L 11 KR 4972/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 8 KR 830/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 4972/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 30. August 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin in der Zeit vom 01.01.1990 bis 29.02.2000 versicherungspflichtig beschäftigt war.

Die 1959 geborene Klägerin trat am 01.01.1990 aufgrund eines Arbeitsvertrages vom 15.12.1989 als kaufmännische Angestellte in die Firma K. K.-I.-V. W. G. GmbH ein. Ursprünglich betrieb der Vater der Klägerin den Handel mit Korkprodukten als Einzelunternehmer. Mit Gesellschaftsvertrag vom Dezember 1984 wurde eine GmbH gegründet. Gesellschafter waren die 1964 geborene Schwester der Klägerin, Büroangestellte, die gleichzeitig zur Geschäftsführerin bestellt wurde, mit einer Stammeinlage von 30.000,- DM und der Vater der Klägerin mit einer Stammeinlage von 20.000,- DM. Nach dem krankheitsbedingten Ausscheiden des Vaters der Klägerin rückte die Mutter der Klägerin in dessen Gesellschafterstellung ein. Im Juli 1998 wurde für die Klägerin Einzelprokura ins Handelsregister eingetragen. Die gleichzeitig für J. O. H. eingetragene Einzelprokura erlosch im Januar 2001. Im Dezember 2002 übertrug die Mutter der Klägerin ihre Beteiligung in Höhe von insgesamt 40 % auf die Klägerin (30 %) und auf die Schwester (10 %). Seither hält die Klägerin 30 % und die Schwester 70 % der Geschäftsanteile. Am 02.01.2003 wurde der Arbeitsvertrag der Klägerin neu gefasst und in § 2 die Tätigkeit wie folgt umschrieben: "Frau B. wird angestellt als Leiterin der Abteilung interne Verwaltung insbesondere Buchhaltung und Mahnwesen sowie Zahlungsverkehr. Der Ablauf und die Organisation der Bereiche unterliegen ihrer alleinigen Verantwortung. Sie ist nicht weisungsgebunden."

Die Klägerin war seit 1990 als versicherungspflichtige Arbeitnehmerin zur Sozialversicherung angemeldet und zwar bis 29.02.2000 bei der Beklagten und vom 01.03.2000 bis 31.07.2001 bei der Schwenninger BKK versichert; ab dem 01.08.2001 wurden die Beiträge zu den Versicherungen an die Beigeladene zu Ziffer 3 abgeführt. Die monatlichen Gehaltsbezüge der Klägerin lagen 1991 und 1992 bei 3.000,- DM, 1993 bis 1994 bei 3.200,- DM, 1995 bis 1996 bei 3.198,- DM, 1997 bis 1998 bei 6.000,- DM, 1999 bei 8.000,- DM und ab 2000 bei 10.000,- DM. Die Klägerin erhielt zusätzlich in den Jahren 1992 bis 1994 und 1997 im Dezember Tantiemen in Höhe von 110.000,- DM, 158.000,- DM, 280.870,- DM und 101.411,- DM.

