L 3 SB 2235/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
3
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 2 SB 3796/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 SB 2235/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Die Klage gegen den Bescheid vom 18. April 2006 wird abgewiesen.

Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist der Grad der Behinderung (GdB).

Bei dem am 22.6.1954 geborenen Kläger stellte der Beklagte auf den Erstantrag vom 25.5.2004 mit Bescheid vom 2.8.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.11.2004 einen GdB von 30 auf Grund der Funktionsbeeinträchtigungen "Diabetes mellitus (Teil-GdB 30), Funktionsbehinderung des linken Schultergelenks (Teil-GdB 10)" fest.

Dagegen hat der Kläger am 20.12.2004 beim Sozialgericht Ulm (SG) Klage erhoben, mit der er sein Begehren auf Feststellung eines GdB von mindestens 50 weiterverfolgt hat.

Das SG hat die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen befragt. Der Internist Dr. R. hat unter dem 3.3.2005 lediglich über eine Fettleber berichtet. Der Arbeitsmediziner Dr. P. hat in seinem Bericht vom 8.3.2005 ein Halswirbelsäulensyndrom und ein Schulter-Arm-Syndrom links mit einer schweren Funktionsbeeinträchtigung angegeben. Der Allgemeinmediziner Dr. G. hat unter dem 15.3.2005 angegeben, dass von Seiten des Diabetes mellitus eine einigermaßen ausreichende Einstellung vorliege. Spätfolgen des Diabetes mellitus lägen im Moment noch nicht vor. Schließlich hat der Chirurg Dr. Y. in seiner Aussage vom 18.3.2005 für Funktionsbehinderungen der linken Schulter einen Teil-GdB von 10, für solche der Wirbelsäule einen Teil-GdB von 10 und für die im Bereich der Kniegelenke einen Teil-GdB von 20 bei einem Gesamt-GdB von 20 vorgeschlagen (zur näheren Feststellung der Einzelheiten wird auf Blatt 34/35, 36/45, 46/47 und 48/52 der SG-Akte Bezug genommen).

Das vom Beklagten unter dem 18.7.2005 unterbreitete Teil-Anerkenntnis, wonach für die Zeit ab dem 25.4.2004 das Bestehen einer dauernden Einbuße der körperlichen Beweglichkeit anerkannt wurde, hat der Kläger nicht angenommen.

Das SG hat den Beklagten aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 6.3.2006 durch Urteil vom selben Tag unter Abänderung der angegriffenen Bescheide verurteilt, beim Kläger ab dem 25.4.2004 eine dauernde Einbuße der körperlichen Beweglichkeit festzustellen und ihm ein Fünftel der außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.

Es hat unter Darstellung der für die GdB-Feststellung maßgebenden Rechtsvorschriften sowie der entsprechenden Ausführungen in den Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht 2004 (AHP) entschieden, dass orthopädischerseits lediglich für die Funktionsbehinderung des linken Schultergelenks ein Teil-GdB von 10 anzusetzen sei. Im Übrigen lägen auf orthopädischem Fachgebiet keine weiteren Teil-GdB von mindestens 10 vor. Der Gesamt-GdB betrage daher 30. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.

Der Beklagte hat das Urteil mit Bescheid vom 18.4.2006 ausgeführt.

Gegen das ihm am 4.4.2006 zugestellte Urteil hat der Kläger am 2.5.2006 Berufung eingelegt, mit der er sein Klagebegehren im Wesentlichen gestützt auf die bei ihm vorliegenden orthopädischen Befunde und entsprechende ärztliche Atteste (wegen der Einzelheiten vgl. Blatt 15/18 der LSG-Akte) weiterverfolgt. Zuletzt rügt der Kläger noch die Feststellung eines Teil-GdB von 30 für den bei ihm vorliegenden Diabetes mellitus mit der Begründung einer mehrmals täglich erforderlichen Insulinbehandlung.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung des orthopädischen Sachverständigengutachtens von Dr. B. vom 10.10.2006. Erhoben worden sind als Funktionsbeeinträchtigungen eine Funktionsbehinderung beider Schultergelenke mit der Unfähigkeit, den rechten Arm seitwärts über die Horizontale zu heben, und leichteren Funktionseinschränkungen links (Schweregrad leicht bis mittelschwerer, Teil-GdB 20), degenerative Wirbelsäulenveränderungen mit Beschwerden in allen drei Wirbelsäulenabschnitten, muskulären Reizerscheinungen und geringen Bewegungseinschränkungen, jedoch ohne Hinweise auf Nervenwurzelreize (Schweregrad leicht, keine wesentlichen Funktionsbehinderungen, Teil-GdB 10), eine unwesentliche Funktionsbehinderung am rechten Ellenbogen (Schweregrad leicht, Teil-GdB 10), sowie - fremdbefundlich - ein insulinpflichtiger Diabetes mellitus (Teil-GdB 30) und eine medikamentös gut eingestellte Hypertonie (Schweregrad leicht, Teil-GdB 10).

