L 3 SB 2381/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
3
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 9 SB 3458/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 SB 2381/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen. Die Klage gegen den Bescheid vom 19. April 2006 wird abgewiesen.

Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist jetzt noch die Zuerkennung der Merkzeichen "B, H, aG" wegen wesentlicher Änderung nach § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X).

Bei der am 21.7.1963 geborenen Klägerin war zuletzt mit Ausführungsbescheid vom 29.5.2002 ein Grad der Behinderung (GdB) von 60 bei den Funktionsbeeinträchtigungen "Somatoforme Schmerzstörung mit Bewegungsstörung, Verlust der linken Niere" festgestellt und das Merkzeichen "G" zuerkannt worden.

Auf den Neufeststellungsantrag der Klägerin vom 8.3.2004 stellte der Beklagte mit Bescheid vom 8.7.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5.11.2004 einen GdB von 70 auf Grund der Funktionsbeeinträchtigungen "Seelische Störung, chronisches Schmerzsyndrom (Teil-GdB 50), Verlust der linken Niere (Teil-GdB 30), degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Spinalkanalstenose (Teil-GdB 20)" fest. Es verblieb bei der Zuerkennung des Merkzeichens "G". Nicht zuerkannt wurden die streitgegenständlichen Merkzeichen.

Dagegen hat die Klägerin am 19.11.2004 beim Sozialgericht Ulm Klage erhoben, mit der sie ihr Begehren auf Zuerkennung dieser Merkzeichen und auf Feststellung eines höheren GdB weiterverfolgt hat.

Das SG hat die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen befragt. Hinsichtlich der jetzt noch streitgegenständlichen Merkzeichen hat keiner der behandelnden Ärzte - soweit sie sich zu einer entsprechenden Beurteilung in der Lage gesehen haben - deren Voraussetzungen bejaht. Lediglich der Schmerztherapeut Dr. T. hat unter dem 14.2.2005 einmalig für den 19.1.2004 die Notwendigkeit einer ständigen Begleitung bejaht. Hingewiesen worden ist in den Auskünften bezüglich der Notwendigkeit einer Begleitung darauf, dass die Klägerin ohne Begleitung bzw. allein mit dem eigenen PKW zur jeweiligen Behandlung erschienen sei (letzteres in 43 Fällen bei Dr. A.). Die Voraussetzungen der begehrten Merkzeichen ausdrücklich verneint haben die Allgemeinmediziner Dr. Z., H. und Dr. A. sowie der behandelnde Neurologe und Psychiater Dr. S. (zur näheren Feststellung der Einzelheiten der Auskünfte wird auf Blatt 21/25, 26/27, 28/29, 30/31,32, 34/36, 61/65 und 82/83 der SG-Akte Bezug genommen).

Das SG hat den Beklagten ohne mündliche Verhandlung durch Urteil vom 30.3.2006 unter Abänderung der angegriffenen Bescheide verurteilt, bei der Klägerin ab dem 1.12.2005 einen GdB von 90 festzustellen und der Klägerin ein Viertel der außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.

Es hat unter Darstellung der für die GdB-Feststellung und Zuerkennung der streitigen Merkzeichen erforderlichen Voraussetzungen und maßgeblichen Rechtsvorschriften sowie unter Hinweis auf die Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht 2004 (AHP) und auf § 48 SGB X entschieden, dass unter Berücksichtigung der deutlichen sachverständigen Zeugenauskünfte der Allgemeinmediziner Dr. Z., H. und Dr. A. sowie des Neurologen und Psychiaters Dr. S. kein Anspruch auf Feststellung der begehrten Merkzeichen bestehe. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.

Der Beklagte hat das Urteil durch Bescheid vom 19.4.2006 unter Bezeichnung der Funktionsbeeinträchtigungen als "Seelische Störung, chronisches Schmerzsyndrom, Verlust der linken Niere, Diabetes mellitus (mit Diät und oralen Antidiabetika und Insulin einstellbar), degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Spinalkanalstenose" ausgeführt.

Gegen das ihr am 6.4.2006 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 8.5.2006 (Montag) Berufung eingelegt.

Im Hinblick auf ein in einem Krankenversicherungsverfahren in Auftrag gegebenes Sachverständigengutachten ist mit Beschluss vom 17.7.2006 das Ruhen des Verfahrens angeordnet worden.

Mit Schriftsatz vom 24.10.2006 hat die Klägerin im Hinblick auf das zwischenzeitlich vorliegende psychiatrische Sachverständigengutachten von Dr. C. vom 11.9.2006 das Verfahren wieder angerufen und die Auffassung vertreten, dass das Gutachten zumindest geeignet sei, die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "B" zu belegen.

