S 26 R 289/06

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
26
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 26 R 289/06
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 13 R 54/07
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
1.Der Bescheid vom 08.04.2002 und der Widerspruchsbescheid vom 15.08.2006 werden aufgehoben. 2.Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen.

Tatbestand:

Der Kläger macht gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit geltend.

Der Kläger beantragte nach Aktenlage bereits am 02.03.2001 Rente aus der gesetzlichen deutschen Rentenversicherung.

Zur Verwaltungsakte der Beklagten gelangte eine ärztliche Stellungnahme im Formular E 213, die nicht übersetzt wurde (Bl. 1 ff des medizinischen Teils der Rentenakte). Mit Bescheid vom 08.04.2002 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente wegen voller oder wegen teilweiser Erwerbsminderung ab, weil der Kläger auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch Tätigkeiten im Umfang von mindestens 6 Stunden täglich verrichten könnte. Dagegen legte der Kläger selbst Widerspruch ein, der auch übersetzt wurde. Zur Rentenakte gelangte noch eine Stellungnahme im Formular E 211 E, von der eine Übersetzung in der Verwaltungsakte nicht offenkundig erkennbar ist (Bl. 35 ff der Rentenakte). Zur Verwaltungsakte der Beklagten gelangte auch ein Urteil eines spanischen Sozialgerichtes, das übersetzt wurde, wonach der Kläger zuletzt unter der Berufskategorie Bäcker versichert gewesen sei (Bl. 42 ff der Rentenakte). Es gelangten dann noch weitere spanische Unterlagen zur Verwaltungsakte der Beklagten, unter anderem eine Stellungnahme im Formular E 213 vom Oktober 2003. Der Bevollmächtigte des Klägers erklärte ferner gegenüber der Beklagten mit Schriftsatz vom 02.09.2004, er habe im Auftrag des Versicherten am 19.07.2004 auch von seiner Kanzlei aus die Gewährung einer Rente beantragt. Zur Verwaltungsakte der Beklagten gelangte eine weitere Stellungnahme im Formular E 213 vom 30.09.2004, die auszugsweise übersetzt wurde (Bl. 25 ff des medizinischen Teils der Rentenakte). Im März 2005 gelangte zur Verwaltungsakte der Beklagten dann noch eine weitere ärztliche Stellungnahme vom 15.02.2005 im Formular E 213; weitere spanische ärztliche Unterlagen eines S kamen im Dezember 2005 zur Verwaltungsakte der Beklagten, die auszugsweise übersetzt wurden, und über diverse Diagnosen orthopädischer Art berichten. Am 04. März 2006 gelangte ein weiteres Formular E 213 mit einer ärztlichen Stellungnahme zur Akte der Beklagten, mit auszugsweisen Übersetzungen, wonach noch angepasste Arbeit wie Überwachung und Kontrolle ausgeführt werden könnte. Dabei hatte die Beklagte zuvor unter dem 03.05.2006 ein spanisches Institut für Sozialversicherung gebeten, die orthopädische Stellungnahme bzw. das orthopädische Gutachten vom 22.11.2005 dem Gutachter erneut vorzulegen mit der Bitte um Aussage dazu, ob der Widerspruchsführer noch körperlich leichte, leidensgerechte und angepasste Tätigkeiten in einem Zeitrahmen von mehr als 6 Stunden verrichten könnte.

Mit Widerspruchsbescheid vom 15.08.2006, zu einem nicht näher im Rückschein bezeichneten Zeitpunkt dem Bevollmächtigten des Klägers zugegangen, wies die Beklagte den Widerspruch zurück mit der Begründung, es bleibe bei der Beurteilung der Beklagten, dass der Kläger noch Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes 6 Stunden und mehr täglich verrichten könne; im Ergebnis des aktuellen Rentengutachtens aus Spanien könnte eingeschätzt werden, dass körperlich leichte, leidensgerechte und angepasste Tätigkeiten auch weiterhin vollschichtig zumutbar seien. Auf solche sei der Kläger auch verweisbar, da er nach Aktenlage als ungelernter bzw. allenfalls als angelernter Arbeiter zu beurteilen sei.

Gegen diesen Bescheid hat der Kläger durch seinen Bevollmächtigten am 07.11.2006 bei einem spanischen Gericht Klage zum Sozialgericht Düsseldorf eingereicht.

