Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
9
1. Instanz
SG Münster (NRW)
Aktenzeichen
S 3 AS 5/06
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 9 AS 26/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Münster vom 22.6.2006 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Zahlung von Einstiegsgeld. Der Kläger bezog seit 01.01.2005 von der Beklagten Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II). Er beantragte am 28.7.2005 die Zahlung von Einstiegsgeld für seine Existenzgründung und gab in diesem Zusammenhang an, er benötige einen Dispositionskredit in Höhe von EUR 50.000,-. Außerdem legte er mehrere Unterlagen zum geplanten Produkt (seiner Erfindung) sowie dessen Vermarktung vor. Zu seinen finanziellen Verhältnissen gab er ergänzend an, dass er Kreditverpflichtungen in Höhe von EUR 50.000,- habe. Er habe in den letzten drei Jahren bereits eidesstattliche Versicherungen abgegeben. Er fügte seinem Antrag ferner ein Gründungskonzept vom 23.7.2005 mit Angaben zur erwarteten Gewinnermittlung bei, das er eigenständig zusammengestellt hatte und das von seiner Steuerberaterin abgezeichnet worden war. Auf dieser Grundlage holte der Beklagte eine Stellungnahme der Wirtschaftsförderungsgesellschaft für den Kreis C mbH (WfG) ein. Diese war der Auffassung, dass die Basis für eine wirtschaftlich tragfähige Existenz nach einer Anlaufzeit von 6 bis 12 Monaten und damit eine Unabhängigkeit von weiterer Unterstützung durch Zahlung des Arbeitslosengeldes II nicht vorliege. Dies beruhe im Wesentlichen auf den wirtschaftlichen Verhältnissen des Klägers. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt des Gutachtens Bezug genommen.
Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 10.10.2005 ab. Sie bezog sich zu dessen Begründung im Wesentlichen auf die Stellungnahme der WfG, dass eine Förderung nicht geeignet sei, die Arbeitslosigkeit zu beenden. Der Kläger erhob gegen diesen Bescheid am 11.10.2005 Widerspruch. Er begründete ihn damit, dass das öffentliche Interesse dahin gehen müsse, jeden Versuch zu unternehmen, Menschen aus der Arbeitslosigkeit zu helfen. Dies müsse auch geschehen, wenn ein gewisses Risiko bestehe. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 9.12.2005 zurück. Sie verblieb bei ihrer Auffassung, dass für die Zahlung von Einstiegsgeld nicht die Leistungsvoraussetzungen erfüllt seien. Im Hinblick auf das Gutachtenergebnis könne im Sinn des § 29 Absatz 1 SGB II nicht erwartet werden, dass die Hilfebedürftigkeit des Klägers durch Zahlung des Einstiegsgeldes beendet werde.
Hiergegen richtete sich die am 9.1.2006 erhobene Klage. Der Kläger hat zu deren Begründung vorgetragen, es handele sich bei dem Gutachten der WfG um ein Gefälligkeitsgutachten, das die Erfolgschancen seiner Erfindung falsch beurteile und seine finanziellen Verhältnisse unzutreffend bewerte. Dies ergebe sich bereits aus dem von ihm vorgelegten Gutachten seiner Steuerberaterin, das das Gegenteil belege.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 22.6.2006 abgewiesen. Es hat dargelegt, dass es sich bei der Entscheidung der Beklagten, ob sie Einstiegsgeld zahlen wolle, nach § 29 Absatz 1 SGB II um eine Ermessensentscheidung handele. Sie habe dieses Ermessen fehlerfrei ausgeübt, indem sie von der Wirtschaftsförderungsgesellschaft als einer fachkundigen Stelle das Gutachten eingeholt habe. Die geäußerten Bedenken habe der Kläger nicht widerlegen können. Er habe vor allen Dingen nicht darlegen können, wie er das benötigte Kapital beschaffen könne. Bei seiner finanziellen Lage dürfte es ausgeschlossen sein, dass ihm größere Kredite gewährt würden. Die Beklagte habe sich nicht auf das vom Kläger vorgelegte Gutachten seiner Steuerberaterin stützen müssen, weil dieses allein auf der Grundlage der persönlichen Angaben des Klägers erstellt worden sei und die Steuerberaterin diese Angaben nicht überprüft habe.
