteller macht weitere Leistungen nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II) für den Zeitraum ab 29. August 2005 im Verwaltungsverfahren geltend. Diesbezüglich verfolgt er eine einstweilige Regelung für die Zeit ab 3. Mai 2006.
Der 1987 geborene Antragsteller, der bei seiner Mutter wohnt, absolviert seit dem 1. Oktober 2004 eine Ausbildung zum staatlich anerkannten Physiotherapeuten. Er besucht die Akademie für S und G gGmbH. Die Ausbildungsgebühren betragen derzeit 370,- Euro monatlich. Der Landkreis Potsdam Mittelmark, Amt für Ausbildungsförderung, bewilligte dem Antragsteller mit Bescheid vom 29. September 2005 für den Zeitraum 1. Oktober 2005 bis 30. September 2006 Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz - BAföG - in Höhe von 192,- Euro monatlich.
Die Antragsgegnerin lehnte mit Bescheid vom 27. Oktober 2005 seinen Antrag vom 29. August 2005 auf Leistungen nach dem SGB II ab mit der Begründung, die gesetzlichen Voraussetzungen lägen nicht vor, da er sich in einer Ausbildung befinde und diese dem Grunde nach im Sinne des BAföG oder der §§ 60 bis 62 des Dritten Buches des Sozialgesetzbuches - SGB III - förderungswürdig sei. Der Antragsteller legte dagegen Widerspruch ein und erhob am 28. März 2006 Untätigkeitsklage. Die Antragsgegnerin gab dem eingelegten Widerspruch teilweise statt und bewilligte dem Antragsteller mit Abhilfebescheid vom 10. Mai 2006 zunächst für den Zeitraum 29. August 2005 bis 31. August 2005 Leistungen in Höhe von 22,63 Euro und für den Zeitraum 1. September 2005 bis 31. Januar 2006 Leistungen in Höhe von 226,46 Euro monatlich. Dabei berücksichtigte sie als anzurechnendes Einkommen 80 % der nach dem BAföG zuerkannten Leistung. Mit Bescheid vom 19. Juni 2006 bewilligte die Antragsgegnerin dem Antragsteller Leistungen für den Zeitraum 1. Mai 2006 bis 30. Juni 2006 in Höhe von 226,46 Euro monatlich und für den Zeitraum 1. Juli 2006 bis 31. Oktober 2006 in Höhe von 240,46 Euro monatlich. Der Antragsteller legte gegen diesen Abhilfebescheid mit Schriftsatz vom 12. Juni 2006 Widerspruch ein, über den nach Aktenlage noch nicht entschieden wurde. Mit Bescheid vom 24. Oktober 2006 bewilligte die Antragsgegnerin Frau B K, der Mutter des Antragstellers, und dem mit ihr in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Antragsteller für den Zeitraum 1. November 2006 bis 30. April 2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Höhe von 854,23 Euro monatlich. Für den Antragsteller ermittelte die Antragsgegnerin einen Gesamtbedarf in Höhe von 479,70 Euro monatlich. Von dem zu berücksichtigen Gesamteinkommen in Höhe von 255,14 Euro monatlich, das sich aus Kindergeld in Höhe von 154,- Euro und sonstigem Einkommen in Höhe von 153,60 Euro zusammensetzt und bei dem die Antragsgegnerin eine Einkommensbereinigung in Höhe von 52,46 Euro in Ansatz brachte, berücksichtigte die Antragsgegnerin bei dem Antragsteller 191,45 Euro. Zur Begründung führte sie aus, dass aufgrund einer Gesetzesänderung Frau K mit ihrem Sohn ab dem 1. November 2006 wieder eine Bedarfsgemeinschaft bilde und sein Bedarf und sein Einkommen daher bei der Berechnung Berücksichtigung fänden. Von der BAföG-Leistung des Antragstellers in Höhe von 192,- Euro monatlich werde ein Freibetrag in Höhe von 38,40 Euro abgesetzt, sodass ein Einkommen in Höhe von 153,60 Euro bei ihm anzurechnen sei.
Am 3. Mai 2006 hat der Antragssteller beim SG Potsdam beantragt, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm - längstens bis zur bestandskräftigen Entscheidung über den Widerspruch - Leistungen zur Grundsicherung zu bewilligen. Nach Erlass des (Teil-)Abhilfebescheides vom 10. Mai 2006 erklärte er die Erledigung des Antrages für den Zeitraum 29. August 2005 bis 31. August 2005 in Höhe eines Betrages von 22,63 Euro und für den Zeitraum 1. September 2005 bis 30. April 2006 in Höhe eines Betrages von 226,46 Euro monatlich.
Das Sozialgericht Potsdam hat mit Beschluss vom 17. Juli 2006 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Es hat ausgeführt, Ansprüche für die Vergangenheit könnten regelmäßig nicht im Wege eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens geltend gemacht werden. Ob dem Antragsteller ein über den beschiedenen Anspruch hinausgehender Anspruch zustehe, sei im Hauptsacheverfahren zu klären.
Gegen diesen dem Antragsteller am 26. Juli 2006 zugestellten Beschluss richtet sich seine am 27. Juli 2006 eingegangene Beschwerde, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat.
Zur Begründung der Beschwerde führt er im Wesentlichen aus, seinem Begehren sei durch den Abhilfebescheid nicht vollumfänglich entsprochnen worden, denn die Antragsgegnerin habe seine um eine 20 %ige "Ausbildungspauschale" gekürzte BAföG-Leistung als eigenes Einkommen angerechnet. Diese Anrechnung stelle sich als rechtswidrig dar, weil die tatsächlichen Ausbildungskosten in Höhe von 370,- Euro monatlich in voller Höhe vom Einkommen in Abzug zu bringen seien. Nach § 11 Abs. 2 Nr. 5 SGB II seien vom Einkommen die mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben absetzbar. Die Kosten der Ausbildung stünden in einem solchen Zusammenhang. Die Anrechnung einer Pauschale sei nur sinnvoll, wenn die Kosten nicht bezifferbar seien, gerade dies sei vorliegend jedoch möglich. Ihm stehe daher ein höherer Anspruch als die (anfänglich) bewilligte Leistung in Höhe von 226,- Euro zu. Wegen rückständiger Ausbildungsgebühren drohe ihm die fristlose Kündigung des Ausbildungsverhältnisses.