Mit Schreiben vom 06.10.2005 beantragte die Klägerin bei der Schwenninger BKK eine Überprüfung und rechtsverbindliche Beurteilung, ob sie seit 01.01.1990 in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gearbeitet habe. Seit Juli 1998 habe sie Einzelprokura und seit Dezember 2002 halte sie 30 % der Gesellschaftsanteile. Sie habe dem Unternehmen Darlehen und Bürgschaften in Höhe von insgesamt fast 50.000,- EUR gewährt. Sie verfüge über dieselben Befugnisse wie die Geschäftsleitung. Darüber hinaus leite sie eigenverantwortlich und selbständig den kompletten kaufmännischen Bereich bzw. die interne Verwaltung und sei für die gesamte Finanzstruktur des Unternehmens verantwortlich. So sei sie u.a. für die Bereiche Buchhaltung, Darlehen, Kreditwesen alleine zuständig, könne selbständig Personal einstellen und entlassen und sei gegenüber dem gesamten Personal weisungsbefugt. Im Rahmen ihres Aufgabenbereichs werde ihr der größtmögliche Handlungsspielraum und auch Entscheidungsfreiraum eingeräumt. Ihre Schwester habe ihr sämtliche Aufgaben und Entscheidungen, die die Führung des Unternehmens im kaufmännischen Bereich beträfen, übertragen. Sie wirke damit bei der Führung des Betriebes nicht zuletzt aufgrund ihrer besonderen Fachkenntnisse im finanziellen und kaufmännischen Bereich mit. Durch ihr spezielles Fachwissen um Geldangelegenheiten mache sie sich unabkömmlich, sie sei stark am wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens interessiert und forciere diesen maßgeblich durch das Einbringen ihres Knowhows und ihrer eigenen Arbeitskraft. Sie habe eine besondere Vertrauensposition im Unternehmen inne, die auf der familiären Verbundenheit basiere und nur deswegen so existieren könne. Sie genieße Freiheiten und nehme wichtige Aufgaben wahr, die eine besondere Bedeutung und einen hohen Grad an Vertraulichkeit hätten. Bezüglich ihrer Arbeit unterliege sie keinerlei Weisungen, wie sich aus § 2 des Nachtrags zum Arbeitsvertrag vom 02.01.2003 ergebe, der nun auch schriftlich die ohnehin von Anfang an tatsächlich vorherrschende Weisungsfreiheit dokumentiere. Sie gestalte ihre Arbeitszeit nach ihrem Belieben, ein übergeordnetes Weisungsrecht stehe angesichts ihrer Beteiligung am Unternehmen niemandem zu. Doch selbst vor der Übertragung der Anteile habe ihre Schwester ihr gegenüber von ihrem Weisungsrecht keinen Gebrauch gemacht, sie sei ihr gleichgestellt behandelt worden. Sie sei auch nicht "abstrakt" weisungsgebunden gewesen, vielmehr defacto neben ihrer Schwester als zweite Führungskraft einzuordnen. Zwar arbeite sie auf der Basis eines Arbeitsvertrages, dieser enthalte in der Neufassung von 2003 jedoch keine Regelung der Kündigungsmodalitäten oder Kündigungsfristen. Das Fehlen typischer, arbeitsvertraglicher Regelungen deute stark auf eine selbständige Beschäftigung im sozialversicherungsrechtlichen Sinne hin. Zu ihrem Festgehalt erhalte sie eine erfolgsabhängige Vergütung, dadurch nehme sie unmittelbar am Unternehmerrisiko teil. Darüber hinaus liege ihr Arbeitseinsatz mit durchschnittlich 50 Stunden pro Woche bei freier Zeiteinteilung weit über der üblichen Arbeitszeit einer vergleichbaren Angestellten. Urlaub müsse sie sich nicht genehmigen lassen, vielmehr richte sie sich bei der Urlaubsplanung nach den betrieblichen Erfordernissen. Diese Verhältnisse lägen so seit 01.01.1990 vor. Die Klägerin fügte dem Antrag den ausgefüllten Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung eines Beschäftigungsverhältnisses zwischen Angehörigen, einen Handelsregisterauszug, den Gesellschaftsvertrag vom Dezember 1984, den Abtretungsvertrag vom Dezember 2002, den Bericht über den Jahresabschluss zum 31.12.2004, den Arbeitsvertrag vom 15.12.1989 sowie die Neufassung des Arbeitsvertrages vom 02.01.2003 bei.

Die Schwenninger BKK leitete den Antrag an die Beklagte weiter, da die Klägerin nur im Zeitraum vom 01.03.2000 bis 31.07.2001 bei der Schwenninger BKK versichert gewesen sei.

Mit Bescheid vom 06.12.2005 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass im Zeitraum vom 01.01.1990 bis 29.02.2000 ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vorgelegen habe. Laut Arbeitsvertrag habe ihre Tätigkeit als kaufmännische Angestellte Verwaltungsarbeiten, insbesondere die Führung der Buchhaltung, Überwachung der Außenstände und die Regulierung der Verbindlichkeiten etc. umfasst. Sie sei weder an der GmbH beteiligt noch Geschäftsführerin gewesen. Sie habe funktionsgerecht dienend am Arbeitsprozess der GmbH teilgenommen, für die Beschäftigung ein entsprechendes Entgelt erhalten und keinen maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der GmbH kraft eines etwaigen Anteils am Stammkapital geltend machen können.

