L 3 R 687/04

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 5 RJ 1537/00
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 R 687/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Weitergewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit über den 28.2.1999 hinaus.

Der am 10.4.1968 geborenen Klägerin, die zuletzt als Fabrikarbeiterin beschäftigt war, gewährte die Beklagte mit Bescheid vom 24.6.1996 im Wesentlichen wegen einer Endometriose mit mehrmaligen Bauchoperationen Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Zeit, zuletzt mit Bescheid vom 3.3.1998 verlängert bis zum 28.2.1999.

Den Weitergewährungsantrag der Klägerin vom 19.10.1998 lehnte die Beklagte nach fachübergreifender Begutachtung (zusammenfassende Würdigung Dr. B. vom 19.3.1999) mit Bescheid vom 30.3.1999 ab und wies den hiergegen erhobenen Widerspruch nach Gewährung einer stationären Heilbehandlung, die von der Klägerin vom 27.2. bis zu dem vorzeitigen Abbruch am 17.3.2000 in Bad Mergentheim durchgeführt wurde, mit Widerspruchsbescheid vom 7.6.2000 zurück.

Dagegen hat die Klägerin am 29.6.2000 beim Sozialgericht Heilbronn (SG) Klage erhoben, mit der sie ihr Begehren weiterverfolgt hat.

Das SG hat Beweis erhoben durch Einholung des gynäkologischen Sachverständigengutachtens von Dr. K. vom 2.5.2001, der zusammenfassend angegeben hat, dass der gynäkologische Untersuchungsbefund keinen Anhalt für Residuen der früheren endometriotischen Veränderungen ergeben habe. Diese seien durch die Operationen wohl vollständig entfernt worden. Die angegebenen Beschwerden und Schmerzen seien wohl hauptsächlich psychosomatischer Natur.

Weiter hat das SG Beweis erhoben durch Einholung des viszeralchirurgischen Sachverständigengutachtens von Prof. Dr. H. vom 26.11.2001. Dieser hat weiterhin Arbeitsunfähigkeit bei - nach psychosomatischer Behandlung - mittelfristig zumutbaren leichten körperlichen Tätigkeiten angenommen.

Eingeholt worden ist sodann das nervenärztliche Sachverständigengutachten von Dr. R. vom 6.5.2002 mit einem - aus nervenärztlicher Sicht - vollschichtigen Leistungsvermögen.

Auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingeholt worden ist schließlich noch das psychiatrische Sachverständigengutachten von Prof. Dr. L. vom 2.5.2003 mit der Feststellung eines aufgehobenen Leistungsvermögens aus psychiatrischer Sicht.

Vom 2.12.2002 bis zum 14.3.2003 befand sich die Klägerin in der Tagesklinik für Psychiatrie und Psychotherapie in S. (zur näheren Feststellung der Einzelheiten wird auf Blatt 143/147 der SG-Akte Bezug genommen).

Das SG hat die Klage aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 8.1.2004 durch Urteil vom selben Tag abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.

Gegen das ihr am 20.1.2004 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 18.2.2004 Berufung eingelegt, mit der sie ihr Klagebegehren weiterverfolgt hat.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung des psychiatrisch-psychosomatischen Sachverständigengutachtens von Dr. D. vom 22.12.2004. Dieser hat eine Agoraphobie mit Panikstörung, eine Dysthymia, eine somatoforme autonome Funktionsstörung, eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung, eine histrionische Persönlichkeitsstörung sowie eine Entwicklung körperlicher Symptome aus psychischen Gründen diagnostiziert, ein aufgehobenes Leistungsvermögen angenommen und in seiner ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 20.6.2005 daran festgehalten.

Vom Senat als sachverständiger Zeuge befragt worden ist schließlich noch der Psychotherapeut Dr. C., der unter dem 28.7.2005 über eine Behandlung der Klägerin seit Oktober 2003 berichtet hat.