Der Antragsteller beantragt zuletzt wörtlich,
1. ihm für die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 17. Juni 2006 Prozesskostenhilfe zu bewilligen, 2. ihm zur vorläufigen unentgeltlichen Wahrnehmung seiner Rechte Frau Rechtsanwältin T beizuordnen, 3. auf seine Beschwerde den Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 17. Juni 2006 aufzuheben und 4. die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm ab Anbringung des Antrages auf Erlass einer einstweiligen Anordnung Leistungen nach dem SGB II nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Beschluss für zutreffend.
II. Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist insbesondere form- und fristgerecht erhoben worden. Sie ist jedoch nicht begründet. Der Antragsteller hat die Voraussetzungen für einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht glaubhaft gemacht.
Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG - sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung ist, dass sowohl ein Anordnungsanspruch (d. h. ein nach der Rechtslage gegebener Anspruch auf die einstweilig begehrte Leistung) wie auch ein Anordnungsgrund (im Sinne einer Eilbedürftigkeit des Verfahrens) bestehen. Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO -). Wegen des vorläufigen Charakters einer einstweiligen Anordnung soll durch sie eine endgültige Entscheidung in der Hauptsache grundsätzlich nicht vorweggenommen werden. Bei seiner Entscheidung kann das Gericht grundsätzlich sowohl eine Folgenabwägung vornehmen wie auch eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache anstellen. Drohen aber ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, dann dürfen sich die Gerichte nur an den Erfolgsaussichten orientieren, wenn die Sach- und Rechtslage abschließend geklärt ist. Ist dem Gericht dagegen eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist allein anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 596/05 -). Handelt es sich wie hier um Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende, die der Sicherstellung eines menschenwürdigen Lebens dienen und damit das Existenzminimum absichern, muss die überragende Bedeutung dieser Leistungen für den Empfänger mit der Folge beachtet werden, dass ihm im Zweifel die Leistungen - ggf. vermindert auf das absolut erforderliche Minimum - aus verfassungsrechtlichen Gründen vorläufig zu gewähren sind.
Ausgehend von diesen Grundsätzen sind die Voraussetzungen für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nicht gegeben.
Eine einstweilige Regelung für den Zeitraum ab 3. Mai 2006, dem zuletzt noch streitigen Zeitraum, war nicht zu treffen, da ein Anordnungsanspruch nach summarischer Prüfung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht gegeben ist.
Gemäß § 19 Abs. 1 SGB II erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige als Arbeitslosengeld II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes einschließlich angemessener Kosten für Unterkunft und Heizung. Nach § 7 Abs. 1 SGB II erhalten Personen Leistungen nach dem SGB II, die
1. das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, 2. erwerbsfähig sind, 3. hilfebedürftig sind und 4. ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben.
Der Antragsteller gehört zu dem Personenkreis, der Leistungen nach dem SGB II erhalten kann. Nach § 7 Abs. 5 SGB II haben zwar Auszubildende, deren Ausbildung nach dem BAföG oder den §§ 60 bis 62 SGB III dem Grunde nach förderungswürdig ist, keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes. Absatz 5 des § 7 SGB II findet jedoch nach § 7 Abs. 6 SGB II keine Anwendung auf Auszubildende,
1. die aufgrund von § 2 Abs. 1 a BAföG keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung oder aufgrund von § 64 Abs. 1 SGB III keinen Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe haben
oder
2. deren Bedarf sich nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 BAföG oder nach § 66 Abs. 1 Satz 1 SGB III bemisst.
Vorliegend erhält der Antragsteller Ausbildungsförderung nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 BAföG, eine Leistungsgewährung ist deshalb nach § 7 Abs. 6 SGB II nicht ausgeschlossen.
Gemäß § 19 Abs. 1 SGB II erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige als Arbeitslosengeld II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes einschließlich angemessener Kosten für Unterkunft und Heizung. Hilfebedürftig ist gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB II derjenige, der seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit, aus dem zu berücksichtigen Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder Trägern anderer Sozialleistungen erhält. Als Einkommen zu berücksichtigen sind nach § 11 Abs. 1 SGB II Einnahmen in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen nach dem SGB II, der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz und nach den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes vorsehen, und der Renten oder Beihilfen, die nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schaden an Leben sowie an Körper oder Gesundheit erbracht werden, bis zur Höhe der vergleichbaren Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz. Gemäß § 11 Abs. 3 Nr. 1 Buchstabe a SGB II sind Einnahmen, soweit sie als zweckbestimmte Einnahmen einem anderen Zweck als die Leistungen nach dem SGB II dienen und die Lage des Empfängers nicht so günstig beeinflussen, dass daneben Leistungen nach dem SGB II nicht gerechtfertigt wären, nicht als Einkommen zu berücksichtigen.
