L 14 R 65/06

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 5 R 602/04 SK
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 14 R 65/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 5a/4 R 131/07 B
Datum
Kategorie
Beschluss
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 7. Dezember 2005 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Streitig ist die Gewährung einer Altersrente unter Berücksichtigung einer Beitragszeit nach den Vorschriften des Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG).

Der 1928 geborene, in der Slowakei lebende Kläger stellte am 20.06.2003 bei der Beklagten Antrag auf Altersrente unter Hinweis auf seine Eigenschaft als Verfolgter im Sinne von §§ 1 ff. Bundesentschädigungsgesetz (BEG). Er gab an, in der Zeit vom 15.08.1943 bis 29.08.1944 im "jüdischen Arbeitslager - Ghetto" N. in der Klempnerei gegen Entlohnung (160,00 Kronen monatlich) beschäftigt gewesen und während der Arbeit und auf dem Weg zur Arbeit von den Hlinka-Gardisten und später von Gendarmen bewacht worden zu sein. Der Arbeitseinsatz sei freiwillig erfolgt. Die streitige Zeit werde bei seiner slowakischen Altersrente nicht berücksichtigt.

Zu seinem Vorbringen legte er Kopien der Auszahlungslisten des "Arbeitslagers für Juden in N." für die Monate September und Oktober 1943 vor, aus denen die Gewährung von Taschengeld in Form von "Prämien" für 22 Tage im September bzw. 27 Tage im Oktober an den Kläger ersichtlich war.

Die Beklagte lehnte den Antrag mit streitgegenständlichem Bescheid vom 18.11.2003 mit der Begründung ab, die Voraussetzungen für die Anerkennung von Versicherungszeiten nach § 1 ZRBG seien nicht erfüllt. Die geltend gemachte Zeit vom 15.08.1943 bis 29.08.1944 könne nicht als Zeit einer Beschäftigung im Ghetto anerkannt werden, weil es sich um einen Aufenthalt in einem Zwangsarbeitslager gehandelt habe; Zeiten der Beschäftigung und des Aufenthalts in einem Zwangsarbeitslager ständen einer Beschäftigung und einem zwangsweisen Aufenthalt in einem Getto nicht gleich. Zudem habe sich die Stadt N. in der zur damaligen Zeit mit dem Deutschen Reich verbündeten Slowakei befunden und damit nicht in einem vom Deutschen Reich besetzten oder diesem eingegliederten Gebiet.

Weiter hieß es, wegen fehlender Beitragszeiten sei die Versicherteneigenschaft in der Deutschen Rentenversicherung nicht gegeben, daher könnten Ersatzzeiten für die erlittene Verfolgungszeit ebenfalls nicht berücksichtigt werden.

Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, es habe sich bei dem "Ghetto-Lager" N. nicht um ein klassisches Arbeitslager, sondern um ein Musterghetto gehandelt, welches den Bewohnern äußerst gute Lebensbedingungen ermöglichte. Auch habe es sich bei der Slowakei nicht um einen mit dem Deutschen Reich verbündeten eigenständigen Staat gehandelt.

Zu diesem Vorbringen wurde Bezug genommen auf Stellungnahmen der Dr.Z. vom Historischen Armeeinstitut P. vom 13.01.2004 sowie von Dr. K. Z. vom Institut des Staates und des Rechtes der Akademie der Wissenschaften der Slowakei vom 01.02.2004, welche sich mit der Stellung des damaligen slowakischen Staates zum Deutschen Reich (Dr.Z.: "kein verbündeter Staat, kein selbständiger Staat im wahren Sinne des Wortes, vielmehr eine Form der Okkupation") sowie mit der etwa ab 1940 in der Slowakei begonnenen Isolierung von Juden in abgesonderten Stadtteilen/Ghettos bzw. in großen Arbeitslagern mit dem Endziel der Deportation befassten.

Die Beklagte zog die Entschädigungsakten des Klägers bei der Claims Conference (CEEF) in Frankfurt bei. Aus den übersandten Unterlagen ist ersichtlich, dass dem Kläger von dort im Jahre 1999 Mitteilung über eine vorgesehene monatliche Beihilfe in Höhe von DM 250,00 rückwirkend ab Juli 1998 gemacht worden war; der Kläger selbst hatte angegeben, im August 1943 mit seinen Eltern und Geschwistern in das "Arbeitslager N. verschleppt" worden zu sein und dort bis zur Auflösung des Lagers beim Ausbruch des slowakischen Nationalaufstands am 29.08.1944 gearbeitet zu haben.

