L 10 AL 223/02

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 8 AL 764/95
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 10 AL 223/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichtes Nürnberg vom 30.01.2002 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt die Bewilligung einer individuellen Förderung der beruflichen Fortbildung.

Der 1944 geborene und bereits zu dieser Zeit in St.O./Niederlanden wohnhafte Kläger beantragte am 11.09.1987 die Förderung zur Teilnahme an einer Maßnahme der beruflichen Fortbildung (Lehrgang zur Befähigung zum Sachbearbeiter im Personal-, Sozial- und Betriebswirtschaftswesen für die Zeit vom 01.10.1987 bis 29.07.1988 in D.).

Dies lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 11.09.1987 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.10.1987 ab, weil der Kläger in den letzten drei Jahren vor Beginn der Maßnahme weder eine versicherungspflichtige Beschäftigung von zwei Jahren ausgeübt noch Arbeitslosengeld (Alg) bezogen hatte. Die hiergegen erhobene Klage endete vor dem Sozialgericht Dortmund (S 26 Ar 332/90) mit einem Überprüfungsvergleich, in dem die Beklagte sich verpflichtete, über den Antrag des Klägers unter Beachtung der Rechtsprechung des EuGH erneut zu entscheiden. In Ausführung des Vergleiches vom 21.01.1991 vor dem SG Dortmund lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 06.11.1991 die Bewilligung der Fortbildungsmaßnahme erneut ab. Der Kläger erfülle zwar grundsätzlich die Voraussetzungen des § 44 Abs 2a AFG für den Bezug von Unterhaltsgeld (Uhg). Leistungen würden jedoch nur an Antragstellern erbracht, die innerhalb der letzten drei Jahre vor Beginn der Maßnahme für mindestens zwei Jahre eine beitragspflichtige Beschäftigung ausgeübt haben. Diese Voraussetzung erfülle der Kläger jedoch nicht. Dieser Sachverhalt sei auch unter Beachtung des Urteils des EuGH vom 04.06.1987 nicht anders zu beurteilen. Der Bezug von Leistungen der Arbeitsförderung in einem anderen EG-Mitgliedsstaat - auch wenn er auf einer vorhergehend beitragspflichtigen Beschäftigung beruhe - könne nicht herangezogen werden, um die Voraussetzungen des § 46 Abs 1 Satz 1 AFG zu erfüllen.

Den Widerspruch des Klägers vom 12.12.1991 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 07.04.1992 als unbegründet zurück und bestätigte ihre Verwaltungsentscheidung.

Dagegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben und zur Begründung vorgetragen, dass die Zeiten des Leistungsbezuges nach niederländischem Recht wie Beschäftigungsbzw. Versicherungszeiten zu behandeln wären, und einen Anspruch auf Förderleistungen begründen würden, da die vergleichbaren Zeiten bei einem Arbeitslosen, der nach deutschem Recht Leistungen bezogen hatte, ebenfalls eine anspruchsbegründende Voraussetzung darstellen können. Insofern seien die Zeiten des Leistungsbezuges - soweit sie Ansprüche begründen können - in den Schutz der Arbeitslosenversicherung einbezogen, womit sie die Beklagte zu berücksichtigen habe.

Das SG hat mit Urteil vom 30.01.2002 die Klage abgewiesen. Der Kläger habe zwar - unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 12.06.1986 Rs 1/85 - Rechtssache "Miethe") - nach seinen persönlichen Umständen grundsätzlich die Voraussetzungen für den Bezug von Leistungen der Arbeitsförderungen nach deutschem Recht erfüllt, da er als arbeitsloser (untypischer) Grenzgänger seinen Wohnsitz in den Niederlanden lediglich aus familiären Gründen gewählt habe, die Chancen für seine Eingliederung aufgrund seines beruflichen Werdegangs in den deutschen Arbeitsmarkt jedoch wesentlich günstiger erschienen. Der EuGH habe den Leistungsberechtigten, die nicht, d.h. untypische Grenzgänger seien, jedoch lediglich ein Auswahlrecht für die Inanspruchnahme der Leistungen bei Arbeitslosigkeit zugesprochen. Dieses Wahlrecht habe der Kläger mit der Inanspruchnahme der niederländischen Arbeitslosenunterstützung verbraucht, so dass er nicht im Nachhinein Leistungen nach deutschem Recht beanspruchen könne. Auch verlange die Rechtsprechung des EuGH nicht zwingend die Unterstützung bei der beruflichen Eingliederung untypischer Grenzgänger, soweit diese in ihrem Wohnsitzstaat Leistungen der Arbeitslosenunterstützung in Anspruch genommen haben.