Bei der Ausbildungsförderung handelt es sich um eine Einnahme in Geld und damit um Einkommen im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Sie zählt nicht zu den dort genannten Ausnahmen. Bei der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung dient sie auch nicht einem "anderen Zweck" im Sinne des § 11 Abs. 3 Nr. 1 Buchstabe a SGB II. Zweckbestimmte Leistungen sind danach solche, die einem anderen Zweck als die Leistungen nach dem SGB II dienen, d.h. einem anderen Zweck als Unterhalt und Berufseingliederung (§ 1 Abs. 2 SGB II). Es ist insoweit nicht erforderlich, dass die Zweckbestimmung ausdrücklich genannt wird. Ausreichend ist eine erkennbare Zweckbestimmung, die sich aus den gesetzlichen Voraussetzungen für die Leistung oder aus anderen eindeutigen Anhaltspunkten wie den Gesetzesmaterialien ergeben kann (Münder in LPK-SGB II, § 11 Rz. 41; Mecke in Eicher/Spellbrink, § 11 Rz. 80 m.w.N.). § 1 BAföG enthält den Grundsatz, dass ein Rechtsanspruch besteht auf eine individuelle Ausbildungsförderung für eine der Neigung, Eignung und Leistung entsprechende Ausbildung nach Maßgabe dieses Gesetzes, wenn dem Auszubildenden die für seinen Lebensunterhalt und seine Ausbildung erforderlichen Mittel anderweitig nicht zur Verfügung stehen. Der Bedarf wird in § 11 Abs. 1 BAföG umschrieben. Danach wird Ausbildungsförderung für den Lebensunterhalt und die Ausbildung geleistet. Der Bedarf ist die Gesamtheit der geldlichen Mittel, die ein Auszubildender typischerweise für seinen Lebensunterhalt, wozu Ernährung, Unterkunft, Körperpflege, Bekleidung, hauswirtschaftlicher sowie persönlicher Bedarf zählen, und zum Bestreiten der typischen Kosten der von ihm absolvierten Ausbildung, insbesondere für Lern- und Arbeitsmittel, Fahrten zum Besuch der Ausbildungsstätte, Familienheimfahrten, benötigt (Ramsauer/Stallbaum/Sternal, Kommentar zum BAföG, 4. Auflage, § 11 Rz. 3). Das BAföG enthält keine Aufschlüsselung des Bedarfs in einen Teil für den Lebensunterhalt und einen Teil für die Ausbildung. Die Ausbildungsförderung dient wie die Leistungen nach dem SGB II der Sicherung des Lebensunterhaltes und daneben der Ausbildung. Die Verfolgung eines weiteren Zweckes führt nicht bereits dazu, dass die individuelle Ausbildungsförderung als eine Leistung anzusehen ist, die einem anderen Zweck als die Leistungen nach dem SGB II dient. Mit Leistungen können mehrere Zwecke verfolgt werden. Auch die Leistungen nach dem SGB II umfassen einerseits die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes und andererseits die Leistungen zur Beendigung oder Verringerung der Hilfebedürftigkeit insbesondere durch Eingliederung in Arbeit. Die Leistung verfolgt erst dann einen anderen Zweck im Sinne des § 11 Abs. 3 Nr. 1 Buchstabe a SGB II, wenn bei mehreren Zwecken einer Leistung der Zweck, der der Leistung das Gepräge gibt und als vorherrschender, überwiegender Zweck anzusehen ist, mit dem Zweck einer Leistung nach dem SGB II nicht übereinstimmt. Ausgehend von den typischen Kosten des Unterhaltes und der Ausbildung an einer staatlichen Ausbildungsstätte wird der Anteil der Kosten für den Unterhalt größer sein als der für die Ausbildung. Das Sozialgericht Chemnitz lehnt dagegen in seinem Urteil vom 19. Juni 2006 (- S 29 AS 1100/05 -) eine Berücksichtigung von Ausbildungsförderung nach dem BAföG als Einkommen ab, da bei einer vollständige Anrechnung als Einkommen von dem gesetzlichen Zweck der Leistung nach dem BAföG nichts übrig bliebe und die Kosten der Ausbildung unter Berücksichtigung von Verfügbarkeit und Zielrichtung einer Pauschalierung nur schwer zugänglich seien. Dieser Auffassung schließt sich der Senat vorliegend nicht an, da bei der von der Antragsgegnerin vorgenommenen teilweisen Anrechnung der Ausbildungsförderung dem vom BAföG verfolgten Zweck Rechnung getragen werden kann. Dem Umstand, dass mit der Ausbildungsförderung nach dem BAföG nicht nur Leistungen für den Unterhalt, sondern auch für die Ausbildung erbracht werden, wird ausreichend Rechnung getragen, wenn von der Ausbildungsförderung 20 % als Anteil für die Kosten der Ausbildung abgezogen werden und dieser Teil nicht als Einkommen berücksichtigt wird.
Nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur möglichen summarischen Prüfung sind die Ausbildungsgebühren in Höhe von 370,- Euro monatlich auch nicht als mit der Erzielung des Einkommens notwendig verbundene Ausgaben abzusetzen.
