L 7 B 24/07 AS ER C

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 1 AS 756/06 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 B 24/07 AS ER C
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Die Anhörungsrüge gegen den Beschluss des Bayer. Landessozialgerichts vom 14. Dezember 2006 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten wegen der Gewährung von Einstiegsgeld.

Wegen des Sachverhalts wird zunächst voll umfänglich auf Abschnitt I der Gründe des Senatsbeschlusses vom 14. Dezember 2006 Bezug genommen; auf eine erneute Darstellung wird insoweit verzichtet.

Mit besagtem Beschluss vom 14. Dezember 2006 hat der Senat die Beschwerde des Beschwerdeführers (Bf.) gegen den Beschluss des Sozialgerichts Augsburg vom 16. Oktober 2006 zurückgewiesen. Er hat sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund verneint.

Mit Schriftsatz vom 12. Dezember 2006 (beim Bayer. Landessozialgericht eingegangen am 15. Dezember 2006) hat der Bf. seine Klagebegründung ergänzt, wobei er u.a. versucht hat, das Klärschlammprojekt näher zu erläutern.

Mit Schriftsatz vom 7. Januar 2007 (beim Bayer. Landessozialgericht eingegangen am 8. Januar 2007) hat der Bf. eine Anhörungsrüge erhoben. Das Bayer. Landessozialgericht, so der Bf. sinngemäß, habe gegen den Grundsatz rechtlichen Gehörs verstoßen, indem es einerseits seinen Schriftsatz vom 12. Dezember 2006 nicht zur Kenntnis genommen habe, andererseits kurzfristig und ohne mündliche Verhandlung entschieden habe, so dass es ihm nicht möglich gewesen sei, rechtzeitig Stellung zu nehmen. Zudem macht der Bf. weitere Ausführungen in der Sache.

Er beantragt sinngemäß, das Bayer. Landessozialgericht möge das Verfahren L 7 B 864/06 AS ER fortführen und ihm Einstiegsgeld vorläufig gewähren.

Die Beschwerdegegnerin (Bg.) hat sich zu der Anhörungsrüge nicht geäußert.

II.

Die Anhörungsrüge des Bf. ist zwar zulässig. Insbesondere ist die Rüge statthaft, die zweiwöchige Rügefrist nach § 178a Abs.2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gewahrt und hat der Bf. hinreichend dargelegt, aus welchen tatsächlichen Umständen er eine Verletzung des rechtlichen Gehörs ableitet (vgl. § 178a Abs.2 Satz 6 SGG).

Die Rüge hat aber dennoch keinen Erfolg, weil sie unbegründet ist; sie ist demgemäß zurückzuweisen (§ 178a Abs.4 Satz 2 SGG). Denn der Senat hat im Rahmen des Verfahrens, das zum Erlass des Beschlusses vom 14. Dezember 2006 geführt hat, nicht gegen das verfassungsrechtliche Gebot rechtlichen Gehörs verstoßen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts soll das Gebot des rechtlichen Gehörs als Prozessgrundrecht sicherstellen, dass die erlassene Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, welche ihren Grund in der unterlassenen Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Parteien haben (BVerfGE 50, 32 (35); 53, 219 (222)). Die Gewährleistung des rechtlichen Gehörs dient damit dem Ziel, einen effektiven Rechtsschutz zu sichern (vgl. BVerfGE 81, 123 (129)). Art.103 Abs.1 Grundgesetz (GG) gibt dem Beteiligten grundsätzlich ein Recht darauf, dass er Gelegenheit erhält, sich zu dem einer gerichtlichen Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt zu äußern (BVerfGE 1, 418 (429); st. Rspr.). Rechtliches Gehör sichert, dass die Parteien mit Ausführungen und Anträgen gehört werden (BVerfGE 107, 395 (409)). Da es dem Betroffenen ermöglichen soll, auf eine bevorstehende gerichtliche Entscheidung Einfluss zu nehmen, muss in der Regel vor deren Erlass hinreichend Gelegenheit zur Äußerung gegeben werden (vgl. BVerfGE 9, 89 (96)). Jedoch stellt das rechtliche Gehör keinen Selbstzweck dar. Deshalb muss die angegriffene Gerichtsentscheidung auf dem Verstoß gegen Art.103 Abs.1 GG beruhen. Von einem Beruhen kann dann ausgegangen werden, wenn sich nicht ausschließen lässt, dass bei Unterbleiben des Verstoßes eine günstigere Entscheidung ergangen wäre (vgl. BVerfGE 7, 239 (241); 13, 132 (145); 19, 142 (144); st. Rspr.). § 178a Abs.1 Satz 1 Nr.2 SGG hat diese Voraussetzung übernommen, indem er die "Entscheidungserheblichkeit" der Gehörverletzung verlangt.

