L 11 R 6437/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 19 R 1491/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 6437/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 15.12.2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Überprüfung der Ablehnung einer Rentengewährung wegen Erwerbsminderung streitig.

Die 1949 geborene Klägerin italienischer Staatsangehörigkeit hat keinen Beruf erlernt. Sie war als Maschinenarbeiterin, Handschleiferin, Büglerin und zuletzt als Maschinenarbeiterin bei der Firma H. (Herstellung von Folien für Akten) bis August 2002 versicherungspflichtig beschäftigt. Seitdem ist sie arbeitslos.

Aufgrund ihrer Arbeitsunfähigkeit ab dem 24.1.2002 wurde die Klägerin vom Sozialmedizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) begutachtet. In seinem Gutachten führte Dr. S. aus, dass die medizinischen Voraussetzungen für eine erhebliche Minderung/Gefährdung der Erwerbsfähigkeit vorlägen. Aufgrund der Hypertonie sei Schichtarbeit nicht günstig. Bei der bestehenden Urininkontinenz sei auch eine ganztags stehende Tätigkeit nachteilig. Ihre bisherige Tätigkeit als Maschinenarbeiterin könne die Klägerin daher in Zukunft wohl nicht mehr ausführen. Außerdem bestehe eine Adipositas und ein Verdacht auf neurotisch-depressive Entwicklung mit psychosomatischer Überlagerung.

Am 14.08.2002 beantragte sie - nach Ablehnung von Rehabilitationsmaßnahmen durch die Beklagte - die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung, wobei sie angab, wegen Wirbelsäulenproblemen, Kopfschmerzen, Blasensenkung, Augenkrankheit und Hörsturz erwerbsgemindert zu sein. Leichte Verpackungsarbeiten könne sie noch durchführen. Sie wolle noch acht Stunden arbeiten, wisse jedoch nicht, ob sie dazu noch in der Lage sei. Die Beklagte veranlasste eine orthopädische Begutachtung der Klägerin nach ambulanter Untersuchung. Der Chirurg Dr. G. diagnostizierte: 1. ein chronisch rezidivierendes Wirbelsäulensyndrom mit rechtsbetonten Cervicobrachialgien und -cephalgien, rechtsbetonten Lumboischialgien und endgradiger Funktionseinschränkung bei Fehlhaltung und geringgradigen degenerativen Veränderungen, leichte Spondylolisthesis L4/5 ohne Spondylolyse, 2. eine arterielle Hypertonie, derzeit ausreichend eingestellt sowie 3. einen ausgeprägten Blasendescensus mit Pollakisurie. Insgesamt sei die Belastbarkeit der Wirbelsäule nicht wesentlich gemindert, zumal derzeit auch keine Hinweise auf eine belangvolle Wurzelreizsymptomatik bestünden. Die Hypertonie wäre weiterhin behandlungsbedürftig. Die Klägerin könne deswegen schwere Arbeit nicht mehr leisten, wohl aber noch leichte bis mittelschwere Arbeiten vollschichtig, wobei jedoch keine Lasten über 15 kg gehoben oder getragen werden sollten. Als Maschinenarbeiterin könne sie weiterhin vollschichtig eingesetzt werden. Gestützt hierauf lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 12.09.2002 den Rentenantrag der Klägerin ab.

Mit Schreiben vom 16.10.2003, bei der Beklagten eingegangen am 20.10.2003, beantragte die Klägerin die Überprüfung des Bescheides vom 12.09.2002 mit der Begründung, aufgrund jahrelanger sehr schwerer Arbeit sei ein Wirbelsäulenschaden gravierender Art eingetreten. Die zuständige Berufsgenossenschaft habe leider die Zuerkennung als Berufserkrankung abgelehnt.

