L 11 B 51/07 AS ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
11
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 10 AS 965/06 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 B 51/07 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Nürnberg vom 08.12.2006 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Streitig sind Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II - Alg II -) gemäß dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit ab 01.07.2006.

Die Antragstellerin bewohnt zusammen mit N. S. (im Folgenden S) eine Dreizimmerwohnung. Seit 01.01.2005 bezog sie Alg II ohne Berücksichtigung einer eheähnlichen Gemeinschaft (Bewilligungsbescheid vom 14.12.2005 für die Zeit vom 01.01.2006 bis 30.06.2006). Bei einem Hausbesuch stellte die Antragsgegnerin fest, dass sämtliche Räume der Wohnung - so auch das Schlafzimmer - gemeinsam genutzt würden. Das der Antragstellerin angeblich zugeteilte Zimmer machte den Eindruck einer Abstellkammer. Die Antragstellerin koche, putze und wasche nach ihren Angaben für S. Mit Bescheid vom 11.05.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.07.2006 nahm die Antragsgegnerin die Bewilligung von Alg II für die Zeit vom 01.01.2005 bis 30.06.2006 zurück. Die hiergegen erhobene Klage ist erfolglos geblieben (Urteil des Sozialgerichts Nürnberg - SG - vom 15.11.2006). Hiergegen hat die Antragstellerin Berufung eingelegt.

Am 05.07.2006 hat sie die Weiterbewilligung von Alg II ab 01.07.2006 beantragt. Diesen Antrag lehnte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 23.08.2006 ab. Die Antragstellerin habe trotz Aufforderung Unterlagen und Nachweise ihres Partners nicht übersandt. Über den hiergegen eingelegten Widerspruch ist bislang nicht entschieden.

Am 14.11.2006 hat die Antragstellerin den Erlass einer einstweiligen Anordnung dahingehend begehrt, ihr bis zur Rechtskraft einer Entscheidung über den Bescheid vom 23.08.2006 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Höhe von 480,71 EUR monatlich ab dem frühestmöglichen Zeitpunkt zu gewähren. Eine eheähnliche Gemeinschaft liege nicht vor. Auch eine Bewilligung auf Darlehensbasis sei mit Bescheid vom 27.09.2006 abgelehnt worden. Sie habe weder Einkünfte noch verwertbares Vermögen. Gemeinsame Konten mit S bestünden nicht. Das Mietverhältnis sei durch S zwischenzeitlich zum 28.02.2007 gekündigt worden. Mit Beschluss vom 08.12.2006 hat das SG den Antrag abgelehnt und zur Begründung auf das Urteil vom 15.11.2006 Bezug genommen. Die Überzeugung des Gerichts könne auch durch die ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses nicht erschüttert werden.

Zur Begründung der dagegen zum Bayer. Landessozialgericht eingelegten Beschwerde hat sich die Antragstellerin auf den bisherigen Vortrag berufen. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogene Akte der Antragsgegnerin, die Gerichtsakten des Sozialgerichts Nürnberg S 19 AS 671/06, S 5 AS 543/06 ER sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) ist zulässig. Das SG hat ihr nicht abgeholfen (§ 174 SGG). Das Rechtsmittel erweist sich jedoch nicht als begründet.

Streitgegenstand ist dabei allein die Ablehnung der begehrten Leistungen mangels Mitwirkung gemäß § 66 SGB I mit Bescheid vom 23.08.2006. Zulässige Klageart bzw Rechtsbehelf gegen einen solchen Bescheid ist allein die reine Anfechtungsklage bzw der Anfechtungswiderspruch (§ 54 SGG; vgl BSG SozR 1200 § 66 Nrn 3, 13 und zuletzt BSG, Urteil vom 20.10.2005 - B 7a/7 AL 102/04 R). Die Antragsgegnerin hat nämlich keine Beweislastentscheidung getroffen, sie ist vielmehr allein gemäß § 66 SGB I vorgegangen. Damit kann die Antragstellerin nicht auf Leistung klagen, sondern lediglich die Aufhebung des angegriffenen Bescheides begehren. Hat sie damit Erfolg, so muss die Antragsgegnerin anschließend erneut über das Bestehen des Anspruches entscheiden und kann ggf. erneut die Leistung gemäß § 66 SGB I ablehnen.

