Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Frankfurt (Oder) (BRB)
Aktenzeichen
S 2 AL 57/05
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 6 AL 1364/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt/Oder vom 15. November 2005 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die teilweise Rücknahme der Bewilligung von (Anschluss-) Arbeitslosenhilfe für den Leistungszeitraum vom 22. Januar 2002 bis zum 10. Oktober 2002 und eine damit verbundene Erstattungsforderung von 2.588,56 EUR.
Der 1977 geborene Kläger ist kinderlos (im Sinne des Einkommenssteuergesetzes) und ledig. Nachdem er nach achtjährigem Schulbesuch die Schule verlassen hatte, nahm er an einem Vorbereitungsjahr zur Berufsausbildung teil, um dann von 1994 bis 1996 eine Berufsausbildung zum Fachgehilfen im Gastgewerbe erfolgreich zum Abschluss zu bringen. Im Anschluss arbeitete er ungefähr ein halbes Jahr als Kellner und zuletzt vor dem hier streitigen Zeitraum vom 01. Juli 1997 bis zum 15. Dezember 2000 beitragspflichtig als Zimmererhelfer; im maßgebenden Bemessungszeitraum erzielte er ein wöchentliches Bemessungsentgelt von 694,59 DM, das die Beklagte in Ausführung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts zur Berücksichtigung von Sonderzahlungen (Weihnachts- und Urlaubsgeld etc) bei der Berechnung beitragsfinanzierter Sozialleistungen (z.B. Arbeitslosengeld) vom 24. Mai 2000 (BVerfGE 102, 127) pauschal um 10 v.H. auf wöchentlich (gerundet) 760,00 DM erhöhte. In der Steuerkarte des Klägers war für das Jahr 2000 die Steuerklasse I eingetragen. Vom 16. Dezember 2000 bis zum 17. Januar 2001 bezog der Kläger Arbeitslosengeld, das sich nach einem Bemessungsentgelt von 760,00 DM errechnete; am 18. Januar 2001 bestand noch ein Restanspruch auf Arbeitslosengeld von 327 Tagen. Nach einer Zwischenbeschäftigung als "Zimmerer" vom 18. Januar 2001 bis zum 28. Februar 2001 bezog er ab dem 01. März 2001 bis zur Erschöpfung seines Anspruchs am 21. Januar 2002 erneut Arbeitslosengeld, das seit dem 16. Dezember 2001 wegen einer Dynamisierung des wöchentlichen Bemessungsentgelts auf gerundete 780,00 DM wöchentlich 307,44 DM und seit dem 01. Januar 2002 aufgrund der Leistungsentgeltverordnung für das Jahr 2002 und der Währungsumstellung (bei einem gerundeten wöchentlichen Bemessungsentgelt von 395,00 EUR) 157,22 EUR wöchentlich betrug (Änderungsbescheid vom 11. Januar 2002).
Im Anschluss gewährte ihm die Beklagte mit Bescheid vom 19. Februar 2002 (Anschluss-) Arbeitslosenhilfe für den Bewilligungsabschnitt vom 22. Januar 2002 bis zum 21. Januar 2003 iHv wöchentlich 206,92 EUR (wöchentliches Bemessungsentgelt 695,00 EUR; allgemeiner Leistungssatz- 53%; Leistungsgruppe A - entsprechend der Steuerklasse I).
Nach Anhörung (Schreiben der Beklagten vom 26. Mai 2004; Stellungnahme des Klägers vom 04. Juni 2004) nahm die Beklagte mit Bescheid vom 11. August 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Dezember 2004 die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe für den streitigen Zeitraum iHv 69,16 EUR wöchentlich zurück. Durch einen Berechnungsfehler seien die der Leistung zugrunde liegenden Berechnungsdaten nicht von DM-Beträgen in EUR-Beträge umgerechnet worden, so dass dem Kläger eine zu hohe Leistung bewilligt worden sei. Ihm habe lediglich ein Anspruch iHv 137,76 EUR wöchentlich zugestanden. Die teilweise Rücknahme für die Vergangenheit sei gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) iVm § 330 Abs. 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) zulässig, weil der Kläger mit einfachsten und ganz nahe liegenden Überlegungen habe erkennen können, dass ihm Arbeitslosenhilfe in der bewilligten Höhe nicht zustehe; denn die bewilligte Arbeitslosenhilfe könne nicht höher sein als das zuvor bezogene Arbeitslosengeld. Dies sei als grobe Fahrlässigkeit zu werten. Außerdem stellte die Beklagte unter Berufung auf § 50 SGB X die streitige Erstattungsforderung fest.
Der Kläger hat hiergegen Anfechtungsklage vor dem Sozialgericht (SG) Frankfurt/Oder erhoben und in der mündlichen Verhandlung vom 15. November 2005 u.a. Folgendes erklärt: Ob er sich den Änderungsbescheid zum Arbeitslosengeld vom 11. Januar 2002 angesehen habe, wisse er nicht mehr. Den Arbeitslosenhilfebewilligungsbescheid, den er im Februar 2002 erhalten habe, habe er gelesen. Dabei habe er sich vor allem den Zahlbetrag angeschaut. Seiner Erinnerung nach habe der bei 202,00 EUR oder einem ähnlichem Betrag gelegen. Diesen Betrag habe er zur Kenntnis genommen, sich aber nichts weiter dabei gedacht. Er sei damals mit Geld überhaupt nicht klargekommen, habe viele Schulden gehabt. Um Geldangelegenheiten habe er sich im Jahre 2002 im Großen und Ganzen nicht selbst gekümmert, jedenfalls nicht regelmäßig. Wenn er Geld gebraucht habe, habe er sich an die Freundin seines damaligen Chefs gewandt. Sie habe auch seine Geldkarte in Besitz gehabt. Dass sich mit der Umstellung von DM auf Euro das Geld quasi halbiert habe, sei ihm bewusst gewesen.