Gegen den am 27.6.2006 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 3.7.2006 eingelegte Berufung. Der Kläger wiederholt zu deren Begründung sein gesamtes erstinstanzliches Vorbringen unter Vorlage der entsprechenden Unterlagen zur Existenzgründung. Er ist der Meinung, diese belegten, dass das von der Beklagten eingeholte Gutachten tendenziell negativ und nicht objektiv sei. An der Erfolgsaussicht seines Projektes beständen keine Bedenken. Er benötige EUR 50.000,-, um einen Geschäftsbetrieb beginnen zu können. Als Reserve strebe er eine Gesamtsumme von EUR 400.000,- an.
Zwischenzeitlich habe er auch vom Deutschen Patent - und Markenamt zu seiner am 19.7.2005 angemeldeten Erfindung eine Offenlegungsschrift mit nachgewiesenem Offenlegungstag am 1.2.2007 erhalten. Dies zeige, dass hinsichtlich der Anmeldung der Erfindung alles seinen geregelten Lauf nehme, was den Inhalt des WfG - Gutachtens widerlege. Der Kläger legt ferner eine Auskunft aus dem Schuldnerverzeichnis beim Amtsgericht Borken vom 24.9.2004 vor. Hierin ist festgehalten, dass zwei Eintragungen vom 15.11.2000 und 1.6.2004 über die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung vorliegen.
Der Kläger ist mit Postzustellungsurkunde vom 17.01.2007 zum Termin zur mündlichen Verhandlung am 25.01.07 geladen worden. Er ist zu diesem Termin nicht erschienen.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Münster vom 22.6.2006 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 10.10.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 9.12.2005 zu verurteilen, ihm Einstiegsgeld nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach - und Streitstandes wird auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze sowie der Verwaltungsakten des Beklagten - Az: A 15011 - und der Gerichtsakte des Sozialgerichts Münster - Az: S 3 S 57/06 - Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Der Senat hat trotz des Nichterscheinens des Klägers zum mündlichen Verhandlungs-termin entscheiden können, weil er auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist. Abgesehen davon, dass er ausweislich seines Faxes vom 25.01.07 ohnehin nicht kommen wollte, hat er auch keinen Vertagungsantrag gestellt. Nach Aktenlage haben sich zudem keine Anhaltspunkte für die Annahme eines wichtigen Grundes gefunden, der zu einer Vertagung gedrängt hätte.
Der Senat stimmt dem Ergebnis des angefochtenen Gerichtsbescheides zu, nicht jedoch der Begründung. Indem das Sozialgericht ausschließlich darauf abgestellt hat, ob die Beklagte ihr Ermessen fehlerfrei ausgeübt hat, hat es unzulässigerweise Elemente der Anspruchsvoraussetzungen in die Ermessensentscheidung einbezogen, weil Begründungselemente für die Anspruchsvoraussetzungen nicht gleichzeitig Elemente der Ermessensausübung darstellen können. Die Überprüfung einer Ermessensausübung kann daher erst erfolgen, wenn das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen geklärt ist (vgl. BSG SozR 1300 § 48 Nr. 30).