Nach § 11 Abs. 2 Nr. 5 SGB II sind vom Einkommen die mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben abzusetzen. Ferner sind in der aufgrund § 13 SGB II erlassenen Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld vom 20. Oktober 2004 (BGBl I. S. 2622, geändert am 22. August 2005 mit Wirkung vom 1. Oktober 2005 (BGBl I S. 2499) - Alg II-V -) Pauschalbeträge aufgelistet, die vom Einkommen abzusetzen sind. Nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 b Alg II-V sind von dem Einkommen Erwerbstätiger für die Beträge nach § 11 Abs. 2 Nr. 5 des SGB II bei Einkommen aus nicht selbständiger Arbeit monatlich ein Sechzigstel der steuerlichen Werbungskostenpauschale (§ 9 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 a EStG) als mit der Erzielung notwendige Ausgaben abzusetzen, soweit der erwerbsfähige Hilfebedürftige nicht höhere tatsächliche Kosten nachweist. Die in § 11 SGB II genannten Aufwendungen werden vielfach vereinfachend mit Werbungskosten bezeichnet. Nach der Legaldefinition des § 9 Abs. 1 Satz 1 Einkommensteuergesetz - EStG - werden darunter Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen verstanden. Da der Gesetzgeber den aus dem Steuerrecht stammenden Begriff in § 11 Abs. 2 Nr. 5 SGB II nicht übernommen hat, besteht keine Identität zwischen mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben im Sinne von § 11 Abs. 2 Nr. 5 SGB II und Werbungskosten im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG. Die dazu von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze können nur insoweit herangezogen werden, als nicht der Zweck der Leistungen nach dem SGB II Differenzierungen gebietet (vgl. Hengelhaupt in Hauck/Noftz, Kommentar zum SGB II, § 11 Rz. 161 ff). Absetzbar sind nur solche Aufwendungen mit Werbungskostencharakter, die durch die Einkommenserzielung - beispielsweise beruflich - bedingt sind. Dies ist der Fall bei Aufwendungen, die nicht zugleich der privaten Lebensführung dienen. Anders als im Einkommensteuerrecht ist die Absetzbarkeit von mit der Erzielung des Einkommens verbundenen Ausgaben zusätzlich von deren Notwendigkeit abhängig. Entscheidend dafür ist, ob die Aufwendungen einen Nutzen für das Einkommen des Aufwendenden erwarten lassen. So können Aufwendungen für Arbeitsmittel mit der Erzielung von Einkommen verbundene notwendige Ausgaben darstellen. Ob Ausbildungskosten für einen künftig auszuübenden Beruf Kosten der Lebensführung oder notwendige Ausgaben im Sinn des § 11 Abs. 2 Nr. 5 SGB II anzusehen sind, ist streitig (ablehnend: Hengelhaupt in Hauck/Noftz, a.a.O., § 11 Rz. 187). Vorab entstandene Werbungskosten können nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes - BFH - (vgl. Urteil vom 4. Dezember 2002 - VI R 120/01 - BFHE 201, Seite 156 ff; Urteil vom 27. Mai 2003 - VI R 33/01 - BFHE 202, Seite 314 ff) gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG auch bei einer erstmaligen Berufsausbildung anzuerkennen sein. Maßgebend ist, dass die Aufwendungen beruflich veranlasst sind. Sie müssen in einem hinreichend konkreten, objektiv feststellbaren Zusammenhang mit künftigen steuerbaren Einnahmen aus der angestrebten beruflichen Tätigkeit stehen (BFH, a.a.O.). So sind Kosten für den Besuch allgemein bildender Schulen nach der Rechtsprechung des BFH keine vorab entstandenen Werbungskosten (vgl. Urteil vom 22. Juni 2006 - VI R 5/04 -), da der erforderliche Veranlassungszusammenhang nur angenommen werden kann, wenn die Ausbildung konkret und berufsbezogen auf eine Berufstätigkeit vorbereitet, was bei dem Besuch einer allgemein bildenden Schule beispielsweise einer Fachoberschule typischerweise nicht der Fall ist. Dagegen können vorab entstandene Werbungskosten bei einem im Anschluss an das Abitur durchgeführten Hochschulstudium anzuerkennen sein, wenn der erforderliche Veranlassungszusammenhang besteht (vgl. FGH, Urteil vom 20. Juli 2006 - VI R 26/05 - NJW 2006, Seite 3375). Bei Anwendung der vom BFH aufgestellten Grundsätze könnte ein erforderlicher Veranlassungszusammenhang anzunehmen sein, da der Besuch der Akademie für S und G gGmbH der Erlangung des Abschlusses als staatlich anerkannter Physiotherapeut dient. Ob jedoch die Kosten dieser Ausbildung, selbst wenn sie als vorab entstandene Werbungskosten steuerlich anzuerkennen wären, als mit der Erzielung der hier als Einkommen zu sehenden Leistung nach dem BAföG notwendig verbundene Ausgaben anzusehen sind, ist zumindest zweifelhaft und wird im Hauptsacheverfahren zu klären sein. Bedenken bestehen nach Ansicht des Senats insoweit, als Studierende an Hochschulen, die Studiengebühren entrichten müssen, diese Kosten nicht durch höhere Ausbildungsförderung nach dem BAföG erstattet erhalten. Staatliche Leistungen werden insoweit weder nach dem BAföG noch nach dem SGB II gewährt, eine Finanzierung durch Kredit den Studenten in diesen Fällen zugemutet.
Ferner ergibt sich ein Wertungswiderspruch zu den Zwecken des arbeitsmarktbezogenen Leistungssystems des SGB II: Dem Antragsteller wäre im Ergebnis erlaubt, seine besonderen dem Ausbildungsinteresse geschuldeten Bedarfe indirekt über eine weitere Einkommensabsetzung zu decken. Dem steht der Rechtsgedanke von § 3 Abs. 3 SGB II entgegen.
Des Weiteren ist ein Anordnungsgrund nicht gegeben. Der Antragsteller hat eine existenzgefährdende Notlage nicht glaubhaft gemacht. Aus den eingereichten Unterlagen ergibt sich eine derartige Notlage derzeit nicht. Der Antragsteller wohnt bei seiner Mutter und erhält Leistungen zur Sicherung seines Lebensunterhaltes in einem Umfang, die ihn befähigen, seinen Lebensunterhalt zumindest in Bezug auf seine Grundbedürfnisse zu bestreiten. Dass der Antragsteller derzeit seine Studiengebühren nicht entrichten kann, stellt noch keine derartige Notlage in dar.
Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz hatte daher keinen Erfolg.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren war wegen fehlender Erfolgsaussichten (§ 73 a SGG i.V.m. § 114 ZPO) abzulehnen.
Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Gegen diesen Beschluss sieht das Gesetz einen ordentlichen Rechtsbehelf nicht vor (§ 177 SGG).