Mit ihrem dagegen eingelegten Widerspruch wandte sich die Klägerin zunächst gegen die Zuständigkeit der Beklagten. Sie sei derzeit bei der AOK H. versichert, dorthin würden auch die Beiträge abgeführt. Daher sei für eine Entscheidung über das Vorliegen von Versicherungspflicht nur die AOK H. zuständig, nicht jedoch die Beklagte. Darüber hinaus sei sie bei der K. K.-I.-V. W. G. GmbH bis zum 29.02.2000 nicht abhängig beschäftigt gewesen und habe damit auch nicht der Sozialversicherungspflicht unterlegen. Sie habe das Unternehmen seit 1990 gemeinsam mit ihrer Schwester und nicht zuletzt aufgrund ihrer besonderen Fachkenntnisse, ihrer besonderen Vertrauensposition und der familienhaften Rücksichtnahme geleitet. Ihre Tätigkeit habe sie absolut weisungsfrei und nach eigenem Ermessen ausgeführt. Zwar sei sie von 1990 bis Ende 2002 nicht am Unternehmen beteiligt und auch nicht zur Geschäftsführerin bestellt gewesen, eine Sozialversicherungsfreiheit sei deshalb jedoch nicht von vornherein ausgeschlossen, denn maßgebend seien allein die tatsächlichen Verhältnisse. Tatsächlich habe sie seit 1990 das Unternehmen wie eine Gesellschafter-Geschäftsführerin gleichberechtigt mit ihrer Schwester geleitet. Bei der GmbH handle es sich um ein typisches Familienunternehmen, so dass aufgrund der familiären Bindung der Beteiligten an den Nachweis für das Vorliegen der Versicherungspflicht besonders strenge Maßstäbe anzulegen seien. Je enger die persönlichen Beziehungen seien, desto mehr spreche dies gegen eine versicherungspflichtige Tätigkeit. Ihre absolute Weisungsfreiheit gehe weit über das bei Diensten höherer Art übliche, erheblich eingeschränkte Weisungsrecht hinaus. Die Gesellschafter, d.h. ihre Mutter und ihre Schwester, hätten zwar rein formal juristisch die absolute Rechtsmacht zur Leitung des Unternehmens gehabt, hätten davon aber gerade keinen Gebrauch gemacht, sondern ihr absolute Handlungsfreiheit gelassen. Abgesehen davon sei für sie eine Einzelprokura im Juli 1998 im Handelsregister eingetragen worden, wodurch es ihr möglich gewesen sei, das Unternehmen offiziell und alleine nach außen zu vertreten. Nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass die Firma für sie und ihre Schwester die alleinige wirtschaftliche Lebensgrundlage dargestellt habe, seien ihre Interessen gleichgerichtet gewesen, dass das Unternehmen erfolgreich geführt werde. Das bestehende Vertrauens- und Näheverhältnis habe die Zusammenarbeit maßgeblich beeinflusst. Ausgehend vom Gesamtbild der Tätigkeit im vorliegenden Einzelfall sprächen die überwiegenden Merkmale für das Vorliegen einer nicht versicherungspflichtigen Beschäftigung. Gleichzeitig stellte die Klägerin Antrag auf Erstattung zu Unrecht gezahlter Beiträge zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung.