Durch Urteil vom 15. November 2005 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung u.a. ausgeführt: Zu Recht habe die Beklagte die Entscheidung über die Bewilligung der Arbeitslosenhilfe für den streitigen Zeitraum teilweise zurückgenommen, da die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 erster Halbsatz SGB X iVm § 330 Abs. 2 SGB III vorgelegen hätten. Der Kläger könne sich auf Vertrauensschutz nicht berufen, denn ihm sei grob fahrlässige Unkenntnis der Rechtswidrigkeit der Leistungsbewilligung hinsichtlich deren Höhe vorzuhalten. Grobe Fahrlässigkeit liege vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt im besonders schweren Maße verletzt habe. Grobe Fahrlässigkeit setze also eine Sorgfaltspflichtverletzung ungewöhnlich hohen Ausmaßes voraus, dh eine grobe und auch subjektiv unentschuldbare Pflichtverletzung, die das gewöhnliche Maß der Fahrlässigkeit erheblich übersteige. Die erforderliche Sorgfalt im besonders schwerem Maße verletze, wer schon einfachste, ganz nahe liegende Überlegungen nicht anstelle und daher nicht beachte, was im gegebenem Fall jedem einleuchten müsse. Maßgebend sei ein subjektiver Sorgfaltsmaßstab. Der Kläger habe nach seinem eigenen Bekunden den Bescheid vom 19. Februar 2002 gelesen und dabei insbesondere den wöchentlichen Zahlbetrag zur Kenntnis genommen. Soweit der Kläger darüber hinaus vorgebracht habe, er habe sich bei der Höhe des wöchentlichen Zahlbetrags nichts weiter gedacht, so begründe dies gerade die grob fahrlässige Unkenntnis. Denn noch im Januar 2002 sei dem Kläger mit dem Änderungsbescheid vom 11. Januar 2002 die Höhe des wöchentlichen Leistungsbetrags zum Arbeitslosengeld nach Umstellung auf den Eurobetrag von der Beklagten mitgeteilt worden. Diese wöchentliche Leistung habe 157,22 EUR betragen und sei demzufolge erheblich geringer gewesen als die unmittelbar im Anschluss daran bewilligte Arbeitslosenhilfe. Da es zur allgemeinen Lebenserfahrung gehöre, insbesondere eines Arbeitslosen, dass ein im Anschluss an das Arbeitslosengeld gezahlte Arbeitslosenhilfe aufgrund eines geringeren Zahlbetrages grundsätzlich zur finanziellen Einbußen führe, hätte dem Kläger die überhöhte Leistungsbewilligung zwingend auffallen müssen. Wenn er sich auch nicht mehr daran habe erinnern können, ob er den letzten Änderungsbescheid von Januar 2002 zum Arbeitslosengeld überhaupt gelesen habe, so hätte sich ihm die unkorrekte Bewilligung dennoch aufdrängen müssen. Schließlich habe der Kläger während des Bezugs von Arbeitslosengeld regelmäßig monatliche Zahlungen von der Beklagten in Höhe von 1.292,00 DM bis 1.335,00 DM erhalten. Da dem Kläger bewusst gewesen sei, dass sich die monatlichen Zahlbeträge mit der Umstellung auf den Euro etwa halbieren würden, hätte er erkennen müssen, dass das Arbeitslosengeld ab Januar 2002 etwa 700,00 EUR betragen habe. Bei Anstellen einfachster Überlegungen hätte der Kläger erkennen können und müssen, dass der ihm bewilligte wöchentliche Zahlbetrag der Arbeitslosenhilfe von 206,92 EUR eine monatliche Zahlung von mehr als 800,00 EUR auslösen müsste und dass dieser monatliche Zahlbetrag weit größer war als die vorangegangenen Zahlungen von Arbeitslosengeld. Der Kläger könne sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass er zum damaligen Zeitpunkt viele Schulden gehabt habe, sich um die Begleichung der Rechnungen nicht gekümmert habe und ihm seine finanzielle Situation über den Kopf gewachsen sei, weshalb er sich fremder Hilfe habe bedienen müssen. Dies zeuge allenfalls davon, dass der Kläger es offenbar nicht vermocht habe, sich das ihm zur Verfügung stehende Einkommen einzuteilen und damit gewissenhaft umzugehen. Es erkläre aber keineswegs, weshalb der Kläger nicht erkannt haben wolle, dass die Leistung von Arbeitslosenhilfe nicht nur nicht – wie zu erwarten gewesen sei – geringer, sondern erheblich höher bewilligt worden sei als zuvor das Arbeitslosengeld. Das Gericht habe auch keine Anhaltspunkte für die Annahme finden können, dass der Kläger aufgrund seiner Einsichtsfähigkeit zu der Erkenntnis der Rechtswidrigkeit der bewilligten Leistungen nicht hätte gelangen müssen. Der Kläger habe zwar die Schulausbildung nach der 8. Klasse bereits beendet, jedoch danach eine Berufsausbildung erfolgreich absolviert. Beruflich sei er sowohl als Kellner als auch überwiegend als Zimmermannshelfer bzw. Zimmerer tätig gewesen. Insbesondere auch unter Berücksichtigung des Eindrucks, denen das Gericht von dem Kläger persönlichem Termin habe gewinnen können, sei das Gericht zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger über die notwendige Einsichts- und Erkenntnisfähigkeit verfügt habe, die unrechtmäßige Bewilligung der Arbeitslosenhilfe zu erkennen, zumal diese lediglich einfachste Überlegungen, wie sie im gewöhnlichen Alltag eines jeden regelmäßig anzustellen seien, erfordert habe. Der Kläger habe die von der Beklagten geltend gemachte Erstattungsforderung gemäß § 50 Abs. 1 SGB X zu erstatten. Zu Gunsten des Klägers sei sie allerdings zu niedrig ausgefallen. An sich habe die Erstattungsforderung 2.916,06 EUR betragen müssen, eine Korrektur durch das Gericht habe jedoch nicht zu erfolgen.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, zu deren Begründung er Folgendes geltend macht: Zwar sei das SG zutreffend von einem subjektiven Fahrlässigkeitsmaßstab ausgegangen, die anschließend vom SG vorgenommene Subsumtion halte jedoch einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Es sei unzutreffend, die grobe Fahrlässigkeit bereits damit zu begründen, dass er bei Kenntnisnahme des wöchentlichen Zahlbetrags sich nichts weiter gedacht habe. Hierbei werde verkannt, dass ein Leistungsempfänger lediglich verpflichtet sei, den Bewilligungsbescheid zu lesen und zur Kenntnis zu nehmen. Hingegen sei er – wie das Bayerische Landessozialgericht (LSG) in seinem Urteil vom 30. April 2004 (L 8 AL 18/03, veröffentlicht in juris) zutreffend festgestellt habe - nicht verpflichtet, Bewilligungsbescheide des näheren auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Es sei auch nicht richtig, dass er den Fehler der Beklagten bereits allein deshalb habe erkennen müssen, weil der ihm zuvor übersandte Bewilligungsbescheid über Arbeitslosengeld einen geringeren wöchentlichen Zahlbetrag ausgewiesen habe. Das SG objektiviere den Prüfungsmaßstab, wenn es in seiner Begründung ausführe, dass es zur allgemeinen Lebenserfahrung, insbesondere eines Arbeitslosen, gehöre, dass ein im Anschluss an Arbeitslosengeld gezahlte Arbeitslosenhilfe aufgrund eines geringeren Zahlbetrags grundsätzlich zu finanziellen Einbußen führe. Zu seinen allein entscheidenden Lebenserfahrungen treffe das SG in der angefochtenen Entscheidung keine Feststellungen. Aus seinem beruflichen Werdegang ergebe sich, dass er einen "Umstieg" vom Bezug auf Arbeitslosengeld auf Arbeitslosenhilfe noch nicht selbst vollzogen habe. Schließlich sei festzuhalten, dass die vorliegende Überzahlung keinesfalls derart hoch ausgefallen sei, dass bei Kenntnisnahme des Leistungsbetrags nur der Schluss zu ziehen wäre, dass eine fehlerhafte Berechnung durch die Beklagte hätte vorliegen müssen. Das Abstellen auf die Höhe des zuvor gewährten Arbeitslosengeldes als Bezugsgröße sei auch deshalb zu beanstanden, weil auch dort ein Fehler in der Berechnung hätte vorgelegen haben können (zu seinen Lasten). Um bei einem Rechenfehler dieser Größenordnung die Fehlerhaftigkeit der Berechnung der Beklagten erkennen zu können, hätte man diese überprüfen müssen. Hierzu sei er jedoch nicht verpflichtet.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt/Oder vom 15. November 2005 und den Bescheid der Beklagten vom 11. August 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Dezember 2004 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält ihre eigene Entscheidung und die des SG für zutreffend.