In seiner ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 2.11.2006 hat der Sachverständige eingeräumt, dass bei Betroffensein nur eines Schultergelenks unter Berücksichtigung der vorliegenden Funktionsdefizite der Einzel-GdB nur 10 betrage. Unter Berücksichtigung beider Schultergelenke, deren Behinderungen sich gegenseitig ungünstig beeinflussten, betrage der Einzel-GdB jedoch 20.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 6. März 2006 abzuändern und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 2. August 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. November 2004 sowie des Bescheides vom 18. April 2006 zu verurteilen, bei ihm einen GdB von mindestens 50 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen und die Klage gegen den Bescheid vom 18. April 2006 abzuweisen.

Er erhält das angegriffene Urteil für zutreffend und ist unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. W. vom 24.1.2007 weiterhin der Auffassung, dass für die Funktionsbehinderung der Schultergelenke lediglich ein Teil-GdB von 10 festgestellt werden könne.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 30. Die angegriffenen Bescheide und der Ausführungsbescheid vom 18.4.2006, der nach § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Verfahrens geworden ist und über den der Senat auf Klage entscheidet, sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.

Der Senat weist die Berufung im Wesentlichen bereits aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurück und sieht deshalb insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG).

Auszugehen ist hier von dem höchsten Teil-GdB von 30, der vorliegend durch den beim Kläger bestehenden Diabetes mellitus bedingt wird. Anhaltspunkte dafür, dass dieser Teil-GdB unrichtig festgesetzt worden wäre, sind weder ersichtlich noch vorgetragen.

Insbesondere folgt der Senat nicht der vom Kläger vorgetragenen Rechtsauffassung, wonach allein schon ein hoher Therapieaufwand sich - abweichend von den Anhaltspunkten - auf die GdB-Feststellung auswirken müsse. Vielmehr hat der Senat bereits entschieden, dass die Empfehlungen der Deutschen Diabetes-Gesellschaft (DDG) schon bei der Neufassung der Anhaltspunkte 1996 diskutiert wurden und dort gerade keinen Eingang gefunden haben. Der ärztliche Sachverständigenbeirat beim Bundesministerium für Gesundheit und soziale Sicherung (BMGS) hat auch bei der Neuauflage der AHP diese Grundlage nach ausführlicher inhaltlicher Auseinandersetzung mit den Einteilungs- und Bewertungsvorschlägen der DDG nicht verlassen. Die Einteilung in den AHP sei sachgerecht und entspreche auch heute dem aktuellen Stand der wissenschaftlichen Medizin. Der Senat ist nach eigener Überzeugungsbildung dieser Einschätzung beigetreten und hält daran auch weiterhin fest. Der Kläger hat zudem im Berufungsverfahren keine neuen Gesichtspunkte oder Argumente vorgebracht, die den Senat veranlassen müssten, nochmals ausführlich daR.f einzugehen. Insbesondere ist kein Grund ersichtlich, warum der Katalog der DDG anders als 1996 oder 2004 heute dem aktuellen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisstand entsprechen sollte.

Der Senat folgt damit wie auch schon das Landessozialgericht H. (Urteile vom 20.10.2004 - L 6 SB 20/04 - und vom 1.12.2003 - L 4 SB 74/03 -) und das Landessozialgericht N. (Urteil vom 10.6.2004 - L 7 SB 101/03 -) den Vorgaben in den AHP (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 16.8.2006 - L 3 SB 2251/05 -, in juris).