Der Kläger erfüllt bereits nicht die Anspruchsvoraussetzungen des § 29 Absatz 1 Satz 1 SGB II. Er ist zwar erwerbsfähiger Hilfebedürftiger, arbeitslos und bezieht deswegen Arbeitslosengeld II. Die Zahlung des Einstiegsgeldes ist aber zur Überwindung der Hilfebedürftigkeit und zur Eingliederung des Klägers in den allgemeinen Arbeitsmarkt nicht erforderlich (vgl zum Charakter der Anspruchsvoraussetzung: Spellbrink in Eicher/Spellbrink, SGB II, l. Auflage 2005, § 29 Rn 25; Lauterbach in Gagel, SGB III, Stand Juni 2006, § 29 SGB II Rn 12). Bei der Frage, ob der Kläger die Anspruchsvoraussetzung "zur Überwindung der Hilfebedürftigkeit" erfüllt, handelt es sich um eine Prognoseentscheidung, ob die vom Hilfebedürftigen aufzunehmende Erwerbstätigkeit ihm die Perspektive eröffnet, in absehbarer Zeit auch ohne Leistungen nach dem SGB II den Lebensunterhalt für sich bestreiten zu können. Es muss mithin damit zu rechnen sein, dass sich das Einkommen aus der Erwerbstätigkeit in absehbarer Zukunft auf so hohem Niveau bewegt, dass kein weiterer Hilfebedarf mehr besteht und weitere Hilfeleistungen nicht mehr zu erbringen sind. Soweit der Hilfebedürftige zum Erreichen dieses Ziels eine selbstständige Tätigkeit - wie vorliegend der Kläger - anstrebt, ist es bei Fehlen eigener Sachkenntnis zu den die Prognoseentscheidung tragenden Fakten unumgänglich, für eine derartige Prognoseentscheidung ein Fachgutachten einzuholen wie bei den Leistungen (Überbrückungsgeld, Existenzgründerzuschusses) des SGB III (Arbeitsförderung) zur Erlangung einer Selbständigkeit (vgl Spellbrink aaO; Lauterbach aaO), was die Beklagte getan hat.
Der Senat folgt dem Gutachten der WfG vom 21.9.2005 insbesondere in der Bewertung, dass der Kläger auf Grund seiner eigenen finanziellen Verhältnisse bereits nicht in der Lage ist, den von ihm ermittelten Kapitalbedarf aufzubringen - unabhängig davon, ob er die Zahlen überhaupt zutreffend ermittelt hat. Angesichts der im November 2000 und Juni 2004 - also nicht sehr lange zurückliegenden - abgegebenen eidesstattlichen Versicherungen zu seinen Vermögensverhältnissen und der weiterhin bestehenden Schuldenlast von EUR 50.000,- liegt es auf der Hand, dass er zur Finanzierung seines Vorhabens bereits deswegen keinen seriösen Kreditgeber finden kann. Es kommt hinzu, dass das Finden eines solchen Kreditgebers angesichts der Gestaltung seiner Werbeschreiben hinsichtlich sowohl eines Kredits als auch der Beschreibung der Erfindung äußerst zweifelhaft ist, weil diese Werbeschreiben erhebliche orthographische Fehler ausweisen und somit nicht einem ordnungsgemäßen Schriftstück im Geschäftsverkehr entsprechen; was die Kreditfähigkeit nicht erhöht. Damit ist aber nicht ersichtlich, dass der Kläger überhaupt die Grundlagen hat, in den Beginn einer Produktion und Vermarktung seiner Erfindung eintreten zu können. Dass diese Situation so besteht, sieht im Übrigen auch der Kläger selbst, weil er regelmäßig darauf hinweist, dass der Beginn seiner Tätigkeit wegen des fehlenden Kapitalbedarfs nicht möglich ist und er ihn ständig verschieben muss.