Vorläufiger Rechtsschutz kann damit allein im Wege der Anordnung der aufschiebenen Wirkung gewährt werden. Dies führt aber vorliegend für die Antragstellerin nicht zu den von ihr gewünschten Ergebnis einer vorläufigen Leistung von Alg II.

Zur vorläufigen Leistungserbringung kann die Antraggegnerin allenfalls aufgrund des noch nicht verbeschiedenen Antrages auf Leistungen verpflichtet werden. Dabei kann hier offen bleiben, ob ein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz zulässig ist, wenn die Antragsgegnerin über diesen Antrag noch nicht entschieden hat. Nach § 86b Abs 3 SGG sind solche Anträge zwar schon vor Klageerhebung zulässig. Allerdings wird im Regelfall bereits eine Entscheidung der Antragsgegnerin über einen Antrag vorliegen müssen.

Unabhängig hiervon ist jedoch ein solcher Antrag mangels Vorliegens eines Anordnungsgrundes nicht erfolgreich.

Rechtsgrundlage für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis stellt im vorliegenden Rechtstreit § 86b Abs 2 Satz 2 SGG dar.

Hiernach ist eine Regelung zulässig, wenn sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das ist etwa dann der Fall, wenn dem Ast ohne eine solche Anordnung schwere und unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile entstehen, zu deren Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (so BVerfG vom 25.10.1988 BVerfGE 79, 69/74, vom 19.10.1997 BVerfGE 46, 166/179 und vom 22.11.2002 NJW 2003, 1236; Niesel, Der Sozialgerichtsprozess, 4.Aufl, RdNr 643).

Die Regelungsanordnung setzt das Vorliegen eines Anordnungsgrundes - das ist in der Regel die Eilbedürftigkeit - und das Vorliegen eines Anordnungsanspruches - das ist der materiell-rechtliche Anspruch, auf den er sein Begehren stützt - voraus. Die Angaben hierzu hat der Ast glaubhaft zu machen (§ 86b Abs 2 Satz 2 und 4 SGG iVm § 920 Abs 2, § 294 Zivilprozessordnung - ZPO -; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG 8.Aufl, § 86b RdNr 41).

Zwischen Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch besteht dabei eine Wechselbeziehung. An das Vorliegen des Anordnungsgrundes sind dann weniger strenge Anforderungen zu stellen, wenn bei der Prüfung der Sach- und Rechtslage im vom BVerfG vorgegebenen Umfang (BVerfG vom 12.05.2005 Breithaupt 2005, 803 = NVwZ 2005, 927, NDV-RD 2005, 59) das Obsiegen in der Hauptsache sehr wahrscheinlich ist. Ist bzw. wäre eine in der Hauptsache erhobene Klage offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist wegen des fehlenden Anordnungsanspruches der Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen. Sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache offen, kommt dem Anordnungsgrund entscheidende Bedeutung zu. Soweit existenzsichernde Leistungen in Frage stehen, sind die Anforderungen an den Anordnungsgrund und den Anordnungsanspruch weniger streng zu beurteilen. In diesem Fall ist ggf. auch anhand einer Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange des Ast zu entscheiden (vgl. BVerfG vom 12.05.2005 Breithaupt 2005, 803 = NVwZ 2005, 927, NDV-RD 2005, 59 und vom 22.11.2002 NJW 2003, 1236; zuletzt BVerfG vom 15.01.2007 - 1 BvR 2971/06 -).

Es sind hier keine Anhaltspunkte dafür zu erkennen, weshalb ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache der Antragstellerin nicht zumutbar ist. Es liegt nämlich allein an ihr bzw an ihrem Partner, die für eine Entscheidung notwendigen Angaben zu machen, denn im vorliegenden Rechtsstreit ist von einer eheähnlichen Gemeinschaft auszugehen.

Gemäß § 9 Abs 2 Satz 1 SGB II sind bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Wer zur Bedarfsgemeinschaft gehört, ergibt sich dabei aus § 7 Abs 2 SGB II. Das ist insbesondere auch die Person, die mit dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einer eheähnlichen Gemeinschaft lebt (§ 7 Abs 3 Nr 3 Buchst b SGB II in der bis zum 31.07.2006 geltenden Fassung, wie sie für den hier einschlägigen Bewilligungszeitraum bis 30.06.2006 anzuwenden ist).

