L 16 R 1587/06

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 13 RA 7120/02
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 16 R 1587/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 28. August 2006 wird zurückgewiesen. Die im Berufungsverfahren erhobene Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Verfahren bei dem Landessozialgericht nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der 1949 geborene Kläger ist Witwer der 1953 geborenen und 1998 verstorbenen Dr. U O (im Folgenden: Versicherte), die im Beitrittsgebiet ab 1. September 1978 bis zum 12. August 1991 als Ärztin in C (früher K-M-S) versicherungspflichtig beschäftig war. Mit Wirkung vom 13. August 1991 befreite die Beklagte die Versicherte auf deren Antrag vom Oktober 1991 von der Versicherungspflicht nach § 7 Abs. 2 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG; Bescheid vom 12. November 1991). Im August 1997 stellte die Versicherte einen Antrag auf "Wiederaufnahme" in die gesetzliche Rentenversicherung. Mit Bescheid vom 19. Oktober 1998 hob die Beklagte die Aufhebung der Befreiung der Versicherten von der Versicherungspflicht mit Wirkung vom 1. November 1998 an auf.

Im April 1999 und im Juni 1999 gingen bei der Beklagten Zahlungen in Höhe von 106.750,- DM und 6.812,10 DM ein, die ausweislich der zwischenzeitlich an die Beklagte gerichteten Schreiben der S E A G L (im Folgenden: S. Ltd.) für eine Beschäftigung der Versicherten bei der S GmbH Dr. E & Partner ARE (1. August 1991 bis 31. März 1994), bei der S GmbH Dr. O & Dr. E (1. April 1994 bis 28. Februar 1997) und bei der S. Ltd. vom 1. März 1997 bis Dezember 1998 als Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung verbucht werden sollten. Die Beklagte lehnte eine Berücksichtigung entsprechender Pflichtbeiträge nach diesbezüglichen Ermittlungen bei den zuständigen Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK) ab und zahlte die ihr überwiesenen Beträge letztlich an den Kläger zurück.

Im Dezember 1999 bat der Kläger die Beklagte um Bescheidung eines angeblich von der Versicherten im Januar 1997 gestellten Antrages auf Rente wegen Berufsunfähigkeit (BU) ab 16. Dezember 1997; ein auf den 6. Januar 1997 datiertes, mit "Dr. U O" unterschriebenes Antragsschreiben fügte er bei. Im Mai 2000 beantragte er zudem die Gewährung von Hinterbliebenenrente, welche die Beklagte zunächst mit Bescheid vom 28. Juli 2000 nach § 66 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - (SGB I) versagte, nach Klärung des Versicherungskontos aber mit Bescheid vom 9. August 2001 als große Witwerrente für die Zeit vom 21. Dezember 1998 bis zum 31. März 1999 (Sterbevierteljahr) zuerkannte. Für die Zeit ab 1. April 1999 verfügte die Beklagte, dass die Rente wegen des zu berücksichtigenden Einkommens des Klägers nicht zu zahlen sei. Zwischenzeitlich gewährt die Beklagte dem Kläger für die Zeit ab 1. Juni 2005 große Witwerrente ohne Anrechnung von Einkommen nach Maßgabe einer einstweiligen Anordnung des Landessozialgerichts (LSG) Berlin-Brandenburg vom 15. September 2006 (- L 1 R 588/05 ER -; - L 1 R 350/06 ER - ; - L 1 B 147/06 R ER -). Den Antrag auf Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 12. Juli 2001 mit der Begründung ab, dass in der Person der Versicherten die besondere versicherungsrechtliche Voraussetzung der so genannten Drei-Fünftel-Belegung nicht erfüllt sei.