Der Kläger hat am 10.06.2002 Berufung beim Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Er vertritt die Auffasung, dass Leistungen bei Arbeitslosigkeit in Form von Entgeltersatzleistungen von der Förderung bei Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt zu unterscheiden seien. Auf letztere habe er Anspruch, da er nicht anders behandelt werden dürfte als inländische Arbeitnehmer. Ihm haben daher die gleichen sozialen und steuerlichen Vergünstigungen wie inländischen Arbeitnehmern zu Gute zu kommen.

Der Kläger beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 06.11.1991 und den Widerspruchsbescheid vom 07.04.1992 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger für seine Teilnahme an der Fortbildungsmaßnahme "Befähigung zum Sachbearbeiter im Personal-, Sozial- und Betriebswirtschaftswesen" der Sozialakademie D. vom 01.10.1987 bis 31.07.1988 Förderleistungen nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend.

Zum Vorbringen der Beteiligten im Einzelnen und zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der beigezogenen Beklagtenakte, die Akten des SG Nürnberg und des Bayer. Landessozialgerichtes sowie auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze Bezug genommen.

II.

Die form- und fristgerechte Berufung (§§ 143, 144, 153 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) ist zulässig.

Das Landessozialgericht kann, außer in den Fällen des § 105 Abs 2 Satz 1, die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vorher zu hören.

Eine mündliche Verhandlung hat der Senat nicht für erforderlich gehalten und die Beteiligten hatten nach dem gerichtlichen Hinweis vom 26.10.2006 Gelegenheit bis 01.12.2006 zu einer Entscheidung durch Beschluss Stellung zu nehmen. Mit Schriftsatz vom 01.12.2006 hat sich die Klägerseite inhaltlich geäußert, aber keine Einwendungen gegen eine Entscheidung durch Beschluss erhoben.

Das Rechtsmittel gegen das Urteil des SG erweist sich jedoch als nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Förderleistungen zur Durchführung einer Fortbildungsmaßnahme, da er für den Zeitraum Oktober 1987 bis Juli 1988 wegen des zeitgleichen Bezuges der niederländischen Arbeitslosenunterstützung keine Leistungen nach dem deutschen Arbeitsförderungsrecht in Anspruch nehmen konnte.

Teilnehmern an Maßnahmen zur beruflichen Fortbildung mit ganztägigem Unterricht wird ein Unterhaltsgeld gewährt, § 44 Abs 1 Satz 1; Abs 2; Abs 2a AFG (idF des Gesetzes vom 20.12.1985). Die Leistungen nach § 44 Abs 2, 2a und 2b sowie nach § 45 werden Antragstellern gewährt, die innerhalb der letzten drei Jahre vor Beginn der Maßnahme mindestens zwei Jahre lang eine die Beitragspflicht begründende Beschäftigung ausgeübt oder Alg aufgrund eines Anspruchs von einer Dauer von mindestens 156 Tagen oder im Anschluss daran Alhi bezogen haben, § 46 Abs 1 Satz 1 AFG.

Der Kläger hätte, worauf das SG zu Recht hingewiesen hat, trotz seines Wohnsitzes in den Niederlanden nach Art 71 Abs 1 Buchst. b) i) der Verordnung Nr 1408/71 des Rates der Europäischen Gemeinschaften (EWG-VO) als untypischer Grenzgänger einen Anspruch auf die Bewilligung von Alg bzw. Alhi nach dem deutschen Arbeitsförderungsrecht gehabt (Beschäftigungsstaat), so dass ihm in der Folge auch Leistungen der Fortbildung und Wiedereingliederung nach deutschem Recht zu bewilligen gewesen wären. Andererseits bestand für den Kläger auch die Möglichkeit, nach Art 71 Abs 1 Buchst. b) ii) EWG-VO Nr 1408/71 Leistungen des niederländischen Versicherungsträgers in Anspruch zu nehmen.

Nach den unwidersprochenen Feststellungen des SG im Urteil vom 30.01.2002 hat der Kläger - nach eigenen Angaben - vom 01.07.1986 bis 30.12.1986 Alg (www.-uitkering) des niederländischen Versicherungsträgers GAK V. und vom 31.12.1986 bis 31.12.1988 Alhi (www.-uitkering) der niederländischen Wohnsitzgemeinde St. O. bezogen.

