L 7 B 964/06 AS ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 51 AS 1707/06 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 B 964/06 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 17. November 2006 wird insoweit als unzulässig verworfen, als sie Leistungen für November 2006 betrifft.
Im Übrigen werden die Beschwerden zurückgewiesen.
Die Beschwerdegegnerin hat dem Beschwerdeführer die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zur Hälfte zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten wegen der Rückforderung bzw. Weitergewährung von Arbeitslosengeld II (im Folgenden: Alg II).

Der 1948 geborene Antragsteller und Beschwerdeführer/Anschlussbeschwerdegegner (Bf.) erhält von der Antragsgegnerin und Beschwerdegegnerin/Anschlussbeschwerdeführerin (Bg.) Alg II. Zuletzt wurden ihm mit Bescheid vom 24.05.2006 für den Zeitraum vom 01.06. bis 30.11.2006 monatliche Leistungen in Höhe von jeweils 870,35 Euro bewilligt.

Am 08., 19. und 22.09.2006 führte der Ermittlungsdienst der Bg. Hausbesuche beim Bf. durch. Im Prüfbericht zum Prüfprotokoll vom 25.09.2006 ist vermerkt, der Briefkasten des Bf. werde unregelmäßig geleert (manchmal sei er sehr voll) und das Schloss der Wohnungstür sei stark beschädigt. Der Bf. halte sich nicht regelmäßig in der A.straße auf. Laut Gesprächsvermerk vom 21.09.2006 meldete ein anonymer Anrufer dem Ermittlungsdienst, möglicherweise arbeite der Bf. "schwarz". Jeden Morgen werde er vor seinem Haus ca. um 6.30 Uhr von einem Kleinbus der Firma H. Trenntechnik GmbH abgeholt.

Mit Schreiben vom 10.10.2006 teilte die Bg. dem Bf. diesen Sachverhalt mit; sie, die Bg., gehe davon aus, es liege keine Bedürftigkeit nach § 9 SGB II vor. Weiter ließ sie wissen, die Zahlung von Alg II sei mittlerweile vorläufig eingestellt worden. Der Bf. erhielt Gelegenheit zur Äußerung bis 15.09.2006. Mit Schreiben vom 16.10.2006 bestritt er, er arbeite "schwarz". Die Bg. hob mit Bescheid vom 19.10.2006 dennoch den Bewilligungsbescheid vom 24.05.2006 mit Wirkung ab 01.11.2006 auf. Sie gehe davon aus, der Bf. halte sich nicht regelmäßig in der A.straße auf und somit bestehe keine Bedürftigkeit. Dagegen legte der Bf. mit Schreiben vom 30.10.2006 Widerspruch ein.

Beim Sozialgericht München stellte der Bf. einen auf den 31.10.2006 datierten Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz, der darauf zielt, ihm Alg II ab 01.11.2006 weiter zu zahlen. Er, so der Bf. zur Begründung, besitze keine Ersparnisse und kein sonstiges verwertbares Vermögen; er sei nicht in der Lage, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten.

Das Sozialgericht München hat mit Beschluss vom 17.11.2006 die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 19.10.2006 ab dem 31.10.2006 angeordnet. Die Bg., so das Sozialgericht zur Begründung, habe die Bedürftigkeit wegen des Verdachts der Schwarzarbeit verneint. Dabei habe sie aber nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit dargelegt, dass die Hilfebedürftigkeit nicht mehr vorliege, weil der Bf. einer Arbeit nachgehe. Insbesondere habe sich die Bg. nicht an den mutmaßlichen Arbeitgeber gewandt.

Mit Schriftsatz vom 01.12.2006 (Eingang beim Sozialgericht München am 05.12.2006) hat der Bf. gegen die Entscheidung des Sozialgerichts Beschwerde eingelegt.

Der Bf. beantragt sinngemäß, unter Abänderung des Beschlusses des Sozialgerichts vom 17.11.2006 ihm auch über den 30.11.2006 hinaus Alg II zu gewähren sowie die Anschlussbeschwerde der Bg. zurückzuweisen.

Zur Begründung weist der Bf. nochmals auf seine prekäre wirtschaftliche Lage hin.

Die Bg. beantragt, unter Aufhebung des Beschlusses des Sozialgerichts vom 17.11.2006 den Antrag des Bf. auf einstweiligen Rechtsschutz abzulehnen sowie dessen Beschwerde zurückzuweisen.

Sie begründet ihre Anträge damit, dem Bf. seien die begehrten Leistungen für November 2006 voll umfänglich zuerkannt worden. Leistungen darüber hinaus seien indes nicht Gegenstand des Verfahrens. Einen Weiterbewilligungsantrag habe der Bf. bislang nicht gestellt. Dies verkörpere ein weiteres Indiz für fehlende Hilfebedürftigkeit. Inzwischen seien seitens des Ermittlungsdienstes fünf weitere Hausbesuche durchgeführt worden, bei denen der Bf. jeweils nicht angetroffen worden sei. Es gebe Hinweise, dass sich der Bf. über mehrere Tage hinweg nicht in seiner Wohnung aufhalte.

Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Akten der Bg., des Sozialgerichts sowie auf die Akte dieses Verfahrens verwiesen; diese lagen allesamt vor und waren Gegenstand der Entscheidungsfindung.

II.