Mit Widerspruchsbescheid vom 22.02.2006 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück: Zuständig für die Entscheidung sei die Krankenkasse, an die die Gesamtsozialversicherungsbeiträge tatsächlich abgeführt worden seien, nicht die Kasse, die hierfür aufgrund eines etwaigen Kassenwechsels nunmehr zuständig sei. Darüber hinaus sei der Widerspruch unzulässig, da ein Rechtsschutzbedürfnis nicht bestehe. Aus der Feststellung, ob eine abhängige Beschäftigung bestanden habe, ließen sich keine Rechtsfolgen ableiten, da wegen Verjährung kein Beitragserstattungsanspruch bestehe. Der Erstattungsanspruch verjähre in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Beiträge entrichtet worden seien. Entsprechend sei am 31.12.2004 die Verjährung der Beiträge bis einschließlich Februar 2000 eingetreten. Darüber hinaus sei der Widerspruch auch unbegründet. Die Beklagte habe von der K. K.-I.-V. W. G. GmbH eine Anmeldung nach der DEÜV über den Beginn einer abhängigen, sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung als Arbeitnehmerin zum 01.01.1990 erhalten. Vom Arbeitgeber seien die Gesamtsozialversicherungsbeiträge abgeführt und die entsprechenden Entgeltmeldungen abgegeben worden. Die Beklagte habe die vom Arbeitgeber erstellten Meldungen und die abgeführten Sozialversicherungsbeiträge im schlichten Verwaltungshandeln entgegengenommen und an die entsprechenden Versicherungsträger weitergeleitet. Die Klägerin sei im strittigen Zeitraum weder Geschäftsführerin noch Gesellschafterin der GmbH gewesen, sie habe kein Unternehmerrisiko getragen und ein festes monatliches Gehalt, das nicht von der unmittelbaren Ertragslage der GmbH abhängig gewesen sei, erhalten. Sie habe keine Möglichkeit gehabt, entscheidenden Einfluss auf die Gesellschaft zu nehmen. Die Gesellschafter und Geschäftsführer der GmbH hätten das Recht gehabt, der Klägerin jederzeit Weisungen zu erteilen. Das Vorbringen der Klägerin, dass tatsächlich keine Weisungen erteilt worden seien, sei unerheblich, da die Abhängigkeit unter Familienangehörigen im allgemeinen weniger stark ausgeprägt sei als in Betrieben außerhalb eines Familienverbundes. Die Klägerin sei nicht faktisch als Alleininhaberin einer GmbH tätig gewesen, vielmehr sei die GmbH von der Schwester als Geschäftsführerin vertreten worden. Auch habe die Klägerin die Gesellschafter der GmbH persönlich nicht dominiert und diese seien von ihr auch nicht wirtschaftlich abhängig gewesen. Soweit die Klägerin vortrage, sie sei als "faktische" Geschäftsführerin einer Geschäftsführerin einer GmbH gleichzustellen, gehe dies ins Leere, denn eine faktische Geschäftsführerschaft sehe das GmbHG nicht vor. Auch die Tatsache, dass die Klägerin über Prokura verfügt habe, deute nicht auf eine selbständige Tätigkeit hin, sondern vielmehr auf eine leitende Angestelltentätigkeit.

Deswegen erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG) mit der Begründung, bei der GmbH habe es sich um ein typisches Familienunternehmen gehandelt. Bei derartigen Beschäftigungsverhältnissen seien im Hinblick auf die familiären Bindungen der Beteiligten an den Nachweis für das Vorliegen der Versicherungspflicht besonders strenge Maßstäbe anzulegen. Zwar schlössen verwandtschaftliche Beziehungen eine Versicherungspflicht nicht grundsätzlich aus, je enger jedoch die persönlichen Beziehungen seien, desto mehr spreche dies gegen eine Pflichtigkeit. Darüber hinaus sei die Beklagte für die von ihr getroffene Entscheidung nicht zuständig, da hierfür die Einzugsstelle zuständig sei, von der die Krankenversicherung durchgeführt werde, bzw. die Kasse, an die die Renten- und Arbeitslosenversicherungsbeiträge abgeführt würden. Dies sei derzeit die AOK (Beigeladene zu 3). Nur intern solle unter den verschiedenen in der gesamten Zeit zuständigen Krankenkassen eine Abstimmung erfolgen. Letztlich habe also die Beigeladene zu 3 entscheiden müssen. Ihr Rechtsschutzbedürfnis ergebe sich nicht nur aus potentiellen Erstattungsansprüchen von Beiträgen zur Krankenversicherung, sondern darüber hinaus auch aus solchen von Beiträgen zur Rentenversicherung. Dieser Erstattungsanspruch verjähre in dreißig Jahren, wobei der Lauf der Verjährungsfrist mangels Beanstandung bei der Betriebsprüfung noch nicht begonnen habe. Zudem müsse bei der Berufung auf die Verjährungseinrede Ermessen ausgeübt werden. Liege fehlerhaftes Handeln eines Versicherungsträgers vor, bestehe eine unbillige Härte, so dass die Berufung auf die Verjährungseinrede nicht möglich sei. Mithin könne nicht pauschal davon ausgegangen werden, dass Verjährung vorliege, zumal eine Verjährungseinrede bislang nicht erhoben worden sei. Im übrigen verwies die Klägerin auf ihre Ausführungen im Widerspruchsverfahren.