Die Beklagte veranlasste daraufhin eine weitere Begutachtung der Klägerin. Der Chirurg Dr. R. führte aus, dass sich auf gesundheitlichem Gebiet nichts Wesentliches geändert habe. Die Klägerin sei auch nicht mehr beim Arzt gewesen. Geklagt würden wie damals zeitweilige Wirbelsäulenbeschwerden mit Ausstrahlungen in Arme und Beine. Er stellte die Diagnosen von rezidivierenden Lumbalgien und Cervicobrachialgien bei leichtgradigen Aufbraucherscheinungen der Wirbelsäule und leichter Fehlhaltung ohne Wurzelreizzeichen, ohne wesentliche Funktionseinschränkung sowie einen medikamentös eingestellten Bluthochdruck. Nebendiagnostisch wurde ein ausgeprägter Blasendescensus mit Pollakisurie, ein Zustand nach Cataractoperation beidseits, ein behandlungsbedürftiges Glaukom beidseits ohne wesentliche Sehminderung sowie ein Zustand nach Hörsturz ohne wesentliche Einschränkung des Hörvermögens befundet. Zusammengefasst sei die Leistungsfähigkeit noch nicht wesentlich eingeschränkt. Die Klägerin könne noch leichte bis mittelschwere Tätigkeiten ohne häufiges Heben und Tragen vollschichtig ausüben.

Mit Bescheid vom 26.11.2003 lehnte die Beklagte daraufhin die Rücknahme des Bescheides vom 12.09.2002 mit der Begründung ab, eine Änderung im Gesundheitszustand sei nicht eingetreten, so dass es bei dem Ablehnungsbescheid verbleibe. Nach ärztlicher Feststellung könne die Klägerin noch mindestens sechs Stunden je Arbeitstag unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein und sei damit nicht erwerbsgemindert. Eine Rücknahme des Rentenbescheides komme somit nicht in Betracht, da der Ausgangsbescheid rechtmäßig sei.

Mit ihrem dagegen eingelegten Widerspruch machte die Klägerin geltend, sie habe eine auffällige Krankheitsquote während ihrer Tätigkeit als Maschinenarbeiterin gehabt. Infolgedessen sei es zu einer krankheitsbedingten Auflösung des Arbeitsverhältnisses gekommen. Auch der MDK habe nachvollziehbar eine weitere Arbeitsunfähigkeit begründet und dargelegt, dass bei ihr eine Minderung der Erwerbsfähigkeit vorliege. Sie sei auch stark übergewichtig. Offensichtlich lägen psychische Problematiken vor. Fachübergreifend sei sie daher nicht mehr für sechs Stunden vollschichtig belastungsfähig. Mit Widerspruchsbescheid vom 01.03.2004 wies die Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück, bei der Klägerin liege noch ein Erwerbsvermögen von mindestens sechs Stunden täglich vor. Aufgrund ihrer zuletzt ausgeübten Tätigkeit könne sie auf sämtliche ungelernte Tätigkeiten verwiesen werden. Der Benennung einer konkreten noch zumutbaren Tätigkeit bedürfe es daher nicht.

Mit ihrer dagegen beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhobenen Klage machte die Klägerin geltend, die bei ihr vorliegende Vielzahl körperlicher Leiden seien von der Beklagten nicht ausreichend berücksichtigt worden. Dies habe auch der MDK ausführlich begründet dargelegt.

Zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes hat das SG die behandelnden Ärzte der Klägerin als sachverständige Zeugen befragt und die Klägerin anschließend neurologisch/psychiatrisch, orthopädisch auf eigenes Kostenrisiko nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sowie psychiatrisch begutachten lassen.

Der behandelnde Hausarzt, Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. W., vertrat die Auffassung, dass die psychiatrischen Aspekte bei der Begutachtung nicht ausreichend gewürdigt worden wären. Die Chirurgin und Sportmedizinerin Dr. Z., die die Klägerin wegen einer akuten Schmerzsituation im Bereich des linken Kniegelenkes sowie des linken OSG behandelt hatte, gab an, die Klägerin sei ihrer Einschätzung nach nicht mehr in der Lage, einer Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nachzugehen. Die Neurologin und Psychiaterin Dr. S. teilte mit, sie habe die Klägerin nur einmalig am 22.10.2002 behandelt und könne deswegen die Beweisfragen nicht beantworten.

