L 20 B 80/05 R PKH

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
20
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 6 R 671/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 20 B 80/05 R PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Nürnberg vom 28.01.2005 aufgehoben, der Klägerin für das Klageverfahren vor dem Sozialgericht Nürnberg Prozesskostenhilfe bewilligt und ihr Rechtsanwalt U.S. (N.) beigeordnet.
II. Ratenzahlungen sind nicht zu erbringen.

Gründe:

I.

Streitig ist die Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) für eine Klage, mit der die Berücksichtigung in Polen zurückgelegter rentenrechtlicher Zeiten durch die Beklagte begehrt wird.

Die 1947 geborene Klägerin ist die Ehefrau des Spätaussiedlers K. K. (§§ 4, 7 Abs 2 Bundesvertriebenengesetz). Sie übersiedelte am 04.01.1993 in das Bundesgebiet.

Am 26.10.2000 stellte sie bei der Beklagten Antrag auf Kontenklärung. Mit Bescheid vom 04.02.2002/Widerspruchsbescheid vom 19.08.2002 lehnte die Beklagte die Anerkennung der Zeiten vom 01.12.1966 bis 31.12.1992 als Beitrags- bzw Beschäftigungszeiten, vom 01.09.1963 bis 25.02.1964/04.05.1994 bis 05.04.1995/ 12.07.1995 bis 27.05.1996 als Anrechnungszeiten, 01.02.1970 bis 31.01.1971 als Kindererziehungszeit und 13.01.1970 bis 12.01.1980 als Berücksichtigungszeit ab. Die Klägerin erfülle nicht die Voraussetzungen des wegen ihrer Aufenthaltsnahme vom 04.01.1993 anzuwendenden deutsch-polnischen Sozialversicherungsabkommens vom 08.12.1990 (DPSVA 1990). Das DPSVA 1990 verweise hinsichtlich der für die Rentenfeststellung zu beachtenden deutschen Rechtsvorschriften auf das Fremdrentengesetz (FRG). Voraussetzung für die Anwendung des FRG sei die Anerkennung als Vertriebener/Spätaussiedler/heimatloser Ausländer. Eine entsprechende Anerkennung liege bei der Klägerin nicht vor. Auch gehöre sie nicht dem deutschen Sprach- und Kulturkreis iS § 17a FRG an. Ihre Eigenschaft als Ehegattin eines Spätaussiedlers führe nicht zur FRG-Berechtigung.

Dagegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben und beantragt, die Beklagte zur Anerkennung der Zeiten vom 01.12.1966 bis 31.12.1992/01.02.1970 bis 31.01.1971 und 13.01.1970 bis 12.01.1980 zu verurteilen. Gleichzeitig hat sie die Gewährung von PKH und die Beiordnung von Rechtsanwalt U.S. (N.) beantragt.

Mit Beschluss vom 28.01.2005 hat das SG den PKH-Antrag abgelehnt, da für das Klageverfahren hinreichende Erfolgsaussicht nicht gegeben sei.

Dagegen hat die Klägerin beim SG Beschwerde eingelegt und vorgetragen, dass sie spätestens seit ihrer Heirat (14.09.1968) - aber auch schon davor - als Angehörige des deutschen Sprach- und Kulturkreises iS § 17a FRG anzusehen sei.

Das SG hat der Beschwerde nicht abgeholfen (Verfügung des Kammervorsitzenden vom 02.03.2005) und diese dem Bayer. Landessozialgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, den Beschluss des Sozialgerichts Nürnberg vom 28.01.2005 aufzuheben und ihr für das Klageverfahren PKH unter Beiordnung von Rechtsanwalt U.S. (N.) zu gewähren.

Die Beklagte hat keinen Antrag gestellt.

Sie hat aber darauf hingewiesen, dass durch den Beitritt Polens zur Europäischen Union (EU) zusätzlich die polnischen Versicherungszeiten als ausländische Zeiten im Versicherungskonto der Klägerin zu dokumentieren seien. Hierfür werde ein polnischer Versicherungverlauf benötigt. Die entsprechenden Ermittlungen habe sie eingeleitet.

II.

Die Beschwerde der Klägerin ist zulässig (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Ihr wurde nicht abgeholfen (§ 174 SGG).

Die Beschwerde ist auch begründet.

Nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm §§ 114 ff Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Ist eine Vertretung durch Anwälte, wie vorliegend im sozialgerichtlichen Verfahren, nicht vorgeschrieben, wird der Partei auf ihren Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl beigeordnet, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint (§ 121 Abs 2 ZPO). Wegen des verfassungsrechtlichen Gebots, die Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes weitgehend anzugleichen (BVerfGE 81, 347, 356 ff), dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussicht nicht überspannt werden.

Im vorliegenden Fall bietet die Klage hinreichende Aussicht auf Erfolg, denn im Hinblick auf den Beitritt Polens zur Europäischen Union am 01.05.2004 werden Rentenleistungen grundsätzlich nur noch aufgrund der Verordnung (EWG) Nr 1408/71 und 574/72 gewährt. Erfolgte der Zuzug - wie vorliegend - nach dem 31.12.1990 sind die genannten Verordnungen ausschließlich anzuwenden. Durch die Zusammenrechnung der Beschäftigungszeiten aller Mitgliedsstaaten der Europäischen Union können Rentenansprüche in der deutschen Rentenversicherung erstmals entstehen (Pflaum, Inkrafttreten der Verordnungen (EWG) für Polen am 01.05.2004 und die Auswirkungen auf die deutsch-polnischen Sozialversicherungsabkommen vom 09.10.1975 und vom 08.12.1990, MittLVA BE 2004, 170 bis 183; vgl auch LVA Mitteilung Oberfranken/Mittelfranken Nr 6, 2005).

Infolge des Inkrafttretens der EWG-Verordnungen für Polen kann aber für das anhängige Klageverfahren eine hinreichende Erfolgsaussicht nicht mehr verneint werden. Maßgebend für die Entscheidung über den PKH-Antrag der Klägerin ist der Sachverhalt im Zeitpunkt der Entscheidung des Sozialgerichts (Keller/Leitherer, SGG, 8.Aufl § 73a RdNr 13d). Zu diesem Zeitpunkt (28.01.2005) waren die EWG-Verordnungen im Verhältnis zu Polen bereits (seit 01.05.2004) anwendbar (Pflaum aaO mwN).

Der Beschluss der Sozialgerichts Nürnberg war daher aufzuheben und der Klägerin PKH unter Beiordnung des Rechtsanwaltes U.S. zu gewähren.

Unter Zugrundelegung der Angaben der Klägerin vom 20.01.2005 ergibt sich Bedürftigkeit. Eine PKH-Rate errechnet sich nicht.

Dieser Beschluss ergeht kostenfrei; er ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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