L 13 B 900/06 KN PKH

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
13
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 4 KN 180/06
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 13 B 900/06 KN PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts München vom 21. August 2006 aufgehoben und der Klägerin für das Verfahren vor dem Sozialgerichts München Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt P. K. beigeordnet.

Gründe:

I.

Die 1926 geborene Klägerin ist die Witwe des 1926 geborenen und am 06.12.1998 verstorbenen Versicherten I. L. , der in der ehemaligen Sowjetunion (Ukraine) nach dem Fremdrentengesetz (FRG) zu berücksichtigende Beschäftigungszeiten zurückgelegt und hierbei vom 25.08.1945 bis 01.10.1957 Tätigkeiten ausgeübt hat, die der knappschaftlichen Rentenversicherung zugehörig sind. Er war als Spätaussiedler nach dem Bundesvertriebenengesetzes (BVFG) anerkannt.

Mit Bescheid vom 08.09.1999 lehnte die Beklagte einen Anspruch auf Witwenrente mit der Begründung ab, § 22b Fremdrentengesetz (FRG) schließe eine Zahlung aus, weil sie sowohl einen Anspruch auf eine Versicherten- als auch auf eine Hinterbliebenenrente habe. Die Versichertenrente sei bereits mit 25 Entgeltpunkten berechnet worden, so dass Entgeltpunkte für die Berechnung der Hinterbliebenenrente nicht mehr herangezogen werden könnten.

Der Überprüfungsantrag (§ 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB X -) vom 03.04.2000 mit der Begründung, die Reduzierung auf 25 Entgeltpunkte sei verfassungswidrig, blieb erfolglos (Bescheid vom 12.05.2000; Widerspruchsbescheid vom 23.08.2000).

Der Überprüfungsantrag (§ 44 SGB X) vom 11.04.2002 unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 30.08.2001 (Az.: B 4 RA 118/00 R) und mit der Begründung, hiernach stehe der Klägerin die Zahlung einer Witwenrente zu, wurde mit Bescheid vom 08.08.2002 mit dem Hinweis abgelehnt, der Rechtsprechung des BSG werde nicht gefolgt. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 14.10.2002 zurückgewiesen. Die hiergegen erhobene Klage zum Sozialgericht München - SG - (Az.: S 4 KN 190/02) wurde bis zur Klärung durch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zum Ruhen gebracht.

Mit Bescheid vom 09.10.2003 stellte die Beklagte den Versicherungsverlauf gemäß § 149 Abs.5 SGB VI fest. Mit Widerspruchsbescheid vom 28.11.2003 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück und führte aus, bei der Berechnung der Rentenauskunft sei eine Begrenzung auf insgesamt 25 Entgeltpunkte aus Zeiten nach dem FRG zu Grunde gelegt worden.

Im darauf folgenden Klageverfahren (Az.: S 4 KN 27/04) wies die Klägerin darauf hin, dass die Beklagte den Widerspruch zurückgewiesen habe, obwohl eine Begründung bisher nicht abgegeben worden sei, und beantragte die rentenrechtliche Anerkennung der Zeit vom 14.04.1943 bis 31.12.1944 als Beitrags- bzw. Beschäftigungszeit.

Mit Anerkenntnis vom 03.11.2005 (Vormittag) erkannte die Beklagte den Zeitraum vom 16.04.1943 bis 31.12.1944 als glaubhaft gemachte Beitragszeit an. Im Übrigen erklärten die Beteiligten den Rechtsstreit für erledigt.

Am selben Tag (Nachmittag) stellte die Klägerin mit Schreiben per Fax vom 03.11.2005 einen Antrag gemäß § 44 SGB X und führte aus, bei dem Verstorbenen seien lediglich vier Jahre für die Ermittlung des Leistungszuschlages anerkannt worden. Die Zeit vom 31.01.1955 bis 01.10.1957 sei jedoch ebenso anzurechnen; damit entstünden mindestens sechs volle Jahre.

Mit Bescheid vom 21.03.2006 führte die Beklagte das Anerkenntnis vom 03.11.2005 aus und stellte gemäß § 149 Abs.5 SGB VI die Zeit vom 16.04.1943 bis 31.12.1944 als glaubhaft gemachte Beitragszeit fest.

