L 3 SB 3706/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
3
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 5 SB 3421/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 SB 3706/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist noch der Zeitpunkt der Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von 50 sowie die Verpflichtung des Beklagten zur Erstattung von Kosten des Vorverfahrens.

Der am 20.12.1943 geborene Kläger stellte - vertreten durch einen Bevollmächtigten - am 25.9.2003 einen Erstantrag und begehrte die entsprechenden Feststellungen - zur Vermeidung beamtenrechtlicher Nachteile - für die Zeit ab dem 1.11.2000.

U. a. nach Auswertung eines Berichts der M. vom 4.7.2000 über eine dort vom Kläger im März/April 2000 durchgeführte stationäre Behandlung (wegen der Einzelheiten vgl. Blatt 21 ff. der Schwerbehindertenakte) stellte der Beklagte mit Bescheid vom 3.12.2003 als Funktionsbeeinträchtigungen "Schwerhörigkeit mit Ohrgeräuschen (Teil-GdB 20), Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Schulter-Arm-Syndrom (Teil-GdB 20), Funktionsbehinderung beider Kniegelenke (Teil-GdB 10), Bluthochdruck (Teil-GdB 10), psychovegetative Störungen, funktionelle Organbeschwerden (Teil-GdB 10), Fingerpolyarthrose (Teil-GdB 10)" und einen GdB von 30 seit dem 1.11.2000 fest.

Im Widerspruchsverfahren lag dem Beklagten ein Bericht des Psychiaters und Psychotherapeuten Dr. W. vom 13.4.2004 vor, in welchem eine bereits seit Mitte der 80er Jahre bestehende anhaltende vegetative Labilität beschrieben wurde. Seit etwa drei Jahren sei das Tagesempfinden zunehmend energielos und gleichzeitig unruhig und nervös, es fehle an Durchhaltevermögen, es bestehe eine zunehmende Konzentrationsverminderung sowie eine Merkfähigkeitsstörung. Wegen der kognitiven Leistungsminderung stehe die Frühpensionierung an. Eine Kernspinuntersuchung des Kopfes habe eine cortical betonte allgemeine Hirnatrophie ergeben. Im Untersuchungsgespräch hätten sich Merkfähigkeits-, Auffassungs-, Konzentrationsstörungen und Störungen des abstrakten Denkvermögens ergeben (zur näheren Feststellung der Einzelheiten wird auf Blatt 55/57 der Schwerbehindertenakte Bezug genommen).

Mit einem als Abhilfebescheid bezeichneten Bescheid vom 11.5.2004 (Blatt 62 der Schwerbehindertenakte) stellte der Beklagte nunmehr einen GdB von 50 seit dem 25.9.2003 (Antragstellung) fest. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung entstandenen notwendigen Aufwendungen im Vorverfahren würden in vollem Umfang erstattet. Die Funktionsbeeinträchtigungen wurden als "Psychovegetative Störungen, kognitive Teilleistungsschwäche, Hirnveränderungen (Teil-GdB 30), Schwerhörigkeit mit Ohrgeräuschen (Teil-GdB 20), Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Schulter-Arm-Syndrom (Teil-GdB 20), Funktionsbehinderung beider Kniegelenke (Teil-GdB 10), Bluthochdruck (Teil-GdB 10), Fingerpolyarthrose (Teil-GdB 10), Linsenlosigkeit links (Teil-GdB 10)" bezeichnet. In der zu Grunde liegenden versorgungsärztlichen Stellungnahme wurde hinsichtlich der psychischen Befunde ausgeführt, dass sich insoweit die Situation nachweislich in den letzten Jahren verschlechtert habe. Der genaue Zeitpunkt könne nach Aktenlage nicht beurteilt werden. Eine Verschlimmerung sei erst ab Antragstellung zu vermuten (Blatt 58 der Schwerbehindertenakte).