Soweit er meint, dass die Beklagte als Grundsicherungsträger ersatzweise in Anspruch genommen werden könne, verkennt er deren Aufgaben. Abgesehen davon, dass angesichts der vom Kläger vorgesehenen Summen von EUR 50.000,- bzw. sogar bis EUR 400.000,- durch das nur begrenzt auf höchstens zwei Jahre zu zahlende Einstiegsgeld in Höhe höchstens eines monatlichen Regelsatzes von EUR 345,- nicht annähernd ein relevantes Startkapital erreicht würde, dient das Einstiegsgeld nicht einer Kapitalsicherung. Die Beklagte als Hilfeträger wird vom Gesetzgeber nicht als Ersatzkreditinstitut eingesetzt. Das Einstiegsgeld soll vielmehr allein für die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit einen finanziellen Anreiz schaffen, wobei es nach dem Gesetzeswortlaut "bei" Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit zu zahlen ist. Da somit ein zeitlicher und sachlicher Zusammenhang bestehen muss, kann die Zahlung erst in Betracht kommen, wenn die Voraussetzungen zum Betreiben einer selbstständigen Tätigkeit erfüllt sind - also auch die erforderlichen Kredite zum Tätigkeitsbeginn vorliegen -, so dass das Einstiegsgeld nur ergänzend anfängliche Mindereinnahmen ausgleicht. Entgegen der Erwartung des Klägers ersetzt es somit nicht eine eigenständig zu schaffende Vorfinanzierung des Projektes, sondern soll der Sicherung seines Lebensunterhalts in der Startphase dienen. Soweit er meint, das von ihm vorgelegte Finanzkonzept, das seine Steuerberaterin unterzeichnet hat, belege seine Gewinnerwartung, ist diese Ansicht unzutreffend. Die Steuerberaterin hat nämlich ausdrücklich festgehalten, dass dem gesamten Konzept nur die vom Kläger selbst vorgelegten und ermittelten Zahlen, nicht aber - neutralen - von einer anderen Stelle - auch nicht von ihr - sachlich überprüfte Zahlen zu Grunde liegen, die also nur eigene Vorstellungen des Klägers darstellen.
Letztlich führt auch die vom Kläger am Verhandlungstag zugefaxte Offenlegungsschrift des Deutschen Patent - und Markenamtes zu keiner anderen Bewertung. Zum einen zeigt sie zwar, dass hinsichtlich der Anmeldung alles seinen Gang geht. Es ergibt sich hieraus aber bereits in zeitlicher Hinsicht, dass noch - wie von der WfG ebenfalls betont - Jahre vergehen dürften, bis das Amt eine Entscheidung trifft - mit offenem Ausgang. Denn der Kläger hatte seine Erfindung am 19.7.2005 angemeldet. Deren Offenlegungstag ist aber erst der 1.2.2007 gewesen - also bereits in diesem ersten Schritt (erster von drei Publikationsniveaus) erst nach ca. 1 3/4 Jahren. Darüber hinaus besagt die Offenlegungsschrift nichts in der Sache. Sie stellt nämlich lediglich die erste Veröffentlichung einer ungeprüften Patentanmeldung dar. Sie enthält - wie auch die vom Kläger hierzu gefaxten Unterlagen zeigen - nur die eigenen Angaben, Zeichnungen und Aufstellungen des Antragstellers, die nicht von einer fachlichen Seite geprüft worden sind und die der Kläger seinerseits wieder später aus dem Internet herausgezogen hat. Damit liegen insgesamt gesehen nicht die geringsten Anhaltspunkte dafür vor, dass es überhaupt zu einer Betriebsgründung kommen wird und dass der Kläger auf Grund einer selbstständigen Tätigkeit ein derart hohes Einkommen in absehbarer Zeit erzielen könnte, dass kein weiterer Hilfebedarf mehr besteht und die Beklagte keine Grundsicherungsleistungen - Arbeitslosengeld II - mehr erbringen muss. Der Kläger erfüllt mithin nicht diese Anspruchsvoraussetzung. Aus diesem Grund lässt es der Senat auch offen, ob die Zahlung des Einstiegsgeldes zur Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt erforderlich wäre - also die letzte Möglichkeit zur Integration dort darstellt, weil keine andere gegeben ist (vgl Spellbrink, aaO, Rn 26; Lauterbach, aaO, Rn. 15). Angesichts des Berufslebenslaufs des Klägers - soweit bekannt - bestehen erhebliche Zweifel, dass das Einstiegsgeld das allein geeignete Fördermittel zur Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt darstellen soll, weil der Kläger auch in einfachere Tätigkeiten mit geringerem Förderaufwand eingliederbar sein könnte und dürfte.