Der Berichterstatter hat am 22. März 2006 einen Erörterungstermin durchgeführt
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, insbesondere die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze, sowie die den Kläger betreffende Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§§155 Abs. 3, 4 und 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
Das SG hat zu Recht entschieden, dass die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe für die Zeit vom 22. Januar 2002 bis zum 10. Oktober 2002 teilweise zurücknehmen durfte und vom Kläger die Erstattung von überzahlter Arbeitslosenhilfe iHv 2.588,56 EUR verlangen durfte.
Gegenstand (iSv § 95 SGG) der vom Kläger erhobenen isolierten Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG) ist der Bescheid vom 11. August 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Dezember 2004.
Rechtsgrundlage für diesen Bescheid ist, soweit darin der Bescheid über die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe vom 19. Februar 2002 teilweise aufgehoben worden ist, § 45 SGB X iVm § 330 Abs. 2 SGB III.
Nach § 45 Abs. 1 SGB X darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat, im Falle seiner Rechtswidrigkeit nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder Vergangenheit zurückgenommen werden.
Der Bescheid vom 19. Februar 2002 war bereits bei seinem Erlass rechtswidrig, denn ab dem 22. Januar 2002 hätte dem Kläger lediglich eine geringere wöchentliche Arbeitslosenhilfe zugestanden.
Arbeitslosenhilfe beträgt für Arbeitslose, die wie der Kläger kein Kind im Sinne des § 32 des Einkommenssteuergesetzes haben, 53% des Leistungsentgelts (§ 195 Satz 1 Ziffer 2 SGB III; hier idF des 1. SGB III-Änderungsgesetzes vom 16. Dezember 1997 - BGBl I 2970; im Folgenden ohne Zusatz zitiert). Leistungsentgelt ist das um die gesetzlichen Entgeltabzüge, die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen, verminderte Bemessungsentgelt (§ 198 Satz 2 Nr. 4 SGB III iVm §§ 136, 132 SGB III). Nach § 200 Abs. 1 SGB III ist das Bemessungsentgelt für die Arbeitslosenhilfe das Bemessungsentgelt, nach dem das Arbeitslosengeld zuletzt bemessen worden ist, vermindert um den Betrag, der auf einmalig gezahlten Arbeitsentgelt beruht. Das Leistungsentgelt ist dabei nicht individuell zu ermitteln, sondern wird durch das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung mittels Rechtsverordnung unter Berücksichtigung der gesetzlichen Vorgaben zu den gewöhnlich anfallenden Entgeltabzügen (§ 136 Abs. 2 SGB III) jeweils für ein Kalenderjahr bestimmt (§ 151 Abs. 2 Nr. 2 SGB III iVm § 198 Satz 2 Nr. 4 SGB III). Entgeltabzüge iS des § 136 Abs. 1 SGB III sind u.a. die Steuern; insoweit richtet sich die als gewöhnlicher Abzug zugrunde zu legende Steuer nach der Leistungsgruppe, der der Arbeitslose zuzuordnen ist (§ 137 Abs. 1 SGB III). Die Zuordnung zur Leistungsgruppe bestimmt sich nach der auf der Lohnsteuerkarte eingetragenen Lohnsteuerklasse (Leistungsgruppe A für Lohnsteuerklasse I oder IV; Leistungsgruppe B für Lohnsteuerklasse II; Leistungsgruppe C u.a. für Lohnsteuerklasse III; Leistungsgruppe D für Lohnsteuerklasse V; Leistungsgruppe E für Lohnsteuerklasse VI), wobei grundsätzlich die Lohnsteuerklasse maßgeblich ist, die zu Beginn des Kalenderjahres, in dem der Anspruch entstanden ist, auf der Lohnsteuerkarte des Arbeitslosen eingetragen war (§ 137 Abs. 3 Satz 1 SGB III). Im Hinblick darauf, dass der Anspruch auf Arbeitslosengeld und auf (Anschluss-)Arbeitslosenhilfe als einheitlicher Anspruch auf Entgeltersatzleistungen bei Arbeitslosigkeit gelten (§ 198 Satz 1 SGB III), ist damit grundsätzlich – von hier nicht interessierenden Ausnahmen abgesehen - auf die in der Lohnsteuerkarte eingetragene Steuerklasse zu Beginn des Jahres abzustellen, in dem der Arbeitslosengeldanspruch entstanden ist (vgl. (Bundessozialgericht) BSG SozR 4100 § 113 Nr. 8 S. 49).
Danach hätte der Kläger lediglich einen Anspruch auf einen wöchentlichen Leistungssatz von 129,01 EUR gehabt. Denn dies ist der Betrag, der sich aus der Tabelle in Anlage 2 zur SGB III-Leistungsentgeltverordnung 2002 vom 20. Dezember 2001 (BGBl I Seite 4036) ergibt, wenn ein wöchentliches Bemessungsentgelt von 360,00 EUR (zu dessen Berechnung im Einzelnen wird gemäß § 153 Abs. 2 SGG zur Vermeidung von Wiederholungen auf die entsprechenden Ausführungen des SG Bezug genommen), die Leistungsgruppe A und der allgemeine Leistungssatz zugrunde gelegt werden. Ein günstigerer Besitzschutzbetrag nach § 3 der SGB III-Leistungsentgeltverordnung 2002 ergibt sich für den Kläger nicht. Die Beklagte hatte jedoch bei Bewilligung der Arbeitslosenhilfe ab dem 22. Januar 2002 fehlerhaft ein wöchentliches Bemessungsentgelt von 695,00 Euro der Berechnung zu Grunde gelegt und dem Kläger Leistungen von 206,92 EUR wöchentlich gewährt; mithin wurde ihm nicht lediglich 69,16 EUR wöchentlich, sondern 77,91 EUR wöchentlich zu viel bewilligt. Wegen des aus § 123 SGG resultierenden Verbots, Verwaltungsentscheidungen zum Nachteil des Klägers zu ändern (so genanntes Verböserungsverbot; vgl. BSG SozR 3-1500 § 123 Nr. 1), bleibt dieser Fehler im vorliegenden Rechtsstreit ohne Auswirkung, was im Ergebnis so bereits vom SG gesehen worden ist. Die Beklagte durfte die Arbeitslosenhilfebewilligung auch für die Vergangenheit, d.h. für den hier streitigen Zeitraum, in Höhe des Differenzbetrages von 69,16 EUR wöchentlich zurücknehmen, da dem Kläger nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X zumindest grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist.
Nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X kann sich der Begünstigte (hier: der Kläger) nicht auf sein Vertrauen im Bestand des begünstigenden Verwaltungsaktes (hier: der Bewilligungsbescheid vom 19. Februar 2002) berufen, wenn er infolge grober Fahrlässigkeit die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes nicht erkannt hatte. Grobe Fahrlässigkeit liegt nach der im Gesetz enthaltenen Definition vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat (so genannte Bösgläubigkeit). Dies ist dann der Fall, wenn er einfachste, ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt und daher nicht beachtet hat, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen (vgl. BSG SozR 3-1300 § 45 Nr. 45 mwN). Das Maß der Fahrlässigkeit ist nach der persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit, dem Einsichtsvermögen des Begünstigten sowie der besonderen Umstände des Falles zu beurteilen. Voraussetzung für die Annahme grober Fahrlässigkeit bei der Unkenntnis über die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes ist somit, dass die Mängel des Bewilligungsbescheides für den Begünstigten unter Berücksichtigung seines Einsichtsvermögens ohne weiteres erkennbar waren.
Wie bereits das SG dargelegt hat, hätte der Kläger aufgrund einfachster und ganz nahe liegender Überlegungen bei Erhalt des Bescheides vom 19. Februar 2002 erkennen können, dass ihm ab dem 22. Januar 2002 eine zu hohe Leistung bewilligt worden ist. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auch insoweit auf die zutreffenden Ausführungen des SG in der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen (§ 153 Abs. 2 SGG).
Das Vorbringen im Berufungsverfahren rechtfertigt keine andere Beurteilung. Zwar ist es richtig, dass ein Antragsteller grundsätzlich nicht gehalten ist, Bewilligungsbescheide im Einzelnen auf ihre Richtigkeit zu überprüfen, sondern er davon ausgehen darf, dass eine Fachbehörde nach den für die Leistung erheblichen Tatsachen fragt und seine wahrheitsgemäßen Angaben zutreffend umsetzt. Etwas anderes gilt aber dann, wenn – wie hier – die Rechtswidrigkeit in Anbetracht der subjektiven Erkenntnismöglichkeiten des Klägers aus anderen Gründen geradezu "in die Augen springt" (BSG SozR 3- 1300 § 45 Nr. 45). Hierzu steht auch nicht das vom Kläger zitierte Urteil des Bayerischen LSG vom 30. April 2004 im Widerspruch. Abgesehen davon, dass dieses Urteil unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die dargelegte Rechtsprechung des BSG ergangen ist, unterscheidet sich der hiesige Fall von dem dort entschiedenen Fall gerade dadurch, dass es aus Sicht des hiesigen Klägers keine plausible Erklärung für die fehlerhafte Bestimmung des wöchentlichen Zahlbetrags – hier: die Erhöhung des Zahlbetrags - gab. Soweit der Kläger einwendet, der Zahlbetrag der Arbeitslosenhilfe sei keineswegs so hoch gewesen, dass bei dessen Kenntnisnahme der Schluss auf die Fehlerhaftigkeit der Bewilligung zwingend gewesen sei, verkennt er den anzulegenden Maßstab für die Bösgläubigkeit i.S. einer besonders schweren Sorgfaltpflichtverletzung. Hierfür reichen irgendwelche Auffälligkeiten je nach den Umständen des Einzelfalles, die so offensichtlich sind, dass sie den Begünstigten zumindest zur Nachfrage bei der Behörde veranlassen müssten (BSG SozR 3- 1300 § 45 Nr. 45). Ein solcher Fall lag hier vor. Bei einer Kenntnisnahme mit dem gebotenen Interesse und der aufzubringenden Aufmerksamkeit hätte sich dem Kläger aus der Erinnerung ein Vergleich mit den zuvor empfangenen Leistungen aufgedrängt. Die Zeitspanne von knapp fünf Wochen zwischen dem Zugang des Änderungsbescheides vom 11. Januar 2002 und dem Zugang des Bewilligungsbescheides vom 19. Februar 2002 ist nicht derart lang, dass die Größenordnung des zuletzt bewilligten Arbeitslosengeldes bereits dem Vergessen gänzlich anheim gefallen sein durfte. Jedenfalls eine Leistungserhöhung um 31,61 % bzw. 49,70 Euro wöchentlich (206,92 EUR./. 157,22 Euro) hätte dem Kläger auffallen müssen. Nach der Arbeitsbiographie des Klägers hat dies seine Erkenntnismöglichkeiten nicht überstiegen, was auch durch den persönlichen Eindruck des Klägers im Erörterungstermin vom 22. März 2006 untermauert worden ist. Dem kann der Kläger nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass er nicht gewusst habe, dass die Arbeitslosenhilfe grundsätzlich niedriger ausfalle als das zuvor bezogene Arbeitslosengeld. Selbst wenn das zutreffen sollte, wovon der Senat nicht ausgeht, hätte sich ihm aufgrund seiner subjektiven Erkenntnismöglichkeiten zumindest aufdrängen müssen, dass eine um ein Drittel höhere Leistungsbewilligung der (Anschluss-)Arbeitslosenhilfe gegenüber dem Vorbezug von Arbeitslosengeld nicht mit dem geltenden Recht in Einklang stehen konnte.
Durfte die Beklagte mithin gemäß § 45 Abs. 4 Satz 1 iVm § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X den Bescheid vom 19. Februar 2002 mit Wirkung für die Vergangenheit teilweise zurücknehmen, so scheitert diese Befugnis auch nicht an der Jahresfrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X. Denn maßgeblicher Zeitpunkt für die Kenntnis der Tatsachen, die den rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakte rechtfertigen, ist der Eingang der bei der Beklagten eingegangene Stellungnahme des Klägers vom 04. Juni 2004 auf das Anhörungsschreiben der Beklagten vom 26. Mai 2004. Denn das BSG hat in ständiger Rechtsprechung entschieden und klargestellt, dass - weil nach § 45 Abs. 4 Satz 1 SGB X ein Verwaltungsakt nur in den Fällen des Abs. 2 Satz 3 und Abs. 3 Satz 2 des § 45 SGB X für die Vergangenheit zurückgenommen werden kann - der Behörde folglich auch diejenigen Tatsachen bekannt sein müssen, die § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X für die Rücknahme voraussetzen. Bei einer Rücknahmeentscheidung, die sich auf den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit bzw. Kenntnis der Rechtswidrigkeit stützt, beginnt die Jahresfrist mithin dann zu laufen, wenn die Beklagte Kenntnis davon hatte, dass der Kläger die (teilweise) Rechtswidrigkeit der Leistungsbewilligung kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Maßgeblich ist damit der Zeitpunkt, zu dem die Behörde aufgrund des ermittelten Sachverhalts Kenntnis von der Bösgläubigkeit des Klägers hatte (vgl. nur BSG SozR 3-1300 § 45 Nr. 45 mwN).
Gemäß § 330 Abs. 2 III war eine Ermessensausübung der Beklagten hinsichtlich der Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit nicht erforderlich. Daran ändert auch nichts die Tatsache, dass die Beklagte den zur Überzahlung führenden Fehler zu vertreten hat (vgl. BSG, Beschluss vom 29. Juni 2000 – B 11 AL 253/99 B – veröffentlicht in juris).
Hinsichtlich der Höhe der Erstattungsforderung nach § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung des SG Bezug genommen (§ 153 Abs. 2 SGG); lediglich klarstellend wird darauf hingewiesen, dass die Beklagte zu Gunsten des Klägers nicht etwa die Erstattungsforderung fehlerhaft errechnet hat, sondern sie aufgrund einer zu seinen Gunsten zu niedrig ausfallenden Teilaufhebungsentscheidung (§ 45 SGB X) rechtlich daran gehindert war, von ihm in einem höheren Umfang Erstattung zu verlangen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die teilweise Rücknahme der Bewilligung von (Anschluss-) Arbeitslosenhilfe für den Leistungszeitraum vom 22. Januar 2002 bis zum 10. Oktober 2002 und eine damit verbundene Erstattungsforderung von 2.588,56 EUR.