Mit Schriftsatz vom 9.9.2005 hat die Beklagte anerkannt, dass die Klägerin vom 2.12.2002 bis 30.6.2006 voll erwerbsgemindert sei. Unter Zugrundelegung eines Leistungsfalls vom 2.12.2002 sei jedoch weder die erforderliche Wartezeit erfüllt noch die Dreifünftelbelegung gegeben (zur näheren Feststellung der Einzelheiten wird auf die von der Beklagten vorgelegten Berechnungen Bezug genommen).

Die Klägerin ist demgegenüber der Auffassung, dass zur Erwerbsunfähigkeit führende psychische Befunde bereits seit 1988 bei ihr vorlägen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 8. Januar 2004 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 30. März 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Juni 2000 zu verurteilen, ihr Rente wegen Erwerbsunfähigkeit über den 28. Februar 1999 hinaus zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Rentenakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit über den 28.2.1999 hinaus, weil bei ihr ab diesem Zeitpunkt wieder ein vollschichtiges Leistungsvermögen zumindest für leichte Tätigkeiten vorgelegen hat. Soweit es bei der Klägerin in der Folgezeit wieder zu einer Aufhebung des beruflichen Restleistungsvermögens gekommen ist, sind für diesen - neuen - Leistungsfall die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt.

Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens wurde das berufliche Restleistungsvermögen der Klägerin während des Bezugs der Erwerbsunfähigkeitsrente entscheidend geprägt durch eine Endometriose mit mehrmaligen Bauchoperationen. Soweit bereits zur damaligen Zeit begleitende psychische Befunde bestanden, resultierte hieraus jedenfalls keine quantitative Leistungsminderung. Letzteres steht zur Überzeugung des Senats fest aufgrund des im Verwaltungsverfahren erstellten nervenärztlichen Gutachtens von Dr. Ü. vom September 1995, in welchem hinsichtlich der Leistungsbeurteilung ausschließlich auf das gynäkologische Fachgebiet verwiesen worden ist, und ferner auf aufgrund des ebenfalls im Verwaltungsverfahren erstellten nervenärztlichen Teilgutachtens von Dr. A. vom Februar 1999, in welchem aus nervenärztlicher Sicht ein vollschichtiges Leistungsvermögen angenommen und darauf hingewiesen worden ist, dass für die Gewährung der Zeitrente die gynäkologische Beurteilung der Endometriose ausschlaggebend gewesen sei.

In körperlicher Hinsicht ist diesbezüglich festzustellen, dass es nach dem Ablauf der Zeitrente zu einer Besserung der gynäkologischen Befunde mit der Folge eines wieder vollschichtigen Leistungsvermögens für leichte Tätigkeiten gekommen ist. Diesbezüglich stützt der Senat seine Überzeugung auf die internistisch-sozialmedizinische Begutachtung durch Dr. B. (Gutachten vom März 1999), aber auch auf die Feststellungen in den Sachverständigengutachten von Dr. K. und Prof. Dr. H ... Diesen ist im Ergebnis nämlich zu entnehmen, dass die körperlichen Befunde hinter solche psychosomatischer Natur zurückgetreten sind. Soweit im Entlassungsbericht über die von der Klägerin vom 27.2. bis 17.3.2000 durchgeführte stationäre Heilbehandlung in Bad Mergentheim eine zeitliche Leistungseinschränkung angenommen worden ist, vermag der Senat dieser Einschätzung im Anschluss an die ärztliche Stellungnahme im Widerspruchsverfahren von Dr. M. vom 11.5.2000 nicht zu folgen. Dies auch schon deshalb nicht, weil die Klägerin die Heilbehandlung vorzeitig abgebrochen hat, was die Grundlagen dieser Leistungsbeurteilung erheblich relativiert. Aber auch Dr. R. hat in seinem Sachverständigengutachten nachvollziehbar und überzeugend ausgeführt, dass aus dem Bericht eine überdauernde quantitative Leistungseinschränkung nicht abzuleiten sei (Blatt 89 der SG-Akte).