Nachdem der Widerspruch hinsichtlich der rückwirkenden Feststellung aufrechterhalten blieb, holte der Beklagte von Dr. W. den Befundbericht vom 6.8.2004 ein. Darin wurde eine Behandlung seit dem 17.3.2004 bescheinigt. Anamnestisch bestünde bereits seit Mitte der 80er Jahre eine anhaltende vegetative Labilität mit zunehmend geringerer Stressbelastbarkeit und seit Mitte der 90er Jahre auch mit zunehmender Konzentrationsverminderung und Merkfähigkeitsstörung. Nunmehr sei eine allgemeine Hirnatrophie festgestellt worden. Es müsse davon ausgegangen werden, dass die beschriebene unspezifische Symptomatik bereits Folge der jetzt diagnostizierte Hirnerkrankung gewesen sei und deshalb seit mindestens fünf Jahren ein manifester Krankheitsverlauf vorliege.

Auf der Grundlage einer weiteren versorgungsärztlichen Stellungnahme, worin ausgeführt wurde, dass ein GdB von 50 ab November 2000 nicht festgestellt werden könne, da zu diesem Zeitpunkt die Hirnveränderungen noch nicht in dem Ausmaße vorgelegen hätten und bereits eine rückwirkende Feststellung ab Antragstellung schon als weitreichend anzusehen sei (Blatt 81 der Schwerbehindertenakte), erließ die Beklagte den Widerspruchsbescheid vom 20.9.2004, mit welchem sie den Widerspruch zurückwies und entschied, dass die notwendigen Kosten des Vorverfahrens zu 4/5 erstattet würden. In den Gründen führte der Beklagte u. a. aus, dass aus verfahrensrechtlichen Gründen der Abhilfebescheid vom 11.5.2004 in einen Teilabhilfebescheid umgedeutet werde, der nach § 86 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Vorverfahrens geworden sei.

Dagegen hat der Kläger am 24.9.2004 beim Sozialgericht F. (SG) Klage erhoben, mit der er sein Begehren auf Feststellung eines GdB von 50 bereits ab November 2000 weiterverfolgt und darüber hinaus den Beklagten - gestützt auf die entsprechende Regelung im Bescheid vom 11.5.2004 - auf volle Erstattung der Kosten des Widerspruchsverfahrens - unabhängig vom Ausgang des Klageverfahrens - in Anspruch genommen hat.

Das SG hat die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen befragt. Dr. W. hat unter dem 15.3.2005 in Ergänzung seiner bisherigen Ausführungen im Wesentlichen noch darauf hingewiesen, dass eine testpsychologische Untersuchung in der Gedächtnissprechstunde in der Memory-Ambulanz der Universitätsklinik F. am 17.5.2004 keine sicheren Hinweise auf eine organisch bedingte Störung der kognitiven Leistungen erbracht habe, diese vielmehr eher als funktionelle Konzentrationsstörung im Rahmen einer anderen psychischen Störung gesehen worden sei. Die Allgemeinärztin Dr. Z. hat in ihrem Bericht vom 22.3.2005 angegeben, dass psychische Störungen in Form von Panikattacken und vor allem auch nächtliche Anfälle seit Januar 2000 besprochen worden seien (zur näheren Feststellung der Einzelheiten wird auf Blatt 22/26 und 32/36 der SG-Akte und hinsichtlich des Ergebnisses der vom Kläger im Oktober 2003 durchgeführten stationären Behandlung in der M. auf Blatt 38/40 der SG- Akte Bezug genommen).

Das SG hat die Klage aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 26.6.2006 durch Urteil vom selben Tag abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.

Gegen das ihm am 24.7.2006 zugestellte Urteil hat der Kläger noch am selben Tag Berufung eingelegt, die er mit Schriftsatz vom 20.3.2007, auf dessen Inhalt verwiesen wird (vgl. Bl. 73/78 LSG-Akten), begründet hat.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts F. vom 26. Juni 2006 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung der Bescheide vom 3. Dezember 2003 und 11. Mai 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. September 2004 zu verurteilen, einen GdB von 50 bereits ab dem 1. November 2000 festzustellen und ihm die Kosten des Widerspruchsverfahrens in vollem Umfang zu erstatten.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die angegriffene Entscheidung für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig, in der Sache jedoch weder hinsichtlich des Begehrens auf rückwirkende Feststellung eines GdB von 50 noch hinsichtlich des geltend gemachten Anspruchs auf - isolierte - volle Erstattung der Kosten des Vorverfahrens begründet.

