L 8 AS 2999/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
8
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 7 AS 2233/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 AS 2999/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 27. April 2006 aufgehoben. Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 7. April 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Juni 2005 sowie des Änderungsbescheides vom 23. September 2005 verurteilt, an die Klägerin Kosten für Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 1. April 2005 bis 31. August 2005 in Höhe von monatlich 372,00 EUR und die Zeit vom 1. September 2005 bis 30. September 2005 in Höhe von 361,47 EUR zu bezahlen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin beider Rechtszüge zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der nach dem Sozialgesetzbuch - Zweites Buch - (SGB II) zu gewährenden Leistungen für Unterkunft und Heizung streitig.

Die 1967 geborene Klägerin ist allein stehend. Sie bezog bis 31.12.2004 Arbeitslosenhilfe. Die Klägerin bewohnt seit 01.05.2003 in F. eine Wohnung mit einer Wohnfläche von 55 m². Der Mietpreis der Wohnung beträgt monatlich 254,00 EUR zuzüglich einer Vorauszahlung für Kosten der Heizung/Warmwasser und sonstige Betriebskosten.

Auf ihren Antrag vom 06.09.2004 bewilligte die Agentur für Arbeit F. (AA) der Klägerin mit bestandskräftigem Bescheid vom 11.11.2004 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom 01.01.2005 bis 31.03.2005 in Höhe von monatlich 771,17 EUR (Regelleistung 345 EUR, befristeter Zuschlag nach Bezug von Alg 160 EUR, Kosten für Unterkunft und Heizung 266,17 EUR bestehend aus Miete 245 EUR und Heizkosten 21,17 EUR). Ein Hinweis zu den angemessenen Kosten der Unterkunft erfolgte in diesem Bescheid nicht.

Am 10.03.2005 beantragte die Klägerin bei der AA die Fortzahlung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Sie legte eine Nebenkostenabrechnung für ihre Wohnung für den Zeitraum vom 01.01. 2004 bis 31.12.2004 vor. Weiter teilte die Klägerin mit, dass die Vorauszahlungen für die Nebenkosten ab 01.04.2005 von monatlich 67 EUR auf 130 EUR erhöht worden seien.

Mit Bescheid vom 07.04.2005 bewilligte der nunmehr zuständige Beklagte der Klägerin Leistungen für den Zeitraum vom 01.04.2005 bis 30.09.2005 für Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 283,67 EUR. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Kosten der Unterkunft würden nur in angemessener Höhe als Bedarf anerkannt. Die angemessene Kaltmiete für eine Person betrage 45 m² Wohnfläche x 4,50 EUR/m² = 202,50 EUR. Für Wasser seien 12,50 EUR, für Müllgebühren 10 EUR und für Nebenkosten entsprechend der (vorgelegten) Abrechnung aus dem Jahr 2004 21,77 EUR berücksichtigt. Damit seien alle Aufwendungen für die Unterkunft abgegolten. Davon seien auch etwaige Nachzahlungen umfasst. Die angemessenen Heizkosten seien in Höhe von 36,60 EUR berücksichtigt. Eventuelle Nachzahlungen gingen zu Lasten der Klägerin. Für Warmwasser und Strom seien keine Kosten berücksichtigt worden, da diese bereits im Regelsatz enthalten seien.

Mit weiterem bestandkräftigem Bescheid vom 07.04.2005 bewilligte der Beklagte der Klägerin auf der Basis der vorgelegten Nebenkostenabrechnung 2004 Leistungen für eine Nebenkostennachzahlungen in Höhe von 492,61 EUR.

Gegen den Bescheid über die Gewährung von laufenden Leistungen vom 07.04.2005 legte die Klägerin am 21.04.2005 Widerspruch ein. Sie machte zur Begründung geltend, die Gesamtfläche ihrer Wohnung von 55 m² sei zu berücksichtigen. Der angenommene Satz von 4,50 EUR/m² sei nicht korrekt. Wohnraum mit gleicher Ausstattung sei in ihrer Umgebung deutlich teurer als die von ihr bezahlten 4,62 EUR/m². Die vorgenommene Kürzung entbehre jeder Realität. Es gebe in F. keinen Mietspiegel und keine Mietpreissammlungen. Die berücksichtigten Wasserkosten in Höhe von 12,50 EUR seien zu gering bemessen. Sie widerspreche auch der Heizkostenzahlungen mit 36,60 EUR/Monat, der Ankündigung, eventuelle Nachzahlungen gingen zu ihren Lasten sowie, dass Kosten für Warmwasser und Strom bereits im Regelsatz enthalten seien.