Der nervenärztliche Sachverständige, der Neurologe und Psychiater Dr. P., beschrieb depressive Verstimmungszustände mit somatoformen Schmerzstörungen sowie ein chronisches Wirbelsäulensyndrom mit Cervicobrachialgien und Lumboischialgien bei degenerativen Veränderungen des Bewegungsapparates ohne manifeste neurologische Ausfälle. Ein überzeugender Hinweis für eine Erkrankung aus dem psychotischen Formenkreis, insbesondere für eine "Borderline-Störung", hätte nicht festgestellt werden können. Die Klägerin sei danach noch in der Lage, leichte, anteilig auch mittelschwere körperliche Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter Vermeidung von solchen Tätigkeiten mit besonderer Beanspruchung des Gehörs und des Sehvermögens sowie unter Akkordbedingungen, verbunden mit Nachtarbeit, besonderer geistiger Beanspruchung und des Konzentrationsvermögens sowie nervlicher Belastung vollschichtig zu verrichten. Beispielsweise sei das Verpacken von Kleinteilen, Zureichen etc. durchaus durchführbar.

Dr. W., Orthopäde, Sektionsleiter Wirbelsäule des D.-Klinikums S., diagnostizierte eine degenerative Spondylolisthese L4 Grad I nach Meyerding mit erheblicher Spondylarthrose L4/L5 sowie eine Spondylose und Osteochondrose der mittleren und unteren Brustwirbelsäule. Auf nichtorthopädischem Fachgebiet leide die Klägerin an einer Adipositas per magna, einem Zustand nach Hysterektomie, einem Zustand nach Grauem Star, einem Grünem Star, einem Bluthochdruck, einer Stressinkontinenz bei Blasensenkung sowie einem depressiven Verstimmungszustand mit somatoformen Schmerzstörungen. Die Klägerin könne daher noch leichte körperliche Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung unter Vermeidung von tiefem Bücken, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, Tragen von Lasten über 5 kg, sechs Stunden täglich verrichten.

Der die Klägerin seit dem 12.04.2005 behandelnde Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. F. erachtete das Leistungsvermögen auf drei bis sechs Stunden durch die psychophysische Belastbarkeit reduziert. Die Klägerin leide an einer Erkrankung aus dem psychotischen Formenkreis (schizoaffektive Störung) und einem leichten Sulcus-ulnaris-Syndrom beidseits.