Der 1977 geborene Kläger ist kinderlos (im Sinne des Einkommenssteuergesetzes) und ledig. Nachdem er nach achtjährigem Schulbesuch die Schule verlassen hatte, nahm er an einem Vorbereitungsjahr zur Berufsausbildung teil, um dann von 1994 bis 1996 eine Berufsausbildung zum Fachgehilfen im Gastgewerbe erfolgreich zum Abschluss zu bringen. Im Anschluss arbeitete er ungefähr ein halbes Jahr als Kellner und zuletzt vor dem hier streitigen Zeitraum vom 01. Juli 1997 bis zum 15. Dezember 2000 beitragspflichtig als Zimmererhelfer; im maßgebenden Bemessungszeitraum erzielte er ein wöchentliches Bemessungsentgelt von 694,59 DM, das die Beklagte in Ausführung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts zur Berücksichtigung von Sonderzahlungen (Weihnachts- und Urlaubsgeld etc) bei der Berechnung beitragsfinanzierter Sozialleistungen (z.B. Arbeitslosengeld) vom 24. Mai 2000 (BVerfGE 102, 127) pauschal um 10 v.H. auf wöchentlich (gerundet) 760,00 DM erhöhte. In der Steuerkarte des Klägers war für das Jahr 2000 die Steuerklasse I eingetragen. Vom 16. Dezember 2000 bis zum 17. Januar 2001 bezog der Kläger Arbeitslosengeld, das sich nach einem Bemessungsentgelt von 760,00 DM errechnete; am 18. Januar 2001 bestand noch ein Restanspruch auf Arbeitslosengeld von 327 Tagen. Nach einer Zwischenbeschäftigung als "Zimmerer" vom 18. Januar 2001 bis zum 28. Februar 2001 bezog er ab dem 01. März 2001 bis zur Erschöpfung seines Anspruchs am 21. Januar 2002 erneut Arbeitslosengeld, das seit dem 16. Dezember 2001 wegen einer Dynamisierung des wöchentlichen Bemessungsentgelts auf gerundete 780,00 DM wöchentlich 307,44 DM und seit dem 01. Januar 2002 aufgrund der Leistungsentgeltverordnung für das Jahr 2002 und der Währungsumstellung (bei einem gerundeten wöchentlichen Bemessungsentgelt von 395,00 EUR) 157,22 EUR wöchentlich betrug (Änderungsbescheid vom 11. Januar 2002).
Im Anschluss gewährte ihm die Beklagte mit Bescheid vom 19. Februar 2002 (Anschluss-) Arbeitslosenhilfe für den Bewilligungsabschnitt vom 22. Januar 2002 bis zum 21. Januar 2003 iHv wöchentlich 206,92 EUR (wöchentliches Bemessungsentgelt 695,00 EUR; allgemeiner Leistungssatz- 53%; Leistungsgruppe A - entsprechend der Steuerklasse I).
Nach Anhörung (Schreiben der Beklagten vom 26. Mai 2004; Stellungnahme des Klägers vom 04. Juni 2004) nahm die Beklagte mit Bescheid vom 11. August 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Dezember 2004 die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe für den streitigen Zeitraum iHv 69,16 EUR wöchentlich zurück. Durch einen Berechnungsfehler seien die der Leistung zugrunde liegenden Berechnungsdaten nicht von DM-Beträgen in EUR-Beträge umgerechnet worden, so dass dem Kläger eine zu hohe Leistung bewilligt worden sei. Ihm habe lediglich ein Anspruch iHv 137,76 EUR wöchentlich zugestanden. Die teilweise Rücknahme für die Vergangenheit sei gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) iVm § 330 Abs. 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) zulässig, weil der Kläger mit einfachsten und ganz nahe liegenden Überlegungen habe erkennen können, dass ihm Arbeitslosenhilfe in der bewilligten Höhe nicht zustehe; denn die bewilligte Arbeitslosenhilfe könne nicht höher sein als das zuvor bezogene Arbeitslosengeld. Dies sei als grobe Fahrlässigkeit zu werten. Außerdem stellte die Beklagte unter Berufung auf § 50 SGB X die streitige Erstattungsforderung fest.
Der Kläger hat hiergegen Anfechtungsklage vor dem Sozialgericht (SG) Frankfurt/Oder erhoben und in der mündlichen Verhandlung vom 15. November 2005 u.a. Folgendes erklärt: Ob er sich den Änderungsbescheid zum Arbeitslosengeld vom 11. Januar 2002 angesehen habe, wisse er nicht mehr. Den Arbeitslosenhilfebewilligungsbescheid, den er im Februar 2002 erhalten habe, habe er gelesen. Dabei habe er sich vor allem den Zahlbetrag angeschaut. Seiner Erinnerung nach habe der bei 202,00 EUR oder einem ähnlichem Betrag gelegen. Diesen Betrag habe er zur Kenntnis genommen, sich aber nichts weiter dabei gedacht. Er sei damals mit Geld überhaupt nicht klargekommen, habe viele Schulden gehabt. Um Geldangelegenheiten habe er sich im Jahre 2002 im Großen und Ganzen nicht selbst gekümmert, jedenfalls nicht regelmäßig. Wenn er Geld gebraucht habe, habe er sich an die Freundin seines damaligen Chefs gewandt. Sie habe auch seine Geldkarte in Besitz gehabt. Dass sich mit der Umstellung von DM auf Euro das Geld quasi halbiert habe, sei ihm bewusst gewesen.