Mit Widerspruchsbescheid vom 17.05.2004 wies die Widerspruchsstelle der Beklagten den Widerspruch zurück. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Stadt N. befinde sich in der Slowakei, die im fraglichen Zeitraum mit dem Deutschen Reich verbündet gewesen sei; es habe sich somit nicht um ein besetztes oder eingegliedertes Gebiet gehandelt. Dem Gutachten des Historischen Armeeinstitutes P. vom 13.01.2004 werde insoweit nicht gefolgt. Es könne bei diesem Sachverhalt offen bleiben, ob tatsächlich eine ausreichend glaubhaft gemachte Beschäftigung in einem Ghetto gegen Entgelt vorgelegen habe.

Mit der Klage verfolgte der Kläger sein Begehren weiter. Gestützt auf die Stellungnahmen der Dr.Z. vom 01.02.2004 und der Dr.Z. vom 13.01.2004 vertrat er die Auffassung, es habe sich bei der Slowakei seinerzeit nicht um einen mit dem Deutschen Reich verbündeten selbständigen Staat gehandelt. Es komme auch nicht darauf an, ob das Lager N. als Ghetto bezeichnet worden sei. Tatsächlich seien die Verhältnisse in diesem Lager einem Ghetto vergleichbar gewesen.

Er fügte seinem Vorbringen eine weitere Stellungnahme des Dr. E. N. , Historiker an der Universität B. , über "Jüdische Arbeitslager (Ghettos) in N. , S. und V." bei.

Die Beklagte vertrat die Auffassung, dass die erstgenannten Stellungnahmen vom 13.01.2004 und 01.02.2004, die von Mitarbeitern tschechischer Institute verfasst worden seien, nicht geeignet seien, die politischen Gegebenheiten in der Slowakei zwischen 1938 und 1945 zu widerlegen; sie erweckten eher den Eindruck einer politischen Abrechnung mit dem früheren Staatsteil Slowakei, dessen politische Bedeutung in der damaligen Zeit heruntergespielt werde, als eine sachliche Aufarbeitung der tatsächlichen politischen Gegebenheiten. Die Beklagte verwies darauf, dass politische Einflussnahme durch Großmächte auf andere Staaten auch heute noch an der Tagesordnung sei, ohne dass dadurch die Souveränität dieser Staaten grundsätzlich in Frage gestellt werde. Durch die Stellungnahme des Dr.N. sah sie sich in ihrer Auffassung bestätigt, dass es sich bei dem Lager N. um ein Arbeitslager gehandelt habe und dass der slowakische Staat die genannten Arbeitslager errichtet und betrieben habe.

Das Sozialgericht (SG) zog Auszüge aus den Unterlagen des SHOAH Resource Center, The International School for Holocaust Studies, aus dem Internet (www.yadvashem.org) über die ab 1942 in der damaligen Slowakei beginnende Deportation von Juden nach Auschwitz, Majdanek und Lublin und die u.a. mit der Hoffnung auf Beendigung der Deportationen errichteten Arbeitslager N., S. und V. bei.

Das SG wies die Klage mit Urteil vom 07.12.2005 ab. Es führte im Wesentlichen aus, der Kläger habe keinen Anspruch auf Gewährung von Regelaltersrente gemäß § 35 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Die von ihm allein geltend gemachte Zeit der Beschäftigung in N. sei weder Beitragszeit nach dem SGB VI noch nach dem ZRBG. Letzteres finde auf den Kläger keine Anwendung, denn nach § 1 Abs.1 Satz 1 ZRBG gelte es nur für Zeiten der Beschäftigung von Verfolgten in einem Ghetto, die sich dort zwangsweise aufgehalten haben, wenn die Beschäftigung aus eigenen Willensentschluss zustande gekommen und gegen Entgelt ausgeübt worden sei, und wenn das Ghetto sich in einem Gebiet befunden habe, das vom Deutschen Reich besetzt oder diesem eingegliedert gewesen sei, soweit für diese Zeiten nicht bereits eine Leistung aus einem System der sozialen Sicherheit erbracht werde. Das Lager N. habe sich auf dem Territorium der Slowakei befunden, die am 14.03.1939 ein unabhängiger Staat geworden sei und in der Folgezeit trotz enger Anlehnung an das nationalsozialistische Deutschland bis April 1945 ein formal unabhängiger Staat geblieben sei. Es könne keine Rede davon sein, dass sich das Lager N. in der Zeit von August 1943 bis August 1944 in einem vom Deutschen Reich besetzten oder in dieses eingegliederten Gebiet befunden habe. Den Ausführungen von Dr.Z. und Dr.Z. sei nicht zu folgen.