Angesichts der Tatsache, dass der Kläger somit bereits nicht die Anspruchsvoraussetzungen des § 29 Absatz 1 Satz 1 SGB II erfüllt, ist auch nicht mehr zu überprüfen, ob die Beklagte sein Ermessen fehlerfrei ausgeübt hat - was hier allerdings der Fall sein dürfte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Absatz 2 Nummern 1 und 2 SGG).22.06.2006
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Zahlung von Einstiegsgeld. Der Kläger bezog seit 01.01.2005 von der Beklagten Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II). Er beantragte am 28.7.2005 die Zahlung von Einstiegsgeld für seine Existenzgründung und gab in diesem Zusammenhang an, er benötige einen Dispositionskredit in Höhe von EUR 50.000,-. Außerdem legte er mehrere Unterlagen zum geplanten Produkt (seiner Erfindung) sowie dessen Vermarktung vor. Zu seinen finanziellen Verhältnissen gab er ergänzend an, dass er Kreditverpflichtungen in Höhe von EUR 50.000,- habe. Er habe in den letzten drei Jahren bereits eidesstattliche Versicherungen abgegeben. Er fügte seinem Antrag ferner ein Gründungskonzept vom 23.7.2005 mit Angaben zur erwarteten Gewinnermittlung bei, das er eigenständig zusammengestellt hatte und das von seiner Steuerberaterin abgezeichnet worden war. Auf dieser Grundlage holte der Beklagte eine Stellungnahme der Wirtschaftsförderungsgesellschaft für den Kreis C mbH (WfG) ein. Diese war der Auffassung, dass die Basis für eine wirtschaftlich tragfähige Existenz nach einer Anlaufzeit von 6 bis 12 Monaten und damit eine Unabhängigkeit von weiterer Unterstützung durch Zahlung des Arbeitslosengeldes II nicht vorliege. Dies beruhe im Wesentlichen auf den wirtschaftlichen Verhältnissen des Klägers. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt des Gutachtens Bezug genommen.
Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 10.10.2005 ab. Sie bezog sich zu dessen Begründung im Wesentlichen auf die Stellungnahme der WfG, dass eine Förderung nicht geeignet sei, die Arbeitslosigkeit zu beenden. Der Kläger erhob gegen diesen Bescheid am 11.10.2005 Widerspruch. Er begründete ihn damit, dass das öffentliche Interesse dahin gehen müsse, jeden Versuch zu unternehmen, Menschen aus der Arbeitslosigkeit zu helfen. Dies müsse auch geschehen, wenn ein gewisses Risiko bestehe. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 9.12.2005 zurück. Sie verblieb bei ihrer Auffassung, dass für die Zahlung von Einstiegsgeld nicht die Leistungsvoraussetzungen erfüllt seien. Im Hinblick auf das Gutachtenergebnis könne im Sinn des § 29 Absatz 1 SGB II nicht erwartet werden, dass die Hilfebedürftigkeit des Klägers durch Zahlung des Einstiegsgeldes beendet werde.
Hiergegen richtete sich die am 9.1.2006 erhobene Klage. Der Kläger hat zu deren Begründung vorgetragen, es handele sich bei dem Gutachten der WfG um ein Gefälligkeitsgutachten, das die Erfolgschancen seiner Erfindung falsch beurteile und seine finanziellen Verhältnisse unzutreffend bewerte. Dies ergebe sich bereits aus dem von ihm vorgelegten Gutachten seiner Steuerberaterin, das das Gegenteil belege.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 22.6.2006 abgewiesen. Es hat dargelegt, dass es sich bei der Entscheidung der Beklagten, ob sie Einstiegsgeld zahlen wolle, nach § 29 Absatz 1 SGB II um eine Ermessensentscheidung handele. Sie habe dieses Ermessen fehlerfrei ausgeübt, indem sie von der Wirtschaftsförderungsgesellschaft als einer fachkundigen Stelle das Gutachten eingeholt habe. Die geäußerten Bedenken habe der Kläger nicht widerlegen können. Er habe vor allen Dingen nicht darlegen können, wie er das benötigte Kapital beschaffen könne. Bei seiner finanziellen Lage dürfte es ausgeschlossen sein, dass ihm größere Kredite gewährt würden. Die Beklagte habe sich nicht auf das vom Kläger vorgelegte Gutachten seiner Steuerberaterin stützen müssen, weil dieses allein auf der Grundlage der persönlichen Angaben des Klägers erstellt worden sei und die Steuerberaterin diese Angaben nicht überprüft habe.
