L 9 R 5717/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 17 R 3783/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 5717/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 9. Oktober 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Die im Jahr 1950 geborene Klägerin kam im September 1968 aus der T.in die Bundesrepublik Deutschland. Sie hat keinen Beruf erlernt und war von 1968 bis 1976 als Fabrikarbeiterin sowie von 1984 bis 1991 mit Unterbrechungen als Fabrikarbeiterin, Zimmermädchen und Stationshilfe sowie von 1997 bis 1999 als Reinigungskraft beschäftigt. Anschließend war sie arbeitslos, seit Januar 2003 ist sie als Reinigungskraft (zwei Stunden täglich) geringfügig tätig.

Rentenanträge der Klägerin von Oktober 1991, März 1999 sowie März 2001 waren erfolglos.

Am 16.2.2004 beantragte die Klägerin erneut die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Die Beklagte ließ die Klägerin vom Internisten Dr. B. gutachterlich untersuchen. Dieser stellte im Gutachten vom 3.3.2004 bei der Klägerin folgende Gesundheitsstörungen fest: 1. Sekundärer insulinpflichtiger Diabetes mellitus Typ II b mit beginnender sensibler Polyneuropathie und beginnender nicht proliferativer diabetischer Retinopathie 2. Arterielle Hypertonie ohne Hinweis auf kardiovaskuläre Folgekrankheiten 3. Wirbelsäulen-Syndrom ohne radikuläre Symptomatik und ohne wesentliche Funktionseinschränkung 4. Morbus Behcet ohne Aktivität. Die Klägerin sei in der Lage, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten ohne Heben und Tragen schwerer Lasten, ohne besonderen Zeitdruck und ohne Nachtschicht vollschichtig zu verrichten. Auch als Reinigungsfrau könne sie sechs Stunden und mehr arbeiten.

Mit Bescheid vom 8.3.2004 lehnte die Beklagte den Rentenantrag der Klägerin ab, weil weder eine teilweise noch eine volle Erwerbsminderung und auch keine Berufsunfähigkeit vorliege. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 26.5.2004 zurück.

Hiergegen erhob die Klägerin am 17.6.2004 Klage zum Sozialgericht (SG) Stuttgart, mit der sie die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung weiter verfolgte.

Mit Gerichtsbescheid vom 9.10.2006 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung. Sie sei mit gewissen Funktionseinschränkungen noch in der Lage, zumindest leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich auszuüben. Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit, da sie als ungelernte Arbeiterin auf sämtliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar sei. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.

Gegen den am 19.10.2006 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 15.11.2006 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt und vorgetragen, sie halte sich für erwerbsgemindert. Das Gutachten von Dr. Bross sei nicht zutreffend.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 9. Oktober 2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom 8. März 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Mai 2004 aufzuheben und ihr Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten, des SG sowie des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entschieden hat, ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.

Die Berufung der Klägerin ist jedoch nicht begründet. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, da die Klägerin keinen Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung hat. Das SG hat den rechtserheblichen Sachverhalt umfassend dargestellt, die an eine Rentengewährung geknüpften Voraussetzungen zutreffend benannt und das Beweisergebnis frei von Rechtsfehlern gewürdigt. Hierbei ist es ausführlich auf die bei der Klägerin bestehenden Gesundheitsstörungen eingegangen; auch hat es überzeugend begründet, weshalb es der Beurteilung des Dr. B. gefolgt ist. Der Senat schließt sich der Beweiswürdigung des SG uneingeschränkt an und sieht deshalb von einer Darstellung der Entscheidungsgründe gemäß § 153 Abs. 2 SGG weitgehend ab. Neue medizinische Gesichtspunkte haben sich im Berufungsverfahren nicht ergeben. Der Senat gelangt - ebenso wie das SG - auf Grund des Gutachtens von Dr. B. zu der Überzeugung, dass die Klägerin körperlich leichte Tätigkeiten noch mindestens sechs Stunden täglich verrichten kann. Anhaltspunkte dafür, dass das Gutachten von Dr. B. nicht zutreffend wäre, sind nicht vorhanden.