Mit der Berufung wendet sich der Kläger gegen dieses Urteil und macht unter Berufung auf die zuvor beigebrachten Stellungnahmen weiter geltend, dass einiges für die Annahme spreche, dass ein Bündnis zwischen der Slowakei und dem Deutschen Reich faktisch nicht existiert und eine Besetzung vorgelegen habe, wie die blutige Niederschlagung des slowakischen Aufstands im August 1944 durch die Deutschen zeige. Andere mit dem Deutschen Reich verbundene Staaten, wie z.B. Rumänien, hätten im Vergleich dazu eine ganz andere Stellung gehabt, die sich u.a. in den Maßnahmen der Judenverfolgungen ausgewirkt habe.

Der Kläger legt neben zwei Bescheinigungen der slowakischen Rentenversicherung eine weitere Stellungnahme der Dr. K. H. , wissenschaftliche Mitarbeiterin des Historischen Instituts der Slowakischen Akademie der Wissenschaften, ohne Datum vor. Darin vertritt diese die Auffassung, die Slowakei sei offiziell im Herbst 1944 von den Deutschen besetzt worden, tatsächlich sei sie jedoch schon knapp nach der Unabhängigkeitserklärung im März 1939 infolge des ausschlaggebenden Einflusses Deutschlands besetzt gewesen; die Arbeitslager in der Slowakei, die die Funktion einer Übergangsstation vor der Deportation gehabt hätten, seien nicht als reine Arbeitslager zu betrachten, sondern mit geschlossenen Ghettos vergleichbar gewesen; es habe Arbeitspflicht bei nur geringer, nicht angemessener Entlohnung bestanden. Anderseits war insoweit von freiwilliger Arbeit und ausreichender Entlohnung zur Sicherung der Grundbedürfnisse die Rede.

Der Senat hat eine Stellungnahme des Instituts für Zeitgeschichte in M. vom 06.04.2006 aus dem Verfahren L 16 R 891/05 des BayLSG beigezogen, ferner verschiedene Unterlagen über die geschichtliche Situation der Slowakei während des Zweiten Weltkriegs und die dortigen Judenverfolgungen. Er hat den Kläger mit Schreiben vom 10.11.2006 und 25.01.2007 unter Bezugnahme auf die Entscheidung des BayLSG vom 27.04.2006 - L 13 R 61/06 - darauf hingewiesen, dass er die Berufung nicht für begründet halte, und die Zurückweisung der Berufung durch Beschluss beabsichtige.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Landshut vom 07.12.2005 sowie des Bescheides vom 18.11.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17.05.2004 zu verpflichten, dem Kläger Regelaltersrente nach den gesetzlichen Bestimmungen ab 01.07.1997, hilfsweise ab 01.12.2003 (Inkrafttreten des deutsch-slowakischen Sozialversicherungsabkommens vom 01.12.2003), zu gewähren, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie auf die beigezogenen Beklagtenakten Bezug genommen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) ist zulässig, sie erweist sich aber nicht als begründet.

Der Senat konnte hierüber nach Anhörung der Beteiligten durch Beschluss entscheiden, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hielt (§ 153 Abs.4 SGG).

Zu Recht haben Erstgericht und Beklagte einen Anspruch des Klägers auf Regelaltersrente gemäß § 35 SGB VI verneint. Es liegen in der Deutschen Rentenversicherung keine anrechnungsfähigen Versicherungszeiten vor, aus denen sich ein Zahlungsanspruch ergeben könnte. Weder wurden vom Kläger nach Bundesrecht Pflichtbeiträge oder freiwillige Beiträge zur Rentenversicherung entrichtet, noch gelten Pflichtbeiträge nach besonderen Vorschriften als gezahlt. Die Voraussetzungen des insoweit allein in Betracht kommenden Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto vom 20.06.2002 sind nicht gegeben.