Gegen den am 27.6.2006 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 3.7.2006 eingelegte Berufung. Der Kläger wiederholt zu deren Begründung sein gesamtes erstinstanzliches Vorbringen unter Vorlage der entsprechenden Unterlagen zur Existenzgründung. Er ist der Meinung, diese belegten, dass das von der Beklagten eingeholte Gutachten tendenziell negativ und nicht objektiv sei. An der Erfolgsaussicht seines Projektes beständen keine Bedenken. Er benötige EUR 50.000,-, um einen Geschäftsbetrieb beginnen zu können. Als Reserve strebe er eine Gesamtsumme von EUR 400.000,- an.
Zwischenzeitlich habe er auch vom Deutschen Patent - und Markenamt zu seiner am 19.7.2005 angemeldeten Erfindung eine Offenlegungsschrift mit nachgewiesenem Offenlegungstag am 1.2.2007 erhalten. Dies zeige, dass hinsichtlich der Anmeldung der Erfindung alles seinen geregelten Lauf nehme, was den Inhalt des WfG - Gutachtens widerlege. Der Kläger legt ferner eine Auskunft aus dem Schuldnerverzeichnis beim Amtsgericht Borken vom 24.9.2004 vor. Hierin ist festgehalten, dass zwei Eintragungen vom 15.11.2000 und 1.6.2004 über die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung vorliegen.
Der Kläger ist mit Postzustellungsurkunde vom 17.01.2007 zum Termin zur mündlichen Verhandlung am 25.01.07 geladen worden. Er ist zu diesem Termin nicht erschienen.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Münster vom 22.6.2006 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 10.10.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 9.12.2005 zu verurteilen, ihm Einstiegsgeld nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach - und Streitstandes wird auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze sowie der Verwaltungsakten des Beklagten - Az: A 15011 - und der Gerichtsakte des Sozialgerichts Münster - Az: S 3 S 57/06 - Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Der Senat hat trotz des Nichterscheinens des Klägers zum mündlichen Verhandlungs-termin entscheiden können, weil er auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist. Abgesehen davon, dass er ausweislich seines Faxes vom 25.01.07 ohnehin nicht kommen wollte, hat er auch keinen Vertagungsantrag gestellt. Nach Aktenlage haben sich zudem keine Anhaltspunkte für die Annahme eines wichtigen Grundes gefunden, der zu einer Vertagung gedrängt hätte.
Der Senat stimmt dem Ergebnis des angefochtenen Gerichtsbescheides zu, nicht jedoch der Begründung. Indem das Sozialgericht ausschließlich darauf abgestellt hat, ob die Beklagte ihr Ermessen fehlerfrei ausgeübt hat, hat es unzulässigerweise Elemente der Anspruchsvoraussetzungen in die Ermessensentscheidung einbezogen, weil Begründungselemente für die Anspruchsvoraussetzungen nicht gleichzeitig Elemente der Ermessensausübung darstellen können. Die Überprüfung einer Ermessensausübung kann daher erst erfolgen, wenn das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen geklärt ist (vgl. BSG SozR 1300 § 48 Nr. 30).