Das SG lud mit Beschluss vom 11.04.2006 die Deutsche Rentenversicherung Bund (Beigeladene zu 1), die Bundesagentur für Arbeit (Beigeladene zu 2) und - auf ihren Antrag - die AOK M. (Beigeladene zu 3) zum Verfahren bei.

Mit Gerichtsbescheid vom 30.08.2006, den Prozessbevollmächtigten der Klägerin zugestellt am 01.09.2006, wies das SG die Klage ab. In den Entscheidungsgründen führte es im wesentlichen aus, die Klage sei unzulässig, da ihr das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis wegen Verjährung der Beiträge fehle. Die Klage sei jedoch auch unbegründet, denn die angefochtene Entscheidung der Beklagten sei rechtmäßig. Zunächst sei die Beklagte zur entsprechenden Feststellung über die Art des Versicherungsverhältnisses zuständig. Zwar fehle insoweit eine gesetzliche Regelung über die Zuständigkeit, da sich die Vorschriften der §§ 28 h und 28 i Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) ausschließlich auf den Einzug des Gesamtsozialversicherungsbeitrags bezögen. Die Klägerin begehre jedoch nur die Feststellung des Nichtbestehens der Versicherungspflicht in einem Zeitraum, in dem sie auch Beiträge an die Beklagte abgeführt habe. Dass hierfür dann auch die Beklagte zuständig sei, nicht jedoch die aktuelle Kasse, an die Beiträge abgeführt würden, ergebe sich schon aus dem Vortrag der Klägerin. Ausweislich der Vereinbarung der Spitzenverbände der Krankenkassen am 05. und 06.07.2005 zur Beurteilung der Sozialversicherungspflicht bei dem Vorliegen verschiedener Versicherungsträger im zeitlichen Ablauf könne die Einzugsstelle eine Entscheidung jeweils nur für den Zeitraum treffen, in dem sie den Arbeitnehmer auch als Mitglied geführt habe bzw. der Arbeitnehmer bei ihr gemeldet gewesen sei. Die Klägerin begehre ausschließlich die Feststellung des Nichtvorliegens eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses für den Zeitraum vom 01.01.1990 bis zum 29.02.2000. In diesem Zeitraum sei sie ausschließlich bei der Beklagten geführt worden. Die Bescheide seien auch materiell rechtmäßig, denn die Klägerin sei im hier streitigen Zeitraum abhängig bei der GmbH beschäftigt gewesen. Dies ergebe sich aus dem Arbeitsvertrag vom 15.12.1989, in dem sie im Vorspann ausdrücklich als " Arbeitnehmerin" betitelt werde. Es sei eine regelmäßige Arbeitszeit festgehalten und ein monatliches Bruttogehalt vereinbart worden, außerdem Gehaltsfortzahlung im Krankheitsfall und ein Urlaubsanspruch. Insgesamt entspreche dies den damals üblichen Bedingungen für einen Arbeitnehmer. Die Klägerin sei darüber hinaus im streitigen Zeitraum weder Geschäftsführerin noch Anteilseignerin an der GmbH gewesen. Erst zum 02.01.2003 sei der Arbeitsvertrag geändert worden. Auch die Darlehen und Bürgschaften, die die Klägerin nach ihren eigenen Angaben für die GmbH trage, seien erst nach dem streitigen Zeitraum aufgenommen worden. Darüber hinaus sei der Klägerin auch erst 1998 Einzelprokura im Handelsregister eingetragen worden. Dies seit zwar auch bei in der Regel abhängig Beschäftigten durchaus nicht unüblich, beleuchte im vorliegenden Fall jedoch deutlich den allmählichen Wandel im Arbeitsverhältnis der Klägerin. Im Dezember 2002 habe sie dann auch Gesellschaftsanteile übernommen und im Anschluss daran sei der Arbeitsvertrag entsprechend geändert worden. Irgendwelche Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin jedoch schon im hier streitigen Zeitraum ein wesentliches eigenes Unternehmerrisiko getragen hätte, ergäben sich aus den Akten nicht. Mangels entsprechender Gesellschaftsanteile habe die Klägerin auch keine Möglichkeit gehabt, entscheidenden Einfluss auf die Gesellschaft zu nehmen.