Der Begriff der eheähnlichen Gemeinschaft ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der dem Leistungsträger kein Ermessen bie der Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen einräumt und dessen Auslegung durch den leistungsträger der vollen gerichtlichen Prüfung unterliegt. Durch die leistungsrechtliche Gleichstellung des Partners einer eheähnlichen Gemeinschaft mit dem nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten (§ 7 Abs 3 Nr 3 Buchst a SGB II) und dem nicht dauern getrennt lebenden Lebenspartner (§ 7 Abs 3 Nr 3 Buchst c SGB II) erfüllt der Gesetzgeber seine Verpflichtung aus Art 6 Abs 1 Grundgesetz (GG), Ehe und Familie dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung zu unterstellen.

Vor diesem Hintergrund ist der Begriff der eheähnlichen Gemeinschaft auszulegen, weil sich eine gesetzliche Definition bislang nicht findet. Da mit In-Kraft-Treten des SGB II als Art 1 des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 (BGBl I S 2954) die bisherige Arbeitslosenhilfe, zuletzt geregelt im Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III), und die bisherige Sozialhilfe nach dem Bundessozialhilfegesetz in eine Grundsicherung für Arbeitssuchende für den in § 7 SGB II beschriebenen Personenkreis zusammengeführt worden ist (dazu BT-Drs. 15/1516 S 41 ff), bezieht der Senat in die Auslegung des Begriffes der eheähnlichen Gemeinschaft die bisherige Rechtsprechung zum Arbeitslosenversicherungsrecht und zum Sozialhilferecht ein.

Eheähnlich ist die Verbindung zweier Partner unterschiedlichen Geschlechts, wenn sie auf Dauer angelegt ist, daneben keine weitere Lebensgemeinschaft gleicher Art zulässt und sich durch innere Bindungen auszeichnet, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner füreinander begründet, also über die Beziehungen einer reinen Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgehen (so insbesondere BVerfG vom 17.11.1992 BVerfGE 87, 234/264 zum früheren § 137 Abs 2 a AFG und vom 04.12.2004 NJW 2005, 462; BSG vom 24.04.1998 SozR 3-4100 § 119 Nr 15 und vom 17.10.2002 SozR 3-4100 § 119 Nr 26; BVerwG vom 17.05.1995 BVerwGE 98, 195 zum früheren § 122 BSHG in st.Rspr). Der Senat hält zudem bei verfassungsgemäßer Auslegung der Vorschrift eine eheähnliche Gemeinschaft auch zwischen gleichgeschlechtlichen Partnern für möglich (BayLSG vom 14.06.2005 ZFSH/SGB 2005, 609), aber eine Berücksichtigung als eheähnliche Gemeinschaft aus verfassungsrechtlichen Gründen auch nicht zwingend für geboten (BayLSG vom 10.10.2005 Az: L 10 AS 22/05 mwN).