Mit Widerspruchsbescheid vom 23.06.2005 wurde der Widerspruch der Klägerin zurückgewiesen. Leistungen für Unterkunft und Heizung würden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen seien. Bei der Bemessung der angemessenen Kosten für Unterkunft seien, da ein Mietpreisspiegel für F. nicht vorliege, die Verwaltungsvorschrift des Wirtschaftsministeriums zum Landeswohnraumförderungsprogramm 2004 sowie die Wohngeldobergrenze nach § 8 WoGG heranzuziehen. Danach betrage der angemessene Mietpreis 4,45EUR je m² Wohnfläche. Vorliegend seien 4,50 EUR je m² Wohnfläche angemessen. Die angemessene Wohnfläche für einen Einpersonenhaushalt betrage nach dem Sozialhilferechtlinien Baden-Württemberg 45 m². Es ergebe sich damit eine angemessene Kaltmiete in Höhe von 202,50 EUR. Für Wasser/Abwasser reiche erfahrungsgemäß ein Betrag in Höhe von 12,50 EUR aus, den Bedarf zu decken. Die Müllgebühren betrügen monatlich 10 EUR. Bei den sonstigen Nebenkosten seien gemäß der Jahresabrechnung der Betriebskosten 2004 zusätzlich 21,77 EUR zu berücksichtigen. Insgesamt ergäben sich damit angemessene Kosten der Unterkunft in Höhe von 247,77 EUR. Bei der Beurteilung der angemessenen Heizkosten werde seit Jahren die Verwaltungsvorschrift des Finanzministeriums für landeseigene Dienstwohnungen herangezogen. Nach dem Stand Dezember 2003 belaufe sich der angemessene Wert bei der Beheizung mit Heizöl auf 0,72 EUR je m² und Monat. Unter Beachtung der besonderen Klimaverhältnisse des Landkreises F. und der Preisentwicklung würden derzeit etwas mehr als 0,81 EUR zu Grunde gelegt. Dieser Betrag reiche erfahrungsgemäß aus, den angemessenen Heizbedarf zu decken. Bei 45 m² Wohnfläche ergebe sich ein angemessener Betrag von monatlich 36,60 EUR. Die Regelung, wonach unangemessen hohe Kosten der Unterkunft für längstens sechs Monate übernommen werden könnten, fände keine Anwendung, da der Klägerin bekannt gewesen sei, dass die Arbeitslosenhilfe zum 31.12.2004 ende und durch die Regelungen des SGB II ersetzt würden. Es wäre der Klägerin zuzumuten gewesen, sich bei der örtlichen Agentur für Arbeit oder dem kommunalen Träger wegen der angemessenen Kosten in Verbindung zu setzen. Zu beachten sei auch, dass der Klägerin mit der Zustellung des Bescheides der Agentur die Höhe der angemessenen Kosten bekannt gewesen sei und sie sich hätte klar sein müssen, dass sie sich nach einer kostengünstigeren Wohnung umsehen müsse. Im Landkreis F. gebe es gerade für Einzelpersonen eine Vielzahl von Wohnungen, die angemessen seien und die kurzfristig bezogen werden könnten.