Der Senat konnte über die Berufung mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 124 Abs. 2 SGG). Insbesondere hat der durch einen Prozessbevollmächtigten vertretene Kläger mit Schriftsatz vom 13.3.2007 sein Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt. Abgesehen davon, dass eine solche Einverständniserklärung als Prozesshandlung nur unter engen Voraussetzungen widerrufen werden kann (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 7. Aufl., Rdnr. 12a vor § 60), die hier nicht vorliegen, hat der Kläger mit seinem am selben Tag beim Senat eingegangenen Schriftsatz vom 20.3.2007 weder ausdrücklich noch konkludent einen solchen Widerruf erklärt, sondern lediglich eine Berufungsbegründung mit Beweisanträgen nachgereicht.

Wegen der für die GdB-Feststellung erforderlichen Voraussetzungen und der hierfür maßgebenden Rechtsvorschriften nimmt der Senat auf die Begründung der streitgegenständlichen Bescheide Bezug und sieht deshalb insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 136 Abs. 3 und § 153 Abs. 1 SGG).

Ergänzend ist insoweit noch auszuführen, dass zwar in der Rechtsprechung die rückwirkende Feststellung des GdB vom Vorliegen eines besonderen Interesses an einer solchen Feststellung bzw. eines offenkundigen Falles abhängig gemacht und hierfür die ausschließliche Geltendmachung steuerrechtlicher Vorteile teilweise als nicht ausreichend angesehen worden ist (Landessozialgericht für das S., Urteil vom 5.11.2002 - L 5 B 12/01 SB -; anderer Ansicht offenbar BSG a. a. O., wonach steuerrechtliche Vorteile funktional und systematisch den Sozialleistungen nahe stünden, sodass gerade für sie rückwirkende Berichtigungen nicht ausgeschlossen werden müssten).

Vorliegend hat der Kläger indes die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft ab dem 1.11.2000 jedenfalls nicht (ausschließlich) wegen steuerlicher Vorteile, sondern vor dem Hintergrund der Vermeidung beamtenrechtlicher Nachteile geltend gemacht und kann sich damit nach Auffassung des Senats mit Erfolg auf das Vorliegen eines besonderen Interesses berufen.

Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens beantwortet sich die Frage nach der rückwirkenden Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft für die Zeit vor dem 25.9.2003 bzw. für die Zeit ab dem 1.11.2000 in erster Linie danach, wie die beim Kläger in dieser Zeit vorliegenden nervenärztlichen Funktionsbeeinträchtigungen zu bewerten sind. Denn die in diesem Zeitraum beim Kläger weiter vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen "Schwerhörigkeit mit Ohrgeräuschen (Teil-GdB 20), Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Schulter-Arm-Syndrom (Teil-GdB 20), Funktionsbehinderung beider Kniegelenke (Teil-GdB 10), Bluthochdruck (Teil-GdB 10), Fingerpolyarthrose (Teil-GdB 10), Linsenlosigkeit links (Teil-GdB 10)" begründeten nach Ausmaß und Schwere keinen Gesamt-GdB von mehr als 30. Dabei sind Hinweise, dass diese Funktionsbeeinträchtigungen nach den Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht 2004 (AHP) unrichtig bewertet worden wären oder - von den nervenärztlichen Befunden abgesehen - weitere Funktionsbeeinträchtigungen vorlagen, weder ersichtlich noch vorgetragen.

Die beim Kläger im maßgebenden Zeitraum vorliegenden nervenärztlichen Befunde konnten zur Überzeugung des Senats die Schwerbehinderteneigenschaft nur begründen, wenn sie - mindestens - mit einem Teil-GdB von 30 zu bewerten waren und damit als höchster Teil-GdB den Ausgangspunkt für die Beurteilung bildeten, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wurde. Ein solches Ausmaß der bei dem Kläger in der streitigen Zeit vorliegenden nervenärztlichen Befunde ist nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens nicht zur Überzeugung des Senats belegt.

