Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
11
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 20 AS 665/06 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 B 69/07 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Der Beschluss des Sozialgerichts Nürnberg vom 29.12.2006 Punkt I bis III wird aufgehoben.
II. Die Antragsgegnerin hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen.
Gründe:
I.
Streitig ist die Absenkung des Arbeitslosengeldes II (Alg II) gemäß § 31 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Der Antragsteller bezieht Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes zuletzt aufgrund des Bescheides vom 06.04.2006 für die Zeit vom 01.05.2006 bis 31.10.2006 und des Bescheides vom 14.09.2006 für die Zeit vom 01.11.2006 bis 30.04.2007. Am 14.06.2006 schloss er mit der Antragsgegnerin eine Eingliederungsvereinbarung ab, nach der ihm die Antragsgegnerin das Angebot eines Bewerbungstrainings ab 14.06.2006 bei der Firma P. unterbreitete und er sich u.a. bereit erklärte, an diesem Bewerbungstraining teilzunehmen. Noch am 14.06.2006 nahm der Antragsteller trotz seiner vom 13.06.2006 bis 23.06.2006 dauernden Arbeitsunfähigkeit telefonisch Kontakt mit der Firma P. auf und gab an, er wolle sich eine Teilnahme überlegen. Er meldete sich jedoch nicht mehr. Mit Bescheid vom 03.08.2006 senkte die Antragsgegnerin die für die Zeit vom 01.09.2006 bis 31.10.2006 bewilligten Leistungen um 30 vH ab. Der Antragsteller sei nicht zum Einladungstermin bei der Firma C. erschienen. Das Alg II werde daher ab 01.09.2006 für die Dauer von 3 Monaten abgesenkt. Hiergegen legte der Antragsteller Widerspruch ein. Er werde an der Maßnahme bei der Firma P. teilnehmen, wenn die Antragstellerin dies für erforderlich halten sollte. Die Kürzung seines Alg II sei nicht tragbar. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 13.09.2006 zurückgewiesen. Hiergegen hat der Antragsteller Klage zum Sozialgericht Nürnberg erhoben.
Am 10.08.2006 hat der Antragsteller Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung beim Sozialgericht gestellt. Er werde von der Antragsgegnerin schikaniert und könne von der gekürzten Leistung nicht leben. Eine Eingliederungsvereinbarung habe er nicht unterschrieben, sie sei ihm vielmehr untergeschoben worden. Zudem sei ihm ein sog. Ein-Euro-Job bei der Firma C. (Gebrauchtwarenmarkt) angeboten worden. Dies stünde im Widerspruch zum verlangten Besuch bei der Firma P ...
Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 15.11.2006 die Antragsgegnerin verpflichtet, dem Antragsteller für den Zeitraum vom September bis November 2006 unter Abänderung des Bescheides vom 03.08.2006 unter Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 13.09.2006 ungekürzte Leistungen nach dem SGB II zu zahlen. Zugleich hat es Prozesskostenhilfe bewilligt. Die Teilnahme an dem Bewerbungstraining bei der Firma P. sei auf der Pflichtenseite des Antragstellers im Rahmen der Eingliederungsvereinbarung nicht aufgenommen gewesen.
Der Beschwerde der Antragsgegnerin gegen diesen Beschluss hat das Sozialgericht mit Beschluss vom 29.12.2006 abgeholfen. Es hat den Beschluss vom 15.11.2006 aufgehoben und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. In der Eingliederungsvereinbarung sei auf der Pflichtenseite des Antragstellers doch eine Teilnahme an einem Bewerbertraining bei der Firma P. aufgenommen.
Dagegen hat der Antragsteller Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogene Akte der Antragsgegnerin sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) ist zulässig. Das SG hat ihr nicht abgeholfen (§ 174 SGG). Das Rechtsmittel erweist sich auch als begründet. Der Beschluss des Sozialgerichts vom 29.12.2006 ist aufzuheben.
Der Bescheid vom 03.08.2006 ist rechtswidrig. Eine Absenkung gemäß § 31 Abs 1 Satz 1 Nr 1b SGB II durfte für die Zeit ab 01.09.2006 für die Dauer von 3 Monaten nicht erfolgen. In der vom Antragsteller unterschriebenen und damit wirksamen Eingliederungsvereinbarung ist diesem nämlich nicht konkret mitgeteilt worden, wann er sich bezüglich eines Bewerbertrainings mit der Firma P. in Verbindung setzen solle bzw wann er dieses beginnen solle. Ein entsprechendes weiteres Einladungsschreiben ggf. mit einer Fristsetzung zu einer solchen Teilnahme ist nicht ergangen. Somit kann dem Kläger auch mit Bescheid vom 03.08.2006 nicht die Nichtteilnahme vorgeworfen werden. Dabei ist auch zu beachten, dass im Bescheid vom 03.08.2006 von einem Einladungsschreiben zur Firma C. die Rede ist, das nie erfolgt ist.