Am 07.07.2005 erhob die Klägerin Klage beim Sozialgericht Reutlingen (SG). Sie führte zur Begründung aus, bei Alleinstehenden sei als angemessener Wohnraum eine Fläche von 45 bis 50 m² anzusehen, wobei auf den reinen Wohnraum abzustellen sei, der bei ihr unter 40 m² liege. Ihre Unterkunftskosten seien nicht unangemessen. Die Höhe der Miete mit einem Quadratmeterpreis von 4,62 EUR könne nicht beanstandet werden, da in F. billigerer Wohnraum nicht zu erlangen sei. In F. gebe es kein ausreichendes Wohnungsangebot zu dem Preis, den der Beklagte maximal bezuschussen wolle. Es könne auch nicht jede geringfügige Überschreitung des vom Leistungsträger für angemessen gehaltenen Mietpreises zum Anlass für eine Kürzung genommen werden, da bei geringen Differenzen ein Umzug unwirtschaftlich und unzumutbar sei. Auch die Kürzung bei den Nebenkosten, insbesondere den Heizkosten, sei nicht gerechtfertigt. Es könne keineswegs auf Durchschnittswerte abgestellt werden, da die Kosten zu sehr von den individuellen Verhältnissen abhingen. Schließlich habe der Beklagte völlig ignoriert, dass selbst unangemessene Unterkunftskosten für eine angemessene Übergangsfrist zu bezuschussen seien. Die Frist beginne frühestens mit dem Bescheid vom 07.04.2005. Die vom Beklagten vorgelegten Wohnungsangebote würden den Maßstäben bzw. Höchstgrenzen, die der Beklagte selbst anlege, nicht gerecht werden, da die Größe oder die Miete pro Quadratmeter zu hoch seien. Die Klägerin legte hierzu eine Auflistung vor.

Der Beklagte ist der Klage unter Aufrechterhaltung seines Standpunktes entgegen getreten. Ergänzend hat er ausgeführt, die Klägerin verhalte sich in ihrem Verbrauch nicht angemessen, was nicht zu Lasten der Allgemeinheit gehen könne. Er legte zum Beleg ausreichend vorhandenen Wohnraumes Anzeigen über Mietangebote aus dem Schwarzwälder Boten, anonymisierte Mietverträge sowie eine Aufstellung über Vergleichsmieten und zum Beleg angemessener Nebenkosten anonymisierte Kostenabrechnungen jeweils in Kopie sowie auf Anforderung des SG eine Aufstellung über aktuelle Mietangebote der Kreisbaugenossenschaft vor.

Mit Bescheid vom 23.09.2005 änderte der Beklagte die Bewilligung von Leistungen für Unterkunfts- und Heizkosten für die Zeit vom 01.09.2005 bis 30.09.2005 wegen anzurechnenden Einkommens in Höhe von 10,53 EUR ab und bewilligte in dieser Zeit Leistungen in Höhe von 272,84 EUR, nachdem bekannt geworden war, wurde, dass die Klägerin in der Zeit vom 02.08.2005 bis 12.08.2005 einer befristeten Beschäftigung mit einem zu berücksichtigenden Einkommen von 355,53 EUR nachging.

Für die Zeit ab 01.10.2005 ergingen weitere Bewilligungsbescheide des Beklagten über Leistungen nach dem SGB II für Kosten der Unterkunft und Heizung, gegen die sich die Klägerin mit Widersprüchen wandte und über die vom Beklagten noch nicht entschieden wurde.

Mit Urteil vom 27.04.2006 wies das SG die Klage ab. Auf die Entscheidungsgründe wird verwiesen.

Gegen das am 18.05.2006 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 14.06.2006 Berufung eingelegt. Sie hat zur Begründung ihr bisheriges Vorbringen ergänzt und vertieft, insbesondere auch dazu, dass ein unangemessenes Verbrauchsverhalten nicht vorliege.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 27. April 2006 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 7. April 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Juni 2005 sowie den Änderungsbescheid vom 23. September 2005 zu verurteilen, an die Klägerin Kosten für Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 1. April 2005 bis 30. September 2005 in Höhe von monatlich 384 EUR zu bezahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil des SG für zutreffend.

Der Rechtstreit ist in nichtöffentlicher Sitzung am 22.12.2006 durch den Berichterstatter mit den Beteiligten erörtert worden. Auf die Sitzungsniederschrift vom 22.12.2006 wird verwiesen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Rechtsstreites ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie auf ein Band Akten des Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Streitgegenstand ist der Bescheid vom 07.04.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.06.2005, soweit die Beklagte darin einen Anspruch der Klägerin auf höhere Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung im Zeitraum vom 01.04. bis 30.09.2005 abgelehnt hat. Streitgegenstand ist auch der Bescheid vom 23.09.2005, der den Bescheid vom 07.04.2005 für den Monat September 2005 abgeändert hat, der gemäß § 96 SGG Gegenstand des Rechtsstreites geworden ist.