Der daraufhin beauftragte Sachverständige, der Neurologe und Psychiater Dr. H. vom Klinikum am W., beschrieb, dass sich Störungen der Konzentration, der Auffassung oder des Durchhaltevermögens im Rahmen der Untersuchung der Klägerin nicht gezeigt hätten. Auch Merkfähigkeit und Gedächtnis seien intakt gewesen. Der formale Gedankengang wäre geordnet und nicht verlangsamt. Inhaltliche Denkstörungen hätten sich nicht gezeigt. Die Stimmungslage sei insgesamt leicht gedrückt gewesen, wobei es immer wieder auch zu einer - zum Teil deutlichen - Besserung der Stimmungslage gekommen sei, so dass die affektive Schwingungsfähigkeit insgesamt nur diskret reduziert gewesen wäre. Die degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule hätten nicht zu neurologischen Ausfallerscheinungen wie Paresen, Muskelatrophien oder auf eine Nervenwurzel beziehbare Sensibilitätsstörungen geführt. Ein in der Vorgeschichte diagnostiziertes Sulcus-ulnaris-Syndrom werde jetzt nicht beklagt. Auch diesbezüglich ließen sich keine Nachweise finden. Auf psychiatrischem Fachgebiet liege eine leichte depressive Episode vor, die sich durch eine leicht gedrückte Stimmungslage und eine diskrete Verminderung der affektiven Schwingungsfähigkeit zeige. Die beklagten Schmerzen und die depressive Episode unterhielten sich wechselseitig bzw. verstärkten sich. Die Kriterien für das Vorliegen einer eigenständigen somatoformen Schmerzstörung seien hingegen nicht erfüllt. Dies gelte ebenso für das Vorliegen einer eigenständigen Angsterkrankung. Psychotische Symptome hätten sich nicht feststellen lassen. Diagnostisch hätte das Vorliegen einer schizoaffektiven Störung nicht bestätigt werden können. Die Klägerin könne deswegen noch leichte Tätigkeiten unter Vermeidung von Heben und Tragen schwerer Lasten (über 10 kg), Arbeiten auf Leitern, häufigem Bücken oder häufigem Treppensteigen, gleichförmiger Körperhaltung wie Überkopfarbeiten, Arbeiten in Kälte unter Kälteeinfluss oder im Freien, Akkord-, Wechselschicht-, Nacht- sowie Arbeiten unter besonderem Zeitdruck oder unter erhöhter Verantwortung sowie besonderer geistiger Beanspruchung sechs Stunden täglich verrichten. Die zur Erlangung der Arbeitsplätze erforderliche Wegefähigkeit sei nicht eingeschränkt. Die testpsychologische Zusatzuntersuchung von Dipl.-Psych. B. zeigte ein Intelligenzniveau im Bereich der niedrigen Intelligenz bei unterdurchschnittlicher Konzentrationsleistung und leichter Störung der Gedächtnisleistung sowie der Aufmerksamkeitsleistung. Aufgrund einer nicht optimalen Mitarbeitsbereitschaft könne dies jedoch nur vorsichtig interpretiert werden; eine Tendenz zur vorsätzlichen Aggravationsneigung hätte nicht eindeutig nachgewiesen werden können.

Mit Gerichtsbescheid vom 15.12.2006, dem klägerischen Bevollmächtigten zugestellt am 20.12.2006, wies das SG die Klage mit der Begründung ab, die Klägerin könne nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme noch unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein und sei deswegen nicht erwerbsgemindert. Im Vordergrund stünde zum einen eine Wirbelsäulenerkrankung, die mit keiner wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung verbunden sei. Dass die Innenmeniskusläsion links sowie die beginnende Arthrose des linken oberen Sprunggelenkes erfolgreich hätten behandelt werden können, ergebe sich auch daraus, dass die Klägerin sich seit der Konsultation von Dr. Z. nicht mehr in fachspezifischer orthopädischer Behandlung befunden hätte. Die Erkrankung der Wirbelsäule, die die Beweglichkeit nicht nennenswert einschränke, limitiere nur das Leistungsvermögen auf leichte körperliche Tätigkeiten mit qualitativen Einschränkungen. Die Richtigkeit dieser Einschätzung werde dadurch belegt, dass keinerlei neurologische Ausfallerscheinungen wie Paresen, Muskelatrophien oder auf einen Nervenwurzelreiz beziehbare Sensibilitätsstörungen hätten nachgewiesen werden können. Desweiteren leide die Klägerin an einer leichten depressiven Episode, die ebenfalls keine quantitative Leistungseinschränkung bedinge. Deswegen sei die Einschätzung des behandelnden Neurologen und Psychiaters Dr. F. nicht nachvollziehbar gewesen. Es fehle an einer exakten Diagnose. Die Klägerin sei auch nicht berufsunfähig, da sie keinen Beruf erlernt und keine Tätigkeit ausgeübt habe, die über die einer unteren Angelernten hinaus gegangen wären.