Gemäß § 86b Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGG kann daher das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen in Fällen, in denen der Widerspruch und die Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben. Vorliegend hat der Widerspruch gegen den Absenkungsbescheid vom 03.08.2006 keine aufschiebende Wirkung (§ 39 Nr 1 SGB II). Unter Berücksichtigung des § 39 Nr 1 SGB II ist von einem Regelausnahmeverhältnis zugunsten des Suspensiveffektes auszugehen, da der Gesetzgeber die sofortige Vollziehung zunächst angeordnet hat. Davon abzuweichen besteht nur Anlass, wenn ein überwiegendes Interesse des durch den Verwaltungsakt Belasteten feststellbar ist. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung muss eine mit gewichtigen Argumenten zu begründende Ausnahme bleiben (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8.Aufl, § 86b Rdnr 12a). Ist der Verwaltungsakt offenbar rechtswidrig und ist der Betroffene dadurch in seinen subjektiven Rechten verletzt, wird ausgesetzt, weil dann ein überwiegendes öffentliches Interesse oder Interesse eines Dritten an der Vollziehung nicht erkennbar ist. Ist die Klage aussichtslos, wird die aufschiebende Wirkung nicht angeordnet. Sind die Erfolgsaussichten nicht in dieser Weise abschätzbar, bleibt eine allgemeine Interessenabwägung, wobei die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens und die Entscheidung des Gesetzgebers in § 39 Nr 1 SGB II mit berücksichtigt werden (vgl zum Ganzen: Keller aaO Rdnr 12c).
Vorliegend ist der Absenkungsbescheid rechtswidrig. Daher ist die aufschiebende Wirkung anzuordnen. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung - wie durch das SG mit Beschluss vom 15.11.2006 erfolgt - ist daher zwar nicht zutreffend, führt aber zum vom Antragsteller gewünschten Ergebnis.
Nach alledem ist der Beschluss des Sozialgerichts Nürnberg vom 29.12.2006 aufzuheben, sodass der Beschluss vom 15.11.2006 wieder wirksam ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
II. Die Antragsgegnerin hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen.
Gründe:
I.
Streitig ist die Absenkung des Arbeitslosengeldes II (Alg II) gemäß § 31 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Der Antragsteller bezieht Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes zuletzt aufgrund des Bescheides vom 06.04.2006 für die Zeit vom 01.05.2006 bis 31.10.2006 und des Bescheides vom 14.09.2006 für die Zeit vom 01.11.2006 bis 30.04.2007. Am 14.06.2006 schloss er mit der Antragsgegnerin eine Eingliederungsvereinbarung ab, nach der ihm die Antragsgegnerin das Angebot eines Bewerbungstrainings ab 14.06.2006 bei der Firma P. unterbreitete und er sich u.a. bereit erklärte, an diesem Bewerbungstraining teilzunehmen. Noch am 14.06.2006 nahm der Antragsteller trotz seiner vom 13.06.2006 bis 23.06.2006 dauernden Arbeitsunfähigkeit telefonisch Kontakt mit der Firma P. auf und gab an, er wolle sich eine Teilnahme überlegen. Er meldete sich jedoch nicht mehr. Mit Bescheid vom 03.08.2006 senkte die Antragsgegnerin die für die Zeit vom 01.09.2006 bis 31.10.2006 bewilligten Leistungen um 30 vH ab. Der Antragsteller sei nicht zum Einladungstermin bei der Firma C. erschienen. Das Alg II werde daher ab 01.09.2006 für die Dauer von 3 Monaten abgesenkt. Hiergegen legte der Antragsteller Widerspruch ein. Er werde an der Maßnahme bei der Firma P. teilnehmen, wenn die Antragstellerin dies für erforderlich halten sollte. Die Kürzung seines Alg II sei nicht tragbar. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 13.09.2006 zurückgewiesen. Hiergegen hat der Antragsteller Klage zum Sozialgericht Nürnberg erhoben.
Am 10.08.2006 hat der Antragsteller Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung beim Sozialgericht gestellt. Er werde von der Antragsgegnerin schikaniert und könne von der gekürzten Leistung nicht leben. Eine Eingliederungsvereinbarung habe er nicht unterschrieben, sie sei ihm vielmehr untergeschoben worden. Zudem sei ihm ein sog. Ein-Euro-Job bei der Firma C. (Gebrauchtwarenmarkt) angeboten worden. Dies stünde im Widerspruch zum verlangten Besuch bei der Firma P ...
Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 15.11.2006 die Antragsgegnerin verpflichtet, dem Antragsteller für den Zeitraum vom September bis November 2006 unter Abänderung des Bescheides vom 03.08.2006 unter Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 13.09.2006 ungekürzte Leistungen nach dem SGB II zu zahlen. Zugleich hat es Prozesskostenhilfe bewilligt. Die Teilnahme an dem Bewerbungstraining bei der Firma P. sei auf der Pflichtenseite des Antragstellers im Rahmen der Eingliederungsvereinbarung nicht aufgenommen gewesen.
Der Beschwerde der Antragsgegnerin gegen diesen Beschluss hat das Sozialgericht mit Beschluss vom 29.12.2006 abgeholfen. Es hat den Beschluss vom 15.11.2006 aufgehoben und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. In der Eingliederungsvereinbarung sei auf der Pflichtenseite des Antragstellers doch eine Teilnahme an einem Bewerbertraining bei der Firma P. aufgenommen.
Dagegen hat der Antragsteller Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogene Akte der Antragsgegnerin sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) ist zulässig. Das SG hat ihr nicht abgeholfen (§ 174 SGG). Das Rechtsmittel erweist sich auch als begründet. Der Beschluss des Sozialgerichts vom 29.12.2006 ist aufzuheben.
Der Bescheid vom 03.08.2006 ist rechtswidrig. Eine Absenkung gemäß § 31 Abs 1 Satz 1 Nr 1b SGB II durfte für die Zeit ab 01.09.2006 für die Dauer von 3 Monaten nicht erfolgen. In der vom Antragsteller unterschriebenen und damit wirksamen Eingliederungsvereinbarung ist diesem nämlich nicht konkret mitgeteilt worden, wann er sich bezüglich eines Bewerbertrainings mit der Firma P. in Verbindung setzen solle bzw wann er dieses beginnen solle. Ein entsprechendes weiteres Einladungsschreiben ggf. mit einer Fristsetzung zu einer solchen Teilnahme ist nicht ergangen. Somit kann dem Kläger auch mit Bescheid vom 03.08.2006 nicht die Nichtteilnahme vorgeworfen werden. Dabei ist auch zu beachten, dass im Bescheid vom 03.08.2006 von einem Einladungsschreiben zur Firma C. die Rede ist, das nie erfolgt ist.
Gemäß § 86b Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGG kann daher das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen in Fällen, in denen der Widerspruch und die Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben. Vorliegend hat der Widerspruch gegen den Absenkungsbescheid vom 03.08.2006 keine aufschiebende Wirkung (§ 39 Nr 1 SGB II). Unter Berücksichtigung des § 39 Nr 1 SGB II ist von einem Regelausnahmeverhältnis zugunsten des Suspensiveffektes auszugehen, da der Gesetzgeber die sofortige Vollziehung zunächst angeordnet hat. Davon abzuweichen besteht nur Anlass, wenn ein überwiegendes Interesse des durch den Verwaltungsakt Belasteten feststellbar ist. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung muss eine mit gewichtigen Argumenten zu begründende Ausnahme bleiben (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8.Aufl, § 86b Rdnr 12a). Ist der Verwaltungsakt offenbar rechtswidrig und ist der Betroffene dadurch in seinen subjektiven Rechten verletzt, wird ausgesetzt, weil dann ein überwiegendes öffentliches Interesse oder Interesse eines Dritten an der Vollziehung nicht erkennbar ist. Ist die Klage aussichtslos, wird die aufschiebende Wirkung nicht angeordnet. Sind die Erfolgsaussichten nicht in dieser Weise abschätzbar, bleibt eine allgemeine Interessenabwägung, wobei die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens und die Entscheidung des Gesetzgebers in § 39 Nr 1 SGB II mit berücksichtigt werden (vgl zum Ganzen: Keller aaO Rdnr 12c).
Vorliegend ist der Absenkungsbescheid rechtswidrig. Daher ist die aufschiebende Wirkung anzuordnen. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung - wie durch das SG mit Beschluss vom 15.11.2006 erfolgt - ist daher zwar nicht zutreffend, führt aber zum vom Antragsteller gewünschten Ergebnis.
Nach alledem ist der Beschluss des Sozialgerichts Nürnberg vom 29.12.2006 aufzuheben, sodass der Beschluss vom 15.11.2006 wieder wirksam ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
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