Weitere Teil-GdB, die nach den vom SG zutreffend dargestellten Grundsätzen zur Bildung des Gesamt-GdB vorliegend zu einer wesentlichen Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung führen könnten, sind nicht gegeben.

Hinsichtlich der Funktionsbeeinträchtigungen der Schultergelenke ist im Sachverständigengutachten von Dr. B. bezüglich des rechten Armes für die Seithebung eine Beweglichkeit von 90° und für die Armvorhebung eine solche von 140° aufgeführt. Unter Berücksichtigung dieser Bewegungsmaße ist auch nach Auffassung des Senats im Anschluss an die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. W. vom 24.1.2007 ein Einzel-GdB von lediglich 10 anzusetzen. Denn nach Ziff. 26.18 (Seite 119) der AHP ist ein Einzel-GdB von 20 für Bewegungseinschränkungen des Schultergelenks lediglich dann vorgesehen, wenn die Armvorhebung auf 90° eingeschränkt ist und daneben eine entsprechende Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit desselben Armes vorliegt. Hinsichtlich des linken Armes weist das Sachverständigengutachten für die Seithebung eine Beweglichkeit von 170° und für die Armvorhebung eine solche von 150° aus. Ein isolierter Teil-GdB von mindestens 10 ist daher insoweit nicht anzusetzen. Die damit in der Tat nur als allenfalls leichte Funktionseinschränkung zu bezeichnenden - und von Dr. B. auch so bezeichneten - Veränderungen im Bereich der linken Schulter sind damit im Ergebnis auch nicht in der Lage, die Veränderungen im Bereich beider Schultern zusammenfassend auf einen Teil-GdB von 20 zu erhöhen. Vielmehr muss es für beide Schultergelenke im Rahmen der nach Ziff. 18 Abs. 4 (Seite 22) der AHP für den Regelfall angeordneten zusammenfassenden Beurteilung der Funktionssysteme der Arme bei einem Teil-GdB von 10 verbleiben.

Eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung folgt daher aus den Veränderungen der Schultergelenke ebensowenig wie aus den weiteren beim Kläger auf orthopädischem Fachgebiet vorliegenden Befunden.

Bei seitengleichen Bewegungs- und Umfangsmaßen der Ellenbogen liegt nach Auffassung des Senats für den Bereich des rechten Ellenbogens nach Ziff. 26. 18 (Seite 120) der AHP kein Einzel-GdB von mindestens 10 vor.

Die allenfalls geringen funktionellen Auswirkungen im Bereich der Wirbelsäule bedingen nach Ziff. 26. 18 (Seite 116) der AHP höchstens einen Teil-GdB von 10.

Für den gut eingestellten Bluthochdruck ohne erkennbare Leistungsbeeinträchtigung ist nach Ziff. 26. 9 (Seite 75) der AHP kein Teil-GdB von 10 festzusetzen.

Aber auch wenn man - wie von Dr. B. vorgeschlagen - hierfür und auch für die Befunde im Bereich des rechten Ellenbogens weitere Teil-GdB von jeweils 10 ansetzen würde, folgte hieR.s keine Erhöhung des Gesamt-GdB auf mehr als 30.

Eine rechtsverbindliche Entscheidung nach § 69 Abs. 1 Satz 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) umfasst darüber hinaus nur das Vorliegen einer (unbenannten) Behinderung und den Gesamt-GdB. Die dieser Feststellung im Einzelfall zu Grunde liegenden Gesundheitsstörungen, die daR.s folgenden Funktionsbeeinträchtigungen und ihre Auswirkungen dienen lediglich der Begründung des Verwaltungsaktes und werden nicht bindend festgestellt (BSG vom 24.6.1998 - B 9 SB 17/97 R -). Der Einzel-GdB ist somit keiner eigenen Feststellung zugänglich. Er erscheint nicht im Verfügungssatz des Verwaltungsaktes und ist nicht isoliert anfechtbar. Auch im gerichtlichen Verfahren ist keine Neubezeichnung der Funktionsbeeinträchtigungen vorzunehmen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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