Mit ihrer dagegen am 21.12.2006 eingelegten Berufung macht die Klägerin geltend, angesichts der Befunde von Dr. F. sei nicht nachvollziehbar, wie sie noch mehr als sechs Stunden arbeiten könne. Der Sachverständige Dr. H. habe sie lediglich einmal exploriert, während Dr. F. wie auch ihr Hausarzt Dr. W. sie über einen längeren Zeitraum beobachtet hätten. Sie neige in keinster Weise dazu, ihre Beschwerden in den Vordergrund zu stellen.

Die Klägerin beantragt (teilweise sinngemäß),

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 15. Dezember 2006 sowie den Bescheid vom 26. November 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01. März 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 12. September 2002 zurückzunehmen und ihr Rente wegen Erwerbsminderung zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass sich aus der Berufungsbegründung keine neuen Gesichtspunkte ergäben, die eine Änderung des bisherigen Standpunktes zuließen.

Die Beteiligten haben einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist statthaft im Sinne des § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG, da die Berufung Leistungen für mehr als ein Jahr umfasst.

Die damit insgesamt zulässige Berufung ist indessen nicht begründet. Das SG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Denn die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie hat keinen Anspruch auf Rücknahme des Bescheides vom 12.09.2002 bzw. Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Rechtsgrundlage für das Überprüfungsbegehren ist § 44 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Danach ist ein rechtwidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist.

Diese Voraussetzungen liegen zur Überzeugung des Senats in Auswertung der Gutachten von Dr. G. und Dr. R., die im Wege des Urkundsbeweises verwertet werden können, wie der gerichtlichen Sachverständigen Dr. P., Dr. W. und Dr. H. nicht vor. Der Senat folgt diesen Gutachten mit der Argumentation vom SG und der Beklagten, wonach die Klägerin noch leichte Tätigkeiten unter qualitativen Einschränkungen vollschichtig verrichten kann und deswegen nicht erwerbsgemindert ist.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung in der hier anzuwendenden ab 01.01.2001 gültigen Fassung sind im angefochtenen Gerichtsbescheid zutreffend zitiert. Hierauf nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug.

Diese Voraussetzungen erfüllt die Klägerin nicht. Zwar hat sie die allgemeine Wartezeit und die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Rentenantragstellung erfüllt, wie sich aus dem Ausgangsbescheid vom 12.09.2002 ergibt. Indessen fehlt es an einer Minderung der Erwerbsfähigkeit im erforderlichen Umfang. Dies hat das SG ausführlich begründet dargelegt, weswegen der Senat auch insoweit auf die Entscheidungsgründe nach § 153 Abs. 2 SGG Bezug nimmt.

Die Klägerin ist danach noch in der Lage, leichte körperliche Arbeiten unter Beachtung qualitativer Einschränkungen vollschichtig zu verrichten. Im Vordergrund der Leistungseinschränkungen steht - wie dies insbesondere der Sachverständige Dr. H. herausgearbeitet hat - eine leichte depressive Episode, die wechselseitig und in Verstärkung mit den Wirbelsäulenbeschwerden steht. Bei der von ihm getroffenen Bewertung fand dabei, entgegen dem Berufungsvorbringen, auch die ergänzende Prüfung der kognitiven Leistungsfähigkeit im Rahmen der testpsychologischen Zusatzuntersuchung Eingang in die Begutachtung, wie sich aus den Ausführungen zu Intelligenz und Konzentration (Bl. 17 des Gutachtens) ergibt. Die von dem behandelnden Nervenarzt Dr. F. gestellte gravierende Diagnose einer schizoaffektiven Störung ließ sich hingegen nicht erhärten. Dr. H. hat hierzu nachvollziehbar ausgeführt, dass keine Befunde hätten erhoben werden können, die diagnostisch eine solch gravierende Diagnose stützen würden. Dr. F. hat nämlich im Grunde nur ein depressives Symptom mit leichten eingeschränkten emotionalen Modulationen geschildert. Für ein Residualsymptom fehlt es hingegen an der dafür erforderlichen deutlichen Antriebsminderung oder einer Störung der affektiven Schwingungsfähigkeit, die ebenfalls nur diskret eingeschränkt war. Daher konnte auch der Senat die abweichende Leistungseinschätzung von Dr. F. ebenso wenig wie die des behandelnden Hausarztes Dr. W., der sich ebenfalls auf einen - nicht zu bestätigenden - psychiatrischen Aspekt, nämlich eine schwere Persönlichkeitsstörung, stützte, nicht überzeugen.

