Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 9 R 7041/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 3479/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 11. Mai 2006 wird zurückgewiesen. Die Klage gegen den Bescheid vom 6. November 2006 wird abgewiesen.
Die Beklagte hat der Klägerin die Hälfte der außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten noch um den Zeitpunkt des Beginns der (befristeten) Rente wegen voller Erwerbsminderung.
Die 1949 geborene Klägerin erlernte von April 1965 bis April 1968 das Friseurhandwerk und war ihren Angaben zufolge mit Unterbrechungen (u.a. von Mai 1974 bis Februar 1987) bis August 1990 in ihrem Beruf tätig, zuletzt ab März 1987 bis zur Geschäftsaufgabe im Salon P ... Ab September 1990 bis Dezember 2000 war sie als Kontrolleurin und von Januar bis August 2001 als Produktionshelferin beschäftigt. Seither war die Klägerin arbeitslos oder arbeitsunfähig.
Am 19.02.2003 beantragte sie die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte veranlasste eine Untersuchung und Begutachtung der Klägerin durch den Chirurgen Dr. G ... Dieser diagnostizierte unter Berücksichtigung weiterer Arztunterlagen als Gesundheitsstörungen: 1. Chronisch-rezidivierendes Wirbelsäulensyndrom mit linksbetonten Cervikobrachialgien, -cephalgien, Lumboischialgien und endgradiger Funktionseinschränkung bei Fehlhaltung und gering- bis mäßiggradigen degenerativen Veränderungen; 2. beginnende Rotatorenmanschettendegeneration und Schultereckgelenksarthrose links mit endgradiger Funktionseinschränkung; 3. Verdacht auf Somatisierungsstörung. Der Gutachter kam zu dem Ergebnis, insgesamt stehe das z.T. erhebliche Beschwerdebild in Diskrepanz zu den relativ blanden Befunden am Stütz- und Bewegungsapparat, so dass von einer psychischen Überlagerung auszugehen sei. In Zusammenschau mit einer wohl latent vorhandenen Depression dürfte es sich hierbei um eine Somatisierungsstörung handeln. Das Leistungsvermögen der Klägerin sei so weit gemindert, dass sie noch leichte bis mittelschwere Arbeiten in vollschichtigem Umfang ausüben könne, wobei Einschränkungen für langes Stehen und häufiges Bücken sowie Überkopfarbeiten beachtet werden sollten. Ferner dürften nur noch Lasten bis maximal 10 bis 15 kg gehoben und getragen werden. Als Kontrolleurin und Maschinenarbeiterin wäre die Klägerin auch weiterhin vollschichtig einsetzbar.
Mit Bescheid vom 25.04.2003 lehnte die Beklagte hierauf den Rentenantrag ab, weil weder eine teilweise noch eine volle Erwerbsminderung und auch keine Berufsunfähigkeit vorliege.
Zur Begründung ihres dagegen erhobenen Widerspruchs legte die Klägerin eine Stellungnahme des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. K. vor, in der dieser darauf hinwies, dass aufgrund der erheblichen psychovegetativen Problematik mit somatischen Komponenten jede Art von Stress zu rascher Arbeitsunfähigkeit führe und in Kenntnis dieser Problematik davon ausgegangen werden müsse, dass die Klägerin nicht in nennenswertem Umfang erwerbstätig sein könne. Die Beklagte holte Auskünfte der ehemaligen Arbeitgeber der Klägerin ein. Der Friseur P. teilte mit, dass Grund für die Beendigung der Tätigkeit der Klägerin die Geschäftsaufgabe gewesen sei. Die Firma K.-E. GmbH beschrieb die Tätigkeit der Klägerin im Zeitraum Januar bis August 2001 als Aushilfstätigkeit. Nach der Auskunft der Firma V. E. GmbH habe es sich bei den Tätigkeiten der Klägerin (03.09.1990 bis 31.12.2000) um Arbeiten gehandelt, die von ungelernten Arbeitern verrichtet würden. Gestützt auf eine sozialmedizinische Stellungnahme von Dr. N. und unter Berücksichtigung eines sozialmedizinischen Gutachtens des MDK B.-W. vom September 2003 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 12.11.2003 zurück.
Deswegen erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) mit der Begründung, sie sei keineswegs in der Lage, noch ständig sechs Stunden und mehr an Arbeitsleistung zu erbringen. Die zwischenzeitlich auch auf Veranlassung der AOK durchgeführten Untersuchungen hätten ergeben, dass ihre Erwerbsfähigkeit so nachhaltig und massiv beeinträchtigt sei, dass die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung gegeben seien. Die Summe der gesundheitlichen Einschränkungen, unter denen sie leide, führe insgesamt zu einem Ausschluss ihrer Erwerbsfähigkeit.
Als gerichtliche Sachverständige erstatteten Dr. D., Oberarzt in der Klinik für Unfallchirurgie im M. S., ein orthopädisches und Dr. H., Chefarzt der Klinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie im Klinikum a. W., ein nervenärztliches Gutachten.
Dr. D. führte zusammenfassend aus, bei der Klägerin bestünden eine endgradig eingeschränkte Rechts-Neig-Beweglichkeit der Halswirbelsäule bei konventionell radiologisch dokumentierten diskret vermehrten Verschleißerscheinungen im Bewegungssegment C5/C6 und kernspintomographisch dokumentierter medio-links lateraler (in der Mitte und links seitlich liegender) Bandscheibenvorwölbung ohne eindeutige Kompression der segmentalen Nervenwurzel bei klinisch beschriebenen rezidivierenden Zervikobrachialgien links (ausstrahlende Schmerzen von der Halswirbelsäule in den linken Arm), eine endgradig eingeschränkte Entfaltbarkeit der Lendenwirbelsäule bei konventionell radiologisch dokumentierten diskret vermehrten Verschleißerscheinungen der beinnahen Lendenwirbelsäulen-Hälfte, ein sog. "schnellender" Ringfinger rechts ohne relevante Funktionseinbuße sowie eine endgradige Streckhemmung im linken Ringfingerendgelenk aufgrund eines alten Strecksehnenabrisses (keine relevante daraus resultierende Funktionsstörung). Die Klägerin sei aus orthopädisch-unfallchirurgischer Sicht noch in der Lage, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ohne regelmäßiges Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten ohne Hilfsmittel über 15 kg vollschichtig auszuüben. Die Klägerin sei in der Lage, täglich viermal eine Wegstrecke von mehr als 500 m innerhalb von jeweils 20 Minuten zurückzulegen und zweimal öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeiten zu benutzen.