Die gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig. Sie ist insbesondere statthaft, da der Wert des Beschwerdegegenstandes 500 EUR übersteigt (§ 144 Absatz 1 Satz1 Nr. 1 SGG). Die Klägerin begehrt zusätzliche Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 384 EUR statt 283,67 EUR für 6 Monate. Damit sind mehr als 500 EUR streitig.

Die Berufung der Klägerin ist auch in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet, im Übrigen jedoch unbegründet.

Leistungen nach dem SGB II erhalten Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, erwerbsfähig sowie hilfebedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben (§ 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II). Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Mitteln, vor allem nicht durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit oder aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen, sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält (§ 9 Abs. 1 SGB II). Diese Voraussetzungen liegen bei der Klägerin unstreitig vor.

Erwerbsfähige Hilfebedürftige erhalten als Arbeitslosengeld II (Alg II) u.a. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung (§ 19 Satz 1 Nr. 1 SGB II).

Ob der Klägerin höhere Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung zustehen, beurteilt sich (u.a) nach § 22 Absatz 1 SGB II (hier in der ursprünglichen Fassung der Norm durch das 4. Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt). Danach werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind (Satz 1). Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft den der Besonderheit des Einzelfalls angemessenen Umfang übersteigen, sind sie als Bedarf so lange zu berücksichtigen, wie es dem allein stehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate (Satz 2). Diesen Vorschriften begegnen keine verfassungsrechtlichen Bedenken (BSG, Urteile vom 07.11.2006 - B 7b AS 6/06 R - und - B 7b AS 10/06 R -, jeweils veröffentlicht in juris). Verfassungsrechtliche Bedenken hat die Klägerin im Übrigen auch nicht geäußert.

Danach steht der Klägerin ein Anspruch auf höhere Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung jedenfalls im vorliegend streitigen Zeitraum vom 01.04.2005 bis 30.09.2005 zu. Dabei kann offen bleiben, ob die Kosten der Unterkunft und Heizung der von der Klägerin bewohnten Wohnung angemessen sind, was zwischen den Beteiligten streitig ist (vgl. zur Angemessenheit BSG, Urteile vom 07.11.2006 - B 7b AS 10/06 R - und - B 7b AS 18/06 R -, jeweils veröffentlicht in juris). Denn der Klägerin steht unabhängig davon ein Anspruch auf höhere Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung gemäß § 22 Absatz 1 Satz 2 SGB II im streitigen Zeitraum zu.

§ 22 Absatz 1 Satz 2 SGB II enthält eine Zumutbarkeitsregelung, die es verhindern soll, dass der Leistungsberechtigte sofort (bei Eintritt der Hilfebedürftigkeit) gezwungen wird, seine bisherige Wohnung aufzugeben. Schutzbedürftig sind danach insbesondere solche Personen, die bei Eintritt der Hilfebedürftigkeit bereits in einer (unangemessenen) Wohnung leben, wie dies bei der Klägerin zutrifft, da sie ihre Wohnung bereits seit 01.05.2003 bewohnt, bzw. bei denen die Unterkunftskosten während des Leistungsbezugs - z.B. durch eine Mieterhöhung - unangemessen werden (vgl. BSG, Urteile vom 07.11.2006 - B 7b AS 10/06 R - und - B 7b AS 18/06 R -).