Zur Begründung hat er ausgeführt, die bisherige Ablehnung der Rente wegen Erwerbsminderung durch die Beklagte sei wie oft nach einer unzureichenden Sachaufklärung erfolgt. Die medizinischen Atteste in den Vordrucken E 213 seien regelmäßig oberflächlich und unpräzise. Im E 213 vom November 2001 sei festzustellen, dass weder ein Belastungs-EKG durchgeführt worden sei noch Blutdruck oder Puls gemessen worden sei, obwohl die hauptsächliche Erkrankung für den Rentenantrag eine Herzerkrankung sei. Auch ein Lungenfunktionstest sei nicht durchgeführt worden. Der E 213 vom Oktober 2003 sei nicht besser und enthalte auch keine Angaben zum Allgemeinzustand oder zur Bewertung des Bewegungsapparates. Im E 213 vom Februar 2005 sei festzustellen, dass auch hier Angaben zum allgemeinen körperlichen Zustand fehlen würden. Es seien also bisher völlig unzureichend berücksichtigt der Zustand der Lendenwirbelsäule, der Halswirbelsäule und Brustwirbelsäule, der kardiologische Status; auf neurologischem Fachgebiet seien auch die Grand-Mal-Anfälle bisher nicht berücksichtigt worden.

Die Beklagte hat daraufhin erwidert, sie könne nur zu Recht davon ausgehen, dass der Kläger seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Bäcker nicht mehr ausüben könne und dass er deshalb nach spanischem Recht als "Total-Invalide" anzusehen sei. Sie gehe davon aus, dass der Kläger auch nach spanischem Recht für fähig erachtet werde, noch andere Tätigkeiten zu verrichten.

Das Gericht hat mit Schreiben vom 26.01.2007 den Beteiligten mitgeteilt zu beabsichtigen, den Rechtsstreit durch Gerichtsbescheid entscheiden zu wollen. Es sei voraussichtlich mit einer Aufhebung der angefochtenen Bescheide nach § 131 Abs. 5 Satz 1 SGG zu rechnen. Auch soweit die Beklagte von den zu ihrer Akte gelangten ärztlichen spanischen Unterlagen einen geringen Bruchteil übersetzen habe lassen, ließen diese Unterlagen aber nirgendwo eine eindeutige klare Leistungsbeurteilung dazu erkennen, ob und in welchem Umfang in Stunden pro Tag der Kläger noch für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes leistungsfähig sein soll oder nicht. Deshalb sei auch vom Bevollmächtigten des Klägers die bisherige Sachaufklärung als unzureichend gerügt worden. Selbst der beratungsärztliche Dienst der Beklagten räume nun mit Schreiben vom 09.01.2007 ein, eine Untersuchung der Herzkranzgefäße sei anscheinend nicht erfolgt, trotz Angina-Pectoris-Beschwerden auch unter Behandlung. Darüberhinaus habe die Beklagte in der Verwaltungsakte nicht einmal einen ansonsten in Rentenverfahren üblichen Fragebogen zur Feststellung von Erwerbsminderung bzw. Berufsunfähigkeit verwandt, sodass die Berufsbiographie des Klägers überhaupt nicht geklärt sei und ob er eventuell Tätigkeiten langjährig wie ein gelernter Bäcker verrichtet haben. Insoweit habe die Beklagte sich offenbar ausschließlich auf eine einzige Aussage des Klägers gestützt, er habe überhaupt keine Ausbildung. Auch die Erfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen sei nach Aktenlage noch zweifelhaft. Insgesamt ließen die bisherigen spanischen Unterlagen, soweit sie überhaupt übersetzt worden seien, eine verlässliche und auch ausreichende Begründung der Entscheidung nicht zu, ob der Kläger teilweise oder voll erwerbsgemindert sei und ggf. seit wann evtl. doch und ob er dafür die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllen könnte. Die Beklagte werde daher nach Übersetzung der spanischen Unterlagen erforderlichenfalls noch ein oder mehrere Gutachten einzuholen haben, die insbesondere auch die Auswirkung der Herzerkrankung abklären würden und dann noch eine eindeutige Aussage zum Leistungsvermögen pro Tag zu treffen hätten; die Beklagte habe den Kläger auch noch zu seinem beruflichen Lebenslauf zu befragen.