Der Kläger erfüllt bereits nicht die Anspruchsvoraussetzungen des § 29 Absatz 1 Satz 1 SGB II. Er ist zwar erwerbsfähiger Hilfebedürftiger, arbeitslos und bezieht deswegen Arbeitslosengeld II. Die Zahlung des Einstiegsgeldes ist aber zur Überwindung der Hilfebedürftigkeit und zur Eingliederung des Klägers in den allgemeinen Arbeitsmarkt nicht erforderlich (vgl zum Charakter der Anspruchsvoraussetzung: Spellbrink in Eicher/Spellbrink, SGB II, l. Auflage 2005, § 29 Rn 25; Lauterbach in Gagel, SGB III, Stand Juni 2006, § 29 SGB II Rn 12). Bei der Frage, ob der Kläger die Anspruchsvoraussetzung "zur Überwindung der Hilfebedürftigkeit" erfüllt, handelt es sich um eine Prognoseentscheidung, ob die vom Hilfebedürftigen aufzunehmende Erwerbstätigkeit ihm die Perspektive eröffnet, in absehbarer Zeit auch ohne Leistungen nach dem SGB II den Lebensunterhalt für sich bestreiten zu können. Es muss mithin damit zu rechnen sein, dass sich das Einkommen aus der Erwerbstätigkeit in absehbarer Zukunft auf so hohem Niveau bewegt, dass kein weiterer Hilfebedarf mehr besteht und weitere Hilfeleistungen nicht mehr zu erbringen sind. Soweit der Hilfebedürftige zum Erreichen dieses Ziels eine selbstständige Tätigkeit - wie vorliegend der Kläger - anstrebt, ist es bei Fehlen eigener Sachkenntnis zu den die Prognoseentscheidung tragenden Fakten unumgänglich, für eine derartige Prognoseentscheidung ein Fachgutachten einzuholen wie bei den Leistungen (Überbrückungsgeld, Existenzgründerzuschusses) des SGB III (Arbeitsförderung) zur Erlangung einer Selbständigkeit (vgl Spellbrink aaO; Lauterbach aaO), was die Beklagte getan hat.
Der Senat folgt dem Gutachten der WfG vom 21.9.2005 insbesondere in der Bewertung, dass der Kläger auf Grund seiner eigenen finanziellen Verhältnisse bereits nicht in der Lage ist, den von ihm ermittelten Kapitalbedarf aufzubringen - unabhängig davon, ob er die Zahlen überhaupt zutreffend ermittelt hat. Angesichts der im November 2000 und Juni 2004 - also nicht sehr lange zurückliegenden - abgegebenen eidesstattlichen Versicherungen zu seinen Vermögensverhältnissen und der weiterhin bestehenden Schuldenlast von EUR 50.000,- liegt es auf der Hand, dass er zur Finanzierung seines Vorhabens bereits deswegen keinen seriösen Kreditgeber finden kann. Es kommt hinzu, dass das Finden eines solchen Kreditgebers angesichts der Gestaltung seiner Werbeschreiben hinsichtlich sowohl eines Kredits als auch der Beschreibung der Erfindung äußerst zweifelhaft ist, weil diese Werbeschreiben erhebliche orthographische Fehler ausweisen und somit nicht einem ordnungsgemäßen Schriftstück im Geschäftsverkehr entsprechen; was die Kreditfähigkeit nicht erhöht. Damit ist aber nicht ersichtlich, dass der Kläger überhaupt die Grundlagen hat, in den Beginn einer Produktion und Vermarktung seiner Erfindung eintreten zu können. Dass diese Situation so besteht, sieht im Übrigen auch der Kläger selbst, weil er regelmäßig darauf hinweist, dass der Beginn seiner Tätigkeit wegen des fehlenden Kapitalbedarfs nicht möglich ist und er ihn ständig verschieben muss.