Mit Rentenbescheid vom 28.03.2006 gewährte die Beklagte unter Bezugnahme auf den Antrag der Klägerin vom 03.11.2005 große Witwenrente ab 06.12.1998. Im Rahmen der Rechtsbehelfsbelehrung führte die Beklagte aus, der Bescheid ergehe auf Grund des Anerkenntnisses vom 03.11.2005. Ein Rechtsbehelf sei nur zulässig, soweit er sich gegen die Ausführung des Anerkenntnisses richte.

Am 05.04.2006 legte die Klägerin Widerspruch gegen den Bescheid vom 28.03.2006 ein und wies darauf hin, dass bereits mit Schreiben vom 03.11.2005 um Überprüfung der für den Leistungszuschlag maßgeblichen Zeiten gebeten worden sei und der Bescheid vom 28.03.2006 die bisherige Feststellung hierzu wiederhole.

Die Beklagte teilte der Klägerin mit, es sei nicht eindeutig ersichtlich, was mit der Bitte um Überprüfung eines Leistungszuschlages gemeint sei. Sie gehe davon aus, dass es sich um die Begrenzung der Entgeltpunkte nach dem FRG handele (Schreiben vom 09.05.2006). Die Klägerin entgegnete, der Antrag nach § 44 SGB X sei am 03.11.2005 gestellt worden. Wenn die Beklagte diesen Antrag lese, werde auch klar, was unter dem Begriff Leistungszuschlag gemeint sei (Schreiben vom 12.05.2006).

Mit Widerspruchsbescheid vom 18.07.2006 wies die Beklagte den Widerspruch vom 05.04.2006 gegen den Bescheid vom 28.03.2006 zurück und führte aus, die Entscheidung betreffe die Berechnung der großen Witwenrente. Aus dem Vortrag im Widerspruchsverfahren sei nicht zweifelsfrei zu erkennen gewesen, was mit dem Widerspruchs begehrt bzw. welche Regelung beanstandet worden sei. Nach Überprüfung nach Aktenlage sei der angefochtene Bescheid nicht zu beanstanden. Er entspreche der Sach- und Rechtslage.

Gegen diesen Widerspruchsbescheid hat die Klägerin Klage zum SG erhoben und beantragt, die Zeit vom 31.01.1955 bis 01.10.1957 als ständige Arbeiten unter Tage anzuerkennen und damit zur Gewährung eines Leistungszuschlages zu verurteilen. Mit Bescheid vom 09.10.2003 sei der Klägerin diese Zeit ohne nähere Angabe von Gründen nicht als Zeit unter Tage anerkannt und damit der Leistungszuschlag abgelehnt worden. Mit Schreiben vom 03.11.2005 sei ein Antrag nach § 44 SGB X gestellt worden. Der Widerspruchsbescheid vom 18.07.2006 sei ohne Prüfung in der Sache selbst ergangen. Die Beklagte führte aus, der Bescheid vom 28.03.2006 sei auf Grund des Anerkenntnisses vom 03.11.2005 erteilt worden und ein Widerspruch dagegen sei nur möglich, soweit er das Anerkenntnis betreffe (Schreiben vom 21.08.2006).

Mit Beschluss vom 21.08.2006 hat das SG den Antrag der Klägerin auf Gewährung von Prozesskostenhilfe abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, die Klage zum Zeitpunkt der Entscheidungsreife hinsichtlich des Prozesskostenhilfeantrags biete keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Die Klage sei unzulässig. Durch den angefochtenen Bescheid vom 28.03.2006 habe die Beklagte nur das am 03.11.2005 abgegebene Anerkenntnis ausgeführt. Eine Entscheidung über den Antrag auf Neufeststellung vom 03.11.2005 mit dem Ziel der weiteren Anerkennung von Jahren mit ständigen Arbeiten unter Tage habe die Beklagte bislang noch nicht getroffen. Mangels Vorliegen einer Entscheidung der Beklagten in der Sache sei eine Verpflichtungsklage unzulässig.