Dr. H. verneinte neurologische Ausfallserscheinungen wie Paresen, Atrophien oder auf eine umschriebene Nervenwurzel beziehbare Sensibilitätsstörungen. Hinweise für ein Carpaltunnelsyndrom hätten sich nicht ergeben. Die beklagten linksseitigen Gesichtsschmerzen ließen sich am ehesten als Trigeminusneuralgie einordnen. Außerhalb akuter Schmerzattacken entstünden daraus keine relevanten funktionellen Leistungseinschränkungen. Auf psychiatrischem Fachgebiet habe sich eine leichte depressive Symptomatik im Sinne einer Dysthymie gezeigt. Hierbei handle es sich um eine chronische depressive Verstimmung, die nicht die Leitlinien einer leichten oder mittelgradigen (oder gar schweren) depressiven Störung erfülle. Die Kriterien für das Vorliegen einer somatoformen Störung oder einer Angsterkrankung seien im Rahmen der Untersuchung nicht erfüllt worden. Aufgrund der bestehenden degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule sollten schwere Lasten (über 10 kg) nicht gehoben oder getragen und Arbeiten auf Leitern, häufiges Bücken oder häufiges Treppensteigen unterlassen werden. Auch gleichförmige Körperhaltungen und Überkopfarbeiten sowie Arbeiten in Kälte, unter Kälteeinfluss oder im Freien sollten vermieden werden. Günstig sei ein Wechsel zwischen Sitzen, Stehen und Gehen. Aufgrund der vorliegenden Dysthymie müsse eine Überforderung durch Akkordarbeit, Wechselschicht- oder Nachtarbeit bzw. durch Arbeiten unter besonderem Zeitdruck vermieden werden. Dies gelte gleichermaßen für besonders hohe Ansprüche an Auffassung und Konzentration sowie für eine erhöhte Verantwortung und eine besondere (hohe) geistige Beanspruchung. Bei Beachtung dieser Einschränkungen sei die Klägerin in der Lage, eine leichte Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt und eine Tätigkeit als Produktionshelferin vollschichtig (acht Stunden täglich bei fünf Tagen in der Woche) auszuüben. Besondere Schwierigkeiten hinsichtlich der Gewöhnung und Anpassung an einen neuen Arbeitsplatz bestünden nicht. Zusätzliche Arbeitspausen seien aus nervenärztlicher Sicht nicht erforderlich.
Auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) holte das SG ein psychosomatisch-neuropsychiatrisches Gutachten bei Prof. Dr. H., Ärztlicher Direktor der Reha-Klinik G., (Mitarbeiter Oberarzt Dr. S.) ein. Prof. Dr. H. legte dar, bei der Klägerin liege eine mittelgradige depressive Episode mit somatischem Syndrom, eine Dysthymia, ein chronisches cervicales Schmerzsyndrom, aktuell ohne radikuläre Symptome bei Bandscheibenprotrusio HWK 5/6, ein chronisches lumbales Schmerzsyndrom bei degenerativen LWS-Veränderungen, eine primäre Hypertonie sowie eine Trigeminusneuralgie V-3 links vor. Bei der bestehenden komplexen Störung aus erheblich chronifizierten depressiven Symptomen, der Dysthymia-Symptomatik, des strukturellen Aspektes sowie der komplexen Schmerzsymptomatik aus HWS-, LWS- und Gesichtsschmerzen ergebe sich eine erhebliche Einschränkung der psycho-mentalen und körperlichen Belastbarkeit. Aktuell bewältige die Klägerin unter Mithilfe des Ehemannes nur unter großer Mühe und zunehmenden Erschöpfungszeichen ihre Haushaltstätigkeit, wobei sie bestimmte, als leicht bis mittelschwer einzustufende Tätigkeiten, wie Fensterputzen, Staubsaugen etc. nicht mehr ausführen könne. Auch einfache Tätigkeiten ohne besonderen Zeitdruck dürften zu einer Überforderungssituation führen und damit bereits kurzfristig den Gesundheitszustand der Klägerin verschlechtern. Maximal käme eine Belastbarkeit mit zwei bis unter drei Stunden pro Tag für leichte Tätigkeiten in Frage, wobei das Heben und Tragen von Lasten, stereotype Körperhaltungen, Zwangshaltungen, häufiges Bücken, Arbeiten in Gefahrenzonen, Arbeiten unter Zeitdruck und Akkordtätigkeiten, Nacht- und Wechselschichttätigkeiten sowie Arbeiten mit besonderer geistiger Beanspruchung und Verantwortungsübernahme und Kontrolltätigkeiten zu vermeiden seien. Grund für die zeitliche Einschränkung sei die rasche Ermüdbarkeit der Klägerin aufgrund der psycho-mentalen Leistungsminderung und mangelnde Konzentrations- und Aufmerksamkeits-Aufrechterhaltungsfähigkeit unter dann zunehmender Schmerzsymptomatik und depressiv bedingter negativer Selbstverbalisation. Insgesamt müsse davon ausgegangen werden, dass depressive Erkrankungen eine positive Prognose hätten, wenn eine entsprechende Behandlung durchgeführt werde. Vor dem Hintergrund der chronifizierten Krankheitsgeschichte müsse dabei ein längerer Zeitraum von wenigstens einem Jahr angenommen werden.
Hierzu äußerte sich für die Beklagte Dr. H., Fachärztin für Chirurgie, in einer sozialmedizinischen Stellungnahme dahingehend, dass sich auf orthopädischem Fachgebiet eine quantitative Einschränkung des Leistungsvermögens nicht begründen lasse. Auf psychiatrischem Fachgebiet seien nach den bisher vorliegenden medizinischen Unterlagen die Behandlungsoptionen keineswegs als ausgeschöpft anzusehen, da bisher offenbar weder eine ausreichende psychopharmakologische Behandlung noch in den letzten Jahren eine nervenärztlich-psychiatrische bzw. psychotherapeutische Behandlung in ausreichendem Maße durchgeführt worden sei. Da aber Dr. S. und Prof. Dr. H. derzeit von einer Behandlungsnotwendigkeit ausgingen, sollten der Klägerin vordringlich medizinische Reha-Maßnahmen vorgeschlagen werden.
Die Beklagte erklärte sich hierauf bereit, der Klägerin eine stationäre medizinische Rehabilitationsmaßnahme zu gewähren.
Mit Urteil vom 11.05.2006, den Prozessbevollmächtigten der Klägerin zugestellt am 08.06.2006, wies das SG die Klage ab. In den Entscheidungsgründen führte es unter Hinweis auf das vom Bundessozialgericht entwickelte Mehrstufenschema im wesentlichen aus, die Klägerin könne auf alle leichten Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden und sei damit nicht berufsunfähig. Da die Klägerin den erlernten Beruf der Friseurin nicht aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben habe, sei von einer Lösung vom Berufsbild auszugehen. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne die Klägerin noch mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein, wie sich aus den orthopädischen Gutachten von Dr. G. und Dr. D. sowie aus dem neurologisch-psychiatrischen Gutachten von Dr. H. ergebe. Sowohl Dr. G. als auch Dr. D. hätten keine schwerwiegenden orthopädischen Befunde festgestellt, welche das Leistungsvermögen der Klägerin in zeitlicher Hinsicht herabsetzen könnten. Aus nervenärztlicher Sicht habe Dr. H. ebenfalls ein vollschichtiges Leistungsvermögen der Klägerin attestiert. Die Leistungseinschätzung des Dr. H. sei nach den anamnestischen Angaben und den erhobenen Befunden schlüssig und nachvollziehbar. Dem Gutachten von Prof. Dr. H. könne dagegen nicht gefolgt werden, da die Diagnose einer mittelgradigen depressiven Episode aufgrund der erhobenen Befunde und der anamnestischen Angaben nicht nachvollziehbar sei. Es habe bisher noch kein so erhöhter Leidensdruck bestanden, dass die Hilfe eines Spezialisten wie beispielsweise eines Psychotherapeuten oder eine kontinuierliche nervenärztliche Behandlung durchgeführt worden sei. Aufgrund der Diskrepanz zwischen der Diagnose und den bei der Klägerin vorliegenden Befunden sei die Leistungseinschätzung des Gutachters, wonach die Klägerin nur noch für zwei bis unter drei Stunden für leichte Tätigkeiten belastbar sei, nicht nachvollziehbar.