Durch Urteil vom 15. November 2005 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung u.a. ausgeführt: Zu Recht habe die Beklagte die Entscheidung über die Bewilligung der Arbeitslosenhilfe für den streitigen Zeitraum teilweise zurückgenommen, da die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 erster Halbsatz SGB X iVm § 330 Abs. 2 SGB III vorgelegen hätten. Der Kläger könne sich auf Vertrauensschutz nicht berufen, denn ihm sei grob fahrlässige Unkenntnis der Rechtswidrigkeit der Leistungsbewilligung hinsichtlich deren Höhe vorzuhalten. Grobe Fahrlässigkeit liege vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt im besonders schweren Maße verletzt habe. Grobe Fahrlässigkeit setze also eine Sorgfaltspflichtverletzung ungewöhnlich hohen Ausmaßes voraus, dh eine grobe und auch subjektiv unentschuldbare Pflichtverletzung, die das gewöhnliche Maß der Fahrlässigkeit erheblich übersteige. Die erforderliche Sorgfalt im besonders schwerem Maße verletze, wer schon einfachste, ganz nahe liegende Überlegungen nicht anstelle und daher nicht beachte, was im gegebenem Fall jedem einleuchten müsse. Maßgebend sei ein subjektiver Sorgfaltsmaßstab. Der Kläger habe nach seinem eigenen Bekunden den Bescheid vom 19. Februar 2002 gelesen und dabei insbesondere den wöchentlichen Zahlbetrag zur Kenntnis genommen. Soweit der Kläger darüber hinaus vorgebracht habe, er habe sich bei der Höhe des wöchentlichen Zahlbetrags nichts weiter gedacht, so begründe dies gerade die grob fahrlässige Unkenntnis. Denn noch im Januar 2002 sei dem Kläger mit dem Änderungsbescheid vom 11. Januar 2002 die Höhe des wöchentlichen Leistungsbetrags zum Arbeitslosengeld nach Umstellung auf den Eurobetrag von der Beklagten mitgeteilt worden. Diese wöchentliche Leistung habe 157,22 EUR betragen und sei demzufolge erheblich geringer gewesen als die unmittelbar im Anschluss daran bewilligte Arbeitslosenhilfe. Da es zur allgemeinen Lebenserfahrung gehöre, insbesondere eines Arbeitslosen, dass ein im Anschluss an das Arbeitslosengeld gezahlte Arbeitslosenhilfe aufgrund eines geringeren Zahlbetrages grundsätzlich zur finanziellen Einbußen führe, hätte dem Kläger die überhöhte Leistungsbewilligung zwingend auffallen müssen. Wenn er sich auch nicht mehr daran habe erinnern können, ob er den letzten Änderungsbescheid von Januar 2002 zum Arbeitslosengeld überhaupt gelesen habe, so hätte sich ihm die unkorrekte Bewilligung dennoch aufdrängen müssen. Schließlich habe der Kläger während des Bezugs von Arbeitslosengeld regelmäßig monatliche Zahlungen von der Beklagten in Höhe von 1.292,00 DM bis 1.335,00 DM erhalten. Da dem Kläger bewusst gewesen sei, dass sich die monatlichen Zahlbeträge mit der Umstellung auf den Euro etwa halbieren würden, hätte er erkennen müssen, dass das Arbeitslosengeld ab Januar 2002 etwa 700,00 EUR betragen habe. Bei Anstellen einfachster Überlegungen hätte der Kläger erkennen können und müssen, dass der ihm bewilligte wöchentliche Zahlbetrag der Arbeitslosenhilfe von 206,92 EUR eine monatliche Zahlung von mehr als 800,00 EUR auslösen müsste und dass dieser monatliche Zahlbetrag weit größer war als die vorangegangenen Zahlungen von Arbeitslosengeld. Der Kläger könne sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass er zum damaligen Zeitpunkt viele Schulden gehabt habe, sich um die Begleichung der Rechnungen nicht gekümmert habe und ihm seine finanzielle Situation über den Kopf gewachsen sei, weshalb er sich fremder Hilfe habe bedienen müssen. Dies zeuge allenfalls davon, dass der Kläger es offenbar nicht vermocht habe, sich das ihm zur Verfügung stehende Einkommen einzuteilen und damit gewissenhaft umzugehen. Es erkläre aber keineswegs, weshalb der Kläger nicht erkannt haben wolle, dass die Leistung von Arbeitslosenhilfe nicht nur nicht – wie zu erwarten gewesen sei – geringer, sondern erheblich höher bewilligt worden sei als zuvor das Arbeitslosengeld. Das Gericht habe auch keine Anhaltspunkte für die Annahme finden können, dass der Kläger aufgrund seiner Einsichtsfähigkeit zu der Erkenntnis der Rechtswidrigkeit der bewilligten Leistungen nicht hätte gelangen müssen. Der Kläger habe zwar die Schulausbildung nach der 8. Klasse bereits beendet, jedoch danach eine Berufsausbildung erfolgreich absolviert. Beruflich sei er sowohl als Kellner als auch überwiegend als Zimmermannshelfer bzw. Zimmerer tätig gewesen. Insbesondere auch unter Berücksichtigung des Eindrucks, denen das Gericht von dem Kläger persönlichem Termin habe gewinnen können, sei das Gericht zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger über die notwendige Einsichts- und Erkenntnisfähigkeit verfügt habe, die unrechtmäßige Bewilligung der Arbeitslosenhilfe zu erkennen, zumal diese lediglich einfachste Überlegungen, wie sie im gewöhnlichen Alltag eines jeden regelmäßig anzustellen seien, erfordert habe. Der Kläger habe die von der Beklagten geltend gemachte Erstattungsforderung gemäß § 50 Abs. 1 SGB X zu erstatten. Zu Gunsten des Klägers sei sie allerdings zu niedrig ausgefallen. An sich habe die Erstattungsforderung 2.916,06 EUR betragen müssen, eine Korrektur durch das Gericht habe jedoch nicht zu erfolgen.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, zu deren Begründung er Folgendes geltend macht: Zwar sei das SG zutreffend von einem subjektiven Fahrlässigkeitsmaßstab ausgegangen, die anschließend vom SG vorgenommene Subsumtion halte jedoch einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Es sei unzutreffend, die grobe Fahrlässigkeit bereits damit zu begründen, dass er bei Kenntnisnahme des wöchentlichen Zahlbetrags sich nichts weiter gedacht habe. Hierbei werde verkannt, dass ein Leistungsempfänger lediglich verpflichtet sei, den Bewilligungsbescheid zu lesen und zur Kenntnis zu nehmen. Hingegen sei er – wie das Bayerische Landessozialgericht (LSG) in seinem Urteil vom 30. April 2004 (L 8 AL 18/03, veröffentlicht in juris) zutreffend festgestellt habe - nicht verpflichtet, Bewilligungsbescheide des näheren auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Es sei auch nicht richtig, dass er den Fehler der Beklagten bereits allein deshalb habe erkennen müssen, weil der ihm zuvor übersandte Bewilligungsbescheid über Arbeitslosengeld einen geringeren wöchentlichen Zahlbetrag ausgewiesen habe. Das SG objektiviere den Prüfungsmaßstab, wenn es in seiner Begründung ausführe, dass es zur allgemeinen Lebenserfahrung, insbesondere eines Arbeitslosen, gehöre, dass ein im Anschluss an Arbeitslosengeld gezahlte Arbeitslosenhilfe aufgrund eines geringeren Zahlbetrags grundsätzlich zu finanziellen Einbußen führe. Zu seinen allein entscheidenden Lebenserfahrungen treffe das SG in der angefochtenen Entscheidung keine Feststellungen. Aus seinem beruflichen Werdegang ergebe sich, dass er einen "Umstieg" vom Bezug auf Arbeitslosengeld auf Arbeitslosenhilfe noch nicht selbst vollzogen habe. Schließlich sei festzuhalten, dass die vorliegende Überzahlung keinesfalls derart hoch ausgefallen sei, dass bei Kenntnisnahme des Leistungsbetrags nur der Schluss zu ziehen wäre, dass eine fehlerhafte Berechnung durch die Beklagte hätte vorliegen müssen. Das Abstellen auf die Höhe des zuvor gewährten Arbeitslosengeldes als Bezugsgröße sei auch deshalb zu beanstanden, weil auch dort ein Fehler in der Berechnung hätte vorgelegen haben können (zu seinen Lasten). Um bei einem Rechenfehler dieser Größenordnung die Fehlerhaftigkeit der Berechnung der Beklagten erkennen zu können, hätte man diese überprüfen müssen. Hierzu sei er jedoch nicht verpflichtet.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt/Oder vom 15. November 2005 und den Bescheid der Beklagten vom 11. August 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Dezember 2004 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält ihre eigene Entscheidung und die des SG für zutreffend.