Der Schutzzweck des § 22 Absatz 1 Satz 2 SGB II erfordert, dass der Leistungsträger den Leistungsempfänger darauf hinweist, dass die Kosten der von ihm bewohnten Wohnung unangemessen sind. Dieser Hinweis ist kein Verwaltungsakt. Der Hinweis hat vielmehr alleine Aufklärungs- und Warnfunktion, damit der Hilfebedürftige Klarheit über die aus Sicht des Grundsicherungsträgers angemessenen Aufwendungen für die Unterkunft und ggf. die Heizung und einen Hinweis auf die Rechtslage erhält. Denn ohne die Kenntnis darüber, dass der Grundsicherungsträger von unangemessenen Unterkunftskosten ausgeht, kann der Leistungsempfänger keine geeigneten Anstrengungen unternehmen, um die Kosten der Unterkunft zu minimieren und würde außerdem von einer Absenkung der Leistung überrascht werden. Sind dem Leistungsempfänger die maßgeblichen Gesichtspunkte bekannt, bedarf es dagegen keiner Aufklärung (Offenkundigkeit). Zur Aufklärung des Leistungsempfängers genügt regelmäßig die Angabe des angemessenen Mietpreises, der nach der Produkttheorie der entscheidende Maßstab zur Beurteilung der Angemessenheit ist (vgl. BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 10/06 R -).

Ein solcher Hinweis an die Klägerin ist vom Beklagten - frühesten - im Bescheid vom 07.04.2005 erfolgt. Der Bescheid der AA vom 11.11.2004 enthält keine aufklärenden Hinweise dazu, dass bei der Klägerin von nicht angemessenen Kosten ihrer Unterkunft ausgegangen wird. Dies wird - entgegen der Ansicht des Beklagten - aus dem Bescheid auch nicht deutlich. Weiter lässt sich dem Bescheid nicht entnehmen, von welchen angemessenen Mietkosten die Klägerin auszugehen hat. Der Bescheid vom 11.11.2004 entfaltet auch keine Bindungswirkung für die Zukunft dahin, dass sich die Klägerin die Bemessungsgrundlagen dieses Bescheides für spätere Bewilligungszeiträume entgegenhalten lassen müsste. Dass die Klägerin bereits während des Bezugs von Arbeitslosenhilfe durch das AA auf unangemessene Kosten aufmerksam gemacht wurde, ist nicht ersichtlich und wird auch vom Beklagten nicht geltend gemacht. Soweit der Beklagte meint, der Klägerin sei bekannt gewesen, dass die Arbeitslosenhilfe zum 31.12.2004 ende und durch die Regelungen des SGB II ersetzt würden; es wäre der Klägerin zuzumuten gewesen, sich bei der örtlichen Agentur für Arbeit oder dem kommunalen Träger wegen der angemessenen Kosten in Verbindung zu setzen, ersetzt dies seine Hinweispflicht nach den oben dargestellten Grundsätzen nicht. Maßgeblich ist vielmehr, ob die Klägerin ausreichend über die aus Sicht des Grundsicherungsträgers angemessenen Aufwendungen für die Unterkunft und ggf. die Heizung informiert war. Dies ist - frühestens - durch die Begründung des Bescheides vom 07.04.2005 erfolgt. Damit steht der Klägerin gegen den Beklagten gemäß § 22 Absatz 1 Satz 2 SGB II ein Anspruch auf Übernahme der tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung der von ihr bewohnten Wohnung zu. Eine Absenkung der Leistung im streitigen Zeitraum, wie sie vom Beklagten vorgenommen wurde, ist bereits deshalb nicht gerechtfertigt.

Gemäß § 22 Absatz 1 Satz 1 SGB II sind die Leistungen für Unterkunft und Heizung in der Höhe der tatsächlichen Aufwendungen zu erbringen. Die Leistungen werden anders als die Regelleistungen und Leistungen für Mehrbedarf beim Lebensunterhalt (§§ 20, 21 SGB II) nicht in pauschaler Form unter Zugrundelegung eines typisierten normativen Bedarfs gewährt, jedenfalls solange die Verordnung nach § 27 SGB II noch nicht ergangenen ist (vgl. BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 8/06 -, veröffentlicht in juris). Die vorliegend vom Beklagten vorgenommene Pauschalisierung der Aufwendungen der Klägerin für Wasser-/Abwasserkosten und für Heizkosten entbehrt daher einer Rechtsgrundlage.

Damit sind als tatsächliche Kosten der Unterkunft und Heizung bei der Klägerin jeweils monatlich zu berücksichtigen für Miete 245,00 EUR und für anteilige Vorauszahlungen für Mietnebenkosten einschließlich Heizkosten und Müllgebühr (10 EUR) 127,00 EUR, insgesamt 372,00 EUR.