Ob eine eheähnliche Gemeinschaft vorliegt, ist anhand einer Gesamtwürdigung von Hinweistatsachen zu beurteilen. Solche - nicht abschließend aufzühlbaren (vgl LSG NRW vom 21.04.2005, Breith 2005, 788 und vom selben Tag Az: L 9 B 4/05 SO ER) - Indizien können sich u.a. aus der Dauer des Zusammenlebens ergeben. Zur Beurteilung, wann eine derartige Beziehung als dauerhaft verfestigt bewertet werden kann, bot sich aus Sicht des Bundessozialgerichts (BSG) eine Orientierung an den Vorschriften des BGB an, die - gewissermaßen für den umgekehrten Fall - das Scheitern einer Ehe erst nach dreijähriger Trennung unwiderlegbar vermuten; dies lege nahe, diesen Gedanken insoweit nutzbar zu machen, als erst eine dreijährige Dauer der Beziehung genügende Ernsthaftigkeit und Kontinuität bezeugt (vgl zum Ganzen: BSG vom 29.04.1998 SozR 4100 § 119 nr 15) Hierbei ist aber nicht davon auszugehen, dass die Dreijahresgrenze im Sinne einer absoluten zeitlichen Mindestvoraussetzung zu verstehen ist, unterhalb derer das Vorliegen einer eheähnlichen Gemeinschaft immer und in jedem Fall verneint werden müsse (vgl dazu LSG NRW vom 21.04.2005 aaO; Spellbrink in Eicher/Spellbrink, SGB II, § 7 RdNr 27; BSG vom 29.04.1998 SozR 3-4100 § 119 Nr 15, BayLSG vom 19.10.2005 Az: L 10 AL 352/04). Vielmehr kann eine dauerhafte Beziehung bereits ab dem ersten Tag des Zusammenlebens vorliegen. Nach dreijährigem Zusammenleben hingegen dürften ohne gegenteilige Anhaltspunkte keine Zweifel mehr an der Dauerhaftigkeit bestehen. Ebenso kann auch die Dauer und Intensität der Bekanntschaft vor der Gründung der Wohngemeinschaft (zum Fall des mehrmaligen gemeinsamen Umziehens LSG Niedersachsen-Bremen vom 30.05.2005 Az: L 8 AS 95/05 ER), der Anlass des Zusammenziehens, die Versorgung und Erziehung gemeinsamer Kinder oder sonstiger Angehöriger im gemeinsamen Haushalt (ebenso SächsLSG vom 28.05.2005 Az: L 3 B 269/05 AS ER; so schon VGH BW vom 14.04.1997 VBlBW 1998, 31) oder die Pflege des bedürftigen anderen Partners, die das Zusammenleben prägt (BVerwG vom 20.11.1984 BVerwGE 70, 278), zu berücksichtigen sein.

Weitere Hinweistatsachen können sich aus der Ausgestaltung des Mietverhältnisses oder der Art des (räumlichen) Zusammenlebens ergeben, wobei das bloße Zusammenleben unter derselben Meldeadresse regelmäßig nicht zur Annahme einer eheähnlichen Gemeinschaft (BVerfG vom 02.09.2004 FamRZ 2004, 1950; so schon BSG vom 24.03.1988 BSGE 63, 12) genügt. So spricht das Nichtvorhandensein einer eigenen Intimsphäre innerhalb der Wohnung oder die gemeinsame Nutzung mehrerer Räume, insbesondere eines Schlafzimmers, für eine innere Bindung, wobei jedoch auch getrennte Wohn- oder Schlafbereiche nicht zwangsläufig zur Ablehnung der Annahme einer eheähnlichen Gemeinschaft führen wird.

Auch der Frage, ob undinwieweit die Partner gemeinsam wirtschaften, ob etwa die Befugnis besteht, über Einkommen und Vermögen des jeweils anderen zu verfügen (dazu LSG Baden-Württemberg vom 12.01.2006 L 7 AS 5532/05 ER-B), oder ob gar ein gemeinsames Konto besteht, kann Bedeutung zukommen. So stellt das Vorhandensein eines gemeinsamen Kontos zwar ein gewichtiges Indiz für das Vorliegen einer eheähnlichen Gemeinschaft dar, dessen Fehlen schließt eine solche jedoch nicht aus.

Die Annahme einer eheähnlichen Gemeinschaft setzt hingegen nicht voraus, dass zwischen den Partnern geschlechtliche Beziehungen bestehen (BSG vom 29.04.1998 SozR 3-4100 § 119 Nr 15 unter Hinweis auf BVerfG vom 17.11.1992 BVerfGE 87, 234/268). Sind solche jedoch - ohne dass Ermittlungen durch den Leistungsträger in diese Richtung vorzunehmen sind (vgl hierzu: BVerfG vom 17.04.1992 BVerfGE 97, 234) - bekannt und damit verwertbar, so kann auch dies Indiz für eine enge innere Bindung sein.

Der Leistungsträger hat unter Ausschöpfung der ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten der Amtsermittlung (§ 20 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch -SGB X-) den Sachverhalt im Hinblick auf das Vorliegen solcher Hinweistatsachen aufzuklären. Er darf sich insbesondere nicht auf die bloßen Erklärungen des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen oder seines Partners stützen, kann aber deren Angaben - etwa im Antragsformular oder zu den o.a. Wohnverhältnissen - heranziehen. Die Grenzen seiner Aufklärungspflicht finden sich dort, wo es ihm schlechterdings nicht mehr möglich ist, einen entsprechenden Nachweis beizubringen (so schon NdsOVG vom 26.01.1998 FEVS 48, 545). Andererseits kann gegen die Ermittlung der Indizien nicht eingewandt werden, dies führe zu einer verfassungsmäßigen Überlastung der Leistungsträger (vgl dazu: BSG vom 17.10.2002 SozR 3-4100 § 119 Nr 26).