In einem sich anschließenden Klageverfahren bei dem Sozialgericht (SG) Berlin (- S 4 RA 4621/01-1 -) wandte sich der Kläger auch gegen diesen Ablehnungsbescheid vom 12. Juli 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. November 2001 und begehrte die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU) bzw. Rente wegen BU ab Dezember 1996. Das SG wies u. a. diese Klage mit Urteil vom 12. November 2003 ab. Zur Begründung wurde insoweit ausgeführt, dass selbst unter Zugrundelegung eines bereits im Januar 1997 gestellten Rentenantrages der Versicherten die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine entsprechende Rentengewährung nicht erfüllt seien. Die Versicherte habe seit dem 13. August 1991 keine Pflichtbeitragszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung zurückgelegt. Mit der gegen dieses Urteil eingelegten Berufung (LSG Berlin-Brandenburg – L 1 RA 9/04 -) macht der Kläger u. a. weiterhin Rentenleistungen wegen verminderter Erwerbsfähigkeit der Versicherten "seit Dezember 1996" zuzüglich Zinsen sowie dazugehörige Kreditkosten geltend (vgl. Antrag Nr. 9 der Berufungsbegründung vom 12. März 2004).

Mit der vorliegenden, im November 2002 nach einem vorangegangenen Mahnverfahren anhängig gewordenen Klage begehrt der Kläger ebenfalls die Zahlung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit der Versicherten für die Zeit vom 1. Dezember 1996 bis zum 31. Dezember 1998, und zwar beziffert in Höhe von 88.497,15 EUR nebst Zinsen. Er hat zugleich namens der Versicherten und der S. Ltd. Klage erhoben, die namens der S. Ltd. erhobene Klage jedoch mit Schriftsatz vom 18. August 2006 zurückgenommen. Das SG hat die Klage des Klägers und eine Klage der als Klägerin zu 2. bezeichneten Versicherten mit Urteil vom 28. August 2006 als unzulässig abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Die Klage der Klägerin zu 2. sei unzulässig, weil diese aufgrund ihres Todes am 1998 bereits bei Klageerhebung nicht mehr beteiligtenfähig gewesen sei. Auch die Klage des Klägers sei unzulässig. Ihr stehe die von Amts wegen zu berücksichtigende Einwendung der anderweitigen Rechtshängigkeit in dem Verfahren - S 4 RA 4621/01-1; L 1 RA 9/04 - entgegen. Der Kläger mache auch in dem dortigen Verfahren eine Forderung auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit der Versicherten von Dezember 1996 bis Dezember 1998 nebst Zinsen geltend. Über die Kosten des dem Klageverfahren vorausgegangenen Mahnverfahrens könne nicht entschieden werden. Eine entsprechende Entscheidung über die Gerichtskosten sehe das Sozialgerichtsgesetz (SGG) in § 193 Abs. 1 Satz 2 SGG nur für den Fall vor, dass ein Mahnverfahren nach § 182a SGG vorausgegangen sei. Ein derartiges Mahnverfahren liege hier jedoch nicht vor.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren im eigenen Namen, aber auch namens der Versicherten und – erstmals – auch namens einer nicht näher bezeichneten "Bürgschaftsgemeinschaft" weiter. Auf seine Schriftsätze vom 31. Oktober 2006 und 26. Januar 2007 wird Bezug genommen.

Aus dem Vorbringen des Klägers ergibt sich der Antrag,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 28. August 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die der Versicherten für die Zeit vom 1. Dezember 1996 bis zum 31. Dezember 1998 zustehende Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit in Höhe von insgesamt 88.497,15 EUR nebst Zinsen und Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung an "die Kläger" zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen und die im Berufungsverfahren erhobene Klage abzuweisen.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Die Verwaltungsakten der Beklagten für die Versicherte (2 Bände), die Akten des SG Berlin - S 4 RA 4621/01-1;L 1 RA 9/04 - (4 Bände), - S 29 RA 4491/04 ER; L 1 RA 61/04 ER -, des LSG Berlin-Brandenburg - L 1 R 588/05 ER -, - L 1 R 350/06 ER -, - L 1 B 147/06 R ER - und die Gerichtsakte haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers, mit der er bei verständiger Würdigung seines Vorbringens (vgl. § 123 SGG) seine erstinstanzlich erhobene kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (vgl. § 54 Abs. 4 SGG) weiter verfolgt, ihm im Wege der Rechtsnachfolge die der verstorbenen Versicherten bis zu deren Tode nach seiner Auffassung zustehenden Einzelansprüche auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit gemäß den §§ 43, 44 Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI) in den bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassungen für die Zeit vom 1. Dezember 1996 bis zum 31. Dezember 1998 in Höhe von 88.497,15 EUR nebst Zinsen und Beiträgen zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung zuzuerkennen, ist nicht begründet; die im Berufungsverfahren erstmals namens einer nicht konkret bezeichneten "Bürgschaftsgemeinschaft" erhobene Klage, mit der der Kläger letztlich ebenfalls ein eigenes Rechtsschutzbegehren im eigenen Namen geltend macht und über die der Senat erstinstanzlich kraft Klage zu befinden hatte, ist unzulässig und war abzuweisen.