Gründe:
I. Der Antragsteller macht weitere Leistungen nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II) für den Zeitraum ab 29. August 2005 im Verwaltungsverfahren geltend. Diesbezüglich verfolgt er eine einstweilige Regelung für die Zeit ab 3. Mai 2006.
Der 1987 geborene Antragsteller, der bei seiner Mutter wohnt, absolviert seit dem 1. Oktober 2004 eine Ausbildung zum staatlich anerkannten Physiotherapeuten. Er besucht die Akademie für S und G gGmbH. Die Ausbildungsgebühren betragen derzeit 370,- Euro monatlich. Der Landkreis Potsdam Mittelmark, Amt für Ausbildungsförderung, bewilligte dem Antragsteller mit Bescheid vom 29. September 2005 für den Zeitraum 1. Oktober 2005 bis 30. September 2006 Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz - BAföG - in Höhe von 192,- Euro monatlich.
Die Antragsgegnerin lehnte mit Bescheid vom 27. Oktober 2005 seinen Antrag vom 29. August 2005 auf Leistungen nach dem SGB II ab mit der Begründung, die gesetzlichen Voraussetzungen lägen nicht vor, da er sich in einer Ausbildung befinde und diese dem Grunde nach im Sinne des BAföG oder der §§ 60 bis 62 des Dritten Buches des Sozialgesetzbuches - SGB III - förderungswürdig sei. Der Antragsteller legte dagegen Widerspruch ein und erhob am 28. März 2006 Untätigkeitsklage. Die Antragsgegnerin gab dem eingelegten Widerspruch teilweise statt und bewilligte dem Antragsteller mit Abhilfebescheid vom 10. Mai 2006 zunächst für den Zeitraum 29. August 2005 bis 31. August 2005 Leistungen in Höhe von 22,63 Euro und für den Zeitraum 1. September 2005 bis 31. Januar 2006 Leistungen in Höhe von 226,46 Euro monatlich. Dabei berücksichtigte sie als anzurechnendes Einkommen 80 % der nach dem BAföG zuerkannten Leistung. Mit Bescheid vom 19. Juni 2006 bewilligte die Antragsgegnerin dem Antragsteller Leistungen für den Zeitraum 1. Mai 2006 bis 30. Juni 2006 in Höhe von 226,46 Euro monatlich und für den Zeitraum 1. Juli 2006 bis 31. Oktober 2006 in Höhe von 240,46 Euro monatlich. Der Antragsteller legte gegen diesen Abhilfebescheid mit Schriftsatz vom 12. Juni 2006 Widerspruch ein, über den nach Aktenlage noch nicht entschieden wurde. Mit Bescheid vom 24. Oktober 2006 bewilligte die Antragsgegnerin Frau B K, der Mutter des Antragstellers, und dem mit ihr in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Antragsteller für den Zeitraum 1. November 2006 bis 30. April 2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Höhe von 854,23 Euro monatlich. Für den Antragsteller ermittelte die Antragsgegnerin einen Gesamtbedarf in Höhe von 479,70 Euro monatlich. Von dem zu berücksichtigen Gesamteinkommen in Höhe von 255,14 Euro monatlich, das sich aus Kindergeld in Höhe von 154,- Euro und sonstigem Einkommen in Höhe von 153,60 Euro zusammensetzt und bei dem die Antragsgegnerin eine Einkommensbereinigung in Höhe von 52,46 Euro in Ansatz brachte, berücksichtigte die Antragsgegnerin bei dem Antragsteller 191,45 Euro. Zur Begründung führte sie aus, dass aufgrund einer Gesetzesänderung Frau K mit ihrem Sohn ab dem 1. November 2006 wieder eine Bedarfsgemeinschaft bilde und sein Bedarf und sein Einkommen daher bei der Berechnung Berücksichtigung fänden. Von der BAföG-Leistung des Antragstellers in Höhe von 192,- Euro monatlich werde ein Freibetrag in Höhe von 38,40 Euro abgesetzt, sodass ein Einkommen in Höhe von 153,60 Euro bei ihm anzurechnen sei.
Am 3. Mai 2006 hat der Antragssteller beim SG Potsdam beantragt, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm - längstens bis zur bestandskräftigen Entscheidung über den Widerspruch - Leistungen zur Grundsicherung zu bewilligen. Nach Erlass des (Teil-)Abhilfebescheides vom 10. Mai 2006 erklärte er die Erledigung des Antrages für den Zeitraum 29. August 2005 bis 31. August 2005 in Höhe eines Betrages von 22,63 Euro und für den Zeitraum 1. September 2005 bis 30. April 2006 in Höhe eines Betrages von 226,46 Euro monatlich.
Das Sozialgericht Potsdam hat mit Beschluss vom 17. Juli 2006 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Es hat ausgeführt, Ansprüche für die Vergangenheit könnten regelmäßig nicht im Wege eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens geltend gemacht werden. Ob dem Antragsteller ein über den beschiedenen Anspruch hinausgehender Anspruch zustehe, sei im Hauptsacheverfahren zu klären.
Gegen diesen dem Antragsteller am 26. Juli 2006 zugestellten Beschluss richtet sich seine am 27. Juli 2006 eingegangene Beschwerde, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat.