Die Beklagte hat erwidert, aus ihrer Sicht sei die Möglichkeit einer Aufhebung ohne Sachentscheidung nach § 131 Abs. 5 SGG nicht gegeben. Sie halte diese Vorschrift für nur anwendbar auf Anfechtungsklagen, dazu gebe es auch bereits Entscheidungen diverser Landessozialgerichte. Allein die Aufhebung der angefochtenen Bescheide wirke sich nicht für den Kläger begünstigend aus und sei aus ihrer Sicht nicht sachdienlich. Ihrer Meinung nach könnte dies nur sachdienlich sein, wenn die Behörde nach ihrer personellen und sachlichen Ausstattung eine Sachverhaltsermittlung besser und schneller durchführen könnte als das Gericht. Aus medizinischer Sicht liege auch kein Ermittlungsausfall vor. Aus der Stellungnahme des ärztlichen Beratungsdienstes im Klageverfahren, die die Einholung eines aktuellen Befundberichtes empfehle, könne nicht auf einen Ermittlungsausfall geschlossen werden. Die Beklagte könne auch keine ergänzende Untersuchung durch einen eigenen ärztlichen Dienst am Wohnort durchführen. Für Untersuchungen auf einem bestimmten Fachgebiet müsste die Beklagte wie das Gericht in Spanien erst nach einem geeigneten Gutachter in relativer Wohnortnähe zum Kläger suchen, eine Zurückverweisung zur kardiologischen Abklärung sei daher nicht sachdienlich. Auch hinsichtlich der Berufsbiographie liege kein Ermittlungsausfall vor. Soweit das Gericht den in Inlandsfällen üblichen Fragebogen zur Feststellung von Erwerbsminderung bzw. Berufsunfähigkeit vermisse, sei darauf hinzuweisen, dass ein solcher Fragebogen in Auslandsfällen weder üblich noch benutzbar sei. Im Ausland könnte bei der Ausfüllung eines solchen Vordrucks keine Hilfestellung geleistet werden. Im übrigen lägen die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Erwerbsminderungsrente vor, auch wenn ein Verlängerungstatbestand im Versicherungsverlauf nicht ausdrücklich dargestellt sei. Eine weitere Entscheidung der Kammer zur Frage zur Zurückverweisung nach § 131 Abs. 5 SGG sei im übrigen inzwischen am 30.01.2007 vom LSG NRW aufgehoben worden, die Urteilsgründe lägen noch nicht vor.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

A Das Gericht konnte gemäß § 105 SGG durch Gerichtsbescheid entscheiden, nachdem die Beteiligten entsprechend schriftlich angehört wurden und Gelegenheit zur Stellungnahme hatten. Der Zugang der Anhörung zum Gerichtsbescheid ist durch das Empfangsbekenntnis der Beklagten und den Einschreiben-Rückschein nachgewiesen.

B Die Klage ist zulässig. Sie wurde insbesondere form- und fristgerecht innerhalb von 3 Monaten nach Zugang und Ergehen des Widerspruchsbescheides vom 15.08.2006 erhoben. Wegen der Auslandszustellung lief die Klagefrist von 3 Monaten, §§ 151, 153 Abs. 1 und § 87 Abs. 1 Satz 2 SGG. Da die Klage bereits am 07.11.2006 bei einem spanischen Gericht eingereicht wurde, ist die Klagefrist hier über die Vorschrift des § 91 SGG gewahrt.

C Die Aufhebung der angefochtenen Bescheide war hier auch nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts gemäß § 131 Abs. 5 Satz 1 SGG in der ab 01.09.2004 geltenden Fassung geboten. Diese Vorschrift besagt: "Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist".

I. Diese Vorschrift ist anwendbar. Sie gilt für gerichtliche Entscheidungen ab dem 01.09.2004, Art. 14 des 1. Gesetzes zur Modernisierung der Justiz. Die Vorschrift ist auch anwendbar, weil bisher noch keine 6 Monate nach Eingang der Verwaltungsakte der Beklagten (24.01.2007) vergangen sind, § 131 Abs. 5 Satz 4 SGG.