Die degenerative Wirbelsäulenerkrankung hat sich sicherlich, wie der zuletzt gehörte orthopädische Sachverständige Dr. W. beschrieben hat, verschlimmert, so dass insbesondere die Diagnose einer degenerativen Spondylolisthese L4 sowie einer Spondylose und Osteochondrose der mittleren und unteren Brustwirbelsäule gestellt werden muss. Wie der Sachverständige Dr. H. jedoch ausgeführt hat, hat diese nicht zu neurologischen Ausfallerscheinungen wie Paresen, Muskelatrophien oder auf eine Nervenwurzel beziehbare Sensibilitätsstörungen geführt. Deswegen ist die von allen Sachverständigen gestellte Leistungseinschätzung eines vollschichtigen Leistungsvermögen für leichte körperliche Arbeiten mit qualitativen Leistungseinschränkungen überzeugend.

Die weiterhin bei der Klägerin bestehende Einschränkung der Seh- und Hörfähigkeit schränkt nur die Berufsfähigkeit auf solche Tätigkeiten ein, die gesteigerte Anforderungen an das Hör- und Sehvermögen stellen.

Der konkreten Benennung einer Verweisungstätigkeit bedarf es daher nicht. Notwendig ist dies bei einer "Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen" oder einer "schweren spezifischen Leistungsminderung" (BSG GS SozR 3-2600 § 44 Nr. 8). Darunter fallen nicht die "üblichen" Leistungseinschränkungen wie z.B. der Ausschluss von Tätigkeiten, die überwiegendes Stehen oder Sitzen erfordern, im Akkord oder Schichtdienst verrichtet werden oder besondere Anforderungen an das Seh-, Hör- und Konzentrationsvermögen erfordern (vgl. BSG, Urteil vom 10.12.2003 - B 5 RJ 64/02 R -). Mit dem Begriff "schwere spezifische Leistungsminderung" werden nur solche Fälle erfasst, bei denen bereits eine schwerwiegende Behinderung ein weites Feld von Verweisungsmöglichkeiten versperrt. In der Rechtsprechung des BSG sind bestimmte Fälle anerkannt (vgl. hierzu BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 90 - Einäugigkeit, Einarmigkeit), zu denen jedoch der vorliegende Fall nicht gehört.

Aufgrund ihrer gesundheitlichen Einschränkungen kommen für die Klägerin noch Tätigkeiten als Warenaufmacherin, Versandfertigmacherin, Mitarbeiterin in der Poststelle eines Betriebes oder einer Behörde, Warensortiererin, Montiererin in der Metall- und Elektroindustrie, Maschinenbedienerin an Bohr-, Stanzmaschinen, Präge- und Schweißautomaten, Lager-, Verpackungs- und Reinigungsarbeiten in Betracht. (vgl. auch Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 16.05.1997 - L 8 J 1270/96 und des Bayrischen Landessozialgerichts vom 19.02.2002 - L 6 RJ 727/00-).

Nach alledem steht daher zur Überzeugung des Senats fest, dass die Klägerin noch vollschichtig leichte körperliche Tätigkeiten verrichten kann und deswegen nicht erwerbsgemindert ist.

Da die Klägerin während ihres Berufslebens ausschließlich bestenfalls angelernte Tätigkeiten ausgeübt hat und sie auch keinen Berufsabschluss aufzuweisen hat, ist sie auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar, so dass auch die Gewährung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit ausscheidet.

Die Berufung der Klägerin war daher zurückzuweisen, wobei die Kostenentscheidung auf § 193 SGG beruht. Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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