L 7 AY 331/07 PKH-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 2 AY 3885/06 PKH-A
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 AY 331/07 PKH-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Ulm vom 12. Dezember 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die gemäß § 173 Sätze 1 und 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen statthafte Beschwerde (§ 172 SGG), der das Sozialgericht Ulm (SG) nicht abgeholfen hat, ist zulässig. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Der Kläger hat für das Klageverfahren S 2 AY 2891/06 keinen Anspruch auf Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung seines Rechtsanwalts.

Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält PKH, wer nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne des § 114 ZPO verlangt eine gewisse Erfolgswahrscheinlichkeit; dabei sind freilich keine überspannten Anforderungen zu stellen (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG) BVerfGE 81, 347, 357). Eine hinreichende Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung ist regelmäßig zu bejahen, wenn der Ausgang des Klageverfahrens als offen zu bezeichnen ist. Dies gilt namentlich dann, wenn die Entscheidung in der Hauptsache von einer schwierigen, bislang nicht geklärten Rechtsfrage abhängt (vgl. BVerfG NJW 1997, 2102, 2103; Bundesgerichtshof NJW 1998, 1154; Bundesfinanzhof, Beschluss vom 27. November 1998 - VI B 120/98 (juris)) oder eine weitere Sachaufklärung, insbesondere durch Beweisaufnahme, ernsthaft in Betracht kommt (vgl. BVerfG NJW-RR 2002, 1069; NJW 2003, 2976, 2977). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

Der Kläger ist ehemaliger Asylbewerber aus dem Libanon, der sich mit seiner Familie seit dem Jahre 1991 im Bundesgebiet aufhält und seit der rechtskräftigen Asylablehnung im Jahre 1996 im Besitz von zeitlich befristeten, immer wieder verlängerten ausländerrechtlichen Duldungen ist. Er gehört damit zum Kreis der Leistungsberechtigten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG). Dementsprechend bezog er zunächst Leistungen nach §§ 3 ff. AsylblG - zum Teil neben Erwerbseinkommen -, dann von 8. Oktober 2004 bis 31. Dezember 2004 Arbeitslosenhilfe (Alhi) und zwischen dem 1. Januar 2005 und dem 30. Juni 2005 Leistungen nach § 2 AsylbLG in Verbindung mit dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII). Durch den streitbefangenen Bescheid vom 10. Februar 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. März 2005 wurden dem Kläger mit Wirkung ab 1. März 2005 bis 30. Juni 2005 - für die Zeit ab Juli 2005 ist unter dem 14. Juli 2005 ein neuer Leistungsbescheid ergangen - nur noch Leistungen nach §§ 3 ff. AsylbLG bewilligt mit der Begründung, er habe keinen Anspruch auf Weitergewährung der höheren Leistungen, weil er die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst habe. Der Beklagte stützt sich bei der Leistungsbeschränkung auf die teilweise unzutreffenden Angaben des Klägers im Rahmen der Asylantragstellung im Jahre 1991 sowie auf die Vorlage gefälschter Dokumente aus dem Libanon im Zusammenhang mit der Beantragung ausländerrechtlicher Duldungen für sich und seine Familienangehörigen im Zeitraum Mai 2000 bis November 2001; wegen des zuletzt genannten Verhaltens wurde der Kläger durch rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts Ulm vom 15. Mai 2006 (6 DS 24 Js 4566/05) wegen mittelbarer Falschbeurkundung in neun Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 90 Tagessätzen zu jeweils 8,-EUR verurteilt.

