L 16 AL 357/06

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Neuruppin (BRB)
Aktenzeichen
S 1 AL 757/04
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 16 AL 357/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Neuruppin vom 23. Juni 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist – noch - die Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit vom 24. Juni 2004 bis zum 31. August 2004.

Die 1961 geborene Klägerin war vom 01. August 1981 bis zum 31. März 2004 als Erzieherin beim Land B versicherungspflichtig beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete, nachdem am 25. Februar 2004 ein schriftlicher Auflösungsvertrag "zur Vermeidung einer ordentlichen Kündigung aus dringenden betrieblichen Erfordernissen" geschlossen worden war, mit Ablauf des 31. März 2004. Bestandteil dieses Auflösungsvertrages war das arbeitgeberseitige Angebot vom 26. Mai 2003 (Zahlung einer Prämie von 122.430,- EUR, einschließlich einer Abfindung von 15.149,97 EUR). Das Land B war zum Abschluss dieses Aufhebungsvertrages durch rechtskräftiges Urteil des Arbeitsgerichts (ArbG) Berlin vom 10. Februar 2004 verpflichtet worden (- 86 Ca 26410/03 -). Seit 01. September 2004 ist die Klägerin wieder als Erzieherin beschäftigt.

Am 26. Februar 2004 meldete sich die Klägerin arbeitslos und beantragte Alg. Mit Bescheid vom 28. April 2004 lehnte die Beklagte die Gewährung von Alg für die Zeit vom 26. Februar 2004 bis 30. September 2004 ab mit der Begründung, dass in dieser Zeit der Leistungsanspruch ruhe. Das Arbeitsverhältnis sei ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist beendet worden. Im Falle einer ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber hätte dieser bei Ausspruch der Kündigung unter Einhaltung der für ihn geltenden Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Ende des Vierteljahres frühestens zum 30. September 2004 das Arbeitsverhältnis kündigen können. Somit liege ein Tatbestand des § 143a Abs. 1 Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung – (SGB III) vor (Widerspruchsbescheid vom 02. August 2004). Mit weiterem Bescheid vom 28. April 2004 setzte die Beklagte für die Zeit vom 01. April 2004 bis zum 23. Juni 2004 eine Sperrzeit fest, während der der Alg-Anspruch ruhe. Den auch hiergegen eingelegten Widerspruch erklärte die Klägerin für erledigt (Schreiben vom 21. Juli 2004).

Das Sozialgericht (SG) Neuruppin hat mit Gerichtsbescheid vom 23. Juni 2006 die auf Gewährung von Alg für die Zeit ab 01. April 2004 gerichtete Klage abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Die zulässige Klage sei nicht begründet. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Alg ab 01. April 2004, weil die Beklagte zu Recht ein Ruhen des Alg-Anspruches festgestellt habe. Zur Begründung werde auf die Ausführungen der Beklagten in dem angefochtenen Widerspruchsbescheid gemäß § 136 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Bezug genommen. Entgegen der Auffassung der Klägerin sei der Aufhebungsvertrag nicht mit der Annahme des arbeitgeberseitigen Angebotes am 23. Juni 2003 geschlossen worden, sondern infolge des arbeitsgerichtlichen Urteils am 25. Februar 2004. Der Aufhebungsvertrag sei zur Vermeidung einer ordentlichen Kündigung geschlossen worden, was bedeute, dass hier auch die ordentliche Kündigungsfrist, die laut Arbeitsvertrag vorgesehen gewesen sei, nicht eingehalten worden sei. Zum Zeitpunkt des Abschlusses des Auflösungsvertrages sei eine ordentliche Kündigung erst zum 30. September 2004 möglich gewesen, weil die Kündigungsfrist sechs Monate zum Ende des Vierteljahres betragen habe.

Mit der Berufung verfolgt die Klägerin nunmehr nur noch ihr Begehren auf Gewährung von Alg für die Zeit vom 24. Juni 2004 bis 31. August 2004 weiter. Sie trägt vor: Entgegen der Auffassung des SG sei der Arbeitgeber verpflichtet gewesen, den Aufhebungsvertrag schon weitaus früher mit Einhaltung einer Kündigungsfrist abzuschließen. Denn sie habe das Angebot des Landes B vom 26. Mai 2003 bereits im Juni 2003 unter der Bedingung angenommen, dass das Arbeitsverhältnis erst zum 31. März 2004 ende. Im letzten Schreiben des Arbeitgebers vom 23. Juni 2003 hätten sie und der Arbeitgeber schon eine Einigung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. März 2004 und dessen Modalitäten getroffen. Der Aufhebungsvertrag sei somit bereits am 23. Juni 2003 geschlossen und damit die ordentliche Kündigungsfrist eingehalten worden. Die arbeitsgerichtliche Verpflichtung des Arbeitgebers zum Abschluss eines förmlichen Aufhebungsvertrages sei nur deshalb notwendig geworden, weil der Arbeitgeber sich nicht mehr an die Vereinbarung gebunden gefühlt habe.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Neuruppin vom 23. Juni 2006 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 28. April 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02. August 2004 zu verurteilen, ihr für die Zeit vom 24. Juni 2004 bis zum 31. August 2004 Arbeitslosengeld zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Leistungsakte der Beklagten, die Akte des ArbG Berlin – 86 Ca 26410/03 – und die Gerichtsakte haben vorgelegen und sich Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist nicht begründet.