Gegen diesen Beschluss hat die Klägerin Beschwerde zum Bayerischen Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Richtig sei, dass am 03.11.2005 vor dem SG ein Anerkenntnis ergangen und am selben Tag auch ein Antrag nach § 44 SGB X auf Anerkennung der Zeit vom 31.01.1955 bis 01.10.1957 als Leistungszuschlagszeit gestellt worden sei. Falsch sei, dass mit Bescheid vom 28.03.2006 das Anerkenntnis umgesetzt worden sei. Das Anerkenntnis sei mit Bescheid vom 21.03.2006 umgesetzt worden. Nicht gegen diesen Bescheid, sondern gegen den Bescheid vom 28.03.2006 sei Widerspruch eingelegt worden. Nachdem die Beklagte mit dem Antrag nach 44 SGB X vom 03.11.2005 nichts habe anfangen können, habe sie den Widerspruchsbescheid vom 18.07.2006 erlassen. Es sei nicht Widerspruch gegen den Bescheid vom 21.03.2006, der das Anerkenntnis wortwörtlich umgesetzt habe, eingelegt worden, sondern zulässigerweise gegen den Bescheid vom 28.03.2006. Aus der Korrespondenz der Beklagten sei eindeutig zu entnehmen, dass diese mit dem Begriff Leistungszuschlag nichts anzufangen gewusst habe und demzufolge den Antrag nach § 44 SGB X mitentschieden habe. Die Beklagte habe eindeutig zu verstehen gegeben, dass sie überhaupt nicht gewusst habe, was beantragt worden sei. Eben weil die Beklagte nichts mit dem Antrag habe anfangen können, sei sie auch nicht explizit auf die Zeit von 1955 bis 1957 eingegangen, sondern habe fälschlich angefragt, ob eine Sechs-Sechstel-Anrechnung begehrt werde. Die Klägerin hat den am 03.11.2005 gestellten Antrag an die Beklagte mit Faxprotokoll übersandt.

Das SG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

Die Klägerin beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts München vom 21.08.2006 aufzuheben und auf Grund ihres Antrags vom 31.07.2006 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Rechtsanwalts P. K. zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Beklagte hat ausgeführt, mit Bescheid vom 21.03.2006 sei das Anerkenntnis vom 03.11.2005 in Form eines Versicherungsverlaufs nach § 149 Abs.5 SGB VI umgesetzt worden. Die Klägerin habe den Widerspruch gegen den Bescheid vom 28.03.2006 nicht eindeutig begründet. Erst im Zuge des Sozialgerichtsverfahrens sei klar geworden, dass nun für die Zeit vom 31.01.1955 bis 01.10.1957 ein Leistungszuschlag begehrt werde, denn das Schreiben des Gerichts vom 03.08.2006 habe auch eine Kopie des Schreibens der Klägerin vom 03.11.2005 mit dem Antrag auf Überprüfung nach § 44 SGB X enthalten. Dieses sei ihr damit erstmals zugegangen. Daher sei auch nicht zu beanstanden, dass über den Widerspruch am 18.07.2006 eine Entscheidung durch den Widerspruchsausschuss herbeigeführt worden sei. Sie werde nun zum nächst möglichen Zeitpunkt eine Entscheidung über den Antrag nach § 44 SGB X herbeiführen.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten und des SG sowie der Beschwerdeakte des LSG Bezug genommen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) und auch begründet. Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe sind erfüllt. Der Beschluss des SG vom 21.08.2006 war daher aufzuheben.

Ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (§ 73a Abs.1 Satz 1 SGG i.V.m. § 114 ZPO). Ist eine Vertretung durch Anwälte nicht vorgeschrieben, wird der Partei auf ihren Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl beigeordnet, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist (§ 73a Abs.1 Satz 1 SGG i.V.m. § 121 Abs.2 Satz 1 ZPO).

Für die Annahme einer hinreichenden Erfolgsaussicht genügt eine gewisse Erfolgswahrscheinlichkeit (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Auflage § 73a Rdnr.7).

Die Klage ist entgegen der Auffassung des SG nicht als unzulässig anzusehen. Gemäß § 54 Abs.1 SGG kann durch Klage die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlass eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein. Gemäß § 54 Abs.2 Satz 1 SGG ist der Kläger beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist.

Diese Voraussetzungen liegen hier vor, insbesondere besteht die Möglichkeit der Verletzung eigener Rechte der Klägerin durch den Bescheid vom 28.03.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.07.2006. Dem Vorbringen der Beteiligten kann nicht entnommen werden, dass die Beklagte über das streitgegenständliche Begehren bezüglich der rentenrechtlich relevanten Zeit vom 31.01.1955 bis 01.10.1957 aus Sicht der Klägerin, worauf es ankommt, keine Entscheidung getroffen hat.

Die Prozessvoraussetzungen einer Klage, die das Gericht von Amts wegen festzustellen hat, wären zum Zeitpunkt der Entscheidung des SG mit angefochtenem Beschluss nur dann nicht gegeben, wenn unterstellt wird, dass die Beklagte über das Begehren der Klägerin in ihrem Schreiben vom 03.11.2005 (noch) keine Entscheidung getroffen hat. In diesem Fall wäre die Klägerin mangels einer anfechtbaren Regelung durch die Beklagte im Sinne des § 31 Satz 1 SGB X nicht in ihren Rechten betroffen, so dass die Klage als unzulässig abzuweisen wäre.