Die Leistungsbeschränkung ist bei summarischer Prüfung im Ergebnis rechtlich nicht zu beanstanden, denn der Kläger hat die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet missbräuchlich beeinflusst. Das Verhalten eines (ehemaligen) Asylbewerbers ist rechtsmissbräuchlich, wenn es erkennbar der Verfahrensverzögerung und somit der Verlängerung der Dauer des Aufenthalts dient, ohne durch einen wichtigen Grund gerechtfertigt zu sein (BSG, Urteil vom 8. Februar 2007 – B 9b AY 1/06 -, bislang nur als Medieninformation Nr. 4/07 vorliegend; so auch Beschluss des Senats vom 15. November 2005 - L 7 AY 4413/05 ER-B - SAR 2006, 33). Dabei muss das rechtsmissbräuchliche Verhalten tatsächlich kausal die Dauer des Aufenthalts beeinflusst haben (Mergler/Zink, SGB XII, Stand August 2004, § 2 AsylbLG Rdnrn. 26, 28) bzw. bei abstrakter Betrachtung jedenfalls hierzu geeignet sein (Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 20. Dezember 2005 – L 7 AY 40/05 - (juris)). Bei der Feststellung der Rechtsmissbräuchlichkeit der Beeinflussung des Aufenthalts ist grundsätzlich auf die gesamte Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet abzustellen (Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, a.a.O.; zur Vernichtung eines Passes, vgl. Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 8. Mai 2006 - L 20 B 14/06 AY ER - (juris)). Allerdings kann nach der Auffassung des Senats im Einzelfall ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Leistungsbeziehers in der Weise "verbraucht" sein, dass eine Leistungsbeschränkung hierauf nicht mehr gestützt werden kann. Diese Konstellation kann beispielsweise gegeben sein, wenn ein Ausländer, der sich seit (vielen) Jahren im Bundesgebiet aufhält, darauf vertrauen darf, ein lange zurückliegendes, behördlicherseits bekanntes Verhalten werde ihm bei zukünftigen Bewilligungen nicht (mehr) leistungsmindernd entgegengehalten. Ein Verbrauch von Anknüpfungstatbeständen für eine Leistungskürzung (vgl. entsprechend zum Verbrauch von Ausweisungsgründen, Oberverwaltungsgericht des Saarlandes, Beschluss vom 25. Oktober 2006 - 1 Q 29/06 – m.w.N. (juris)) rechtfertigt sich aus dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung, die einem Asylbewerber und anderen Ausländern mit nicht oder wenig verfestigtem Aufenthaltsrecht zunächst nur Grundleistungen nach §§ 3 ff. AsylbLG zugesteht, die weit unter dem Sozialhilfeniveau liegen. Erst nach dreijährigem Leistungsbezug erhält dieser Personenkreis "Analogleistungen" nach dem SGB XII, jedoch unter der Einschränkung, dass die Aufenthaltsdauer nicht rechtsmissbräuchlich beeinflusst worden sein darf. Ein Ausländer soll danach im Regelfall nach drei Jahren aus Gründen der Integration und der Wahrung des soziokulturellen Existenzminimums nur noch unter engen Voraussetzungen auf die Grundleistungen der §§ 3 ff. AsylbLG verwiesen werden dürfen. Mit dieser Intention der Regelung wäre es unvereinbar, den (Ausnahme-) Tatbestand der Rechtsmissbräuchlichkeit uferlos zu fassen mit der Folge, dass einem Leistungsempfänger Verstöße und Verfehlungen aus der Vergangenheit gewissermaßen zeitlich unbegrenzt leistungsmindernd - unter dauerhafter Unterschreitung des Existenzminimums - entgegengehalten werden könnten.

Hiervon ausgehend bedarf keiner Vertiefung, ob die Rechtsmissbräuchlichkeit vorliegend (allein) auf die Angaben des Klägers im Zusammenhang mit der Asylantragstellung im Jahre 1991 in Verbindung mit dem Verhalten bei Stellung der Duldungsanträge in den Jahren 2000 bis 2001 gestützt werden durfte. Denn bei summarischer Prüfung hat der Kläger im hier streitigen Leistungszeitraum 1. März 2005 bis 30. Juni 2005 nicht in hinreichendem Maße an der Beschaffung von Ausweispapieren und Rückreisedokumenten mitgewirkt (vgl. hierzu auch Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, a.a.O.). So hat sich der Kläger, wie das Landratsamt B. im angefochtenen Widerspruchsbescheid vom 15. März 2006 unwidersprochen ausgeführt hat, noch in diesem Zeitraum gegenüber der Ausländerbehörde geweigert, eine Erklärung zu unterschreiben, wonach die Familie verpflichtet sei, bei der Passbeschaffung mitzuwirken. In diesem Kontext dürfte auch die Rücknahme der vor dem Verwaltungsgericht Sigmaringen (VG) erhobenen Klage des Klägers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) von Belang sein, die nach Aktenlage vor dem Hintergrund erfolgte, dass das angerufene VG in der mündlichen Verhandlung vom 21. November 2006 zu erkennen gab, es teile die im Ablehnungsbescheid vertretene Auffassung der Ausländerbehörde, dass der Kläger nicht ausreichend an der Beschaffung von Rückreisedokumenten mitgewirkt habe, worauf der Kläger am 15. Januar 2007 nochmals die libanesische Botschaft in Berlin zu diesem Zwecke aufsuchte. Verbleibt es damit jedenfalls für den hier relevanten Bewilligungszeitraum an einem anknüpfbaren rechtsmissbräuchlichen Verhalten, so hat die Rechtsverfolgung auch nach der Auffassung des Senats keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.

Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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