Indem der Bf. ein sozialgerichtliches Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz betrieben hat, hat er selbst sein Begehren als besonders dringlich ausgewiesen.

Mit dieser besonderen Eilbedürftigkeit geht einher, dass § 86b SGG den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit die Möglichkeit gibt, vorläufige Regelungen zu treffen, um in Dringlichkeitsfällen "erste Abhilfe" zu schaffen. In diesem Eilverfahren dominiert der Zeitfaktor. Dem trägt das Prozessrecht dadurch Rechnung, dass es im Hinblick auf die Ermittlungsbreite und -tiefe Abstriche zulässt. So genügt im Rahmen der Sachverhaltsfeststellung die Glaubhaftmachung von Tatsachen. Auch kann sich das Gericht grundsätzlich mit einer summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage begnügen. Der Vorrang der Zeitnähe findet aber auch darin seinen Niederschlag, dass die Entscheidung zumeist ohne mündliche Verhandlung ergeht. Zudem wird die Korrespondenz zu Ermittlungszwecken im Vorfeld einer Entscheidung grundsätzlich auf das Notwendigste beschränkt.

In Anbetracht dessen war der Senat nicht gehalten, seine Entscheidung aufzuschieben und auf eventuelle weitere Äußerungen des Bf. zu warten. Dieser hatte sich bereits in seinem Rügeschriftsatz vom 23. Oktober 2006 sehr ausführlich und informativ geäußert; der von ihm vertretene Standpunkt lag deshalb bereits offen. Damit hat der Bf. in hinreichendem Maß Gelegenheit erhalten - und diese auch wahrgenommen -, sich zu artikulieren und auf das Verfahren Einfluss zu nehmen. Insbesondere hat er nicht angekündigt, er wolle unbedingt noch Ausführungen nachschieben; vielmehr hat er das Gericht lediglich gebeten, ihm einen Hinweis zu erteilen, falls noch ergänzender Vortrag erforderlich sein sollte. Nachdem die Bg. sich bei ihrer Gegenäußerung nicht neuerlich zur Sache geäußert hatte, bestand für den Senat kein Anlass, eine "Replik" des Bf. abzuwarten.

Auch war der Senat nicht gehalten, eine mündliche Verhandlung anzuberaumen (vgl. Schoch, in: Ders./Schmidt-Aßmann/Pietzner, Verwaltungsgerichtsordnung, § 80 Rdnr.353). Das gilt um so mehr, als kein weiterer Ermittlungsbedarf mehr bestand; insoweit wird auf die obigen Ausführungen verwiesen. Daran vermag nichts zu ändern, dass der Bf. in seinem Schriftsatz vom 23. Oktober 2006 um "baldmöglichste mündliche Terminanberaumung" gebeten hatte. Das Gebot rechtlichen Gehörs hat nicht verlangt, den Bf. vor der Entscheidung zu informieren, es werde nicht zu einer mündlichen Verhandlung kommen, geschweige denn seiner Bitte zu entsprechen.

Der Vortrag des Bf. im Rügeverfahren steht im Widerspruch zu seinem prozessualen Verhalten: Wenn er schon ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes initiiert und es nicht bei einer erstinstanzlichen Entscheidung bewenden lässt, muss er damit rechnen, dass einerseits rasch und andererseits ohne mündliche Verhandlung - wie es die Regel ist - entschieden wird. Dieses Vorgehen kann den Bf. auch nicht überrascht haben. Denn seine Schriftsätze vermitteln den Eindruck, als sei er rechtlich informiert und im Umgang mit Gerichten geübt und sehr versiert.

Bei diesem Ergebnis - dass kein Verstoß gegen das Gebot rechtlichen Gehörs gegeben ist - kann dahinstehen, ob der Beschluss des Senats vom 14. Dezember 2006 auf der vom Bf. gerügten Praxis beruht. Der Vollständigkeit halber sei der Bf. darauf hingewiesen, dass sein Schriftsatz vom 12. Dezember 2006 nichts enthält, was zu einer abweichenden Entscheidung hätte führen können.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist nicht weiter anfechtbar (§ 178a Abs.4 Satz 3 SGG).
Rechtskraft
Aus
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