Hiergegen richtet sich die am 10.07.2006 eingelegte Berufung der Klägerin. Sie trägt zur Begründung im wesentlichen vor, das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. H. habe eindeutig ergeben, dass sie zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht mehr in der Lage sei. Die Gutachten von Dr. G., Dr. D. und Dr. H. seien nicht in der Lage, die ausführlichen und schlüssigen Befunde und Stellungnahmen von Prof. Dr. H. zu widerlegen. Zur Stützung ihres Begehrens hat die Klägerin ein Attest des Dr. K. vom August 2006 vorgelegt.
In der Zeit vom 01.06. bis 29.06.2006 hat sich die Klägerin einer stationären Rehabilitationsmaßnahme in der L.klinik B. D., Abteilung Psychosomatik/Psychotherapie, unterzogen, aus der sie unter den Diagnosen: 1. Rezidivierende depressive Störung, 2. HWS-Syndrom, 3. Hypercholesterinämie als arbeitsunfähig entlassen worden ist. Ausweislich des ärztlichen Entlassungsberichts habe sich die seelische und körperliche Verfassung der Klägerin zwar im Verlauf der Behandlung gebessert, aber noch nicht in der Form, dass ein vollschichtiges Leistungsvermögen erreicht worden sei. Derzeit bestehe noch ein Leistungsvermögen von unter drei Stunden. Wenn der Prozess der allmählichen Stabilisierung unter konsequenter psychiatrisch fachärztlicher Behandlung und kontinuierlicher Antidepressivamedikation weiterlaufe, sollte in ca. sechs Monaten ein Leistungsvermögen von über drei Stunden vorhanden sein. Ob ein vollschichtiges Leistungsvermögen oder nur ein Leistungsvermögen zwischen drei und sechs Stunden erreicht werden könne, lasse sich derzeit noch nicht mit Sicherheit sagen.
Die Beklagte hat daraufhin, der sozialmedizinischen Stellungnahme von Dr. J. folgend, anerkannt, dass die Klägerin seit 15.07.2005 voll erwerbsgemindert sei und sich bereit erklärt, Rente wegen voller Erwerbsminderung befristet ab 01.02.2006 bis 31.10.2007 in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Der entsprechende Rentenbescheid ist am 06.11.2006 erteilt worden.
Die Klägerin hat das Teilanerkenntnis der Beklagten nicht als ausreichend angesehen. Das Gutachten von Prof. Dr. H. bescheinige im Ergebnis, dass seit Mitte 2003 die gesundheitlichen Einschränkungen gegeben seien. Spätestens sei der Leistungsfall am 01.01.2005 eingetreten.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 11. Mai 2006 und den Bescheid vom 25. April 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. November 2003 sowie den Bescheid vom 06. November 2006 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 01. Juli 2005 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung, soweit sie über das Anerkenntnis hinausgeht, zurückzuweisen und die Klage gegen den Bescheid vom 06. November 2006 abzuweisen.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der vorliegenden Verwaltungsakten der Beklagten, der beigezogenen SG-Akten S 9 RJ 1706/04 und den der Prozessakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Klägerin und ihre Klage sind, soweit sie nicht durch die bereits gewährte Rente wegen voller Erwerbsminderung klaglos gestellt wurde, nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung bereits ab 01.07.2005.
Gegenstand des Rechtsstreits ist nicht nur der Bescheid vom 25.04.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.11.2003, sondern auch der gemäß § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Verfahrens gewordene Bescheid vom 06.11.2006, über den der Senat jedoch nicht kraft Berufung, sondern kraft Klage entscheidet.
Die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung in der seit 01.01.2001 gültigen Fassung sind im Urteil des SG zutreffend zitiert. Hierauf nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug.
Vorliegend vermochte sich der Senat nicht davon zu überzeugen, dass bei der Klägerin der Versicherungsfall der teilweisen oder vollen Erwerbsminderung bereits vor Juli 2005 eingetreten ist und dass der Klägerin anstelle der von der Beklagten für die Zeit vom 01.02.2006 bis 31.10.2007 bewilligten Rente eine Rente wegen voller Erwerbsminderung bereits ab 01.07.2005 oder früher zu gewähren ist.
Ausweislich des Entlassungsberichts der L.klinik B. D., Zentrum für Verhaltensmedizin, vom Juni 2006 wurde bei der Klägerin eine schwere Episode einer depressiven Störung mit somatischem Syndrom (degeneratives HWS- und LWS-Syndrom, Hypercholesterinämie) diagnostiziert. Die Klägerin zeigte eine reduzierte Schwingungsfähigkeit, einen gehemmten Antrieb und eine deutlich angespannte Psychomotorik. Die Klinikärzte machten deutlich, dass die objektivierbaren somatischen Befunde nicht vollständig Art und Ausmaß der vorgetragenen Schmerzen erklären, deren Ursache psychogen im Verlauf der depressiven Störung verstärkt auftreten. Die seelische und körperliche Verfassung der Klägerin besserte sich zwar im Verlauf der Behandlung, das Leistungsvermögen wurde aber auch bei Entlassung mit unter drei Stunden angegeben, wobei unter konsequenter psychiatrisch fachärztlicher Behandlung und kontinuierlicher antidepressiver Medikation eine allmähliche Stabilisierung prognostiziert wurde. Die gutachtliche Untersuchung der Klägerin in der Reha-Klinik G. durch Prof. Dr. H. im Dezember 2005 ergab aus psychiatrischer Sicht eine mittelgradige depressive Episode mit somatischem Syndrom und eine Dysthymia, darüber hinaus wurden ein chronisches cervicales Schmerzsyndrom, aktuell ohne radikuläre Symptome bei Bandscheibenprotrusio HWK 5/6 und ein chronisches lumbales Schmerzsyndrom bei degenerativen LWS-Veränderungen, eine primäre Hypertonie und eine Trigeminusneuralgie V-3 links diagnostiziert. Bei deutlichen vegetativen Begleiterscheinungen wirkte die Klägerin zeitweise angespannt und nervös, am Ende der jeweils 1-stündigen Gesprächsblocks erschöpft und matt mit Konzentrationsschwierigkeiten. Es fand sich eine eingeengte affektive Schwingungsfähigkeit und ein normal wirkender Antrieb im Kontakt. Unter Berücksichtigung der chronifizierten depressiven Symptome, der Dysthymia-Symptomatik, des strukturellen Aspektes und der komplexen Schmerzsymptomatik im Bereich der HWS und LWS sowie des Gesichts attestierte Prof. Dr. H. der Klägerin eine erhebliche Einschränkung der psycho-mentalen und körperlichen Belastbarkeit, die nurmehr leichte Tätigkeiten mit weiteren qualitativen Einschränkungen zwei bis drei Stunden pro Tag zuließen. Dagegen sah der Sachverständige Dr. H. anlässlich der Untersuchung der Klägerin am 19.02.2005 aufgrund der erhobenen leichten depressiven Symptomatik nur die Kriterien für das Vorliegen einer Dysthymie als erfüllt an. Dr. H. wies ausdrücklich darauf hin, dass es sich um eine chronische depressive Verstimmung handelte, die nicht die Leitlinien einer leichten oder mittelgradigen (oder gar schweren) depressiven Störung erfüllte. Auffällig war lediglich eine themenabhängig leicht gedrückte Stimmungslage und insgesamt diskret verminderte affektive Schwingungsfähigkeit. Auch der Antrieb war nur diskret reduziert und die Psychomotorik zeitweilig etwas starr. Im Rahmen der Untersuchung konnten keine relevanten Störungen der Auffassung, der Konzentration und des Durchhaltevermögens festgestellt werden. Auch die Tagesstruktur und sozialen Kontakte waren noch ausreichend erhalten.