Der frühestmögliche Zeitpunkt, zu dem entsprechende Funktionsbeeinträchtigungen allenfalls als dokumentiert und damit vor dem Hintergrund des Grundsatzes der objektiven Beweislast als nachgewiesen angesehen werden können, ist hier der Zeitpunkt des Behandlungsbeginns durch Dr. W. am 17.3.2004 bzw. der Zeitpunkt der durchgeführten Kernspintomographie am 24.3.2004. Denn erstmals anlässlich des von Dr. W. geführten Untersuchungsgesprächs konnten Merkfähigkeits-, Auffassungs-, Konzentrationsstörungen und Störungen des abstrakten Denkvermögens verifiziert werden und erst durch das Kernspintomogramm konnten Hirnveränderungen belegt werden. Entsprechend der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. L. vom 30.8.2004 muss damit - unabhängig von der Frage, ob die ab diesem Zeitpunkt belegten Funktionsbeeinträchtigungen überhaupt einen Teil-GdB von 30 rechtfertigen - die vom Beklagten vorgenommene rückwirkende Feststellung eines GdB von 50 ab September 2003 bereits als weitreichend bzw. günstig angesehen werden.

Unabhängig davon, dass eine testpsychologische Untersuchung in der Gedächtnissprechstunde in der Memory-Ambulanz der Universitätsklinik F. am 17.5.2004 keine sicheren Hinweise auf eine organisch bedingte Störung der kognitiven Leistungen erbracht hat, weshalb die von Dr. W. zunächst geäußerte Vermutung, es müsse davon ausgegangen werden, dass die - anamnestisch - beschriebene unspezifische Symptomatik bereits Folge der jetzt diagnostizierten Hirnerkrankung gewesen sei und deshalb seit mindestens fünf Jahren ein manifester Krankheitsverlauf vorliege, bereits als widerlegt angesehen werden muss, gibt es demgegenüber für die Zeit vor dem Behandlungsbeginn bei Dr. W. keine hinreichende Dokumentation bzw. keine ausreichenden Belege über vergleichbare Funktionsbeeinträchtigungen. Denn entsprechende Beschwerdeangaben gegenüber Dr. W. beruhen lediglich auf den anamnestisch erhobenen Angaben des Klägers, die damit nicht näher verifiziert oder objektiviert werden können und auch Dr. W. lediglich zu Vermutungen über Ausmaß und Schwere entsprechender Beeinträchtigungen für die Zeit vor seiner Behandlung ("ich gehe davon aus, dass") veranlassen konnten. Die Angaben der Allgemeinärztin Dr. Z. über damit allerdings bereits nicht vergleichbare, weil weniger schwerwiegende Beschwerdeschilderungen, sind fachfremd erfolgt und haben damit nur geringe Aussagekraft.

Hinzukommt, dass die Auswertung des Berichts der M. vom 4.7.2000 über eine dort vom Kläger im März/April 2000 durchgeführte stationäre Behandlung für die damalige Zeit lediglich Symptome einer psychisch vegetativen Erschöpfung mit gelegentlichen - verstärkt stressbesetzten - Schlafstörungen belegt, wobei der psychische Zustand ausdrücklich als stabil bezeichnet worden ist. Anzeichen von Hirnveränderungen wurden nicht festgestellt. Damit in Einklang zu bringen ist, dass die Allgemeinärztin Dr. Z. in ihrem Bericht vom 22.3.2005 - allerdings fachfremd und deshalb im Ergebnis mit lediglich geringem Beweiswert - angegeben hat, dass psychische Störungen in Form von Panikattacken und vor allem auch nächtliche Anfälle seit Januar 2000 besprochen worden seien. Auch die vom Kläger im Oktober 2003 durchgeführte stationäre Behandlung in der M. hat lediglich einen vegetativen Erschöpfungszustand erbracht. Hierzu passt es auch, dass die testpsychologische Untersuchung in der Gedächtnissprechstunde in der Memory-Ambulanz der Universitätsklinik F. am 17.5.2004 eher funktionelle (also psychogene oder vegetative) Störungen, aber nicht den Nachweis von Funktionsbeeinträchtigungen auf Grund einer Hirnschädigung erbracht hat.

Insgesamt können daher für den streitgegenständlichen Zeitraum allenfalls vegetative Symptome geringerer Ausprägung und vor allem nicht bereits mit Hirnveränderungen in Verbindung zu bringende Funktionsbeeinträchtigungen als belegt angesehen werden, deren Beurteilung sich demzufolge nach den Bewertungsgrundsätzen für "Neurosen, Persönlichkeitsstörungen, Folgen psychischer Traumen" entsprechend Ziff. 26.3 (Seite 48) der AHP richtet und nicht nach den Bewertungsgrundsätzen für "Hirnschäden" entsprechend Ziff. 26.3 (S. 41 ff.) der AHP.