Hiergegen richtet sich die am 02.10.2006, einem Montag, eingelegte Berufung der Klägerin. Zur Begründung wiederholt sie im wesentlichen ihr bisheriges Vorbringen bzw. nimmt darauf Bezug. Die Klägerin hat noch die Ergänzung vom 30.12.1996 zum Arbeitsvertrag vom 15.12.1989 vorgelegt, derzufolge das Bruttoentgelt ab 01.01.1997 DM 8.000,- monatlich und die Tantieme 12,5 % des Jahresüberschusses lt. Steuerbilanz ... und höchstens 33 1/3 % der Festbezüge betrug ...

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 30. August 2006 sowie den Bescheid vom 06. Dezember 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Februar 2006 aufzuheben und festzustellen, dass sie vom 01. Januar 1990 bis zum 29. Februar 2000 nicht in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis stand.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie erachtet den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.

Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (§ 124 Abs. 2 SGG), ist zulässig und insbesondere statthaft i.S.d. § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG, denn es geht um die Versicherungspflicht der Klägerin über einen längeren Zeitraum als ein Jahr.

Die zulässige Berufung ist jedoch unbegründet. Das SG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen, denn die Beklagte hat zutreffend festgestellt, dass die Klägerin in der Zeit vom 01.01.1990 bis 29.02.2000 abhängig beschäftigt war und deshalb der Sozialversicherungspflicht unterlag.

Dabei kann vorliegend dahingestellt bleiben, ob es der Klage bereits am Rechtsschutzbedürfnis wegen Verjährung der Beiträge nach § 27 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) fehlt (vgl. hierzu zuletzt Urteil des erkennenden Senats vom 08.03.2005 - L 11 KR 2015/04). Denn jedenfalls steht auch zur Überzeugung des Senats fest, dass die Klägerin in der streitbefangenen Zeit versicherungspflichtig beschäftigt war.

Die Voraussetzungen für die Sozialversicherungspflicht zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung sind im Urteil des SG ebenso wie die Beurteilungsmaßstäbe für das Vorliegen einer abhängigen oder selbständigen Beschäftigung zutreffend dargestellt. Darauf wird verwiesen.

In Ansehung dieser rechtlichen Gegebenheiten ist die Klägerin im streitbefangenen Zeitraum sozialversicherungspflichtig beschäftigt gewesen. Zu dieser Feststellung war die Beklagte als damalige Einzugsstelle auch zuständig. Dies hat das SG im Urteil ausführlich und zutreffend begründet dargelegt. Der Senat schließt sich den überzeugenden Ausführungen des SG insoweit in vollem Umfang an und sieht deswegen von einer weiteren Darstellung seiner Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG).

Ergänzend ist auszuführen, dass es bei der Abgrenzung abhängiger Beschäftigung von selbständiger Tätigkeit auf das Gesamtbild der Arbeitsleistung ankommt, wobei die tatsächlichen Verhältnisse maßgeblich sind, zu denen das Vertragsverhältnis zwischen den Beteiligten und die ihnen jeweils zustehende Rechtsmacht gehört (so zuletzt BSG, Urteil vom 25.01.2006 - B 12 KR 30/04 R). Demnach kommt es grundsätzlich entscheidend darauf an, wie die Rechtsbeziehungen - insbesondere die Beteiligungsverhältnisse - innerhalb des Unternehmens vertraglich ausgestaltet sind. Im Grundsatz gilt, dass nur derjenige nicht abhängig beschäftigt ist, der durch seine Unternehmensbeteiligung die unternehmenspolitischen Entscheidungen maßgeblich mitbestimmen kann. Denn eine Mehrheitsbeteiligung oder jedenfalls eine Sperrminorität, mit der bestimmte unternehmerische Entscheidungen verhindert werden können, führt in aller Regel zu einem fehlenden Abhängigkeits- bzw. Über- und Unterordnungsverhältnis. Spiegelbildlich hierzu ist derjenige, der nicht jedenfalls über eine Sperrminorität verfügt, in der Regel von den Entscheidungen der (übrigen) Gesellschafter bzw. des Einzelunternehmers persönlich abhängig, so dass eine abhängige Beschäftigung zu bejahen ist.