Ein Vergleich der Feststellungen von Dr. H., Prof. Dr. H. und der Kurärzte der L.klinik zeigt mithin, worauf Dr. J. zu Recht hinweist, eindeutig eine Verschlechterung der psychischen Symptomatik, die letztendlich in die in der L.klinik behandelte schwere depressive Episode mündete.
Mit Dr. J. vermag auch der Senat der Auffassung von Prof. Dr. H., wonach die aktuelle Leistungsfähigkeit bereits seit Mitte des Jahres 2003 vorliegen sollte, nicht zu folgen. Dieser Beurteilung und auch dem von der Klägerin geltend gemachten Leistungsfall am 01.01.2005 stehen die den Senat überzeugenden Feststellungen des Dr. H. entgegen. Der Senat hat keine Veranlassung, an der sozialmedizinischen Beurteilung des erfahrenen Sachverständigen zu zweifeln. Diese steht im Einklang mit den erhobenen Befunden, ist schlüssig und nachvollziehbar. Danach war die Klägerin jedenfalls im Februar 2005 noch in der Lage, leichte Tätigkeiten mit Heben und Tragen von Lasten bis 10 Kilogramm in wechselnder Körperhaltung vollschichtig (8 Stunden täglich bei 5 Tagen in der Woche) zu verrichten. Zu vermeiden waren schweres Heben von Lasten über 10 Kilogramm, Arbeiten auf Leitern, häufiges Bücken oder häufiges Treppensteigen, gleichförmige Körperhaltungen und Überkopfarbeiten, Arbeiten in Kälte, unter Kälteeinfluss oder im Freien, Akkordarbeit, Wechselschicht oder Nachtarbeit sowie Tätigkeiten, die besonders hohe Ansprüche an Auffassung und Konzentration stellen bzw. mit einer erhöhten Verantwortung und einer besonders hohen geistigen Beanspruchung verbunden sind. Durch diese qualitativen Einschränkungen wurde die Fähigkeit der Klägerin, leichte Tätigkeiten zu verrichten, nach der Überzeugung des Senats nicht zusätzlich in erheblichem Umfang eingeschränkt, so dass ihr eine konkrete Berufstätigkeit nicht benannt werden muss.
Die rentenrelevante Verschlechterung des Leistungsvermögens der Klägerin muss somit zwischen Februar 2005 (Untersuchung Dr. H.) und Dezember 2005 (Untersuchung Prof. Dr. H.) eingetreten sein. Mangels konkreter anderweitiger Anhaltspunkte erscheint daher dem Senat die Annahme des Leistungsfalls der vollen Erwerbsminderung - wie von Dr. J. vorgeschlagen - in der zeitlichen Mitte, also im Juli 2005, für sachgerecht.
Die Klägerin erfüllt auch nur die Voraussetzungen für eine befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung, denn nach dem seit 01.01.2001 geltenden Rentenrecht ist die Gewährung einer Dauerrente der Ausnahmefall. Regelmäßig ist nur eine Rente auf Zeit zu gewähren. Eine Ausnahme gilt lediglich unter den Voraussetzungen des § 102 Abs. 2 Satz 4 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI). Danach werden Renten, auf die ein Anspruch unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage besteht, unbefristet geleistet, wenn unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann. Von einer Unwahrscheinlichkeit ist dann auszugehen, wenn aus ärztlicher Sicht bei Betrachtung des Krankheitsverlaufes und unter Berücksichtigung der vorhandenen Behandlungsmöglichkeiten von einem Dauerzustand auszugehen ist. Unter Berücksichtigung der gutachtlichen Feststellungen und vor allem der Ausführungen im Entlassungsbericht der L.klinik ist eine Besserung der psychischen Symptomatik unter adäquater Therapie zu erwarten, so dass von keinem Dauerzustand ausgegangen werden kann. Die Beklagte hat mithin zu Recht die Rente befristet. Daraus folgt zugleich, dass die Rentenzahlung erst am 01.02.2006 beginnt (§ 101 Abs. 1 SGB VI).
Etwas anderes ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung der orthopädischen Gesundheitsstörungen, die nach den auch den Senat überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen Dr. D., die im wesentlichen das Untersuchungsergebnis durch Dr. G. bestätigt haben, zwar qualitative Einschränkungen, jedoch keine quantitative Leistungslimitierung bedingen. Eine rentenrelevante Verschlechterung der im Vordergrund stehenden Beschwerdesymptomatik im Bereich der Halswirbelsäule ist jedenfalls bis Juli 2005 nicht nachgewiesen, wie Dr. H. in ihrer beratungsärztlichen Stellungnahme nachvollziehbar dargelegt hat.
Schließlich erfüllt die Klägerin auch nicht die Voraussetzungen für eine Rente wegen Berufsunfähigkeit, wie das SG ausführlich und zutreffend begründet hat. Insoweit nimmt der Senat auf die Entscheidungsgründe Bezug und verzichtet auf deren erneute Darstellung (§ 153 Abs. 2 SGG).
Die Berufung und die Klage konnten hiernach keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Dabei hat der Senat einerseits berücksichtigt, dass der Leistungsfall bereits während des Klageverfahrens eingetreten ist und die Beklagte erst nach dem Heilverfahren in der L.klinik ein Anerkenntnis abgegeben hat, andererseits, dass die Rente nicht auf Dauer, sondern befristet gewährt wird.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Die Beklagte hat der Klägerin die Hälfte der außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten noch um den Zeitpunkt des Beginns der (befristeten) Rente wegen voller Erwerbsminderung.
Die 1949 geborene Klägerin erlernte von April 1965 bis April 1968 das Friseurhandwerk und war ihren Angaben zufolge mit Unterbrechungen (u.a. von Mai 1974 bis Februar 1987) bis August 1990 in ihrem Beruf tätig, zuletzt ab März 1987 bis zur Geschäftsaufgabe im Salon P ... Ab September 1990 bis Dezember 2000 war sie als Kontrolleurin und von Januar bis August 2001 als Produktionshelferin beschäftigt. Seither war die Klägerin arbeitslos oder arbeitsunfähig.
Am 19.02.2003 beantragte sie die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte veranlasste eine Untersuchung und Begutachtung der Klägerin durch den Chirurgen Dr. G ... Dieser diagnostizierte unter Berücksichtigung weiterer Arztunterlagen als Gesundheitsstörungen: 1. Chronisch-rezidivierendes Wirbelsäulensyndrom mit linksbetonten Cervikobrachialgien, -cephalgien, Lumboischialgien und endgradiger Funktionseinschränkung bei Fehlhaltung und gering- bis mäßiggradigen degenerativen Veränderungen; 2. beginnende Rotatorenmanschettendegeneration und Schultereckgelenksarthrose links mit endgradiger Funktionseinschränkung; 3. Verdacht auf Somatisierungsstörung. Der Gutachter kam zu dem Ergebnis, insgesamt stehe das z.T. erhebliche Beschwerdebild in Diskrepanz zu den relativ blanden Befunden am Stütz- und Bewegungsapparat, so dass von einer psychischen Überlagerung auszugehen sei. In Zusammenschau mit einer wohl latent vorhandenen Depression dürfte es sich hierbei um eine Somatisierungsstörung handeln. Das Leistungsvermögen der Klägerin sei so weit gemindert, dass sie noch leichte bis mittelschwere Arbeiten in vollschichtigem Umfang ausüben könne, wobei Einschränkungen für langes Stehen und häufiges Bücken sowie Überkopfarbeiten beachtet werden sollten. Ferner dürften nur noch Lasten bis maximal 10 bis 15 kg gehoben und getragen werden. Als Kontrolleurin und Maschinenarbeiterin wäre die Klägerin auch weiterhin vollschichtig einsetzbar.
Mit Bescheid vom 25.04.2003 lehnte die Beklagte hierauf den Rentenantrag ab, weil weder eine teilweise noch eine volle Erwerbsminderung und auch keine Berufsunfähigkeit vorliege.
Zur Begründung ihres dagegen erhobenen Widerspruchs legte die Klägerin eine Stellungnahme des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. K. vor, in der dieser darauf hinwies, dass aufgrund der erheblichen psychovegetativen Problematik mit somatischen Komponenten jede Art von Stress zu rascher Arbeitsunfähigkeit führe und in Kenntnis dieser Problematik davon ausgegangen werden müsse, dass die Klägerin nicht in nennenswertem Umfang erwerbstätig sein könne. Die Beklagte holte Auskünfte der ehemaligen Arbeitgeber der Klägerin ein. Der Friseur P. teilte mit, dass Grund für die Beendigung der Tätigkeit der Klägerin die Geschäftsaufgabe gewesen sei. Die Firma K.-E. GmbH beschrieb die Tätigkeit der Klägerin im Zeitraum Januar bis August 2001 als Aushilfstätigkeit. Nach der Auskunft der Firma V. E. GmbH habe es sich bei den Tätigkeiten der Klägerin (03.09.1990 bis 31.12.2000) um Arbeiten gehandelt, die von ungelernten Arbeitern verrichtet würden. Gestützt auf eine sozialmedizinische Stellungnahme von Dr. N. und unter Berücksichtigung eines sozialmedizinischen Gutachtens des MDK B.-W. vom September 2003 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 12.11.2003 zurück.
Deswegen erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) mit der Begründung, sie sei keineswegs in der Lage, noch ständig sechs Stunden und mehr an Arbeitsleistung zu erbringen. Die zwischenzeitlich auch auf Veranlassung der AOK durchgeführten Untersuchungen hätten ergeben, dass ihre Erwerbsfähigkeit so nachhaltig und massiv beeinträchtigt sei, dass die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung gegeben seien. Die Summe der gesundheitlichen Einschränkungen, unter denen sie leide, führe insgesamt zu einem Ausschluss ihrer Erwerbsfähigkeit.
Als gerichtliche Sachverständige erstatteten Dr. D., Oberarzt in der Klinik für Unfallchirurgie im M. S., ein orthopädisches und Dr. H., Chefarzt der Klinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie im Klinikum a. W., ein nervenärztliches Gutachten.
Dr. D. führte zusammenfassend aus, bei der Klägerin bestünden eine endgradig eingeschränkte Rechts-Neig-Beweglichkeit der Halswirbelsäule bei konventionell radiologisch dokumentierten diskret vermehrten Verschleißerscheinungen im Bewegungssegment C5/C6 und kernspintomographisch dokumentierter medio-links lateraler (in der Mitte und links seitlich liegender) Bandscheibenvorwölbung ohne eindeutige Kompression der segmentalen Nervenwurzel bei klinisch beschriebenen rezidivierenden Zervikobrachialgien links (ausstrahlende Schmerzen von der Halswirbelsäule in den linken Arm), eine endgradig eingeschränkte Entfaltbarkeit der Lendenwirbelsäule bei konventionell radiologisch dokumentierten diskret vermehrten Verschleißerscheinungen der beinnahen Lendenwirbelsäulen-Hälfte, ein sog. "schnellender" Ringfinger rechts ohne relevante Funktionseinbuße sowie eine endgradige Streckhemmung im linken Ringfingerendgelenk aufgrund eines alten Strecksehnenabrisses (keine relevante daraus resultierende Funktionsstörung). Die Klägerin sei aus orthopädisch-unfallchirurgischer Sicht noch in der Lage, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ohne regelmäßiges Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten ohne Hilfsmittel über 15 kg vollschichtig auszuüben. Die Klägerin sei in der Lage, täglich viermal eine Wegstrecke von mehr als 500 m innerhalb von jeweils 20 Minuten zurückzulegen und zweimal öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeiten zu benutzen.
Dr. H. verneinte neurologische Ausfallserscheinungen wie Paresen, Atrophien oder auf eine umschriebene Nervenwurzel beziehbare Sensibilitätsstörungen. Hinweise für ein Carpaltunnelsyndrom hätten sich nicht ergeben. Die beklagten linksseitigen Gesichtsschmerzen ließen sich am ehesten als Trigeminusneuralgie einordnen. Außerhalb akuter Schmerzattacken entstünden daraus keine relevanten funktionellen Leistungseinschränkungen. Auf psychiatrischem Fachgebiet habe sich eine leichte depressive Symptomatik im Sinne einer Dysthymie gezeigt. Hierbei handle es sich um eine chronische depressive Verstimmung, die nicht die Leitlinien einer leichten oder mittelgradigen (oder gar schweren) depressiven Störung erfülle. Die Kriterien für das Vorliegen einer somatoformen Störung oder einer Angsterkrankung seien im Rahmen der Untersuchung nicht erfüllt worden. Aufgrund der bestehenden degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule sollten schwere Lasten (über 10 kg) nicht gehoben oder getragen und Arbeiten auf Leitern, häufiges Bücken oder häufiges Treppensteigen unterlassen werden. Auch gleichförmige Körperhaltungen und Überkopfarbeiten sowie Arbeiten in Kälte, unter Kälteeinfluss oder im Freien sollten vermieden werden. Günstig sei ein Wechsel zwischen Sitzen, Stehen und Gehen. Aufgrund der vorliegenden Dysthymie müsse eine Überforderung durch Akkordarbeit, Wechselschicht- oder Nachtarbeit bzw. durch Arbeiten unter besonderem Zeitdruck vermieden werden. Dies gelte gleichermaßen für besonders hohe Ansprüche an Auffassung und Konzentration sowie für eine erhöhte Verantwortung und eine besondere (hohe) geistige Beanspruchung. Bei Beachtung dieser Einschränkungen sei die Klägerin in der Lage, eine leichte Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt und eine Tätigkeit als Produktionshelferin vollschichtig (acht Stunden täglich bei fünf Tagen in der Woche) auszuüben. Besondere Schwierigkeiten hinsichtlich der Gewöhnung und Anpassung an einen neuen Arbeitsplatz bestünden nicht. Zusätzliche Arbeitspausen seien aus nervenärztlicher Sicht nicht erforderlich.
Auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) holte das SG ein psychosomatisch-neuropsychiatrisches Gutachten bei Prof. Dr. H., Ärztlicher Direktor der Reha-Klinik G., (Mitarbeiter Oberarzt Dr. S.) ein. Prof. Dr. H. legte dar, bei der Klägerin liege eine mittelgradige depressive Episode mit somatischem Syndrom, eine Dysthymia, ein chronisches cervicales Schmerzsyndrom, aktuell ohne radikuläre Symptome bei Bandscheibenprotrusio HWK 5/6, ein chronisches lumbales Schmerzsyndrom bei degenerativen LWS-Veränderungen, eine primäre Hypertonie sowie eine Trigeminusneuralgie V-3 links vor. Bei der bestehenden komplexen Störung aus erheblich chronifizierten depressiven Symptomen, der Dysthymia-Symptomatik, des strukturellen Aspektes sowie der komplexen Schmerzsymptomatik aus HWS-, LWS- und Gesichtsschmerzen ergebe sich eine erhebliche Einschränkung der psycho-mentalen und körperlichen Belastbarkeit. Aktuell bewältige die Klägerin unter Mithilfe des Ehemannes nur unter großer Mühe und zunehmenden Erschöpfungszeichen ihre Haushaltstätigkeit, wobei sie bestimmte, als leicht bis mittelschwer einzustufende Tätigkeiten, wie Fensterputzen, Staubsaugen etc. nicht mehr ausführen könne. Auch einfache Tätigkeiten ohne besonderen Zeitdruck dürften zu einer Überforderungssituation führen und damit bereits kurzfristig den Gesundheitszustand der Klägerin verschlechtern. Maximal käme eine Belastbarkeit mit zwei bis unter drei Stunden pro Tag für leichte Tätigkeiten in Frage, wobei das Heben und Tragen von Lasten, stereotype Körperhaltungen, Zwangshaltungen, häufiges Bücken, Arbeiten in Gefahrenzonen, Arbeiten unter Zeitdruck und Akkordtätigkeiten, Nacht- und Wechselschichttätigkeiten sowie Arbeiten mit besonderer geistiger Beanspruchung und Verantwortungsübernahme und Kontrolltätigkeiten zu vermeiden seien. Grund für die zeitliche Einschränkung sei die rasche Ermüdbarkeit der Klägerin aufgrund der psycho-mentalen Leistungsminderung und mangelnde Konzentrations- und Aufmerksamkeits-Aufrechterhaltungsfähigkeit unter dann zunehmender Schmerzsymptomatik und depressiv bedingter negativer Selbstverbalisation. Insgesamt müsse davon ausgegangen werden, dass depressive Erkrankungen eine positive Prognose hätten, wenn eine entsprechende Behandlung durchgeführt werde. Vor dem Hintergrund der chronifizierten Krankheitsgeschichte müsse dabei ein längerer Zeitraum von wenigstens einem Jahr angenommen werden.
Hierzu äußerte sich für die Beklagte Dr. H., Fachärztin für Chirurgie, in einer sozialmedizinischen Stellungnahme dahingehend, dass sich auf orthopädischem Fachgebiet eine quantitative Einschränkung des Leistungsvermögens nicht begründen lasse. Auf psychiatrischem Fachgebiet seien nach den bisher vorliegenden medizinischen Unterlagen die Behandlungsoptionen keineswegs als ausgeschöpft anzusehen, da bisher offenbar weder eine ausreichende psychopharmakologische Behandlung noch in den letzten Jahren eine nervenärztlich-psychiatrische bzw. psychotherapeutische Behandlung in ausreichendem Maße durchgeführt worden sei. Da aber Dr. S. und Prof. Dr. H. derzeit von einer Behandlungsnotwendigkeit ausgingen, sollten der Klägerin vordringlich medizinische Reha-Maßnahmen vorgeschlagen werden.
Die Beklagte erklärte sich hierauf bereit, der Klägerin eine stationäre medizinische Rehabilitationsmaßnahme zu gewähren.
Mit Urteil vom 11.05.2006, den Prozessbevollmächtigten der Klägerin zugestellt am 08.06.2006, wies das SG die Klage ab. In den Entscheidungsgründen führte es unter Hinweis auf das vom Bundessozialgericht entwickelte Mehrstufenschema im wesentlichen aus, die Klägerin könne auf alle leichten Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden und sei damit nicht berufsunfähig. Da die Klägerin den erlernten Beruf der Friseurin nicht aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben habe, sei von einer Lösung vom Berufsbild auszugehen. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne die Klägerin noch mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein, wie sich aus den orthopädischen Gutachten von Dr. G. und Dr. D. sowie aus dem neurologisch-psychiatrischen Gutachten von Dr. H. ergebe. Sowohl Dr. G. als auch Dr. D. hätten keine schwerwiegenden orthopädischen Befunde festgestellt, welche das Leistungsvermögen der Klägerin in zeitlicher Hinsicht herabsetzen könnten. Aus nervenärztlicher Sicht habe Dr. H. ebenfalls ein vollschichtiges Leistungsvermögen der Klägerin attestiert. Die Leistungseinschätzung des Dr. H. sei nach den anamnestischen Angaben und den erhobenen Befunden schlüssig und nachvollziehbar. Dem Gutachten von Prof. Dr. H. könne dagegen nicht gefolgt werden, da die Diagnose einer mittelgradigen depressiven Episode aufgrund der erhobenen Befunde und der anamnestischen Angaben nicht nachvollziehbar sei. Es habe bisher noch kein so erhöhter Leidensdruck bestanden, dass die Hilfe eines Spezialisten wie beispielsweise eines Psychotherapeuten oder eine kontinuierliche nervenärztliche Behandlung durchgeführt worden sei. Aufgrund der Diskrepanz zwischen der Diagnose und den bei der Klägerin vorliegenden Befunden sei die Leistungseinschätzung des Gutachters, wonach die Klägerin nur noch für zwei bis unter drei Stunden für leichte Tätigkeiten belastbar sei, nicht nachvollziehbar.
Hiergegen richtet sich die am 10.07.2006 eingelegte Berufung der Klägerin. Sie trägt zur Begründung im wesentlichen vor, das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. H. habe eindeutig ergeben, dass sie zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht mehr in der Lage sei. Die Gutachten von Dr. G., Dr. D. und Dr. H. seien nicht in der Lage, die ausführlichen und schlüssigen Befunde und Stellungnahmen von Prof. Dr. H. zu widerlegen. Zur Stützung ihres Begehrens hat die Klägerin ein Attest des Dr. K. vom August 2006 vorgelegt.
In der Zeit vom 01.06. bis 29.06.2006 hat sich die Klägerin einer stationären Rehabilitationsmaßnahme in der L.klinik B. D., Abteilung Psychosomatik/Psychotherapie, unterzogen, aus der sie unter den Diagnosen: 1. Rezidivierende depressive Störung, 2. HWS-Syndrom, 3. Hypercholesterinämie als arbeitsunfähig entlassen worden ist. Ausweislich des ärztlichen Entlassungsberichts habe sich die seelische und körperliche Verfassung der Klägerin zwar im Verlauf der Behandlung gebessert, aber noch nicht in der Form, dass ein vollschichtiges Leistungsvermögen erreicht worden sei. Derzeit bestehe noch ein Leistungsvermögen von unter drei Stunden. Wenn der Prozess der allmählichen Stabilisierung unter konsequenter psychiatrisch fachärztlicher Behandlung und kontinuierlicher Antidepressivamedikation weiterlaufe, sollte in ca. sechs Monaten ein Leistungsvermögen von über drei Stunden vorhanden sein. Ob ein vollschichtiges Leistungsvermögen oder nur ein Leistungsvermögen zwischen drei und sechs Stunden erreicht werden könne, lasse sich derzeit noch nicht mit Sicherheit sagen.
Die Beklagte hat daraufhin, der sozialmedizinischen Stellungnahme von Dr. J. folgend, anerkannt, dass die Klägerin seit 15.07.2005 voll erwerbsgemindert sei und sich bereit erklärt, Rente wegen voller Erwerbsminderung befristet ab 01.02.2006 bis 31.10.2007 in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Der entsprechende Rentenbescheid ist am 06.11.2006 erteilt worden.
Die Klägerin hat das Teilanerkenntnis der Beklagten nicht als ausreichend angesehen. Das Gutachten von Prof. Dr. H. bescheinige im Ergebnis, dass seit Mitte 2003 die gesundheitlichen Einschränkungen gegeben seien. Spätestens sei der Leistungsfall am 01.01.2005 eingetreten.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 11. Mai 2006 und den Bescheid vom 25. April 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. November 2003 sowie den Bescheid vom 06. November 2006 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 01. Juli 2005 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung, soweit sie über das Anerkenntnis hinausgeht, zurückzuweisen und die Klage gegen den Bescheid vom 06. November 2006 abzuweisen.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der vorliegenden Verwaltungsakten der Beklagten, der beigezogenen SG-Akten S 9 RJ 1706/04 und den der Prozessakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Klägerin und ihre Klage sind, soweit sie nicht durch die bereits gewährte Rente wegen voller Erwerbsminderung klaglos gestellt wurde, nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung bereits ab 01.07.2005.
Gegenstand des Rechtsstreits ist nicht nur der Bescheid vom 25.04.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.11.2003, sondern auch der gemäß § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Verfahrens gewordene Bescheid vom 06.11.2006, über den der Senat jedoch nicht kraft Berufung, sondern kraft Klage entscheidet.
Die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung in der seit 01.01.2001 gültigen Fassung sind im Urteil des SG zutreffend zitiert. Hierauf nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug.
Vorliegend vermochte sich der Senat nicht davon zu überzeugen, dass bei der Klägerin der Versicherungsfall der teilweisen oder vollen Erwerbsminderung bereits vor Juli 2005 eingetreten ist und dass der Klägerin anstelle der von der Beklagten für die Zeit vom 01.02.2006 bis 31.10.2007 bewilligten Rente eine Rente wegen voller Erwerbsminderung bereits ab 01.07.2005 oder früher zu gewähren ist.
Ausweislich des Entlassungsberichts der L.klinik B. D., Zentrum für Verhaltensmedizin, vom Juni 2006 wurde bei der Klägerin eine schwere Episode einer depressiven Störung mit somatischem Syndrom (degeneratives HWS- und LWS-Syndrom, Hypercholesterinämie) diagnostiziert. Die Klägerin zeigte eine reduzierte Schwingungsfähigkeit, einen gehemmten Antrieb und eine deutlich angespannte Psychomotorik. Die Klinikärzte machten deutlich, dass die objektivierbaren somatischen Befunde nicht vollständig Art und Ausmaß der vorgetragenen Schmerzen erklären, deren Ursache psychogen im Verlauf der depressiven Störung verstärkt auftreten. Die seelische und körperliche Verfassung der Klägerin besserte sich zwar im Verlauf der Behandlung, das Leistungsvermögen wurde aber auch bei Entlassung mit unter drei Stunden angegeben, wobei unter konsequenter psychiatrisch fachärztlicher Behandlung und kontinuierlicher antidepressiver Medikation eine allmähliche Stabilisierung prognostiziert wurde. Die gutachtliche Untersuchung der Klägerin in der Reha-Klinik G. durch Prof. Dr. H. im Dezember 2005 ergab aus psychiatrischer Sicht eine mittelgradige depressive Episode mit somatischem Syndrom und eine Dysthymia, darüber hinaus wurden ein chronisches cervicales Schmerzsyndrom, aktuell ohne radikuläre Symptome bei Bandscheibenprotrusio HWK 5/6 und ein chronisches lumbales Schmerzsyndrom bei degenerativen LWS-Veränderungen, eine primäre Hypertonie und eine Trigeminusneuralgie V-3 links diagnostiziert. Bei deutlichen vegetativen Begleiterscheinungen wirkte die Klägerin zeitweise angespannt und nervös, am Ende der jeweils 1-stündigen Gesprächsblocks erschöpft und matt mit Konzentrationsschwierigkeiten. Es fand sich eine eingeengte affektive Schwingungsfähigkeit und ein normal wirkender Antrieb im Kontakt. Unter Berücksichtigung der chronifizierten depressiven Symptome, der Dysthymia-Symptomatik, des strukturellen Aspektes und der komplexen Schmerzsymptomatik im Bereich der HWS und LWS sowie des Gesichts attestierte Prof. Dr. H. der Klägerin eine erhebliche Einschränkung der psycho-mentalen und körperlichen Belastbarkeit, die nurmehr leichte Tätigkeiten mit weiteren qualitativen Einschränkungen zwei bis drei Stunden pro Tag zuließen. Dagegen sah der Sachverständige Dr. H. anlässlich der Untersuchung der Klägerin am 19.02.2005 aufgrund der erhobenen leichten depressiven Symptomatik nur die Kriterien für das Vorliegen einer Dysthymie als erfüllt an. Dr. H. wies ausdrücklich darauf hin, dass es sich um eine chronische depressive Verstimmung handelte, die nicht die Leitlinien einer leichten oder mittelgradigen (oder gar schweren) depressiven Störung erfüllte. Auffällig war lediglich eine themenabhängig leicht gedrückte Stimmungslage und insgesamt diskret verminderte affektive Schwingungsfähigkeit. Auch der Antrieb war nur diskret reduziert und die Psychomotorik zeitweilig etwas starr. Im Rahmen der Untersuchung konnten keine relevanten Störungen der Auffassung, der Konzentration und des Durchhaltevermögens festgestellt werden. Auch die Tagesstruktur und sozialen Kontakte waren noch ausreichend erhalten.
Ein Vergleich der Feststellungen von Dr. H., Prof. Dr. H. und der Kurärzte der L.klinik zeigt mithin, worauf Dr. J. zu Recht hinweist, eindeutig eine Verschlechterung der psychischen Symptomatik, die letztendlich in die in der L.klinik behandelte schwere depressive Episode mündete.
Mit Dr. J. vermag auch der Senat der Auffassung von Prof. Dr. H., wonach die aktuelle Leistungsfähigkeit bereits seit Mitte des Jahres 2003 vorliegen sollte, nicht zu folgen. Dieser Beurteilung und auch dem von der Klägerin geltend gemachten Leistungsfall am 01.01.2005 stehen die den Senat überzeugenden Feststellungen des Dr. H. entgegen. Der Senat hat keine Veranlassung, an der sozialmedizinischen Beurteilung des erfahrenen Sachverständigen zu zweifeln. Diese steht im Einklang mit den erhobenen Befunden, ist schlüssig und nachvollziehbar. Danach war die Klägerin jedenfalls im Februar 2005 noch in der Lage, leichte Tätigkeiten mit Heben und Tragen von Lasten bis 10 Kilogramm in wechselnder Körperhaltung vollschichtig (8 Stunden täglich bei 5 Tagen in der Woche) zu verrichten. Zu vermeiden waren schweres Heben von Lasten über 10 Kilogramm, Arbeiten auf Leitern, häufiges Bücken oder häufiges Treppensteigen, gleichförmige Körperhaltungen und Überkopfarbeiten, Arbeiten in Kälte, unter Kälteeinfluss oder im Freien, Akkordarbeit, Wechselschicht oder Nachtarbeit sowie Tätigkeiten, die besonders hohe Ansprüche an Auffassung und Konzentration stellen bzw. mit einer erhöhten Verantwortung und einer besonders hohen geistigen Beanspruchung verbunden sind. Durch diese qualitativen Einschränkungen wurde die Fähigkeit der Klägerin, leichte Tätigkeiten zu verrichten, nach der Überzeugung des Senats nicht zusätzlich in erheblichem Umfang eingeschränkt, so dass ihr eine konkrete Berufstätigkeit nicht benannt werden muss.
Die rentenrelevante Verschlechterung des Leistungsvermögens der Klägerin muss somit zwischen Februar 2005 (Untersuchung Dr. H.) und Dezember 2005 (Untersuchung Prof. Dr. H.) eingetreten sein. Mangels konkreter anderweitiger Anhaltspunkte erscheint daher dem Senat die Annahme des Leistungsfalls der vollen Erwerbsminderung - wie von Dr. J. vorgeschlagen - in der zeitlichen Mitte, also im Juli 2005, für sachgerecht.
Die Klägerin erfüllt auch nur die Voraussetzungen für eine befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung, denn nach dem seit 01.01.2001 geltenden Rentenrecht ist die Gewährung einer Dauerrente der Ausnahmefall. Regelmäßig ist nur eine Rente auf Zeit zu gewähren. Eine Ausnahme gilt lediglich unter den Voraussetzungen des § 102 Abs. 2 Satz 4 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI). Danach werden Renten, auf die ein Anspruch unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage besteht, unbefristet geleistet, wenn unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann. Von einer Unwahrscheinlichkeit ist dann auszugehen, wenn aus ärztlicher Sicht bei Betrachtung des Krankheitsverlaufes und unter Berücksichtigung der vorhandenen Behandlungsmöglichkeiten von einem Dauerzustand auszugehen ist. Unter Berücksichtigung der gutachtlichen Feststellungen und vor allem der Ausführungen im Entlassungsbericht der L.klinik ist eine Besserung der psychischen Symptomatik unter adäquater Therapie zu erwarten, so dass von keinem Dauerzustand ausgegangen werden kann. Die Beklagte hat mithin zu Recht die Rente befristet. Daraus folgt zugleich, dass die Rentenzahlung erst am 01.02.2006 beginnt (§ 101 Abs. 1 SGB VI).
Etwas anderes ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung der orthopädischen Gesundheitsstörungen, die nach den auch den Senat überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen Dr. D., die im wesentlichen das Untersuchungsergebnis durch Dr. G. bestätigt haben, zwar qualitative Einschränkungen, jedoch keine quantitative Leistungslimitierung bedingen. Eine rentenrelevante Verschlechterung der im Vordergrund stehenden Beschwerdesymptomatik im Bereich der Halswirbelsäule ist jedenfalls bis Juli 2005 nicht nachgewiesen, wie Dr. H. in ihrer beratungsärztlichen Stellungnahme nachvollziehbar dargelegt hat.
Schließlich erfüllt die Klägerin auch nicht die Voraussetzungen für eine Rente wegen Berufsunfähigkeit, wie das SG ausführlich und zutreffend begründet hat. Insoweit nimmt der Senat auf die Entscheidungsgründe Bezug und verzichtet auf deren erneute Darstellung (§ 153 Abs. 2 SGG).
Die Berufung und die Klage konnten hiernach keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Dabei hat der Senat einerseits berücksichtigt, dass der Leistungsfall bereits während des Klageverfahrens eingetreten ist und die Beklagte erst nach dem Heilverfahren in der L.klinik ein Anerkenntnis abgegeben hat, andererseits, dass die Rente nicht auf Dauer, sondern befristet gewährt wird.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
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