§ 131 Abs. 5 SGG ist im sozialgerichtlichen Verfahren auch auf Klagen anwendbar, die auf eine Verpflichtung der beklagten Behörde gerichtet werden könnten. Denn § 131 Abs. 5 SGG ist ein seit dem 01.09.2004 im Sozialgerichtsgesetz eingefügtes besonderes Instrument des Gerichts, das ohne Bindung an bisher gestellte Anträge gebraucht werden kann, wenn das Gericht die bisherige Sachaufklärung der Beklagten für unzureichend hält. Die Auffassung, dass § 131 Abs. 5 SGG auch in Fällen einer ausdrücklichen Verpflichtungsklage angewandt werden kann, ist neben diversen Entscheidungen der 26. Kammer des Sozialgerichts Düsseldorf auch bereits bestätigt worden durch ein Urteil des 8. Senates des Landessozialgerichts NRW (Urteil vom 11.05.2005 - L 8 RJ 141/04 - zur Zeit in der Revision unter Aktenzeichen B 5 RJ 30/05 R) und für grundsätzlich möglich auch gehalten worden vom sächsischen LSG (Urteil vom 26.10.2005 - L 6 SB 34/05, wobei dort nur im Einzelfall eine Zurückverweisung an die Beklagte nicht ausgesprochen wurde). Nach diesen Entscheidungen ist es auch irrelevant, dass nach der Praxis der Verwaltungsgerichte eine solche Aufhebung nicht möglich sein soll bei eventuellen Verpflichtungsklagen. Denn das verwaltungsgerichtliche Verfahren - ganz anders als das sozialgerichtliche Verfahren - ist wesentlich stärker geprägt von Anfechtungsklagen als Klagen gegen Akte der klassischen Eingriffsverwaltung; die ganz überwiegende Anzahl der sozialgerichtlichen Verfahren hingegen sind typischerweise Klagen auf Erbringung einer Sozialleistung. Mit einer Beschränkung der Anwendbarkeit von § 131 Abs. 5 SGG nur auf Anfechtungsklagen würde die Sozialgerichtsbarkeit eines wichtigen Verfahrensinstruments für die überwiegende Anzahl von Verfahren beraubt. Auch der Gesetzeswortlaut enthält keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass diese Vorschrift sich nur auf Anfechtungsklagen beschränken soll. Im Gegenteil, die Bundestags-Drucksache zur Neufassung des SGG (Drucksache 378/03 Seite 67) spricht gerade dafür, § 131 Abs. 5 SGG gerade und auch bei Verpflichtungsklagen anzuwenden. Diese Vorschrift sollte nämlich gerade für das sozialgerichtliche Verfahren geschaffen werden, um dem Gericht eigentlich der Behörde obliegende zeit- und kostenintensive Sachverhaltsaufklärung zu ersparen, weil nach Beobachtung der Praxis die erforderliche Sachverhaltsaufklärung von den Verwaltungsbehörden zum Teil unterlassen werde, was bisher zu einer sachwidrigen Aufwandsverlagerung auf die Gerichte führe. Die 26. Kammer des Sozialgerichts Düsseldorf hält nach alldem die oben genannten Entscheidungen des LSG NRW und des sächsischen LSG für zutreffend und folgt ihnen auch weiterhin grundsätzlich. Denn gerade in den spanischen Auslandsrenten-Fällen liegen seit vielen Jahren erhebliche Mängel in der Rechtskontrolle der ausländischen bzw. spanischen Rentenverfahren vor, weil den Sozialgerichten Rentenakten in überwiegend spanischer Sprache vorgelegt werden (die für den in der Fremdsprache nicht bewanderten Leser nahezu unverständlich sind), obwohl die Gerichtssprache und Amtssprache Deutsch ist (§§ 184 - 191 GVG, § 19 SGB X); soweit auszugsweise Übersetzungen aus diesen Gutachten vorgelegt werden, treffen diese häufig aber keine Aussagen zum Leistungsvermögen, sondern nur zu Diagnosen und anderem.