Zusammenfassend ist die Klägerin unter Berücksichtigung sämtlicher bei ihr diagnostizierter Gesundheitsstörungen nach alledem noch in der Lage, jedenfalls körperlich leichte Tätigkeiten mit den genannten qualitativen Einschränkungen mindestens sechs Stunden täglich auszuüben. Die Klägerin ist somit nicht erwerbsgemindert, zumal auch die Zusammenschau der einzelnen Gesundheitsstörungen kein Leistungsvermögen von täglich weniger als sechs Stunden begründet. Insbesondere muss für die Verneinung von Erwerbsminderung bei mindestens sechs Stunden täglich leistungsfähigen Versicherten - anders als bei Teilzeitkräften - weder eine konkrete Tätigkeit benannt werden, noch ist die Frage zu prüfen, ob es genügend Arbeitsplätze gibt. Vielmehr ist davon auszugehen, dass auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für in diesem Umfang leistungsfähige Ungelernte und Angelernte des unteren Bereichs geeignete Arbeitsplätze in ausreichender Anzahl vorhanden sind (Beschlüsse des Großen Senats des BSG vom 19. Dezember 1996, u.a. SozR 3-2600 § 44 Nr. 8). Dies stimmt mit dem erklärten Willen des Gesetzgebers überein, der durch § 43 Abs. 3 SGB VI klargestellt hat, dass nicht erwerbsgemindert ist, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann, wobei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist.

Der Klägerin ist somit keine Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren, und zwar unabhängig davon, ob die für sie zuständige Arbeitsagentur einen ihrem Leistungsvermögen entsprechenden Arbeitsplatz anbieten könnte. Denn das Risiko, keinen offenen Arbeitsplatz zu finden, ist nicht von der Renten-, sondern grundsätzlich von der Arbeitslosenversicherung zu tragen (BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 137 m.w.N.). Allerdings ist die Frage, ob es auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Arbeitsplätze gibt, immer dann zu klären, wenn eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt (BSG SozR 2200 § 1246 Nrn. 104 und 117) oder wenn Arbeitskräfte i.S.v. § 43 Abs. 3 SGB VI nur noch auf solchen Arbeitsplätzen einsetzbar sind, bei denen wegen ihrer Seltenheit die Gefahr einer Verschlossenheit des Arbeitsmarktes besteht, also z.B. noch in Betracht kommende Tätigkeiten nicht unter betriebsüblichen Bedingungen ausgeübt werden können oder entsprechende Arbeitsplätze aufgrund gesundheitlicher Beeinträchtigungen von der Wohnung aus nicht erreichbar sind oder nur vereinzelt vorkommen (BSG SozR 2200 §§ 1246 Nrn. 136, 137 und 139 sowie 1247 Nrn. 33 und 53; SozR 3-2200 § 1247 Nrn. 10 und 14).

Ausgehend hiervon sind keine Beschränkungen des zumutbaren Arbeitsweges erkennbar. Auch benötigt die Klägerin keine betriebsunüblichen Pausen. Ebenso gibt es für das Bestehen der übrigen sog. Katalogfälle keine Anhaltspunkte.

Darüber hinaus liegt auch keine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor. Denn bei den genannten Einschränkungen handelt es sich im Wesentlichen um solche, denen durch die Begrenzung auf leichte körperliche Arbeit hinreichend Rechnung getragen wird. So sind die der Klägerin noch zumutbaren leichten körperlichen Arbeiten nicht mit Heben und Tragen schwerer Lasten und mit besonderem Zeitdruck oder Nachtschicht verbunden. Die genannten Leistungs- und Funktionsausschlüsse führen zu keiner Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen, da die der Klägerin noch zumutbaren Arbeiten (Verpacken von Kleinteilen, Sortier-, Montierer-, Etikettier- und Klebearbeiten) in Normalarbeitszeit, ohne besonderen Zeitdruck verrichtet werden. Schließlich liegt auch keine schwere spezifische Leistungsbehinderung vor. Die Klägerin ist - wie das SG zu Recht ausgeführt hat - auch nicht berufsunfähig. Als ungelernte Arbeiterin ist die Klägerin auf sämtliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes breit verweisbar. Nach alledem war der angefochtene Gerichtsbescheid des SG nicht zu beanstanden. Die Berufung der Klägerin musste deswegen zurückgewiesen werden. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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