Der Berichterstatter hat am 22. März 2006 einen Erörterungstermin durchgeführt
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, insbesondere die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze, sowie die den Kläger betreffende Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§§155 Abs. 3, 4 und 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
Das SG hat zu Recht entschieden, dass die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe für die Zeit vom 22. Januar 2002 bis zum 10. Oktober 2002 teilweise zurücknehmen durfte und vom Kläger die Erstattung von überzahlter Arbeitslosenhilfe iHv 2.588,56 EUR verlangen durfte.
Gegenstand (iSv § 95 SGG) der vom Kläger erhobenen isolierten Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG) ist der Bescheid vom 11. August 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Dezember 2004.
Rechtsgrundlage für diesen Bescheid ist, soweit darin der Bescheid über die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe vom 19. Februar 2002 teilweise aufgehoben worden ist, § 45 SGB X iVm § 330 Abs. 2 SGB III.
Nach § 45 Abs. 1 SGB X darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat, im Falle seiner Rechtswidrigkeit nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder Vergangenheit zurückgenommen werden.
Der Bescheid vom 19. Februar 2002 war bereits bei seinem Erlass rechtswidrig, denn ab dem 22. Januar 2002 hätte dem Kläger lediglich eine geringere wöchentliche Arbeitslosenhilfe zugestanden.
Arbeitslosenhilfe beträgt für Arbeitslose, die wie der Kläger kein Kind im Sinne des § 32 des Einkommenssteuergesetzes haben, 53% des Leistungsentgelts (§ 195 Satz 1 Ziffer 2 SGB III; hier idF des 1. SGB III-Änderungsgesetzes vom 16. Dezember 1997 - BGBl I 2970; im Folgenden ohne Zusatz zitiert). Leistungsentgelt ist das um die gesetzlichen Entgeltabzüge, die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen, verminderte Bemessungsentgelt (§ 198 Satz 2 Nr. 4 SGB III iVm §§ 136, 132 SGB III). Nach § 200 Abs. 1 SGB III ist das Bemessungsentgelt für die Arbeitslosenhilfe das Bemessungsentgelt, nach dem das Arbeitslosengeld zuletzt bemessen worden ist, vermindert um den Betrag, der auf einmalig gezahlten Arbeitsentgelt beruht. Das Leistungsentgelt ist dabei nicht individuell zu ermitteln, sondern wird durch das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung mittels Rechtsverordnung unter Berücksichtigung der gesetzlichen Vorgaben zu den gewöhnlich anfallenden Entgeltabzügen (§ 136 Abs. 2 SGB III) jeweils für ein Kalenderjahr bestimmt (§ 151 Abs. 2 Nr. 2 SGB III iVm § 198 Satz 2 Nr. 4 SGB III). Entgeltabzüge iS des § 136 Abs. 1 SGB III sind u.a. die Steuern; insoweit richtet sich die als gewöhnlicher Abzug zugrunde zu legende Steuer nach der Leistungsgruppe, der der Arbeitslose zuzuordnen ist (§ 137 Abs. 1 SGB III). Die Zuordnung zur Leistungsgruppe bestimmt sich nach der auf der Lohnsteuerkarte eingetragenen Lohnsteuerklasse (Leistungsgruppe A für Lohnsteuerklasse I oder IV; Leistungsgruppe B für Lohnsteuerklasse II; Leistungsgruppe C u.a. für Lohnsteuerklasse III; Leistungsgruppe D für Lohnsteuerklasse V; Leistungsgruppe E für Lohnsteuerklasse VI), wobei grundsätzlich die Lohnsteuerklasse maßgeblich ist, die zu Beginn des Kalenderjahres, in dem der Anspruch entstanden ist, auf der Lohnsteuerkarte des Arbeitslosen eingetragen war (§ 137 Abs. 3 Satz 1 SGB III). Im Hinblick darauf, dass der Anspruch auf Arbeitslosengeld und auf (Anschluss-)Arbeitslosenhilfe als einheitlicher Anspruch auf Entgeltersatzleistungen bei Arbeitslosigkeit gelten (§ 198 Satz 1 SGB III), ist damit grundsätzlich – von hier nicht interessierenden Ausnahmen abgesehen - auf die in der Lohnsteuerkarte eingetragene Steuerklasse zu Beginn des Jahres abzustellen, in dem der Arbeitslosengeldanspruch entstanden ist (vgl. (Bundessozialgericht) BSG SozR 4100 § 113 Nr. 8 S. 49).
Danach hätte der Kläger lediglich einen Anspruch auf einen wöchentlichen Leistungssatz von 129,01 EUR gehabt. Denn dies ist der Betrag, der sich aus der Tabelle in Anlage 2 zur SGB III-Leistungsentgeltverordnung 2002 vom 20. Dezember 2001 (BGBl I Seite 4036) ergibt, wenn ein wöchentliches Bemessungsentgelt von 360,00 EUR (zu dessen Berechnung im Einzelnen wird gemäß § 153 Abs. 2 SGG zur Vermeidung von Wiederholungen auf die entsprechenden Ausführungen des SG Bezug genommen), die Leistungsgruppe A und der allgemeine Leistungssatz zugrunde gelegt werden. Ein günstigerer Besitzschutzbetrag nach § 3 der SGB III-Leistungsentgeltverordnung 2002 ergibt sich für den Kläger nicht. Die Beklagte hatte jedoch bei Bewilligung der Arbeitslosenhilfe ab dem 22. Januar 2002 fehlerhaft ein wöchentliches Bemessungsentgelt von 695,00 Euro der Berechnung zu Grunde gelegt und dem Kläger Leistungen von 206,92 EUR wöchentlich gewährt; mithin wurde ihm nicht lediglich 69,16 EUR wöchentlich, sondern 77,91 EUR wöchentlich zu viel bewilligt. Wegen des aus § 123 SGG resultierenden Verbots, Verwaltungsentscheidungen zum Nachteil des Klägers zu ändern (so genanntes Verböserungsverbot; vgl. BSG SozR 3-1500 § 123 Nr. 1), bleibt dieser Fehler im vorliegenden Rechtsstreit ohne Auswirkung, was im Ergebnis so bereits vom SG gesehen worden ist. Die Beklagte durfte die Arbeitslosenhilfebewilligung auch für die Vergangenheit, d.h. für den hier streitigen Zeitraum, in Höhe des Differenzbetrages von 69,16 EUR wöchentlich zurücknehmen, da dem Kläger nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X zumindest grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist.
Nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X kann sich der Begünstigte (hier: der Kläger) nicht auf sein Vertrauen im Bestand des begünstigenden Verwaltungsaktes (hier: der Bewilligungsbescheid vom 19. Februar 2002) berufen, wenn er infolge grober Fahrlässigkeit die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes nicht erkannt hatte. Grobe Fahrlässigkeit liegt nach der im Gesetz enthaltenen Definition vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat (so genannte Bösgläubigkeit). Dies ist dann der Fall, wenn er einfachste, ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt und daher nicht beachtet hat, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen (vgl. BSG SozR 3-1300 § 45 Nr. 45 mwN). Das Maß der Fahrlässigkeit ist nach der persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit, dem Einsichtsvermögen des Begünstigten sowie der besonderen Umstände des Falles zu beurteilen. Voraussetzung für die Annahme grober Fahrlässigkeit bei der Unkenntnis über die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes ist somit, dass die Mängel des Bewilligungsbescheides für den Begünstigten unter Berücksichtigung seines Einsichtsvermögens ohne weiteres erkennbar waren.