Die bei dem SG erhobene Klage auf Verurteilung der Beklagten zur Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit für die Zeit vom 1. Dezember 1996 bis zum 31. Dezember 1998 in einer Gesamthöhe von 88.497,15 EUR nebst Zinsen und Übernahme der Beiträge zur gesetzlichen Kranken– und Pflegeversicherung ist, soweit sie namens der bereits am 21. Dezember 1998 und damit lange vor Rechtshängigkeit (vgl. § 94 Abs. 1 SGG) der Klage verstorbenen Versicherten erhoben worden ist, schon mangels Beteiligtenfähigkeit der Versicherten unzulässig. Eine natürliche Person (vgl. § 70 Nr. 1 SGG) kann nur ab Vollendung der Geburt (vgl. § 1 Bürgerliches Gesetzbuch) bis zum Tod beteiligtenfähig sein. Da die Versicherte daher schon aus Rechtsgründen nicht Beteiligte des vorliegenden Verfahrens sein kann, war das Rubrum von Amts wegen entsprechend zu berichtigen.

Die Klage ist im Übrigen, d.h. soweit der Kläger im eigenen Namen eigene Rechte geltend macht, ebenfalls unzulässig. Denn der Kläger macht den streitigen Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit für den in Rede stehenden Zeitraum nebst Zinsen und Beiträgen bereits in dem noch anhängigen Verfahren – S 4 RA 4621/01-1;L 1 RA 9/04 – (SG Berlin; LSG Berlin-Brandenburg) geltend, und zwar seit einer entsprechenden, ausdrücklich gegenüber dem SG erklärten Klageerweiterung mit dortigem Schriftsatz vom 19. Oktober 2001 (Eingang beim SG am 15. November 2001). Das SG hat über diese Ansprüche in seinem Urteil vom 12. November 2003 (- S 4 RA 4621/01-1 -) auch entschieden; der Kläger verfolgt sein Begehren insoweit im Berufungsverfahren bei dem LSG Berlin-Brandenburg (- L 1 RA 9/04 -) weiter. Gemäß § 202 SGG i.V. mit § 17 Abs. 1 Satz 2 Gerichtsverfassungsgesetz kann eine bereits anhängige Streitsache nicht anderweitig anhängig gemacht werden. Selbst wenn davon auszugehen wäre, dass der Kläger die genannten Ansprüche nur noch im hiesigen Verfahren geltend machen wollte, ergäbe sich keine andere Beurteilung. Denn der Zulässigkeit der Klage stünden dann die insoweit eingetretene Rechtskraft des SG-Urteils vom 12. November 2003 ( - S 4 RA 4621/01-1 -) und somit die Bestandskraft des Ablehnungsbescheides vom 12. Juli 2001 entgegen.

Die erstmals im Berufungsverfahren im Namen einer nicht konkret bezeichneten "Bürgschaftsgemeinschaft" erhobene Klage, mit der der Kläger letztlich auch ein eigenes Rechtsschutzbegehren geltend macht, ist bereits deshalb unzulässig, weil das LSG als Berufungs- und Beschwerdegericht außer in Fällen einer gesetzlichen Klageänderung im Rahmen des § 96 Abs. 1 SGG funktional nicht zuständig ist, erstinstanzlich über Klagen zu entscheiden (vgl. § 29 SGG). Die Klage war daher schon aus diesem Grund abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Da ein Fall des § 182a SGG ersichtlich nicht vorliegt, hatte eine Entscheidung über Gerichtskosten nicht zu ergehen (vgl. § 193 Abs. 1 Satz 2 SGG).

Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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