Zur Begründung der Beschwerde führt er im Wesentlichen aus, seinem Begehren sei durch den Abhilfebescheid nicht vollumfänglich entsprochnen worden, denn die Antragsgegnerin habe seine um eine 20 %ige "Ausbildungspauschale" gekürzte BAföG-Leistung als eigenes Einkommen angerechnet. Diese Anrechnung stelle sich als rechtswidrig dar, weil die tatsächlichen Ausbildungskosten in Höhe von 370,- Euro monatlich in voller Höhe vom Einkommen in Abzug zu bringen seien. Nach § 11 Abs. 2 Nr. 5 SGB II seien vom Einkommen die mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben absetzbar. Die Kosten der Ausbildung stünden in einem solchen Zusammenhang. Die Anrechnung einer Pauschale sei nur sinnvoll, wenn die Kosten nicht bezifferbar seien, gerade dies sei vorliegend jedoch möglich. Ihm stehe daher ein höherer Anspruch als die (anfänglich) bewilligte Leistung in Höhe von 226,- Euro zu. Wegen rückständiger Ausbildungsgebühren drohe ihm die fristlose Kündigung des Ausbildungsverhältnisses.
Der Antragsteller beantragt zuletzt wörtlich,
1. ihm für die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 17. Juni 2006 Prozesskostenhilfe zu bewilligen, 2. ihm zur vorläufigen unentgeltlichen Wahrnehmung seiner Rechte Frau Rechtsanwältin T beizuordnen, 3. auf seine Beschwerde den Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 17. Juni 2006 aufzuheben und 4. die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm ab Anbringung des Antrages auf Erlass einer einstweiligen Anordnung Leistungen nach dem SGB II nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Beschluss für zutreffend.
II. Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist insbesondere form- und fristgerecht erhoben worden. Sie ist jedoch nicht begründet. Der Antragsteller hat die Voraussetzungen für einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht glaubhaft gemacht.
Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG - sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung ist, dass sowohl ein Anordnungsanspruch (d. h. ein nach der Rechtslage gegebener Anspruch auf die einstweilig begehrte Leistung) wie auch ein Anordnungsgrund (im Sinne einer Eilbedürftigkeit des Verfahrens) bestehen. Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO -). Wegen des vorläufigen Charakters einer einstweiligen Anordnung soll durch sie eine endgültige Entscheidung in der Hauptsache grundsätzlich nicht vorweggenommen werden. Bei seiner Entscheidung kann das Gericht grundsätzlich sowohl eine Folgenabwägung vornehmen wie auch eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache anstellen. Drohen aber ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, dann dürfen sich die Gerichte nur an den Erfolgsaussichten orientieren, wenn die Sach- und Rechtslage abschließend geklärt ist. Ist dem Gericht dagegen eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist allein anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 596/05 -). Handelt es sich wie hier um Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende, die der Sicherstellung eines menschenwürdigen Lebens dienen und damit das Existenzminimum absichern, muss die überragende Bedeutung dieser Leistungen für den Empfänger mit der Folge beachtet werden, dass ihm im Zweifel die Leistungen - ggf. vermindert auf das absolut erforderliche Minimum - aus verfassungsrechtlichen Gründen vorläufig zu gewähren sind.
Ausgehend von diesen Grundsätzen sind die Voraussetzungen für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nicht gegeben.
Eine einstweilige Regelung für den Zeitraum ab 3. Mai 2006, dem zuletzt noch streitigen Zeitraum, war nicht zu treffen, da ein Anordnungsanspruch nach summarischer Prüfung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht gegeben ist.
Gemäß § 19 Abs. 1 SGB II erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige als Arbeitslosengeld II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes einschließlich angemessener Kosten für Unterkunft und Heizung. Nach § 7 Abs. 1 SGB II erhalten Personen Leistungen nach dem SGB II, die
1. das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, 2. erwerbsfähig sind, 3. hilfebedürftig sind und 4. ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben.
Der Antragsteller gehört zu dem Personenkreis, der Leistungen nach dem SGB II erhalten kann. Nach § 7 Abs. 5 SGB II haben zwar Auszubildende, deren Ausbildung nach dem BAföG oder den §§ 60 bis 62 SGB III dem Grunde nach förderungswürdig ist, keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes. Absatz 5 des § 7 SGB II findet jedoch nach § 7 Abs. 6 SGB II keine Anwendung auf Auszubildende,
1. die aufgrund von § 2 Abs. 1 a BAföG keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung oder aufgrund von § 64 Abs. 1 SGB III keinen Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe haben
oder
2. deren Bedarf sich nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 BAföG oder nach § 66 Abs. 1 Satz 1 SGB III bemisst.
Vorliegend erhält der Antragsteller Ausbildungsförderung nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 BAföG, eine Leistungsgewährung ist deshalb nach § 7 Abs. 6 SGB II nicht ausgeschlossen.
Gemäß § 19 Abs. 1 SGB II erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige als Arbeitslosengeld II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes einschließlich angemessener Kosten für Unterkunft und Heizung. Hilfebedürftig ist gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB II derjenige, der seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit, aus dem zu berücksichtigen Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder Trägern anderer Sozialleistungen erhält. Als Einkommen zu berücksichtigen sind nach § 11 Abs. 1 SGB II Einnahmen in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen nach dem SGB II, der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz und nach den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes vorsehen, und der Renten oder Beihilfen, die nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schaden an Leben sowie an Körper oder Gesundheit erbracht werden, bis zur Höhe der vergleichbaren Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz. Gemäß § 11 Abs. 3 Nr. 1 Buchstabe a SGB II sind Einnahmen, soweit sie als zweckbestimmte Einnahmen einem anderen Zweck als die Leistungen nach dem SGB II dienen und die Lage des Empfängers nicht so günstig beeinflussen, dass daneben Leistungen nach dem SGB II nicht gerechtfertigt wären, nicht als Einkommen zu berücksichtigen.