Bei den Mietnebenkosten ist dabei nicht, wie der Beklagte meint, auf die im Zeitraum vom 01.01.2004 bis 31.12.2004 laut Betriebskostenabrechnung angefallenen Kosten abzustellen. Vielmehr hat die Klägerin für Mietnebenkosten und Kosten der Heizung (u.a.) ab 01.04.2005 eine Vorauszahlung in Höhe von monatlich 130,00 EUR zu entrichten. Dieser Vorauszahlungsbetrag ist der tatsächliche Betrag der Aufwendung der Klägerin für die Kosten ihrer Unterkunft im streitigen Bewilligungszeitraum, welcher der Berechnung des Leistungsanspruches zugrunde zu legen ist. Das Vorgehen des Beklagten im Bescheid vom 07.04.2005, der Klägerin durch die Berechnung auf der Grundlage die Verbrauchswerte im Jahr 2004 das Risiko der Übernahme möglicher Nachzahlungen aufzubürden, sieht das SGB II nicht vor. Vielmehr sind Nachzahlungsverpflichtungen aus Nebenkostenabrechnungen ebenfalls den zu berücksichtigenden Unterkunftskosten zuzurechnen (vgl. Berlit in LPK-SGB II, § 22 Rdnr. 20 mwN.). Dem entspricht nunmehr die neue Rechtslage hinsichtlich der Berücksichtigung von Rückzahlungen oder Guthaben aus erbrachten Vorauszahlungen für Mietnebenkosten (vgl. hierzu Berlit, aaO, § 22 Rdnr. 49 ff). Der vom Beklagten zu leistende Betrag für die von der Klägerin zu erbringenden Vorauszahlungen ergibt sich aus dem prozentualen Anteil des Gesamtbetrages der Betriebskostenabrechnung vom 22.03.2005 (= 1.327,65 EUR), der Grundlage für die Festsetzung der Vorauszahlung ist, und den davon vom Beklagten zu übernehmenden Kosten (Heizung 638,00 EUR, Wasser 289,63 EUR, sonstige Mietnebenkosten insgesamt 261,23 EUR = 90 % aus 130 EUR) zuzüglich der Kosten der Abfallentsorgung (10 EUR). Die Kosten für Warmwasser können, wie im Übrigen Stromkosten, da im Regelsatz enthalten, nicht berücksichtigt werden.

Ein unangemessener Verbrauch der Klägerin liegt nicht vor. Zwar fällt bei der Abrechnung vom 22.03.2005 hinsichtlich der Heiz- und Warmwasserkosten auf, dass die Klägerin bei ca. 10 % Wohnfläche ihrer Wohnung zur abgerechneten Gesamtwohnfläche hinsichtlich der umgerechneten Verbrauchskosten für Heizung (3.048,70 EUR) mit 508,50 EUR deutlich über dem Anteil von 10 % liegt. Demgegenüber entspricht der von der Klägerin zu zahlende Gesamtbetrag für Heiz- und Warmwasserkosten (776,79 EUR) dem Anteil ihrer Wohnfläche (Gesamtabrechnungsbetrag 7.502.08 EUR). Zudem hat die Klägerin im Verlaufe des Rechtsstreites einen erhöhten Heizbedarf plausibel erklärt.

Der Klägerin steht danach gegen den Beklagten im Bewilligungszeitraum vom 01.04.2005 bis 30.09.2005 ein Anspruch auf Leistungen für Kosten der Unterkunft in Höhe von monatlich 372,00 EUR zu, mit Ausnahme des Monats September 2005, für den wegen unstreitig zu berücksichtigendem Erwerbseinkommens der Klägerin in Höhe von 10,53 EUR ein Anspruch in Höhe von 361,47 EUR besteht. Im Übrigen ist die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Der Senat hat dabei berücksichtigt, dass die Klägerin nur geringfügig unterlegen ist, weshalb es nicht rechtfertig ist, ihr anteilige Kosten aufzuerlegen.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, nachdem durch die genannten Entscheidungen des BSG die für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreites maßgeblichen Rechtsfragen geklärt sind.
Rechtskraft
Aus
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