Anhand der so ermittelten Hinweistatsachen hat der Leistungsträger zu prüfen, ob die o.a. Voraussetzungen für das Vorliegen einer eheähnlichen Gemeinschaft erfüllt sind. Alle von der Rechtsprechung entwickelten Merkmale einer eheähnlichen Gemeinschaft müssen gegeben sein. Der Leistungsträger hat im Rahmen einer Gesamtschau der für und auch gegen eine eheähnliche Gemeinschaft sprechenden Indizien nach den Grunstätzen der freien Beweiswürdigung seine Entscheidung zu treffen (vgl zum Ganzen: von Wulffen in von Wulffen, SGB X, 5.Aufl, § 20 RdNr 7 mwN). Er wird dabei zu beachten haben, dass den Hinweistatsachen in der Regel unterschiedliches Gewicht zukommt. Besonderes Augenmerk hat der Lesitungsträger auf etwaige Angaben, Umstände und Verhaltensweisen zu legen, die der erwerbsfähige Hilfebedürftige oder dessen Partner erst im Hinblick auf den erhofften Leistungsbezug ändert oder ausgestaltet.

Der Begriff der Hinweistatsache zeigt letztlich auch, dass nicht sämtliche Indizien umfassend nachgewiesen sein müssen, dass das Fehlen einzelner Indizien nicht zwangsläufig der Feststellung des Vorliegens einer eheähnlichen Gemeinschaft entgegensteht. Liegen nach einer erschöpfenden Sachverhaltsaufklärung (§ 20 SGB X) hinreichende Indizien vor, die das Vorhandensein aller von der Rechtsprechung entwickelten Merkmale für die Annahme einer eheähnlichen Gemeinschaft belegen, so ist es Sache des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen plausible Gründe darzulegen, die das Zusammenleben dementgegen als reine Zweckgemeinschaft erscheinen lassen (so schon Beschluss des Senats vom 14.06.2005 ZFSH/SGB 2005, 609).

Finden sich bei erschöpfender Sachverhaltsaufklärung keine solchen Hinweistatsachen, kann vom Vorliegen einer eheähnlichen Gemeinschaft nicht ausgegangen werden. Das ergibt sich aus der materiellen Beweislastverteilung, die hier den Leistungsträger trifft (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8.Aufl 2005, § 103 RdNr 19 a), die allerdings erst zur Anwendung kommt, wenn alle verfügbaren Erkenntnisquellen ausgeschöpft sind (BSG vom 29.06.1967 BSGE 27, 40).

Ob im Einzelfall ("non liquet") hiervon eine Ausnahme zu machen ist, wenn in der Sphäre des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen liegende Tatsachen nicht feststellbar sind, die der Leistungsträger in Ermangelung entsprechender Angaben des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen nicht kennt und nicht kennen muss, so dass er letztlich gehindert ist, sich über diese bedeutsamen Tatsachen im Bewilligungszeitraum zeitnah ein zutreffendes Bild zu machen (siehe dazu LSG Niedersachsen-Bremen vom 30.05.2005 Az: L 8 AS 95/05 ER unter Hinweis auf BSG vom 26.11.1992 Breith 1993, 770), kann in dem hier zu entscheidenden Fall dahinstehen.

Eine solche eheähnliche Gemeinschaft ist hier gegeben. Dies ergibt sich bereits daraus, dass alle Räume - insbesondere auch das Schlafzimmer - von den beiden Bewohnern gemeinsam genutzt werden. Auch war eine gegenseitige Kontovollmacht eingeräumt worden, die erst dann wieder aufgehoben worden ist, als sich die Frage des Vorliegens einer eheähnlichen Gemeinschaft stellte. Dies ergibt sich aus der Auskunft der Bank der Antragstellerin gegenüber der Staatsanwaltschaft, die sich in den Akten der Antragsgegnerin findet.

Nach alledem ist die Beschwerde der Antragstellerin zurückzuweisen. Der Beschluss des SG ist allein im Ergebnis zutreffend.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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