II. Es liegen hier auch die Voraussetzungen des § 131 Abs. 5 SGG vor. Es sind hier nach Art und Umfang noch Ermittlungen auf internistischem, orthopädischem und neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet erforderlich, um den Sachverhalt wirklich sachgerecht und abschließend beurteilen zu können (wobei bei dieser Gelegenheit dem Kläger auch noch ein Fragebogen zur Feststellung von Erwerbsminderung bzw. Berufsunfähigkeit zugesandt werden sollte, um dessen Berufsbiographie zumindest ansatzweise aufzuklären). Aus den zur Verwaltungsakte gelangten medizinischen Unterlagen unter anderem in diversen Formularen E 213, die auch nur zum Teil übersetzt worden sind, lässt sich nämlich nicht ausdrücklich entnehmen, dass der Kläger für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes, auf den die Beklagte den Kläger verweisen will, überhaupt noch 6 Stunden und mehr täglich einsatzfähig sein soll, also zumindest 6 Stunden täglich. Den Formularen E 213 bzw. den Übersetzungen der Beklagten lässt sich jedenfalls eine solche Aussage nicht eindeutig entnehmen. An keinem Punkt enthalten bisher die Fragebögen E 213 eine klare Fragestellung dazu, ob zumindest leichte leidensangepasste Tätigkeiten noch zumindest 6 Stunden täglich verrichtet werden können. Deswegen hat ja auch die Beklagte selbst mit Schreiben vom 03.02.2006 bei der spanischen Sozialbehörde nachgefragt, ob der Kläger leichte leidensgerechte Tätigkeiten noch in einem Zeitrahmen von mehr als 6 Stunden verrichten könne. Dazu ist aber keine ausdrückliche Aussage herbeigeführt worden. Es kann allenfalls dem E 213 vom 20.04.2006 entnommen werden, dass angepasste Arbeit wie Überwachung und Kontrolle verrichtet werden könnte (zu Frage 11.5 des E 213); in welchem Umfang täglich, ist aber nicht beantwortet worden. Entscheidend ist aber, falls der Kläger als angelernter Arbeiter nur anzusehen ist, ob und in welchem Umfang er leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes nur noch unter 6 Stunden täglich verrichten kann oder noch zumindest im Umfang von 6 Stunden. Wenn es eine dahingehende entsprechende Fragestellung in den Formularen E 213 offenbar so gar nicht gibt, muss die Beklagte entweder andere Vordrucke verwenden oder aber entsprechende Fragen an die ärztlichen Gutachter richten und deren Aussage dazu auch abwarten. Die Beklagte hat offenbar nur nach Aktenlage gemeint, dies allein aufgrund der mitgeteilten Befunde entscheiden zu können. Damit aber sind die Beklagte und auch der Widerspruchsausschuss ihrer eigentlichen Aufgabe nicht gerecht geworden, wenn sie ohne jedes Eingehen und ohne konkrete gutachterliche Aussage sich allein auf die Aussagen des beratungsärztlichen Dienstes verlassen, ohne überhaupt Gutachten herbeizuführen, die eine eindeutige Aussage zum zeitlichen Leistungsvermögen treffen. Wie sich aus der Klagebegründung ergibt, liegt der Schwerpunkt der Erkrankungen des Klägers auf kardiologischem Fachgebiet und es liegen auch diverse Befunde an der Halswirbelsäule und zu anderen Punkten des Bewegungsapparates vor, und offenbar auch eine neurologische Erkrankung (Epilepsie? - Grand-Mal-Anfälle wurden erwähnt). In diesem Zusammenhang erscheint auch überraschend, dass der ärztliche Beratungsdienst der Beklagten unter dem 09.01.2007 empfiehlt, bei den behandelnden Ärzten einen aktuellen Befundbericht beizuziehen, während die Sachbearbeitung mit Schriftsatz vom 23.01.2007 gleichwohl beantragt, schon jetzt die Klage als unbegründet zurückzuweisen, also die Empfehlung ihres beratungsärztlichen Dienstes anscheinend ignoriert.