Wie bereits das SG dargelegt hat, hätte der Kläger aufgrund einfachster und ganz nahe liegender Überlegungen bei Erhalt des Bescheides vom 19. Februar 2002 erkennen können, dass ihm ab dem 22. Januar 2002 eine zu hohe Leistung bewilligt worden ist. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auch insoweit auf die zutreffenden Ausführungen des SG in der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen (§ 153 Abs. 2 SGG).
Das Vorbringen im Berufungsverfahren rechtfertigt keine andere Beurteilung. Zwar ist es richtig, dass ein Antragsteller grundsätzlich nicht gehalten ist, Bewilligungsbescheide im Einzelnen auf ihre Richtigkeit zu überprüfen, sondern er davon ausgehen darf, dass eine Fachbehörde nach den für die Leistung erheblichen Tatsachen fragt und seine wahrheitsgemäßen Angaben zutreffend umsetzt. Etwas anderes gilt aber dann, wenn – wie hier – die Rechtswidrigkeit in Anbetracht der subjektiven Erkenntnismöglichkeiten des Klägers aus anderen Gründen geradezu "in die Augen springt" (BSG SozR 3- 1300 § 45 Nr. 45). Hierzu steht auch nicht das vom Kläger zitierte Urteil des Bayerischen LSG vom 30. April 2004 im Widerspruch. Abgesehen davon, dass dieses Urteil unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die dargelegte Rechtsprechung des BSG ergangen ist, unterscheidet sich der hiesige Fall von dem dort entschiedenen Fall gerade dadurch, dass es aus Sicht des hiesigen Klägers keine plausible Erklärung für die fehlerhafte Bestimmung des wöchentlichen Zahlbetrags – hier: die Erhöhung des Zahlbetrags - gab. Soweit der Kläger einwendet, der Zahlbetrag der Arbeitslosenhilfe sei keineswegs so hoch gewesen, dass bei dessen Kenntnisnahme der Schluss auf die Fehlerhaftigkeit der Bewilligung zwingend gewesen sei, verkennt er den anzulegenden Maßstab für die Bösgläubigkeit i.S. einer besonders schweren Sorgfaltpflichtverletzung. Hierfür reichen irgendwelche Auffälligkeiten je nach den Umständen des Einzelfalles, die so offensichtlich sind, dass sie den Begünstigten zumindest zur Nachfrage bei der Behörde veranlassen müssten (BSG SozR 3- 1300 § 45 Nr. 45). Ein solcher Fall lag hier vor. Bei einer Kenntnisnahme mit dem gebotenen Interesse und der aufzubringenden Aufmerksamkeit hätte sich dem Kläger aus der Erinnerung ein Vergleich mit den zuvor empfangenen Leistungen aufgedrängt. Die Zeitspanne von knapp fünf Wochen zwischen dem Zugang des Änderungsbescheides vom 11. Januar 2002 und dem Zugang des Bewilligungsbescheides vom 19. Februar 2002 ist nicht derart lang, dass die Größenordnung des zuletzt bewilligten Arbeitslosengeldes bereits dem Vergessen gänzlich anheim gefallen sein durfte. Jedenfalls eine Leistungserhöhung um 31,61 % bzw. 49,70 Euro wöchentlich (206,92 EUR./. 157,22 Euro) hätte dem Kläger auffallen müssen. Nach der Arbeitsbiographie des Klägers hat dies seine Erkenntnismöglichkeiten nicht überstiegen, was auch durch den persönlichen Eindruck des Klägers im Erörterungstermin vom 22. März 2006 untermauert worden ist. Dem kann der Kläger nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass er nicht gewusst habe, dass die Arbeitslosenhilfe grundsätzlich niedriger ausfalle als das zuvor bezogene Arbeitslosengeld. Selbst wenn das zutreffen sollte, wovon der Senat nicht ausgeht, hätte sich ihm aufgrund seiner subjektiven Erkenntnismöglichkeiten zumindest aufdrängen müssen, dass eine um ein Drittel höhere Leistungsbewilligung der (Anschluss-)Arbeitslosenhilfe gegenüber dem Vorbezug von Arbeitslosengeld nicht mit dem geltenden Recht in Einklang stehen konnte.
Durfte die Beklagte mithin gemäß § 45 Abs. 4 Satz 1 iVm § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X den Bescheid vom 19. Februar 2002 mit Wirkung für die Vergangenheit teilweise zurücknehmen, so scheitert diese Befugnis auch nicht an der Jahresfrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X. Denn maßgeblicher Zeitpunkt für die Kenntnis der Tatsachen, die den rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakte rechtfertigen, ist der Eingang der bei der Beklagten eingegangene Stellungnahme des Klägers vom 04. Juni 2004 auf das Anhörungsschreiben der Beklagten vom 26. Mai 2004. Denn das BSG hat in ständiger Rechtsprechung entschieden und klargestellt, dass - weil nach § 45 Abs. 4 Satz 1 SGB X ein Verwaltungsakt nur in den Fällen des Abs. 2 Satz 3 und Abs. 3 Satz 2 des § 45 SGB X für die Vergangenheit zurückgenommen werden kann - der Behörde folglich auch diejenigen Tatsachen bekannt sein müssen, die § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X für die Rücknahme voraussetzen. Bei einer Rücknahmeentscheidung, die sich auf den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit bzw. Kenntnis der Rechtswidrigkeit stützt, beginnt die Jahresfrist mithin dann zu laufen, wenn die Beklagte Kenntnis davon hatte, dass der Kläger die (teilweise) Rechtswidrigkeit der Leistungsbewilligung kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Maßgeblich ist damit der Zeitpunkt, zu dem die Behörde aufgrund des ermittelten Sachverhalts Kenntnis von der Bösgläubigkeit des Klägers hatte (vgl. nur BSG SozR 3-1300 § 45 Nr. 45 mwN).
Gemäß § 330 Abs. 2 III war eine Ermessensausübung der Beklagten hinsichtlich der Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit nicht erforderlich. Daran ändert auch nichts die Tatsache, dass die Beklagte den zur Überzahlung führenden Fehler zu vertreten hat (vgl. BSG, Beschluss vom 29. Juni 2000 – B 11 AL 253/99 B – veröffentlicht in juris).
Hinsichtlich der Höhe der Erstattungsforderung nach § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung des SG Bezug genommen (§ 153 Abs. 2 SGG); lediglich klarstellend wird darauf hingewiesen, dass die Beklagte zu Gunsten des Klägers nicht etwa die Erstattungsforderung fehlerhaft errechnet hat, sondern sie aufgrund einer zu seinen Gunsten zu niedrig ausfallenden Teilaufhebungsentscheidung (§ 45 SGB X) rechtlich daran gehindert war, von ihm in einem höheren Umfang Erstattung zu verlangen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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