Soweit er meint, dass die Beklagte als Grundsicherungsträger ersatzweise in Anspruch genommen werden könne, verkennt er deren Aufgaben. Abgesehen davon, dass angesichts der vom Kläger vorgesehenen Summen von EUR 50.000,- bzw. sogar bis EUR 400.000,- durch das nur begrenzt auf höchstens zwei Jahre zu zahlende Einstiegsgeld in Höhe höchstens eines monatlichen Regelsatzes von EUR 345,- nicht annähernd ein relevantes Startkapital erreicht würde, dient das Einstiegsgeld nicht einer Kapitalsicherung. Die Beklagte als Hilfeträger wird vom Gesetzgeber nicht als Ersatzkreditinstitut eingesetzt. Das Einstiegsgeld soll vielmehr allein für die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit einen finanziellen Anreiz schaffen, wobei es nach dem Gesetzeswortlaut "bei" Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit zu zahlen ist. Da somit ein zeitlicher und sachlicher Zusammenhang bestehen muss, kann die Zahlung erst in Betracht kommen, wenn die Voraussetzungen zum Betreiben einer selbstständigen Tätigkeit erfüllt sind - also auch die erforderlichen Kredite zum Tätigkeitsbeginn vorliegen -, so dass das Einstiegsgeld nur ergänzend anfängliche Mindereinnahmen ausgleicht. Entgegen der Erwartung des Klägers ersetzt es somit nicht eine eigenständig zu schaffende Vorfinanzierung des Projektes, sondern soll der Sicherung seines Lebensunterhalts in der Startphase dienen. Soweit er meint, das von ihm vorgelegte Finanzkonzept, das seine Steuerberaterin unterzeichnet hat, belege seine Gewinnerwartung, ist diese Ansicht unzutreffend. Die Steuerberaterin hat nämlich ausdrücklich festgehalten, dass dem gesamten Konzept nur die vom Kläger selbst vorgelegten und ermittelten Zahlen, nicht aber - neutralen - von einer anderen Stelle - auch nicht von ihr - sachlich überprüfte Zahlen zu Grunde liegen, die also nur eigene Vorstellungen des Klägers darstellen.
Letztlich führt auch die vom Kläger am Verhandlungstag zugefaxte Offenlegungsschrift des Deutschen Patent - und Markenamtes zu keiner anderen Bewertung. Zum einen zeigt sie zwar, dass hinsichtlich der Anmeldung alles seinen Gang geht. Es ergibt sich hieraus aber bereits in zeitlicher Hinsicht, dass noch - wie von der WfG ebenfalls betont - Jahre vergehen dürften, bis das Amt eine Entscheidung trifft - mit offenem Ausgang. Denn der Kläger hatte seine Erfindung am 19.7.2005 angemeldet. Deren Offenlegungstag ist aber erst der 1.2.2007 gewesen - also bereits in diesem ersten Schritt (erster von drei Publikationsniveaus) erst nach ca. 1 3/4 Jahren. Darüber hinaus besagt die Offenlegungsschrift nichts in der Sache. Sie stellt nämlich lediglich die erste Veröffentlichung einer ungeprüften Patentanmeldung dar. Sie enthält - wie auch die vom Kläger hierzu gefaxten Unterlagen zeigen - nur die eigenen Angaben, Zeichnungen und Aufstellungen des Antragstellers, die nicht von einer fachlichen Seite geprüft worden sind und die der Kläger seinerseits wieder später aus dem Internet herausgezogen hat. Damit liegen insgesamt gesehen nicht die geringsten Anhaltspunkte dafür vor, dass es überhaupt zu einer Betriebsgründung kommen wird und dass der Kläger auf Grund einer selbstständigen Tätigkeit ein derart hohes Einkommen in absehbarer Zeit erzielen könnte, dass kein weiterer Hilfebedarf mehr besteht und die Beklagte keine Grundsicherungsleistungen - Arbeitslosengeld II - mehr erbringen muss. Der Kläger erfüllt mithin nicht diese Anspruchsvoraussetzung. Aus diesem Grund lässt es der Senat auch offen, ob die Zahlung des Einstiegsgeldes zur Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt erforderlich wäre - also die letzte Möglichkeit zur Integration dort darstellt, weil keine andere gegeben ist (vgl Spellbrink, aaO, Rn 26; Lauterbach, aaO, Rn. 15). Angesichts des Berufslebenslaufs des Klägers - soweit bekannt - bestehen erhebliche Zweifel, dass das Einstiegsgeld das allein geeignete Fördermittel zur Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt darstellen soll, weil der Kläger auch in einfachere Tätigkeiten mit geringerem Förderaufwand eingliederbar sein könnte und dürfte.
Angesichts der Tatsache, dass der Kläger somit bereits nicht die Anspruchsvoraussetzungen des § 29 Absatz 1 Satz 1 SGB II erfüllt, ist auch nicht mehr zu überprüfen, ob die Beklagte sein Ermessen fehlerfrei ausgeübt hat - was hier allerdings der Fall sein dürfte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Absatz 2 Nummern 1 und 2 SGG).22.06.2006
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