Schließlich gilt auch für die Beklagte der Untersuchungsgrundsatz, wonach sie alle für den Einzelfall bedeutsamen, auch die für die Beteiligten günstigen Umstände, zu berücksichtigen hat, § 20 Abs. 1 und Abs. 2 SGB X. Soweit Zweifel bestehen, hat die Beklagte nach der Vorschrift des § 19 Abs. 2 SGB X über die Vorlage von Unterlagen in fremder Sprache auch unverzüglich die Vorlage von (ausreichenden) Übersetzungen zu verlangen bzw. zu veranlassen. Dazu ist es aber so hier nicht gekommen. All diese Umstände stellen seit vielen Jahren einen erheblichen Mangel in der Rechtskontrolle der insbesondere spanischen Rentenverfahren dar, weil den Sozialgerichten jahrelang praktisch immer nur Rentenakten überwiegend in spanischer Sprache vorgelegt wurden (die für den in der Fremdsprache nicht bewanderten Leser nahezu unverständlich sind), obwohl die Gerichtssprache und Amtssprache Deutsch ist (§§ 183 - 191 GVG, § 19 SGB X). Damit sollten dem Gericht - und auch schon vorher dem Widerspruchsausschuss - nicht nur nachvollziehbare deutsche Unterlagen vorgelegt werden, sondern zumindest Unterlagen mit einer entsprechend klaren Aussage zu einer entsprechend klaren Frage für das Rentenversicherungsrecht, in welchem Umfang noch Tätigkeiten angepasster Art verrichtet werden können. Die Vorlage der in europäischen Rentenverfahren allgemein verwandten Vordrucke E 213 in der bisher geltenden Fassung bewirkt hier jedenfalls bisher offenbar keine entscheidende ausreichende Sachverhaltsaufklärung zur letztlich entscheidenden Frage, ob der Kläger nur noch unter 6 Stunden zumindest leichte angepasste Tätigkeiten verrichten kann oder nicht. Soweit die Beklagte dazu einwendet, für Untersuchungen auf einem bestimmten Fachgebiet müsste die Beklagte erst wie das Gericht in Spanien nach einem geeigneten Gutachter suchen, verfängt dieses Argument nicht; wenn noch Unklarheiten bestehen, dann muss die Beklagte eben entsprechende Fachgutachter einschalten, da anderenfalls von einem Ermittlungsausfall auszugehen ist.

Anlässlich der noch durchzuführenden weiteren medizinischen Ermittlungen zum Leistungsvermögen des Klägers pro Tag hat die Beklagte dann auch dem Kläger noch einen Fragebogen zuzusenden, der näheren Aufschluss über seine Berufsbiographie gibt, also auch dazu, ob der Kläger eventuell langjährig letztlich wie ein gelernter Bäcker Arbeiten verrichtet hat. Bei längjährig in einem Beruf tätig gewesenen Versicherten kommt nämlich durchaus im Einzelfall ein Berufsschutz in Betracht. Soweit die Beklagte einwendet, der Gebrauch von ansonsten in Inlandsverfahren üblichen Fragebögen zur Feststellung von Erwerbsminderung sei in Auslandsfällen "weder üblich noch benutzbar", liegt darin eine Diskriminierung von spanischen Versicherten, denen gegenüber die Beklagte Gleichbehandlung bei der Sachbearbeitung schuldet. Die Aussage, der Gebrauch einer bestimmten Unterlage sei in Auslandsfällen "nicht üblich" ist eine Aussage, aber keine Begründung für die Unterlassung dahingehender Aufklärung. Im übrigen trifft es schlichtweg nicht zu, dass Fragebögen zur Feststellung von Berufsunfähigkeit in spanischen Verfahren nicht gebraucht würden. Dem Gericht ist nämlich inzwischen im Verfahren S 26 R 282/06 eines anderen Klägers durchaus ein zweisprachiger dahingehender Vordruck der Beklagten bekannt geworden (Vordruck A 4668 - derzeit wohl nach dem Stand vom September 2005). In einem solchen Fragebogen wird sowohl auf Spanisch wie auch auf Deutsch gefragt nach dem erlernten Beruf, nach Dauer von Lehre oder Anlernzeit, nach abgelegten Prüfungen und sämtlichen danach ausgeübten Beschäftigungen oder Tätigkeiten und Beschäftigungsorten und auch Beschäftigungszeiten. Damit greift schon das Argument der Beklagten nicht, ihr stünden keine für spanische Versicherte benutzbaren Unterlagen insoweit zur Verfügung. Außerdem hat die Beklagte - wie aus anderen Verfahren gerichtsbekannt wurde - oft auch bei deutschen Versicherten, die in Spanien leben und von dort aus eine deutsche Rente beantragt haben, keinen Fragebogen zur Feststellung von Erwerbsminderung bzw. Berufsunfähigkeit benutzt.