Zwar führt das Fehlen einer (maßgeblichen) Unternehmensbeteiligung nicht zwingend zu einer abhängigen Beschäftigung, jedoch ist in diesen Fällen von einer abhängigen Beschäftigung nur in sehr eng begrenzten Einzelfällen abzugehen. Ein solcher Ausnahmefall kann z.B. bei Familienunternehmen vorliegen, wenn die familiäre Verbundenheit der beteiligten Familienmitglieder zwischen ihnen ein Gefühl erhöhter Verantwortung schafft, die z.B. dadurch zum Ausdruck kommt, dass die Höhe der Bezüge von der Ertragslage des Unternehmens abhängig gemacht wird oder wenn es aufgrund der familienhaften Rücksichtnahme an der Ausübung eines Direktionsrechts völlig mangelt. Hiervon ist insbesondere bei demjenigen auszugehen, der - obwohl nicht maßgeblich am Unternehmenskapital beteiligt - aufgrund der verwandtschaftlichen Beziehungen faktisch wie ein Alleininhaber die Geschäfte des Unternehmens nach eigenem Gutdünken führt (vgl. BSG, Urteil vom 08.12.1987 - 7 R AR 25/86). Dies bedeutet aber nicht, dass jede familiäre Verbundenheit zum Ausschluss eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses führt. Vielmehr gelten auch bei Familienunternehmen die allgemeinen sozialversicherungsrechtlichen Grundsätze zur Abgrenzung eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses zur selbständigen Tätigkeit (vgl. Seewald in: Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Band 1, § 7 SGB IV, Rdnr. 2).

Bei der Beschäftigung eines Familienangehörigen ist zudem neben der Eingliederung des Beschäftigten in den Betrieb und dem ggfs. abgeschwächten Weisungsrecht des Arbeitgebers von Bedeutung, ob der Beschäftigte ein Entgelt erhält, das einen angemessenen Gegenwert für die geleistete Arbeit darstellt, mithin über einen freien Unterhalt, Taschengeld oder eine Anerkennung für Gefälligkeiten hinausgeht. Weitere Abgrenzungskriterien sind nach der Rechtsprechung, ob ein schriftlicher Arbeitsvertrag geschlossen worden ist, ob das gezahlte Entgelt der Lohnsteuerpflicht unterliegt, als Betriebsausgabe verbucht und dem Angehörigen zur freien Verfügung ausgezahlt wird, und schließlich, ob der Angehörige eine fremde Arbeitskraft ersetzt. Sind die genannten Voraussetzungen erfüllt, ist es für die Bejahung eines Beschäftigungsverhältnisses nicht erforderlich, dass der Beschäftigte wirtschaftlich auf das Entgelt angewiesen ist (BSG SozR 2 - 2500 § 5 Nr. 17). Der Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses steht grundsätzlich auch nicht entgegen, dass die Abhängigkeit in der Familie im allgemeinen weniger stark ausgeprägt ist und deshalb das Weisungsrecht möglicherweise nur mit gewissen Einschränkungen ausgeübt wird (BSGE 34, 207, 210; SozR 3 - 2400 § 7 Nr. 1; SozR 3 - 4100 § 168 Nr. 11).

Vor diesem rechtlichen Hintergrund stellt bei der anzustellenden Gesamtbetrachtung die Tätigkeit der Klägerin jedenfalls im Zeitraum vom 01.01.1990 bis 29.02.2000 ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis dar. In dieser Zeit war die Klägerin am Unternehmen nicht beteiligt, so dass ihre Schwester, die zugleich Geschäftsführerin ist, und ihre Mutter allein die entscheidenden unternehmenspolitischen Entscheidungen treffen konnten. Die Klägerin trug auch kein unternehmerisches Risiko. Sie bezog ein festes Monatsgehalt einschließlich Weihnachtsgratifikation. Die zusätzlich gewährte Gewinnbeteiligung führt zu keinem Unternehmerrisiko. Sie ist insbesondere nicht mit einem Verlustrisiko verbunden und im übrigen auch bei Angestellten mit herausgehobener Verantwortungsposition nicht unüblich. Was die von der Klägerin geltend gemachte Gewährung von Darlehen und Bürgschaften an bzw. für die GmbH angeht, ist das SG zu Recht davon ausgegangen, dass diese erst nach dem hier streitigen Zeitraum erfolgte. Im übrigen würde dies der Arbeitnehmereigenschaft der Klägerin nicht widersprechen. Zwar ist die Gewährung eines Darlehens durch einen Arbeitnehmer an den Arbeitgeber nicht typisch, andererseits sind solche Leistungen auch nicht ausgeschlossen (vgl. BSG SozR 3 - 2400 § 7 Nr. 17). Die Klägerin übte als kaufmännische Angestellte typische Tätigkeiten eines abhängig Beschäftigten aus. Sie erhielt für ihre Tätigkeit ein zu versteuerndes und als sozialversicherungspflichtig geführtes Gehalt, welches seit Beschäftigungsbeginn als Betriebsausgabe verbucht wurde. Die keineswegs geringen Bezüge der Klägerin hatten eindeutig Entgeltfunktion und versetzten sie in die Lage, ihren Lebensunterhalt davon eigenständig zu bestreiten; ihr Entgelt stellte eindeutig die Entlohnung einer Arbeit dar. Die regelmäßige Arbeitszeit war arbeitsvertraglich mit 37,5 Stunden festgehalten und für den Krankheitsfall wurde Gehaltsfortzahlung für sechs Wochen nach den gesetzlichen Bestimmungen vereinbart. Es war ein Urlaub von 26 Arbeitstagen je Kalenderjahr festgelegt, wobei der Urlaubsantritt in Abstimmung mit der Unternehmensleitung festgelegt werden musste. Insgesamt entsprach das Vertragsverhältnis den üblichen Bedingungen für einen Arbeitnehmer.