Insbesondere unter Berücksichtigung der Ausführungen im Bericht der M. vom 4.7.2000 können nach Auffassung des Senats für den streitigen Zeitraum danach allenfalls leichtere psychovegetative oder psychische Störungen (d. h. solche ohne wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit) als nachgewiesen angesehen werden, die mangels hinreichender gegenteiliger Anhaltspunkte nicht höher als mit einem - mittleren - Teil-GdB von 10 bewertet werden können und damit unter Beachtung der Grundsätze zur Bildung des Gesamt-GdB, wonach leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen Einzel-GdB von 10 bedingen, in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung führen, die bei der Gesamtbeurteilung berücksichtigt werden könnte, und zwar auch dann nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen, und es auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB-Grad von 20 vielfach nicht gerechtfertigt ist, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. Nr. 19 Absätze 3 und 4 der AHP), die Schwerbehinderteneigenschaft nicht begründen können.

Aus den dargestellten Gründen hat sich der Senat auch unter Berücksichtigung der nachgereichten Berufungsbegründung des Klägers nicht veranlasst gesehen, weitere Ermittlungen von Amts wegen durchzuführen.

Der erst mit Schriftsatz vom 20.3.2007 gestellte Antrag des Klägers auf Einholung eines Sachverständigengutachtens nach § 109 SGG ist als verspätet abzulehnen.

Nach § 109 Abs. 2 SGG kann das Gericht den Antrag nämlich ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt, nachdem dem Kläger mit am 15.1.2007 zur Post aufgegebenen Verfügung vom 11.1.2007 eine Frist zur Stellung des Antrags bis zum 9.2.2007 gesetzt, der Antrag aber erst am 20.3.2007 gestellt worden ist und seine Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits in der Sitzung des Senats vom 28.3.2007 verzögert hätte.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf - isolierte, d. h. vom Ausgang des Verfahrens im Übrigen unabhängige - volle Erstattung der Kosten des Vorverfahrens.

Ein solcher Anspruch besteht insbesondere nicht nach § 63 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X), weil die Kosten des Vorverfahrens zu den außergerichtlichen Kosten i. S. des § 193 SGG gehören (Grundsatz der einheitlichen Kostenentscheidung). Lediglich bei einem sogenannten isolierten Vorverfahren, also einem Vorverfahren, an das sich keine Klage anschließt, richtet sich die Kostenerstattung nach § 63 SGB X. Ein solches isoliertes Vorverfahren liegt vorliegend jedoch nicht vor.

Auch stellt der vom Beklagten als Abhilfebescheid bezeichnete Bescheid vom 11.5.2004 der Sache nach und auch nach dem objektiven Empfängerhorizont lediglich einen Teilabhilfebescheid daher, weil der Beklagte damit zwar die rückwirkende Feststellung eines GdB von 50 vorgenommen hat, dies aber lediglich für die Zeit ab Antragstellung und nicht - wie vom Kläger beantragt - für die Zeit ab dem 1.11.2000. Dass es sich bei dem Bescheid vom 11.5.2004 lediglich um einen Teilabhilfebescheid handelte, war auch dem Kläger klar, der durch seinen Prozessbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 14.5.2004 hinsichtlich des Zeitpunkts der Feststellung des GdB ausdrücklich den Vorbehalt weiterer Abklärung machte.

Der Bescheid vom 11.5.2004 wurde damit nach § 86 SGG Gegenstand des Widerspruchsverfahrens und ist insbesondere nicht bestandskräftig geworden. Die Beklagte durfte die im Bescheid vom 11.5.2004 getroffene Kostenentscheidung damit - ohne dass es, wie das SG meint, eines Rückgriffs auf § 45 SGB X bedurfte - bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens und damit durch den Widerspruchsbescheid ändern bzw. ersetzen, weil die Kostenentscheidung Teil des Widerspruchsbescheides ist (von Wulffen, Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz, 5. Aufl., Rdnr. 33 zu § 63 SGB X). Dies hat der Beklagte vorliegend auch getan und die Regelung getroffen, das notwendige Kosten des Vorverfahrens zu 4/5 erstattet werden. Aus der Kostenregelung des Bescheides vom 11.5.2004 kann der Kläger damit Ansprüche nicht herleiten (§ 39 Abs. 2 SGB X).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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