Bei der Ausbildungsförderung handelt es sich um eine Einnahme in Geld und damit um Einkommen im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Sie zählt nicht zu den dort genannten Ausnahmen. Bei der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung dient sie auch nicht einem "anderen Zweck" im Sinne des § 11 Abs. 3 Nr. 1 Buchstabe a SGB II. Zweckbestimmte Leistungen sind danach solche, die einem anderen Zweck als die Leistungen nach dem SGB II dienen, d.h. einem anderen Zweck als Unterhalt und Berufseingliederung (§ 1 Abs. 2 SGB II). Es ist insoweit nicht erforderlich, dass die Zweckbestimmung ausdrücklich genannt wird. Ausreichend ist eine erkennbare Zweckbestimmung, die sich aus den gesetzlichen Voraussetzungen für die Leistung oder aus anderen eindeutigen Anhaltspunkten wie den Gesetzesmaterialien ergeben kann (Münder in LPK-SGB II, § 11 Rz. 41; Mecke in Eicher/Spellbrink, § 11 Rz. 80 m.w.N.). § 1 BAföG enthält den Grundsatz, dass ein Rechtsanspruch besteht auf eine individuelle Ausbildungsförderung für eine der Neigung, Eignung und Leistung entsprechende Ausbildung nach Maßgabe dieses Gesetzes, wenn dem Auszubildenden die für seinen Lebensunterhalt und seine Ausbildung erforderlichen Mittel anderweitig nicht zur Verfügung stehen. Der Bedarf wird in § 11 Abs. 1 BAföG umschrieben. Danach wird Ausbildungsförderung für den Lebensunterhalt und die Ausbildung geleistet. Der Bedarf ist die Gesamtheit der geldlichen Mittel, die ein Auszubildender typischerweise für seinen Lebensunterhalt, wozu Ernährung, Unterkunft, Körperpflege, Bekleidung, hauswirtschaftlicher sowie persönlicher Bedarf zählen, und zum Bestreiten der typischen Kosten der von ihm absolvierten Ausbildung, insbesondere für Lern- und Arbeitsmittel, Fahrten zum Besuch der Ausbildungsstätte, Familienheimfahrten, benötigt (Ramsauer/Stallbaum/Sternal, Kommentar zum BAföG, 4. Auflage, § 11 Rz. 3). Das BAföG enthält keine Aufschlüsselung des Bedarfs in einen Teil für den Lebensunterhalt und einen Teil für die Ausbildung. Die Ausbildungsförderung dient wie die Leistungen nach dem SGB II der Sicherung des Lebensunterhaltes und daneben der Ausbildung. Die Verfolgung eines weiteren Zweckes führt nicht bereits dazu, dass die individuelle Ausbildungsförderung als eine Leistung anzusehen ist, die einem anderen Zweck als die Leistungen nach dem SGB II dient. Mit Leistungen können mehrere Zwecke verfolgt werden. Auch die Leistungen nach dem SGB II umfassen einerseits die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes und andererseits die Leistungen zur Beendigung oder Verringerung der Hilfebedürftigkeit insbesondere durch Eingliederung in Arbeit. Die Leistung verfolgt erst dann einen anderen Zweck im Sinne des § 11 Abs. 3 Nr. 1 Buchstabe a SGB II, wenn bei mehreren Zwecken einer Leistung der Zweck, der der Leistung das Gepräge gibt und als vorherrschender, überwiegender Zweck anzusehen ist, mit dem Zweck einer Leistung nach dem SGB II nicht übereinstimmt. Ausgehend von den typischen Kosten des Unterhaltes und der Ausbildung an einer staatlichen Ausbildungsstätte wird der Anteil der Kosten für den Unterhalt größer sein als der für die Ausbildung. Das Sozialgericht Chemnitz lehnt dagegen in seinem Urteil vom 19. Juni 2006 (- S 29 AS 1100/05 -) eine Berücksichtigung von Ausbildungsförderung nach dem BAföG als Einkommen ab, da bei einer vollständige Anrechnung als Einkommen von dem gesetzlichen Zweck der Leistung nach dem BAföG nichts übrig bliebe und die Kosten der Ausbildung unter Berücksichtigung von Verfügbarkeit und Zielrichtung einer Pauschalierung nur schwer zugänglich seien. Dieser Auffassung schließt sich der Senat vorliegend nicht an, da bei der von der Antragsgegnerin vorgenommenen teilweisen Anrechnung der Ausbildungsförderung dem vom BAföG verfolgten Zweck Rechnung getragen werden kann. Dem Umstand, dass mit der Ausbildungsförderung nach dem BAföG nicht nur Leistungen für den Unterhalt, sondern auch für die Ausbildung erbracht werden, wird ausreichend Rechnung getragen, wenn von der Ausbildungsförderung 20 % als Anteil für die Kosten der Ausbildung abgezogen werden und dieser Teil nicht als Einkommen berücksichtigt wird.
Nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur möglichen summarischen Prüfung sind die Ausbildungsgebühren in Höhe von 370,- Euro monatlich auch nicht als mit der Erzielung des Einkommens notwendig verbundene Ausgaben abzusetzen.