Der Kläger hat daher von seinem Wahlrecht insoweit Gebrauch gemacht und Leistungen bei Arbeitslosigkeit in seinem Wohnsitzstaat (Niederlande) geltend gemacht, womit er sich dem dortigen Arbeitsmarkt zur Verfügung gestellt hat.

Mit diesem Bezug von Arbeitslosenunterstützung nach niederländischem Recht hat der Kläger - worauf das SG unter Hinweis auf die Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache "Miethe" zutreffend abstellt - sein Wahlrecht verbraucht, so dass die Beklagte nicht verpflichtet ist, an den Kläger auch Leistungen der Arbeitsförderung nach deutschem Recht zu erbringen.

Zur Begründung der Entscheidung wird im Weiteren auf die ausführlichen und zutreffenden Entscheidungsgründe des Urteils vom 30.01.2002 Bezug genommen, § 153 Abs 2 SGG. Insoweit wird von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen.

Ergänzend zum Vortrag des Klägers aus dem Schriftsatz vom 02.12.2006 ist auszuführen, dass dieses Vorbringen keine andere Betrachtungsweise zulässt.

Entgegen der Auffassung des Klägers bezieht sich das Wahlrecht, Leistungen bei Arbeitslosigkeit in Anspruch zu nehmen, nicht auf einzelne Aspekte des Leistungskataloges, den ein Mitgliedsstaat für den Fall der Arbeitslosigkeit anbietet, so dass dem Leistungsempfänger frei stände, sich die jeweils günstigsten Regelungen eines Leistungsakataloges eines Mitgliedsstaates zu wählen.

Mit der Inanspruchnahme des Wahlrechtes kann der Kläger daher nur innerhalb des gewählten Leistungssystems Ansprüche für den streitgegenständlichen Zeitraum (Oktober 1987 bis Juli 1988) geltend machen, so dass er für diesen Zeitraum allein auf die Leistungen des niederländischen Versicherungsträgers zu verweisen ist.

Die Auffassung des Klägers, die Leistungen zur Fortbildung und zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt seien getrennt von Ansprüchen auf Entgeltersatzleistungen zu sehen und nur letzere seien Leistungen bei Arbeitslosigkeit, während erstere als Maßnahmen der Wiedereingliederung anzusehen seien, womit dem Kläger ein weiteres Wahlrecht eröffnet würde, steht mit der Rechtsprechung des EuGH nicht in Einklang.

Bereits in der Rechtssache "Campana" (Vorabentscheidung des EuGH vom 04.06.1987; Rs 375/85) hat der Europäische Gerichtshof klargestellt, dass als Leistungen bei Arbeitslosigkeit iSd Art 4 Abs 1 lit. g EWG-VO Nr 1408/71 sämtliche Leistungen zu verstehen sind, die ein Mitgliedsstaat im Falle der Arbeitslosigkeit an Leistungsempfänger erbringt, d.h. nicht nur Entgeltersatzleistungen, sondern auch Leistungen, die zur Beendigung der Arbeitslosigkeit geeignet sind, wie Fortbildungsmaßnahmen oder Förderprogramme zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt, die der Kläger für sich in Anspruch nehmen will.

Auch die Argumentation des Klägers, der Bezug der niederländischen Arbeitslosenunterstützung sei als anspruchsbegründender Tatbestand für den Bezug von Leistungen der Fortbildung nach deutschem Recht zu berücksichtigen, lässt keine andere Beurteilung zu.

Die Rechtsprechung des EuGH (Vorabentscheidung vom 13.03.1997 Rs 131/95 - Rechtssache "Huijbrechts") stellt lediglich darauf ab, dass derartige Anspruchsvoraussetzungen für den zeitlich aufeinanderfolgenden Bezug von Sozialleistungen in den Mitgliedsstaaten der EU so zu behandeln seien, als ob sie in dem Staat erfüllt worden wären, dessen Leistungen in Anspruch genommen werden sollen.

Sie stellt jedoch keine Rechtfertigung dar, dass der Kläger zeitgleich die Leistungen zweier Mitgliedstaaten bei Arbeitslosigkeit in Anspruch nehmen kann, wie dies der Kläger durch den Bezug der Entgeltersatzleistungen nach niederländischem Recht und die Förderung der beruflichen Weiterbildung nach deutschem Recht für den Zeitraum Oktober 1987 bis Juli 1988 fordert.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs 2 iVm § 153 Abs 4 Satz 3, § 158 Satz 3 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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