Streitgegenstand ist einerseits die Beschwerde des Bf. Andererseits hat die Bg. mit Schriftsatz vom 21.12.2006 ihrerseits Beschwerde eingelegt, indem sie beantragt hat, den Beschluss des Sozialgerichts München vom 17.11.2006 aufzuheben.

Die Beschwerde des Bf. ist zum Teil unzulässig. Wie die Bg. mitgeteilt hat, hat der Bf. die Alg II-Leistung für November 2006 erhalten. Insoweit fehlt es deswegen an einer Beschwer.

Soweit der Bf. Alg II-Leistungen über den 30.11.2006 hinaus begehrt, ist die Beschwerde zwar zulässig. Insbesondere liegt eine Beschwer vor. Denn der Bf. hat offenkundig bereits mit seinem Antrag zum Sozialgericht die Gewährung von Leistungen nicht nur für den Monat November 2006 erreichen wollen. Insoweit ist er vor dem Sozialgericht gescheitert.

Die Beschwerde ist jedoch unbegründet, weil der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz unzulässig ist. Zu Recht hat das Sozialgericht ihm insoweit nicht entsprochen. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs.2 SGG - um eine solche geht es hier - setzt unabdingbar voraus, das sich ein Antragsteller zunächst an die Verwaltung wendet und dort einen Leistungsantrag stellt. Das gilt auch im vorliegenden Fall. Jedoch hat der Bf. bei der Bg. bislang keinen entsprechenden Leistungsantrag für die Zeit ab Dezember 2006 gestellt. Dies kann ihm nicht erspart werden. Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit sind nicht zuständig - auch nicht im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes -, originär über Sozialleistungsansprüche zu entscheiden. Ein Sachverhalt, der ausnahmsweise von der vorherigen Befassung der Behörde entbinden könnte, ist nicht gegeben.

Die Beschwerde der Bg. ist ihrerseits zwar zulässig. Sie ist als (unselbständige) Anschlussbeschwerde auszulegen, weswegen es auf die Frage, ob die Beschwerdefrist eingehalten ist, nicht ankommt (vgl. § 202 SGG i.V.m. § 567 Abs.3 Satz 1 ZPO). Diese Anschlussbeschwerde ist jedoch unbegründet. Denn das Sozialgericht hat die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 19.10.2006 zu Recht für die Zeit nach Ablauf des 31.10.2006 angeordnet. Es sind keine Tatsachen nachträglich bekannt geworden, die zu einem anderen Ergebnis führen könnten.

Zwar hat der Ermittlungsdienst der Bg. im Dezember 2006 fünf weitere Hausbesuche beim Bf. durchgeführt (am 01., 04., 05., 15. und 18.12.2006), wobei dieser jeweils nicht anzutreffen war. Daraus kann in der Tat abgeleitet werden, dass der Bf. sich allem Anschein nach nur sporadisch in der Wohnung A.straße aufhält. Dies mag für die Bg. Anstoß sein, die Gründe hierfür zu ermitteln. Das gilt umso mehr, als der Bf. in seinen Stellungnahmen sich nur unsubstantiiert dazu geäußert hat.

Dennoch besteht kein Anlass, den Beschluss des Sozialgerichts aufzuheben und den Antrag des Bf. abzulehnen. Es kann dahin stehen, ob aus dem Umstand, dass im Dezember fünf erfolglose Hausbesuche stattgefunden haben, retrospektiv auf die Hilfebedürftigkeit im November geschlossen werden kann. Jedenfalls vermag die häufige Abwesenheit als solche ohne Hinzutreten weiterer Umstände noch nicht so stichhaltige Zweifel an der Hilfebedürftigkeit des Bf. zu begründen, dass sich dies zu dessen Lasten auswirken könnte. Die Gründe für die Abwesenheiten des Bf. können mannigfaltig sein, ohne dass mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Sachverhalt gegeben sein muss, welcher einer Leistungsgewährung entgegen stehen könnte. Insoweit hätte die Bg. noch weitere Ermittlungen anstellen müssen.

Das Gericht seinerseits ist im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht gehalten, diese Ermittlungen im Rahmen des Amtsermittlungsgrundsatzes nachzuholen. Vielmehr darf es auf der Basis des bislang bekannten Sachverhalts über die Beschwerde entscheiden. Somit bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkt dafür, die Hilfebedürftigkeit des Bf. könnte mit Ablauf des Monats Oktober 2006 entfallen sein.

Der Sachverhalt lässt es prüfenswert erscheinen, ob der Bf. möglicherweise nach § 7 Abs.4a SGB II aus dem Kreis der Leistungsberechtigten ausgeschlossen sein könnte. Entsprechende Anhaltspunkte, die sich zu Ungunsten des Bf. auswirken könnten, sind jedoch zumindest für den Monat November 2006 nicht erkennbar. Insbesondere darf insoweit nicht von den Befunden im Dezember 2006 auf die Verhältnisse im Vormonat rückgeschlossen werden.

Nachdem sich somit weder die tatsächlichen Verhältnisse signifikant geändert haben noch die Erfolgsaussichten in der Hauptsache anders zu bewerten sind, bleibt es nach Abwägung der beiderseitigen Interessen bei dem Ergebnis des Sozialgerichts, dass die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs anzuordnen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist nicht weiter anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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