Die psychischen Befunde sind nach und nach in den Vordergrund getreten und führten schließlich - was zwischen den Beteiligten zwischenzeitlich unstreitig ist - zum erneuten Eintritt des Leistungsfalls eines aufgehobenen bzw. nur noch unter dreistündigen Leistungsvermögens.

Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der gerichtliche Sachverständige Dr. R. noch aufgrund der von ihm im Mai 2002 durchgeführten Untersuchung aus nervenärztlicher Sicht zur Einschätzung eines vollschichtigen Leistungsvermögens gelangt ist und diese Einschätzung insbesondere unter Berücksichtigung der von ihm erhobenen Tagesstruktur mit weitgehend erhaltenen Aktivitäten und sozialen Kontakten (insbesondere Blatt 62 ff. der SG-Akte) in jeder Hinsicht schlüssig und nachvollziehbar ist, dass auch Dr. D. die Datierung des Leistungsfalls wegen vager und eher tendenzieller Angaben der Klägerin als nicht unproblematisch angesehen hat (Blatt 102/103 der LSG-Akte), und der Tatsache, dass erstmalig im Rahmen der Behandlung der Klägerin in der Tagesklinik für Psychiatrie und Psychotherapie in S. eine Agoraphobie mit Panikstörung diagnostiziert worden ist, ist es auch unter Beachtung des Grundsatzes der objektiven Beweislast und des von der Klägerin nachzuweisenden Beginns des Eintritts einer rentenrechtlich relevanten Leistungsminderung nicht zu beanstanden, vorliegend den Leistungsfall eines - erneut - eingetretenen aufgehobenen Leistungsvermögens auf den Zeitpunkt des Beginns der Behandlung in der Tagesklinik und somit auf den 2.12.2002 zu datieren. Erstmals mit diesem Zeitpunkt ist eine Befundobjektivierung im Sinne von Ratlosigkeit, erheblichen Störungen der Vitalgefühle, schwerer Depressivität, erheblicher Hoffnungslosigkeit, erheblicher Unruhe, schwereren Insuffizienzgefühlen, deutlich reduziertem Antrieb und subjektiv erheblicher Antriebshemmung gegeben (vgl. diesbezüglich auch die ärztliche Stellungnahme von Dr. E. vom 24.8.2005).

Vor diesem Hintergrund hat der Senat keine Veranlassung zur Durchführung weiterer Ermittlungen gesehen. Er hat sich insbesondere nicht veranlasst gesehen, - wie von der Klägerin angeregt - Prof. Dr. L. ergänzend zum Zeitpunkt des Eintritts der Leistungsminderung zu befragen. Dies schon deshalb nicht, weil auch Prof. Dr. L. in seiner von der Klägerin vorgelegten ärztlichen Stellungnahme vom 3.1.2007 (Blatt 46 ff. der LSG-Akte) insoweit letztlich nur Vermutungen anstellen konnte und einräumen musste, dass es generell schwierig sei, die Leistungsfähigkeit für vor der Untersuchung liegende Zeiträume zu beurteilen. Letztere Ansicht teilt der Senat. Gerade für den hier zu entscheidenden Fall hat dies auch Dr. D. betont und im Einzelnen begründet. Lediglich "pragmatischerweise" hat er eine Leistungseinschränkung auf längstens seit Februar 2003 bestehend datiert. Entscheidend ist letztlich die Feststellung und Würdigung objektiver Befundtatsachen, wie sie vorliegend vom Senat in Übereinstimmung mit der Beklagten unter Beachtung des Grundsatzes der objektiven Beweislast vorgenommen und oben im Einzelnen dargestellt worden ist.

Zweifel an der Richtigkeit der von der Beklagten vorgenommenen Berechnung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für einen im Dezember 2002 neu eingetretenen Leistungsfall sind weder ersichtlich noch vorgetragen. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen sind danach für diesen Leistungsfall nicht erfüllt, sodass im Ergebnis die Gewährung einer Rente nicht in Betracht kommt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved