Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 14 RJ 2236/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 R 4521/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.
Der am 9.3.1956 geborene Kläger erlernte im Herkunftsland Rumänien den Beruf des Werkzeugmachers/Feinmechanikers und - nach eigenen Angaben - während des Wehrdienstes auch den des Kfz-Mechanikers. Ferner absolvierte er eine Weiterbildung zum technischen Zeichner. In der Bundesrepublik war er in verschiedenen Bereichen und zuletzt bis Mitte Mai 2002 als Service-Techniker einer Tankstelle versicherungspflichtig beschäftigt.
Nach Durchführung einer stationären Heilbehandlung im Mai/Juni 2002, aus der er mit den Diagnosen lumbales Schmerzsyndrom bei ausgeprägten degenerativen Veränderungen der Lendenwirbelsäule, mediale Gonarthrose beidseits, Asthma bronchiale und Adipositas als für leichte bis zeitweise mittelschwere körperliche Tätigkeiten leistungsfähig entlassen worden war, beantragte der Kläger am 14.9.2002 die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.
Die von der Beklagten veranlasste chirurgisch-sozialmedizinische Begutachtung (Gutachten Dr. S. vom 11.12.2002) erbrachte im Wesentlichen Belastungsschmerzen der Kniegelenke bei mäßiger medialer Gonarthrose bei langjähriger erheblicher Adipositas, ein Lendenwirbelsäulensyndrom bei Wirbelsäulenfehlstatik und deutlichen degenerativen Veränderungen der unteren Brust- und Lendenwirbelsäule ohne Wurzelreizzustand, eine teilreversible kombinierte Lungenfunktionsstörung bei saisonal verstärktem Asthma bronchiale, eine langjährig bekannte Migräne sowie eine akute Funktionseinschränkung der rechten Schulter nach Prellung bei einem mindestens sechsstündigen Leistungsvermögen für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten unter Beachtung weiterer qualitativer Leistungseinschränkungen.
Hierauf gestützt lehnte die Beklagte den Rentenantrag mit Bescheid vom 10.1.2003 ab und wies den hiergegen erhobenen Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 26.5.2003 unter Einstufung des Klägers auf Grund der zuletzt ausgeübten Tätigkeit als einfach angelernter Arbeiter zurück.
Dagegen hat der Kläger am 27.6.2003 beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) Klage erhoben, mit der er sein Rentenbegehren weiterverfolgt hat.
Das SG hat ehemalige Arbeitgeber des Klägers befragt (zur näheren Feststellung der Einzelheiten wird auf Blatt 35/36 und 56/57 der SG-Akte Bezug genommen) und sachverständige Zeugenauskünfte bei den behandelnden Ärzten eingeholt, von denen keiner (insbesondere auch nicht wegen der internistischen/lungenfachärztlichen Befunde) eine zeitliche Leistungseinschränkung im Rahmen leichter körperlicher Tätigkeiten angenommen hat (wegen der Einzelheiten vgl. Blatt 38/55 und 68/71 der SG-Akte).
Sodann hat das SG Beweis erhoben durch Einholung des orthopädischen Sachverständigengutachtens von Dr. P. vom 27.4.2004. Diagnostiziert worden ist orthopädischerseits ein myogenes Reizsyndrom der Rumpfwirbelsäule ohne wesentliche Funktionseinschränkung und ohne neurologische Ausfälle bei radiologisch nachweisbarer Spondylosis und einer keilförmigen Deformierung des 11. Brustwirbelkörpers ohne Beteiligung der Hinterkante sowie das altersentsprechende Maß geringfügig überschreitenden degenerativen Veränderungen im lumbosakralen Übergangsegment, eine endgradige Funktionseinschränkung der rechten Schulter bei Zustand nach Akromioplastik, radiologisch nachweisbare initiale Aufbraucherscheinungen des rechten Kniegelenkes bei Zustand nach Teilresektion des Innenmeniskus und geringfügig das altersentsprechende Maß übersteigenden Aufbraucherscheinungen auch auf der Gegenseite ohne Funktionsbeeinträchtigung und ohne Hinweise auf ein chronisches oder akutes Reizgeschehen, ein Zustand nach knöchern zwischenzeitlich vollständig konsolidierter Absprengung aus dem Os triquetrum der rechten Handwurzel und einen Zustand nach knöcherner Teilamputation des rechten Daumenendgliedes ohne Beeinträchtigung der Greiffunktion der rechten Hand sowie ein Knick-Senkfuß beidseits und nebenbefundlich eine Adipositas per magna, geringe statische Ödeme beider Unterschenkel und eine medikamentös suffizient eingestellte Ventilationsstörung bei allergischem Asthma. Leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten mit dem Heben und Tragen von Lasten bis zu 10 kg könnten vollschichtig verrichtet werden. Erforderlich sei ein gelegentlicher Wechsel der Arbeitshaltungen. Unzumutbar seien Tätigkeiten in Zwangshaltungen, in knieender und gebückter Position, mit häufigem Treppensteigen, mit dem regelmäßigen Zurücklegen sehr langer Wegstrecken, häufige Arbeiten auf Leitern und Gerüsten sowie Tätigkeiten unter vermehrter Kälte- und Nässebelastung. Betriebsunübliche Arbeitsbedingungen seien nicht erforderlich und die Wegefähigkeit sei nicht eingeschränkt.
Das SG hat die Klage aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 11.8.2004 durch Urteil vom selben Tag abgewiesen.
Es hat unter Darstellung der für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung erforderlichen Voraussetzungen und der hierfür maßgebenden Rechtsvorschriften sowie unter Darstellung der Grundsätze zum Berufsschutz entschieden, dass der als einfach angelernter Arbeiter einzustufende und damit breit verweisbare Kläger die ihm somit noch zumutbaren - unbenannten - leichten Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden am Tag verrichten könne. Gefolgt werde dem eingeholten Gutachten sowie den Auskünften der behandelnden Fachärzte. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.
Gegen das ihm am 2.9.2004 zugestellte Urteil hat der Kläger am 1.10.2004 Berufung eingelegt, mit der er sein Klagebegehren auch unter Geltendmachung von Berufsschutz als Facharbeiter aufgrund seiner zuletzt als Service-Kraft verrichteten Tätigkeit weiterverfolgt (wegen der Tätigkeitsbeschreibung vgl. Blatt 10 der LSG-Akte).
Der Senat hat höchstvorsorglich als Verweisungstätigkeiten die eines Registrators und Poststellenmitarbeiters benannt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 11. August 2004 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 10. Januar 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Mai 2003 zu verurteilen, ihm Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angegriffene Entscheidung für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Rentenakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]), ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung, weil er zur Überzeugung des Senats zumindest noch in der Lage ist, ihm sozial und körperlich zumutbare leichte Tätigkeiten mindestens sechs Stunden am Tag zu verrichten.
Der Senat weist die Berufung im Wesentlichen bereits aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurück und sieht deshalb insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG).
Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens wird das berufliche Restleistungsvermögen des Klägers entscheidend geprägt durch die bei ihm vorliegenden orthopädischen Befunde, wegen derer sich der Kläger dementsprechend auch hauptsächlich in Behandlung befindet (Blatt 6/9 der LSG-Akte). Eine nennenswerte Leistungseinschränkung wegen des bei ihm vorliegenden Asthmas ist schon nach den Auskünften der vom SG befragten behandelnden Ärzte nicht anzunehmen.
In orthopädischer Hinsicht stützt der Senat seine Überzeugung vom beruflichen Restleistungsvermögen des Klägers in erster Linie auf das orthopädische Sachverständigengutachten von Dr. P ... Danach bedingen die beim Kläger vorliegenden Gesundheitsstörungen lediglich die Beschränkung auf noch leichte (bis mittelschwere) körperliche Tätigkeiten unter Beachtung der weiteren, in dem Sachverständigengutachten im Einzelnen aufgeführten qualitativen Leistungseinschränkungen. Insbesondere ist nach diesem Gutachten die Annahme einer quantitativen (zeitlichen) Leistungseinschränkung medizinisch nicht begründet. Die von Dr. P. vorgenommene Leistungsbeurteilung ist nach den erhobenen Befunden, bei kritischer Würdigung und der gebotenen Anlegung eines strengen Maßstabes für den Senat schlüssig und nachvollziehbar, weshalb er ihr folgt.
Hierfür ist auch maßgebend, dass orthopädischen Befunden in aller Regel bereits durch die Einhaltung qualitativer Einschränkungen Rechnung getragen werden kann. Lediglich in besonders begründeten Ausnahmefällen kann die Annahme einer zeitlichen Leistungseinschränkung gerechtfertigt sein. Unter Berücksichtigung von Art und Umfang der hier zu beurteilenden Befunde liegen hierfür keine Anhaltspunkte vor, zumal insbesondere keine Nervenwurzelreizungen bestehen.
Anders als das SG lässt der Senat offen, ob der Kläger Berufsschutz als Facharbeiter genießt, wenngleich weder die vom SG eingeholten Arbeitgeberauskünfte den Nachweis der Ausübung einer Facharbeitertätigkeit erbringen dürften (es handelte sich vielmehr um Aushilfs- bzw. Anlerntätigkeiten mit einer Anlernzeit von höchstens drei Monaten) noch das vom Kläger zuletzt vorgelegte Arbeitszeugnis über die Tätigkeit einer Service-Kraft bei einer Tankstelle belegen dürfte, dass der Kläger in voller Breite im angeblich erlernten Beruf des Kfz-Mechanikers tätig gewesen ist, wobei noch hinzukommt, dass - was auch der Kläger einräumen muss - hinsichtlich des Abschlusses einer entsprechenden Berufsausbildung keinerlei Nachweise vorliegen.
Selbst wenn der Kläger nämlich Berufsschutz als Facharbeiter genießen sollte, gibt es für ihn entsprechende Verweisungstätigkeiten.
Der Kläger kann für diesen Fall subjektiv (sozial) zumutbar auf die Anlerntätigkeit eines Registrators im öffentlichen Dienst in der Vergütungsgruppe VIII BAT verwiesen werden.
In diese Vergütungsgruppe sind nämlich "Angestellte im Büro -, Registratur-, ... sonstigen Innendienst ... mit schwieriger Tätigkeit ..." eingruppiert (vgl. hierzu und zur zumutbaren Verweisbarkeit eines zur Gruppe mit dem Leitberuf des Facharbeiters gehörenden Berufskraftfahrers auf die Tätigkeit eines Registrators BSG vom 27.11.1991 - 5 RJ 91/89 - und allgemein BSG vom 12.9.1991 - 5 RJ 34/90 - sowie zur Verweisung eines Maurer-Facharbeiters auf die Tätigkeit eines Registrators Urteil des erkennenden Senats vom 19.11.2003 - L 3 RJ 2583/03 -).
Diese Tätigkeit ist ihm mit seinem Restleistungsvermögen auch objektiv (gesundheitlich) zumutbar. Nach einer dem Senat vorliegenden berufskundlichen Stellungnahme des - damaligen - Landesarbeitsamtes Baden-Württemberg vom 16.8.2000 handelt es sich bei der Tätigkeit eines Registrators um eine Tätigkeit, die auch im Wechsel zwischen Sitzen, Stehen und Gehen ausgeübt wird und in der Regel lediglich mit leichten Arbeiten verbunden ist. In diesem Rahmen kann zwar das Heben und Tragen von Lasten (Aktenvorgänge, Poststücke) grundsätzlich nicht vermieden werden, es können dabei im Einzelfall durchaus Lasten von über 5 kg bis zu 10 kg zu bewegen sein, im Einzelfall können auch Zwangshaltungen und Überkopfarbeiten häufig nicht vermieden werden und - je nach Registratur - können durchaus auch Arbeiten auf Leitern vorkommen. Für den Senat ist letztlich jedoch die berufskundliche Einschätzung maßgebend, dass die körperliche Belastung insgesamt auch weitgehend von der jeweiligen Arbeitsplatzgestaltung und der Arbeitsorganisation abhängt. Damit steht zur Überzeugung des Senats fest, dass das Bewegen von Lasten von über 5 kg bis zu 10 kg, Zwangshaltungen und das Arbeiten auf Leitern nicht generell und in allen Fällen mit der Tätigkeit eines Registrators verbunden sind. Dies deckt sich im Übrigen mit den Kenntnissen des Senats über die Tätigkeit eines Registrators z.B. bei einem Gericht, die damit aus berufskundlicher Sicht bestätigt wurden.
Schließlich erfüllt diese Verweisungstätigkeit nach ständiger Rechtsprechung des Senats auch die höchstrichterlich vorgegebene Voraussetzung, dass auf eine Tätigkeit nur verwiesen werden darf, wenn die für sie notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten innerhalb einer bis zu drei Monaten dauernden Einarbeitung und Einweisung erworben werden können (BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 23). Denn nach der erwähnten berufskundlichen Stellungnahme beträgt die Anlernzeit/Einarbeitungszeit üblicherweise nicht länger als drei Monate. Sie hängt dabei zwar auch von den jeweiligen persönlichen Fähigkeiten ab, ist aber weitgehend von Vorkenntnissen unabhängig. Es handelt sich nämlich um eine einfache Anlerntätigkeit, für die keinerlei besondere Ausbildung erforderlich ist.
Da also die für die Ausübung einer Registratorentätigkeit erforderliche Einarbeitungszeit weitgehend von Vorkenntnissen unabhängig ist (und damit auch von EDV- und Verwaltungsgrundkenntnissen), kann die Tatsache, dass der Kläger vorliegend über solche Vorkenntnisse möglicherweise nicht verfügt, im Ergebnis nicht dazu führen, dass er sich auf eine längere und damit nach der Rechtsprechung nicht mehr zumutbare Einarbeitungszeit berufen kann. Dass beim Kläger - von Vorkenntnissen abgesehen - sonst eingeschränkte persönliche Fähigkeiten vorliegen, die eine längere Einarbeitungszeit begründen, ist weder ersichtlich noch vorgetragen. Der Kläger hat im Berufungsverfahren in diesem Zusammenhang selbst vorgetragen, er habe auf dem deutschen Arbeitsmarkt verschiedene Berufe ausgeübt, sei jederzeit flexibel gewesen und habe sich der jeweiligen Arbeitsmarktsituation angepasst.
In Betracht kommt für diesen Fall ferner die Verweisung auf gehobene Büro- (Hilfs-) Tätigkeiten der Vergütungsgruppe VIII BAT. Diese dem Bereich der angelernten Tätigkeiten zuzuordnenden Bürotätigkeiten sind einem Facharbeiter grundsätzlich zumutbar (Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 26.6.1995 - L 2 I 248/94 -). Dazu gehört z. B. die Tätigkeit eines Mitarbeiters in der Poststelle der Verwaltungsabteilung - Allgemeine Verwaltung -.
Diese Tätigkeit umfasst folgende Aufgaben: Öffnen der eingegangenen Post und Anbringung des Eingangsstempels, Verteilen der Post auf die Abteilungen und Referate entsprechend dem Sachverhalt, Richten von abgehenden Sammelsendungen, Kuvertieren der abgehenden Briefpost und Verpacken der Paketsendungen, Bedienen des Freistemplers entsprechend der Aufgabeneinteilung durch den Bearbeiter, Erfassung der Einschreibesendungen entsprechend der Aufgabeneinteilung durch den Bearbeiter und Beförderung der Post, entsprechend der Anweisung des Bearbeiters, von und zum Postamt mit anstaltseigenem Fahrzeug.
Es handelt sich um eine körperlich leichte Tätigkeit, die im Wechsel zwischen Gehen, Sitzen und Stehen ausgeübt werden kann. Zwar müssen in der Poststelle der Verwaltungsabteilung Pakete oder Körbe mit Postsendungen gehoben oder getragen werden, die 5 kg oder mehr wiegen. Solche Transporttätigkeiten sind jedoch nicht typisch für die Tätigkeit in der Poststelle, weil der Transportdienst von und zum Postamt sowie innerhalb der Poststelle nur von wenigen, und zwar speziell hierfür bestimmten Mitarbeitern wahrgenommen wird. Die Mehrheit der Mitarbeiter der Poststelle ist hingegen ausschließlich mit dem Fertigmachen der auslaufenden Post und mit der Bearbeitung der eingehenden Post betraut, so dass die zu verrichtenden Aufgaben nicht den Schweregrad leichter körperlicher Tätigkeiten übersteigen (Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 26.5.1997 - L 2 I 47/95 - mwN).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.
Der am 9.3.1956 geborene Kläger erlernte im Herkunftsland Rumänien den Beruf des Werkzeugmachers/Feinmechanikers und - nach eigenen Angaben - während des Wehrdienstes auch den des Kfz-Mechanikers. Ferner absolvierte er eine Weiterbildung zum technischen Zeichner. In der Bundesrepublik war er in verschiedenen Bereichen und zuletzt bis Mitte Mai 2002 als Service-Techniker einer Tankstelle versicherungspflichtig beschäftigt.
Nach Durchführung einer stationären Heilbehandlung im Mai/Juni 2002, aus der er mit den Diagnosen lumbales Schmerzsyndrom bei ausgeprägten degenerativen Veränderungen der Lendenwirbelsäule, mediale Gonarthrose beidseits, Asthma bronchiale und Adipositas als für leichte bis zeitweise mittelschwere körperliche Tätigkeiten leistungsfähig entlassen worden war, beantragte der Kläger am 14.9.2002 die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.
Die von der Beklagten veranlasste chirurgisch-sozialmedizinische Begutachtung (Gutachten Dr. S. vom 11.12.2002) erbrachte im Wesentlichen Belastungsschmerzen der Kniegelenke bei mäßiger medialer Gonarthrose bei langjähriger erheblicher Adipositas, ein Lendenwirbelsäulensyndrom bei Wirbelsäulenfehlstatik und deutlichen degenerativen Veränderungen der unteren Brust- und Lendenwirbelsäule ohne Wurzelreizzustand, eine teilreversible kombinierte Lungenfunktionsstörung bei saisonal verstärktem Asthma bronchiale, eine langjährig bekannte Migräne sowie eine akute Funktionseinschränkung der rechten Schulter nach Prellung bei einem mindestens sechsstündigen Leistungsvermögen für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten unter Beachtung weiterer qualitativer Leistungseinschränkungen.
Hierauf gestützt lehnte die Beklagte den Rentenantrag mit Bescheid vom 10.1.2003 ab und wies den hiergegen erhobenen Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 26.5.2003 unter Einstufung des Klägers auf Grund der zuletzt ausgeübten Tätigkeit als einfach angelernter Arbeiter zurück.
Dagegen hat der Kläger am 27.6.2003 beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) Klage erhoben, mit der er sein Rentenbegehren weiterverfolgt hat.
Das SG hat ehemalige Arbeitgeber des Klägers befragt (zur näheren Feststellung der Einzelheiten wird auf Blatt 35/36 und 56/57 der SG-Akte Bezug genommen) und sachverständige Zeugenauskünfte bei den behandelnden Ärzten eingeholt, von denen keiner (insbesondere auch nicht wegen der internistischen/lungenfachärztlichen Befunde) eine zeitliche Leistungseinschränkung im Rahmen leichter körperlicher Tätigkeiten angenommen hat (wegen der Einzelheiten vgl. Blatt 38/55 und 68/71 der SG-Akte).
Sodann hat das SG Beweis erhoben durch Einholung des orthopädischen Sachverständigengutachtens von Dr. P. vom 27.4.2004. Diagnostiziert worden ist orthopädischerseits ein myogenes Reizsyndrom der Rumpfwirbelsäule ohne wesentliche Funktionseinschränkung und ohne neurologische Ausfälle bei radiologisch nachweisbarer Spondylosis und einer keilförmigen Deformierung des 11. Brustwirbelkörpers ohne Beteiligung der Hinterkante sowie das altersentsprechende Maß geringfügig überschreitenden degenerativen Veränderungen im lumbosakralen Übergangsegment, eine endgradige Funktionseinschränkung der rechten Schulter bei Zustand nach Akromioplastik, radiologisch nachweisbare initiale Aufbraucherscheinungen des rechten Kniegelenkes bei Zustand nach Teilresektion des Innenmeniskus und geringfügig das altersentsprechende Maß übersteigenden Aufbraucherscheinungen auch auf der Gegenseite ohne Funktionsbeeinträchtigung und ohne Hinweise auf ein chronisches oder akutes Reizgeschehen, ein Zustand nach knöchern zwischenzeitlich vollständig konsolidierter Absprengung aus dem Os triquetrum der rechten Handwurzel und einen Zustand nach knöcherner Teilamputation des rechten Daumenendgliedes ohne Beeinträchtigung der Greiffunktion der rechten Hand sowie ein Knick-Senkfuß beidseits und nebenbefundlich eine Adipositas per magna, geringe statische Ödeme beider Unterschenkel und eine medikamentös suffizient eingestellte Ventilationsstörung bei allergischem Asthma. Leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten mit dem Heben und Tragen von Lasten bis zu 10 kg könnten vollschichtig verrichtet werden. Erforderlich sei ein gelegentlicher Wechsel der Arbeitshaltungen. Unzumutbar seien Tätigkeiten in Zwangshaltungen, in knieender und gebückter Position, mit häufigem Treppensteigen, mit dem regelmäßigen Zurücklegen sehr langer Wegstrecken, häufige Arbeiten auf Leitern und Gerüsten sowie Tätigkeiten unter vermehrter Kälte- und Nässebelastung. Betriebsunübliche Arbeitsbedingungen seien nicht erforderlich und die Wegefähigkeit sei nicht eingeschränkt.
Das SG hat die Klage aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 11.8.2004 durch Urteil vom selben Tag abgewiesen.
Es hat unter Darstellung der für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung erforderlichen Voraussetzungen und der hierfür maßgebenden Rechtsvorschriften sowie unter Darstellung der Grundsätze zum Berufsschutz entschieden, dass der als einfach angelernter Arbeiter einzustufende und damit breit verweisbare Kläger die ihm somit noch zumutbaren - unbenannten - leichten Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden am Tag verrichten könne. Gefolgt werde dem eingeholten Gutachten sowie den Auskünften der behandelnden Fachärzte. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.
Gegen das ihm am 2.9.2004 zugestellte Urteil hat der Kläger am 1.10.2004 Berufung eingelegt, mit der er sein Klagebegehren auch unter Geltendmachung von Berufsschutz als Facharbeiter aufgrund seiner zuletzt als Service-Kraft verrichteten Tätigkeit weiterverfolgt (wegen der Tätigkeitsbeschreibung vgl. Blatt 10 der LSG-Akte).
Der Senat hat höchstvorsorglich als Verweisungstätigkeiten die eines Registrators und Poststellenmitarbeiters benannt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 11. August 2004 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 10. Januar 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Mai 2003 zu verurteilen, ihm Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angegriffene Entscheidung für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Rentenakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]), ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung, weil er zur Überzeugung des Senats zumindest noch in der Lage ist, ihm sozial und körperlich zumutbare leichte Tätigkeiten mindestens sechs Stunden am Tag zu verrichten.
Der Senat weist die Berufung im Wesentlichen bereits aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurück und sieht deshalb insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG).
Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens wird das berufliche Restleistungsvermögen des Klägers entscheidend geprägt durch die bei ihm vorliegenden orthopädischen Befunde, wegen derer sich der Kläger dementsprechend auch hauptsächlich in Behandlung befindet (Blatt 6/9 der LSG-Akte). Eine nennenswerte Leistungseinschränkung wegen des bei ihm vorliegenden Asthmas ist schon nach den Auskünften der vom SG befragten behandelnden Ärzte nicht anzunehmen.
In orthopädischer Hinsicht stützt der Senat seine Überzeugung vom beruflichen Restleistungsvermögen des Klägers in erster Linie auf das orthopädische Sachverständigengutachten von Dr. P ... Danach bedingen die beim Kläger vorliegenden Gesundheitsstörungen lediglich die Beschränkung auf noch leichte (bis mittelschwere) körperliche Tätigkeiten unter Beachtung der weiteren, in dem Sachverständigengutachten im Einzelnen aufgeführten qualitativen Leistungseinschränkungen. Insbesondere ist nach diesem Gutachten die Annahme einer quantitativen (zeitlichen) Leistungseinschränkung medizinisch nicht begründet. Die von Dr. P. vorgenommene Leistungsbeurteilung ist nach den erhobenen Befunden, bei kritischer Würdigung und der gebotenen Anlegung eines strengen Maßstabes für den Senat schlüssig und nachvollziehbar, weshalb er ihr folgt.
Hierfür ist auch maßgebend, dass orthopädischen Befunden in aller Regel bereits durch die Einhaltung qualitativer Einschränkungen Rechnung getragen werden kann. Lediglich in besonders begründeten Ausnahmefällen kann die Annahme einer zeitlichen Leistungseinschränkung gerechtfertigt sein. Unter Berücksichtigung von Art und Umfang der hier zu beurteilenden Befunde liegen hierfür keine Anhaltspunkte vor, zumal insbesondere keine Nervenwurzelreizungen bestehen.
Anders als das SG lässt der Senat offen, ob der Kläger Berufsschutz als Facharbeiter genießt, wenngleich weder die vom SG eingeholten Arbeitgeberauskünfte den Nachweis der Ausübung einer Facharbeitertätigkeit erbringen dürften (es handelte sich vielmehr um Aushilfs- bzw. Anlerntätigkeiten mit einer Anlernzeit von höchstens drei Monaten) noch das vom Kläger zuletzt vorgelegte Arbeitszeugnis über die Tätigkeit einer Service-Kraft bei einer Tankstelle belegen dürfte, dass der Kläger in voller Breite im angeblich erlernten Beruf des Kfz-Mechanikers tätig gewesen ist, wobei noch hinzukommt, dass - was auch der Kläger einräumen muss - hinsichtlich des Abschlusses einer entsprechenden Berufsausbildung keinerlei Nachweise vorliegen.
Selbst wenn der Kläger nämlich Berufsschutz als Facharbeiter genießen sollte, gibt es für ihn entsprechende Verweisungstätigkeiten.
Der Kläger kann für diesen Fall subjektiv (sozial) zumutbar auf die Anlerntätigkeit eines Registrators im öffentlichen Dienst in der Vergütungsgruppe VIII BAT verwiesen werden.
In diese Vergütungsgruppe sind nämlich "Angestellte im Büro -, Registratur-, ... sonstigen Innendienst ... mit schwieriger Tätigkeit ..." eingruppiert (vgl. hierzu und zur zumutbaren Verweisbarkeit eines zur Gruppe mit dem Leitberuf des Facharbeiters gehörenden Berufskraftfahrers auf die Tätigkeit eines Registrators BSG vom 27.11.1991 - 5 RJ 91/89 - und allgemein BSG vom 12.9.1991 - 5 RJ 34/90 - sowie zur Verweisung eines Maurer-Facharbeiters auf die Tätigkeit eines Registrators Urteil des erkennenden Senats vom 19.11.2003 - L 3 RJ 2583/03 -).
Diese Tätigkeit ist ihm mit seinem Restleistungsvermögen auch objektiv (gesundheitlich) zumutbar. Nach einer dem Senat vorliegenden berufskundlichen Stellungnahme des - damaligen - Landesarbeitsamtes Baden-Württemberg vom 16.8.2000 handelt es sich bei der Tätigkeit eines Registrators um eine Tätigkeit, die auch im Wechsel zwischen Sitzen, Stehen und Gehen ausgeübt wird und in der Regel lediglich mit leichten Arbeiten verbunden ist. In diesem Rahmen kann zwar das Heben und Tragen von Lasten (Aktenvorgänge, Poststücke) grundsätzlich nicht vermieden werden, es können dabei im Einzelfall durchaus Lasten von über 5 kg bis zu 10 kg zu bewegen sein, im Einzelfall können auch Zwangshaltungen und Überkopfarbeiten häufig nicht vermieden werden und - je nach Registratur - können durchaus auch Arbeiten auf Leitern vorkommen. Für den Senat ist letztlich jedoch die berufskundliche Einschätzung maßgebend, dass die körperliche Belastung insgesamt auch weitgehend von der jeweiligen Arbeitsplatzgestaltung und der Arbeitsorganisation abhängt. Damit steht zur Überzeugung des Senats fest, dass das Bewegen von Lasten von über 5 kg bis zu 10 kg, Zwangshaltungen und das Arbeiten auf Leitern nicht generell und in allen Fällen mit der Tätigkeit eines Registrators verbunden sind. Dies deckt sich im Übrigen mit den Kenntnissen des Senats über die Tätigkeit eines Registrators z.B. bei einem Gericht, die damit aus berufskundlicher Sicht bestätigt wurden.
Schließlich erfüllt diese Verweisungstätigkeit nach ständiger Rechtsprechung des Senats auch die höchstrichterlich vorgegebene Voraussetzung, dass auf eine Tätigkeit nur verwiesen werden darf, wenn die für sie notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten innerhalb einer bis zu drei Monaten dauernden Einarbeitung und Einweisung erworben werden können (BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 23). Denn nach der erwähnten berufskundlichen Stellungnahme beträgt die Anlernzeit/Einarbeitungszeit üblicherweise nicht länger als drei Monate. Sie hängt dabei zwar auch von den jeweiligen persönlichen Fähigkeiten ab, ist aber weitgehend von Vorkenntnissen unabhängig. Es handelt sich nämlich um eine einfache Anlerntätigkeit, für die keinerlei besondere Ausbildung erforderlich ist.
Da also die für die Ausübung einer Registratorentätigkeit erforderliche Einarbeitungszeit weitgehend von Vorkenntnissen unabhängig ist (und damit auch von EDV- und Verwaltungsgrundkenntnissen), kann die Tatsache, dass der Kläger vorliegend über solche Vorkenntnisse möglicherweise nicht verfügt, im Ergebnis nicht dazu führen, dass er sich auf eine längere und damit nach der Rechtsprechung nicht mehr zumutbare Einarbeitungszeit berufen kann. Dass beim Kläger - von Vorkenntnissen abgesehen - sonst eingeschränkte persönliche Fähigkeiten vorliegen, die eine längere Einarbeitungszeit begründen, ist weder ersichtlich noch vorgetragen. Der Kläger hat im Berufungsverfahren in diesem Zusammenhang selbst vorgetragen, er habe auf dem deutschen Arbeitsmarkt verschiedene Berufe ausgeübt, sei jederzeit flexibel gewesen und habe sich der jeweiligen Arbeitsmarktsituation angepasst.
In Betracht kommt für diesen Fall ferner die Verweisung auf gehobene Büro- (Hilfs-) Tätigkeiten der Vergütungsgruppe VIII BAT. Diese dem Bereich der angelernten Tätigkeiten zuzuordnenden Bürotätigkeiten sind einem Facharbeiter grundsätzlich zumutbar (Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 26.6.1995 - L 2 I 248/94 -). Dazu gehört z. B. die Tätigkeit eines Mitarbeiters in der Poststelle der Verwaltungsabteilung - Allgemeine Verwaltung -.
Diese Tätigkeit umfasst folgende Aufgaben: Öffnen der eingegangenen Post und Anbringung des Eingangsstempels, Verteilen der Post auf die Abteilungen und Referate entsprechend dem Sachverhalt, Richten von abgehenden Sammelsendungen, Kuvertieren der abgehenden Briefpost und Verpacken der Paketsendungen, Bedienen des Freistemplers entsprechend der Aufgabeneinteilung durch den Bearbeiter, Erfassung der Einschreibesendungen entsprechend der Aufgabeneinteilung durch den Bearbeiter und Beförderung der Post, entsprechend der Anweisung des Bearbeiters, von und zum Postamt mit anstaltseigenem Fahrzeug.
Es handelt sich um eine körperlich leichte Tätigkeit, die im Wechsel zwischen Gehen, Sitzen und Stehen ausgeübt werden kann. Zwar müssen in der Poststelle der Verwaltungsabteilung Pakete oder Körbe mit Postsendungen gehoben oder getragen werden, die 5 kg oder mehr wiegen. Solche Transporttätigkeiten sind jedoch nicht typisch für die Tätigkeit in der Poststelle, weil der Transportdienst von und zum Postamt sowie innerhalb der Poststelle nur von wenigen, und zwar speziell hierfür bestimmten Mitarbeitern wahrgenommen wird. Die Mehrheit der Mitarbeiter der Poststelle ist hingegen ausschließlich mit dem Fertigmachen der auslaufenden Post und mit der Bearbeitung der eingehenden Post betraut, so dass die zu verrichtenden Aufgaben nicht den Schweregrad leichter körperlicher Tätigkeiten übersteigen (Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 26.5.1997 - L 2 I 47/95 - mwN).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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