Für einen solchen Sachverhalt bestehen jedoch aufgrund der gegebenen Aktenlage keine ausreichenden Hinweise.

Ausgangspunkt des Rechtsstreits war das am 03.11.2005 abgegebene Anerkenntnis der Beklagten, den Zeitraum vom 16.04.1943 bis 31.12.1944 als glaubhaft gemachte Beitragszeit anzuerkennen. Dieses Anerkenntnis hat die Beklagte mit Vormerkungsbescheid vom 21.03.2006 ausgeführt. Darauf weist die Beklagte in diesem Bescheid ausdrücklich hin. Der im Verfahren streitige Zeitraum vom 16.04.1943 bis 31.12.1944 wurde von der Beklagten ordnungsgemäß umgesetzt. Die Klägerin hat diesen Ausführungsbescheid nicht angefochten. Mit Erlass dieses Bescheides war somit der vorangegangene Rechtsstreit auch verwaltungstechnisch abgeschlossen. Eines weiteren Ausführungsbescheides, wie dies die Beklagte im Bescheid vom 28.03.2006 anmerkt, bedurfte es somit nicht.

Der Ausführungsbescheid hat im Übrigen als Vormerkungsbescheid nach § 149 Abs.5 SGB VI durch die Übernahme seines Inhalts im Rentenbescheid vom 28.03.2006 seine Funktion erfüllt und damit seine rechtliche Bedeutung verloren (vgl. BSG, Urteil vom 23.08.2005, Az.: B 4 RA 21/04 R).

Mit dem Rentenbescheid vom 28.03.2006 hat die Beklagte (auch) über das mit Schreiben vom 03.11.2005 vorgebrachte Begehren vom 03.11.2005 (mit)entschieden. Für diese Annahme sprechen folgende Gesichtspunkte.

Die Beklagte nimmt eingangs bzw. im Verfügungssatz des Rentenbescheid vom 28.03.2006 ausdrücklich auf den Antrag der Klägerin vom 03.11.2005 Bezug. Daraus kann geschlossen werden, dass die Beklagten das Schreiben der Klägerin vom 03.11.2005, in dem sie einen Antrag nach § 44 SGB X stellt und begehrt, die Gewährung des Leistungszuschlags auch für die Zeit vom 31.01.1955 bis 01.10.1957 zu berücksichtigen, der Beklagten bei der Bescheiderteilung vorgelegen hat, auch wenn die Beklagte später bestreitet, dieses Schreiben erhalten zu haben. Dem von der Klägerin im Beschwerdeverfahren übermittelten Faxprotokoll ist zu entnehmen, dass der Beklagten das Fax übermittelt worden ist.

Im Widerspruchsverfahren gegen den Bescheid vom 28.03.2006 (Schriftsatz vom 05.04.2006) hat die Klägerin zu erkennen gegeben, dass sie die Gewährung eines Leistungszuschlages für die Zeit vom 31.01.1955 bis 01.10.1957 begehrt. Auf Nachfrage der Beklagten zur Konkretisierung des Streitgegenstandes hat die Klägerin auf das Schreiben vom 03.11.2005 hingewiesen, das ihr Begehren beschreibe. Die Klägerin hat somit das Überprüfungsbegehren vom 03.11.2005 zum Gegenstand des Widerspruchsverfahrens gemacht.

Obwohl nach den Angaben der Beklagten das Schreiben der Klägerin vom 03.11.2005 nicht (mehr) vorlag und sie deshalb nicht in der Lage war, auf den Inhalt dieses Schreibens einzugehen, wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 18.07.2006 den Widerspruch zurück. Die Beklagte führte vor Erlass des Widerspruchsbescheides vom 18.07.2006 keine weiteren Ermittlungen zum Eingang und Inhalt des Schreibens vom 03.11.2005 durch. Nicht nachvollziehbar ist, warum die Beklagte nach Zugang des Schriftsatzes der Klägerin vom 12.05.2006 nicht bezüglich des Inhalts des Schreiben vom 03.11.2005 nachgefragt hat. Daraus kann der Schluss gezogen werden, dass sich die Beklagte im Widerspruchsbescheid nicht nur auf Teilregelungen beschränken wollte. Sie führte dort allgemein aus, dass gegen den Bescheid vom 28.03.2006 betreffend der Berechnung einer großen Witwenrente der Widerspruch zurückgewiesen werde und der angefochtene Bescheid der Sach- und Rechtslage entspreche. Der Widerspruchsausschuss nahm dabei offenbar in Kauf, das Widerspruchsbegehren nicht zu kennen. Unzutreffend ist in diesem Zusammenhang die Einlassung der Beklagten im Beschwerdeverfahren, sie habe erst über das SG von dem Schreiben vom 03.11.2005 erfahren. Denn bereits im Widerspruchsverfahren wies die Klägerin mit Schreiben vom 12.05.2006, eingegangen bei der Beklagten am 15.05.2006, auf dieses Schreiben hin.