Der Klägerin steht der geltend gemachte Alg-Anspruch nicht zu. Denn die der Klägerin im Zusammenhang mit der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses zum 31. März 2004 gewährte Abfindung hat zum Ruhen ihres Anspruchs auf Alg für die – im Berufungsverfahren nach entsprechender Beschränkung des Begehrens nur noch streitige – Zeit vom 24. Juni 2004 bis zum 31. August 2004 geführt.

Hat die Arbeitslose wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung (Entlassungsentschädigung) erhalten oder zu beanspruchen und ist das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist beendet worden, so ruht der Anspruch auf Alg von dem Ende des Arbeitsverhältnisses an bis zu dem Tage, an dem das Arbeitsverhältnis bei Einhaltung dieser Frist geendet hätte (§ 143 a Abs. 1 Satz 1 SGB III). Die tatbestandlichen Vorausaussetzungen der genannten Vorschrift sind in der Person der Klägerin in dem in Rede stehenden Zeitraum erfüllt. Denn die Klägerin hat wegen der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses – was zwischen den Beteiligten im Übrigen unstreitig ist – eine Entlassungsentschädigung erhalten und das Arbeitsverhältnis ist ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist beendet worden.

Die tarifliche Kündigungsfrist des Arbeitgebers belief sich nach einer Beschäftigungszeit der Klägerin von mindestens zwölf Jahren auf sechs Monate zum Schluss eines Kalendervierteljahres (vgl. § 53 Abs. 2 Bundesangestelltentarifvertrag–Ost (BAT-O)). Das zwischen der Klägerin und dem Land B bestehende Arbeitsverhältnis ist aber durch den schriftlichen Auflösungsvertrag im Sinne von § 58 BAT-O vom 25. Februar 2004 bereits vor Ablauf dieser ordentlichen Kündigungsfrist, nämlich zum 31. März 2004, beendet worden. Da dieser Auflösungsvertrag zu seiner Wirksamkeit der Schriftform bedurfte (vgl. § 623 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB –), kann er schon aus diesem Grunde zu einem Zeitpunkt vor dem 25. Februar 2004 nicht wirksam zwischen der Klägerin und ihrem Arbeitgeber geschlossen worden sein.

Das Schriftformerfordernis des § 623 BGB ist eine zwingende Wirksamkeitsvoraussetzung, die im Verhältnis zwischen den Parteien des Arbeitsverhältnisses zur Vermeidung schlechterdings unhaltbarer Rechtsfolgen nur ausnahmsweise nach § 242 BGB als unbeachtlich angesehen werden kann, beispielsweise unter dem Gesichtspunkt des Verbots widersprüchlichen Verhaltens (vgl. hierzu BAG, Urteil vom 16. September 2004 – 2 AZR 659/03 = AP Nr. 1 zu § 623 BGB mit weiteren Nachweisen). Ob eine derartige Fallgestaltung, bei der die Klägerin einen besonderen Grund gehabt hätte, auf die Gültigkeit des arbeitgeberseitigen Angebots trotz des noch nicht formgültig geschlossenen Auflösungsvertrages zu vertrauen und der Arbeitgeber sich mit der Berufung auf den Formmangel zu eigenem vorhergehenden Verhalten in Widerspruch gesetzt hätte, vorliegt, kann jedoch dahinstehen. Denn selbst wenn das Verhalten des Arbeitgebers, worauf das ArbG Berlin in seinem Urteil vom 10. Februar 2004 (- 86 Ca 26410/03 -) abhebt, gegenüber der Klägerin als treuwidrig anzusehen wäre, könnte die Klägerin hieraus keine Rechtsfolgen für das zwischen ihr und der Beklagten bestehende Sozialrechtsverhältnis herleiten. Gerade für dieses Sozialrechtsverhältnis entfaltet die Vorschrift des § 623 BGB in Fallkonstellationen der vorliegenden Art ihre Wirkung und schafft Rechtssicherheit. Sie enthebt die Beklagte der Prüfung, welcher objektive Erklärungswert etwaigen mündlichen Willenserklärungen im Vorfeld des Abschlusses des Auflösungsvertrages beizumessen ist. Einziger in Betracht kommender Beendigungstatbestand für das Arbeitsverhältnis ist daher der Abschluss des schriftlichen Auflösungsvertrages am 25. Februar 2004. Letztlich folgt nichts anderes auch aus dem von der Klägerin in Bezug genommenen Urteil des ArbG Berlin vom 10. Februar 2004, mit dem das Land B als Arbeitgeber erst verpflichtet worden ist, einen solchen schriftlichen Aufhebungsvertrag zu schließen. Wäre von einem Abschluss dieses Auflösungsvertrages schon vor dem 25. Februar 2004 auszugehen, hätte es einer solchen Verurteilung des Arbeitgebers gar nicht bedurft.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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