Ziel diese Gesetzes war es in erster Linie, Ghettobeitragszeiten für die Erbringung von Rentenleistungen ins Ausland ausnahmsweise als Bundesgebietsbeitragszeiten zu behandeln und so einen Export von Renten für ausschließlich diese Zeiten zu ermöglichen, bzw. Beitragszahlungen für Zeiten außerhalb des jeweiligen Geltungsbereiches der Reichsversicherungsgesetze für vom Deutschen Reich besetzte und in dieses eingegliederte Gebiet zu fingieren, wobei vom Gesetzgeber unterstellt wurde, dass ein Ghetto in den eingegliederten oder besetzten Gebieten im besonderen Maße der hoheitlichen Gewalt des Deutschen Reiches ausgesetzt war (BT-Drucks. 14/8583 S.6). Das ZRBG knüpft insoweit an die Rechtsprechung des BSG zur sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung sog. Ghettoarbeit an - wonach trotz der in einem Ghetto vorherrschenden Beschränkung und damit nach allgemeinen rentenversicherungsrechtlichen Grundsätzen versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse möglich waren -, ohne den Personenkreis der Anspruchsberechtigten über die Rechtsprechung hinaus zu erweitern. Für den besonderen Personenkreis der betroffenen Verfolgten sollte die sich aus den Auslandszahlungsvorschriften des SGB VI ergebende Zahlungssperre ins Ausland (§ 113 Abs.1 Nr.1 SGB VI) beseitigt werden (vgl. BSG, Urteil vom 03.05.2005 - B 13 RJ 34/04 R).

Nach § 1 Abs.1 Satz 1 ZRBG gilt dieses Gesetz nur für Zeiten der Beschäftigung von Verfolgten in einem Ghetto, die sich dort zwangsweise aufgehalten haben, wenn die Beschäftigung aus eigenem Willenentschluss zustande gekommen ist, gegen Entgelt ausgeübt wurde und das Ghetto sich in einem Gebiet befand, das vom Deutschen Reich besetzt oder in dieses eingegliedert war, soweit für diese Zeiten nicht bereits eine Leistung aus einem System der sozialen Sicherheit erbracht wird.

Vorliegend kann nach Auffassung des Senats dahingestellt bleiben, ob der Vortrag des Klägers die Annahme einer aus freiem Willensentschluss zustande gekommenen Beschäftigung gegen Entgelt in einem Ghetto rechtfertigt. Erhebliche Zweifel bestehen insoweit zum einen an dem behaupteten Charakter des Lagers N. als Ghetto. Dieses wird in den zur Verfügung stehenden historischen Unterlagen (u.a. s. Bl.27 ff. RA) als Arbeitlager bezeichnet; es gibt nach Kenntnis des Senats keine Quellen, in denen hier von einem Ghetto gesprochen wird, wobei zuzugestehen ist, dass die Einordnung angesichts des Fehlens einer verbindlichen Definition des Begriffes "Ghetto" schwierig ist. Zum andern ergibt sich aus dem Vorbringen des Klägers und den vorliegenden Unterlagen eindeutig, dass er mit seiner Familie zwangsweise in das Arbeitslager N. verbracht (verschleppt) wurde, wo für ihn Arbeitspflicht bestand und die Entlohnung nicht in angemessener Vergütung, sondern in eher geringfügigem Taschengeld erfolgte. Der Kläger hat deswegen Ansprüche auf Entschädigung gegenüber dem CEEF geltend gemacht und bezieht offensichtlich dem entsprechende Leistungen. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass selbst in dem vom CEEF herausgegebenen Handbuch "Zahlbarmachung von Renten durch die deutsche Bundesregierung aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG)" von Juni 2003 als ausgeschlossen angesehen wird, dass für dieselbe Zeit und dieselbe Arbeit sowohl Zahlungen für "ehemalige Sklaven- und Zwangsarbeiter" aus der deutschen Stiftung/Claims Conference-Programm als auch die Ghettorente nach dem ZRBG zustehen.

Zur Überzeugung des Senats lag aber das Lager N. jedenfalls nicht in einem Gebiet, das vom Deutschen Reich besetzt oder diesem eingegliedert war (§ 1 Abs.1 Nr.2 ZRBG).

Eine Eingliederung der damaligen Slowakei in das Gebiet des Deutschen Reiches scheidet mangels eines entsprechenden Rechtsaktes aus (vgl. bereits BSG, Urteil vom 18.03.1982 in SozR 5750 Art.2 § 41a Nr.1).