Jedenfalls aus Sicht der Klägerin hat die Beklagte im Widerspruchsverfahren eine umfassende Überprüfung des Bescheides vom 28.03.2006 vorgenommen. Maßgeblich für den objektiven Sinngehalt eines Verwaltungsakts ist in Anwendung der für die Auslegung von Willenserklärungen maßgeblichen Grundsätze (§§ 133, 157 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB -) der objektive Sinngehalt der Erklärung, wie also der Empfänger die Erklärung bei verständiger Würdigung nach den Umständen des Einzelfalls objektiv verstehen musste (von Wulffen/Engelmann, SGB X, § 31 Rdnr.26 m.w.N.). Hiernach konnte die Klägerin davon ausgehen, dass der Bescheid vom 28.03.2006 auch eine Regelung bezüglich der Gewährung eines Leistungszuschlags für den Zeitraum vom 31.01.1955 bis 01.10.1957 trifft. Bei Berücksichtigung des objektiven Erklärungsgehalt des Widerspruchsbescheides und verständiger Würdigung der Umstände des Einzelfalls hat somit die Beklagte aus der Sicht der Klägerin auch bezüglich dieses Zeitraums eine Entscheidung getroffen.

Der Zusatz im Widerspruchsbescheid, der angefochtene Bescheid sei aufgrund des Anerkenntnisses erfolgt und ein Rechtsbehelf sei auch nur gegen die Ausführung des Anerkenntnisses zulässig, führt schon deshalb zu keiner anderen Bewertung, weil die Beklagte vorher eine umfassende Überprüfung bestätigt hat. Im Übrigen handelt es sich, wie oben dargestellt, bei dem Bescheid vom 28.03.2006 gerade nicht um einen Ausführungsbescheid. Der Bescheid trifft vielmehr eine Regelung zum Rentenanspruch als solchen und nicht nur bezüglich der Anerkennung rentenrechtlicher Zeiten.

Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte und summarischer Überprüfung hat somit die Beklagte mit dem Bescheid vom 03.11.2005 und Widerspruchsbescheid vom 18.07.2006 (auch) eine Entscheidung bezüglich der rentenrelevanten Zeit vom 31.01.1955 bis 01.10.1957 getroffen, so dass die Klage gegen die angefochtene Entscheidung nicht unzulässig ist.

Damit ist aus Gründen des Prozessrechts nicht von vornherein eine hinreichende Erfolgsaussicht auszuschließen. Auch aus materiell-rechtlicher Hinsicht kann bei der Prüfung der Voraussetzungen eines Anspruchs auf Prozesskostenhilfe eine gewisse Erfolgswahrscheinlichkeit nicht verneint werden, wenn bereits nicht erkennbar ist, dass die Beklagte überhaupt das geltend gemachte Begehren einer Überprüfung unterzogen hat. Die Beklagte hat im Übrigen im Beschwerdeverfahren angekündigt, eine Entscheidung gemäß § 44 SGB X herbeizuführen, die unter den Voraussetzungen des § 96 SGG Gegenstand des Klageverfahrens werden würde.

Im Übrigen ist der vorliegende Rechtsstreit materiell-rechtlich und prozessual nicht so einfach gelagert, dass eine anwaltliche Unterstützung entbehrlich wäre. Die Klägerin bedarf anwaltlicher Hilfe, um sachgerechte prozessuale Anträge zu stellen.

Die persönlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe sind gegeben. Die Klägerin ist nicht in der Lage, die Kosten des Prozesses aufzubringen (vgl. § 114 ZPO). Die Klägerin erhält Regelaltersrente in Höhe 598,71 EUR und Witwenrente in Höhe von 18,75 EUR und erfüllt die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Wohngeld.

Dieser Beschluss ergeht kostenfrei und ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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