Die Aufhebung der angefochtenen Bescheide und die Zurückverweisung an die Beklagte ist hier auch sachdienlich im Sinne von § 131 Abs. 5 Satz 1 SGG, weil nur damit dem der Beklagten obliegenden Untersuchungsgrundsatz des § 20 SGB X Genüge getan wird und weil dies im jetzigen frühen Verfahrensstand auch dem Kläger noch günstig ist, da er mit der Aufhebung der angefochtenen Bescheide die Möglichkeit erlangt, nach Durchführung erforderlicher und auch sachgerechter Ermittlungen erneut wieder Rechtsmittel wie Widerspruch und Klageerhebung auszuschöpfen, ohne dass ihm quasi schon die Vorinstanz des Widerspruchsverfahrens genommen wurde, und ohne dass er jetzt schon mit den Kosten des Verfahrens - insbesondere den außergerichtlichen Kosten für seinen Anwalt - belastet wird, weil die Beklagte nach bisher unzureichender Sachaufklärung entschieden hat.

Die Beklagte wird also nunmehr, wenn sie weiterhin Rente schon ab Rentenantragstellung abhlehnen will, Gutachten in Form eines E 213 oder in Form eines anderen Sachverständigengutachtens zur Abklärung der internistisch/kardiologischen, orhopädischen und neurologisch-psychiatrischen Leiden des Klägers herbeizuführen haben, mit auch klaren Aussagen zum zeitlichen Leistungsvermögen des Klägers (unter 6 Stunden oder noch 6 Stunden zumindest - und seit wann?), und zumindest dem Kläger Gelegenheit zur Klärung seiner Berufsbiographie zu geben haben durch Übersendung eines geeigneten Vordrucks zur Feststellung von Berufsunfähigkeit, und erst dann den Rentenantrag durch widerspruchsfähigen Bescheid zu bescheiden haben.

D Demzufolge war hier zu entscheiden wie geschehen und zwar auch durch Gerichtsbescheid nach § 105 SGG. Denn von der Zurückverweisung an die Verwaltung nach § 131 Abs. 5 SGG kann nur sinnvoll Gebrauch gemacht werden, wenn dies möglichst zügig geschieht, auch im Interesse der Beteiligten (§ 131 Abs. 5 Satz 4 SGG). Die Zurückverweisung in geboten erscheinenden Fällen hat daher sinnvollerweise und im Regelfall durch Gerichtsbescheid zu erfolgen (so auch SG Aachen - Gerichtsbescheid vom 11.01.2005 - S 18 SB 221/04 und SG Dresden - Gerichtsbescheid vom 25.02.2005 - S 19 SB 362/04), die als Urteil wirken § 105 Abs. 3 SGG. Wäre angesichts der überlasteten Gerichte erst ein zukünftiger Kammertermin abzuwarten, und dann hier auch noch besonderes frühzeitig zu laden, da die Zustellung von Ladungen in Spanien nicht immer zuverlässig und rechtzeitig erfolgt, so könnte der Ablauf der 6-Monats-Frist nach § 131 Abs. 5 Satz 4 SGG möglicherweise nicht eingehalten werden , und schließlich liegt es auch im Interesse der Beteiligten, dass möglichst frühzeitig über eine Zurückverweisung entschieden wird. Deshalb war hier die Entscheidung durch Gerichtsbescheid geboten, zumal auch der Kläger selbst durch seinen Bevollmächtigten sich nicht mehr weiter geäußert hat.

Ein Abwarten einer Entscheidung im Revisionsverfahren B 0 RJ 00/00 R in Bezug auf das vorgenannte Urteil des LSG NRW vom 11.05.2005 war demnach hier auch nicht geboten, auch weil schon allein durch das Abwarten die 6-Monats-Frist abzulaufen droht, innerhalb derer eine Zurückverweisung nur möglich ist.

E Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1, 4 SGG. Wie bereits oben ausgeführt, ist die Auferlegung der Kosten auf die Beklagte hier gerade sachdienlich und auch den Kläger begünstigend, weil er nicht schon jetzt mit den Kosten für ein Verfahren belastet werden soll, das nicht ausreichend transparent und objektiv geführt wurde.
Rechtskraft
Aus
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