Der in diesem Sachverständigengutachten dargestellte psychopathologische Befund beschreibt die Klägerin als wach, bewusstseinsklar, zur Zeit, zum Ort, zur Person und zur Situation adäquat orientiert. Aufmerksamkeits- und Gedächtnisstörungen haben sich nicht feststellen lassen. Erhebliche Verdeutlichungstendenzen und Aggravationstendenzen sind erhoben worden. Formale und inhaltlichen Denkstörungen sind ausgeschlossen worden. Neurologischerseits sind keine manifesten oder latenten Paresen und keine Atrophiezeichen festgestellt worden. Der Muskeltonus ist als normal beschrieben worden. Hinsichtlich der bei der Klägerin bestehenden Opiatabhängigkeit ist im Gutachten ausgeführt, dass bei einer stabilen Therapie ein generelles Fahrverbot nicht zwingend erforderlich sei. Da die Klägerin jedoch eine eigenmächtige Anpassung der Morphin-Tagesdosis nach Bedarf betreibe, sei ihr vom Führen eines PKW abzuraten. Ferner lasse die Schwere der Erkrankung das Benutzen öffentlicher Verkehrsmittel innerhalb von bis zu 12 Monaten nicht zu (zur näheren Feststellung der Einzelheiten wird auf Blatt 20 ff. der LSG-Akte Bezug genommen).

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 30. März 2006 abzuändern und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 8. Juli 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. November 2004 sowie des Bescheides vom 19. April 2006 zu verurteilen, ihr die Merkzeichen "B, H, aG" zuzuerkennen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen und die Klage gegen den Bescheid vom 19. April 2006 abzuweisen.

Er hält die angegriffene Entscheidung für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Schwerbehindertenakte des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der begehrten Merkzeichen. Der gem. § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Verfahrens gewordene Ausführungsbescheid des Beklagten vom 19.4.2006, über den der Senat auf Klage entscheidet, ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Der Senat weist die Berufung im Wesentlichen bereits aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurück und sieht deshalb insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).

Auch für den Senat ist letztlich entscheidend, dass die vom SG zutreffend dargelegten Voraussetzungen der begehrten Merkzeichen durch die Allgemeinmediziner Dr. Z., H. und Dr. A. sowie durch den behandelnden Neurologen und Psychiater Dr. S. ausdrücklich verneint worden sind. Dabei kommt vorliegend diesen Auskünften deshalb ein hoher Beweiswert zu, weil die behandelnden Ärzte die bei der Klägerin vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen über einen längeren Zeitraum beobachten und beurteilen konnten. Dabei war insbesondere auch Dr. Z. die Opiatabhängigkeit der Klägerin wohlbekannt. Auch aus den Auskünften der übrigen befragten Ärzte lassen sich die Voraussetzungen für diese Merkzeichen nicht ableiten.

Hinsichtlich des von der Klägerin mit der Berufung hauptsächlich noch geltend gemachten Merkzeichens "B" lassen sich nach Auffassung des Senats dessen Voraussetzungen auch aus den im Sachverständigengutachten von Dr. C. vom 11.9.2006 getroffenen Feststellungen nicht herleiten.

Abgesehen davon, dass bereits der von Dr. C. im Ergebnis geforderte Ausschluss der Benutzung des eigenen PKW (die ja erheblich höhere Anforderungen stellt als die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel) durch die von Dr. A. getroffenen tatsächlichen Feststellungen erheblich relativiert ist, ist es nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens nicht hinreichend zu begründen, warum die Klägerin bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel regelmäßig fremde Hilfe beim Ein- und Aussteigen oder während der Fahrt bzw. Hilfen zum Ausgleich von Orientierungsstörungen benötigen soll. Auch Dr. C. hat in seinem Sachverständigengutachten seine Annahme insoweit nicht begründet.

Wer - wie von Dr. A. beobachtet und festgestellt - regelmäßig in der Lage ist, Fahrten mit dem eigenen PKW ohne Begleitung durchzuführen, ist damit nach Auffassung des Senats zumindest auch in der Lage, ohne Begleitung öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Der von Dr. C. erhobene psychopathologische Befund und der neurologische Status lässt Beeinträchtigungen, die eine Hilfebedürftigkeit begründen könnten, nicht erkennen. Hiervon abgesehen erfolgt der von Dr. C. zur Begründung herangezogene, den Umfang einer stabilen Therapie übersteigende Opiatgebrauch nicht regelmäßig, sondern nur nach Bedarf, und könnte daher ohnehin nur gelegentlich, nicht aber regelmäßig entsprechenden Hilfebedarf begründen. In diesem Zusammenhang lässt sich auch aus der Auskunft von Dr. T. das begehrte Merkzeichen nicht herleiten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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