Nach § 11 Abs. 2 Nr. 5 SGB II sind vom Einkommen die mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben abzusetzen. Ferner sind in der aufgrund § 13 SGB II erlassenen Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld vom 20. Oktober 2004 (BGBl I. S. 2622, geändert am 22. August 2005 mit Wirkung vom 1. Oktober 2005 (BGBl I S. 2499) - Alg II-V -) Pauschalbeträge aufgelistet, die vom Einkommen abzusetzen sind. Nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 b Alg II-V sind von dem Einkommen Erwerbstätiger für die Beträge nach § 11 Abs. 2 Nr. 5 des SGB II bei Einkommen aus nicht selbständiger Arbeit monatlich ein Sechzigstel der steuerlichen Werbungskostenpauschale (§ 9 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 a EStG) als mit der Erzielung notwendige Ausgaben abzusetzen, soweit der erwerbsfähige Hilfebedürftige nicht höhere tatsächliche Kosten nachweist. Die in § 11 SGB II genannten Aufwendungen werden vielfach vereinfachend mit Werbungskosten bezeichnet. Nach der Legaldefinition des § 9 Abs. 1 Satz 1 Einkommensteuergesetz - EStG - werden darunter Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen verstanden. Da der Gesetzgeber den aus dem Steuerrecht stammenden Begriff in § 11 Abs. 2 Nr. 5 SGB II nicht übernommen hat, besteht keine Identität zwischen mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben im Sinne von § 11 Abs. 2 Nr. 5 SGB II und Werbungskosten im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG. Die dazu von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze können nur insoweit herangezogen werden, als nicht der Zweck der Leistungen nach dem SGB II Differenzierungen gebietet (vgl. Hengelhaupt in Hauck/Noftz, Kommentar zum SGB II, § 11 Rz. 161 ff). Absetzbar sind nur solche Aufwendungen mit Werbungskostencharakter, die durch die Einkommenserzielung - beispielsweise beruflich - bedingt sind. Dies ist der Fall bei Aufwendungen, die nicht zugleich der privaten Lebensführung dienen. Anders als im Einkommensteuerrecht ist die Absetzbarkeit von mit der Erzielung des Einkommens verbundenen Ausgaben zusätzlich von deren Notwendigkeit abhängig. Entscheidend dafür ist, ob die Aufwendungen einen Nutzen für das Einkommen des Aufwendenden erwarten lassen. So können Aufwendungen für Arbeitsmittel mit der Erzielung von Einkommen verbundene notwendige Ausgaben darstellen. Ob Ausbildungskosten für einen künftig auszuübenden Beruf Kosten der Lebensführung oder notwendige Ausgaben im Sinn des § 11 Abs. 2 Nr. 5 SGB II anzusehen sind, ist streitig (ablehnend: Hengelhaupt in Hauck/Noftz, a.a.O., § 11 Rz. 187). Vorab entstandene Werbungskosten können nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes - BFH - (vgl. Urteil vom 4. Dezember 2002 - VI R 120/01 - BFHE 201, Seite 156 ff; Urteil vom 27. Mai 2003 - VI R 33/01 - BFHE 202, Seite 314 ff) gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG auch bei einer erstmaligen Berufsausbildung anzuerkennen sein. Maßgebend ist, dass die Aufwendungen beruflich veranlasst sind. Sie müssen in einem hinreichend konkreten, objektiv feststellbaren Zusammenhang mit künftigen steuerbaren Einnahmen aus der angestrebten beruflichen Tätigkeit stehen (BFH, a.a.O.). So sind Kosten für den Besuch allgemein bildender Schulen nach der Rechtsprechung des BFH keine vorab entstandenen Werbungskosten (vgl. Urteil vom 22. Juni 2006 - VI R 5/04 -), da der erforderliche Veranlassungszusammenhang nur angenommen werden kann, wenn die Ausbildung konkret und berufsbezogen auf eine Berufstätigkeit vorbereitet, was bei dem Besuch einer allgemein bildenden Schule beispielsweise einer Fachoberschule typischerweise nicht der Fall ist. Dagegen können vorab entstandene Werbungskosten bei einem im Anschluss an das Abitur durchgeführten Hochschulstudium anzuerkennen sein, wenn der erforderliche Veranlassungszusammenhang besteht (vgl. FGH, Urteil vom 20. Juli 2006 - VI R 26/05 - NJW 2006, Seite 3375). Bei Anwendung der vom BFH aufgestellten Grundsätze könnte ein erforderlicher Veranlassungszusammenhang anzunehmen sein, da der Besuch der Akademie für S und G gGmbH der Erlangung des Abschlusses als staatlich anerkannter Physiotherapeut dient. Ob jedoch die Kosten dieser Ausbildung, selbst wenn sie als vorab entstandene Werbungskosten steuerlich anzuerkennen wären, als mit der Erzielung der hier als Einkommen zu sehenden Leistung nach dem BAföG notwendig verbundene Ausgaben anzusehen sind, ist zumindest zweifelhaft und wird im Hauptsacheverfahren zu klären sein. Bedenken bestehen nach Ansicht des Senats insoweit, als Studierende an Hochschulen, die Studiengebühren entrichten müssen, diese Kosten nicht durch höhere Ausbildungsförderung nach dem BAföG erstattet erhalten. Staatliche Leistungen werden insoweit weder nach dem BAföG noch nach dem SGB II gewährt, eine Finanzierung durch Kredit den Studenten in diesen Fällen zugemutet.
Ferner ergibt sich ein Wertungswiderspruch zu den Zwecken des arbeitsmarktbezogenen Leistungssystems des SGB II: Dem Antragsteller wäre im Ergebnis erlaubt, seine besonderen dem Ausbildungsinteresse geschuldeten Bedarfe indirekt über eine weitere Einkommensabsetzung zu decken. Dem steht der Rechtsgedanke von § 3 Abs. 3 SGB II entgegen.
Des Weiteren ist ein Anordnungsgrund nicht gegeben. Der Antragsteller hat eine existenzgefährdende Notlage nicht glaubhaft gemacht. Aus den eingereichten Unterlagen ergibt sich eine derartige Notlage derzeit nicht. Der Antragsteller wohnt bei seiner Mutter und erhält Leistungen zur Sicherung seines Lebensunterhaltes in einem Umfang, die ihn befähigen, seinen Lebensunterhalt zumindest in Bezug auf seine Grundbedürfnisse zu bestreiten. Dass der Antragsteller derzeit seine Studiengebühren nicht entrichten kann, stellt noch keine derartige Notlage in dar.
Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz hatte daher keinen Erfolg.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren war wegen fehlender Erfolgsaussichten (§ 73 a SGG i.V.m. § 114 ZPO) abzulehnen.
Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Gegen diesen Beschluss sieht das Gesetz einen ordentlichen Rechtsbehelf nicht vor (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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BRB
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