Auch eine Besetzung der Slowakei oder eines Teilgebietes, zu dem das Lager N. gehörte, lag im streitigen Zeitraum nicht vor. Für den Begriff der Besetzung, der im ZRBG nicht definiert ist, kann auf die auch heute nocht aktuelle Regelung in Art.42 der Haager Landkriegsordnung vom 18.10.1907 (RGBl.1910, 132, 147) zurückgegriffen werden. Danach gilt ein Gebiet als besetzt, wenn es sich tatsächlich in der Gewalt des feindlichen Heeres befindet. Die Besetzung erstreckt sich nach Satz 2 dieser Vorschrift nur auf die Gebiete, wo diese Gewalt hergestellt ist und ausgeübt werden kann. Für eine Besetzung im völkerrechtlichen Sinne ist damit charakteristisch, dass der besetzende Staat vorläufig die tatsächliche Gewalt über ein fremdes Staatsgebiet ausübt, also in diesem militärisch eroberten Gebiet die Gebietshoheit bzw. eine dieser entsprechende ähnliche Zwangsgewalt übernommen hat.

In diesem Sinne ist nach dem Willen des Gesetzgebers auch der Begriff der Besetzung in § 1 ZRBG zu verstehen (vgl. Gesetzesbegründung BT Drucks. 14/8583 S.6: " ... dabei wird unterstellt, dass ein Ghetto in den eingegliederten oder besetzten Gebieten im besonderen Maße der hoheitlichen Gewalt des Deutschen Reiches ausgesetzt war").

Eine derartige Besetzung ist hier zu verneinen. Ein bloßer, wenn auch massiver Einfluss von Außen auf eine nach wie vor bestehende Herrschaftsgewalt von Organen des anderen Hoheitsträgers, um welchen es hier nur gehen kann, ist dafür nicht ausreichend. Eine umfassende Machtausübung in dem genannten Sinne ist damit nicht verbunden. Es kann deshalb hier offen bleiben, ob und in welchem Umfang über die formale Selbständigkeit der Slowakei hinaus noch von einem souveränen Staat gesprochen werden kann, vgl. dazu im Einzelnen Urteile des Senats vom 23.01.2007 - L 14 R 612/06 (betreffend das Lager N.), L 14 R 613/06 (betreffend das Lager N.) und L 14 R 614/06 (betreffend das Lager S.).

Da sich das Gebiet der Stadt N. auch nicht innerhalb der auf Grund des Schutzvertrages vom 23.03.1939 zwischen dem Deutschen Reich und der Slowakei errichteten Schutzzone entlang der Grenze zu Böhmen und Mähren befand, erübrigen sich Ausführungen dazu, dass auch insoweit nicht von einer Unterwerfung des diesbezüglichen Gebietsstreifens im Sinne einer Besetzung/Okkupation ausgegangen werden kann (vgl. dazu Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 21.10.1971 in BVerwGE 39,22).

Eine extensive Gesetzesauslegung oder gar Analogie im Hinblick auf die vom Kläger geltend gemachte "faktische Besetzung" der Slowakei kommt nicht in Betracht. Abgesehen davon, dass es an einer tatsächlichen Inbesitznahme mangelt und auch von der Ausübung umfassender und unmittelbarer Herrschaftsgewalt nicht annähernd gesprochen werden kann, steht dem die Zielrichtung des ZRBG, nämlich die Regelung einer Beitragsfiktion für eine engbegrenzte Fallgestaltung mit besonderem räumlichen Bezug, welcher die Fiktion einer Beitragspflicht und Beitragsabführung zum deutschen Sozialversicherungsträger rechtfertigt, entgegen. Die vom Gesetz insoweit vorgesehenen sachlichen und räumlichen Schranken (einerseits Freiwilligkeit und Entgeltlichkeit einer Beschäftigung, für die dieselben Grundsätze gelten wie bei der Bestimmung der Sozialversicherungspflicht einer Beschäftigung vgl. BSG, Urteil vom 20.07.2005, Az.: B 13 RJ 37/04 R -, andererseits Beschäftigung in einem Ghetto nur in besetzten oder eingegliederten Gebieten) zeigen den Ausnahmecharakter der Vorschrift auf und lassen eine Ausdehnung auf "Vorstufen" einer bewaffneten Besetzung (vgl. Urteil des BayLSG vom 08.11.2006 - L 16 R 891/05) - hier die massive Beeinflussung der slowakischen Regierung und "Verfolgungsmaßnahmen" im Sinne des BEG - nicht zu. Das ZRBB geht von anderen Tatbestandsmerkmalen aus als § 43 Abs.1 BEG und § 1 Abs.2 der Durchführungsverordnung vom 17.11.1962 (vgl. auch Urteil des BayLSG vom 07.12.2005 - L 13 R 61/06).

Die Berufung war mit der Kostenfolge aus § 193 SGG zurückzuweisen.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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