Dass das Arbeitsverhältnis durch familienhafte Rücksichtnahme gekennzeichnet war und daher das Weisungsrecht möglicherweise verfeinert ausgeübt wurde, steht einer abhängigen Beschäftigung nicht entgegen, vielmehr ist ein eingeschränktes Weisungsrecht bei familienhafter Mitarbeit im Beschäftigungsverhältnis symptomatisch (BSGE 34, 207, 210; SozR 3 - 2400 § 7 Nr. 1; SozR 3 - 4100 § 168 Nr. 11).

Im Rahmen der Gesamtbetrachtung führt auch die Tatsache, dass die Klägerin den gesamten kaufmännischen Bereich praktisch selbständig führte und seit 1998 Einzelprokura hatte, nicht zu einer anderen Beurteilung. Hierbei handelt es sich - wie bei der Gewährung einer Gewinnbeteiligung - um Eigenschaften, die in der Regel eine leitende Stellung mit sich bringt. Dass seitens der Gesellschafter und der Geschäftsführerin gänzlich auf ihr Weisungsrecht verzichtet wurde und der Klägerin eine unbeschränkte Gestaltungsmacht zukam, wird auch von der Klägerin nicht behauptet und wäre auch nicht nachvollziehbar. Denn hätte die Klägerin bereits in dem hier streitbefangenen Zeitraum die Geschicke des Betriebes selbständig geleitet, wäre es naheliegend gewesen, auch das Haftungsrisiko zu verbreitern und eine entsprechende gesellschaftsrechtliche Anpassung, wie sie Ende 2002 erfolgte, vorzunehmen. Soweit die Klägerin auf ihre Fachkenntnisse abhebt, ist dies, ungeachtet dessen, dass auch die zur Geschäftsführerin bestellte Schwester der Klägerin Büroangestellte war, unerheblich, denn solche machen nicht jeden leitenden Angestellten zu einem Unternehmer. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG kann das Weisungsrecht des Arbeitgebers vornehmlich bei Diensten höherer Art eingeschränkt und "zur dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein, wenn der Versicherte nur in den Betrieb eingegliedert ist (BSG SozR 3 - 2400 § 7 Nr. 18). Begründete Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin in der Zeit von 1990 bis Februar 2000 nicht in den Betrieb eingegliedert war, ergeben sich nicht.

Zu Recht hat das SG den allmählichen Wandel im Arbeitsverhältnis der Klägerin aufgezeigt, der schließlich nach dem hier streitigen Zeitraum im Dezember 2002 in die Übernahme von Gesellschaftsanteilen und eine Änderung des Arbeitsvertrages im Januar 2003 mündete. Erst zu diesem Zeitpunkt hatten sich die tatsächlichen Umstände dahingehend geändert, dass die Klägerin Einflussmöglichkeiten in die Unternehmenspolitik hatte und weisungsfrei agieren konnte.

Die Berufung der Klägerin konnte deshalb keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben.
Rechtskraft
Aus
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