L 4 R 3543/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 12 R 5361/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 3543/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 30. Mai 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen eine ihm von der Beklagten erteilte Rentenauskunft und begehrt auch, die Erteilung von Rentenauskünften zukünftig zu unterlassen.

Mit Schreiben vom 02. Dezember 2003 übersandte die Beklagte dem am 1950 geborenen Kläger eine Renteninformation, in der sie die bislang erworbenen Rentenanwartschaften, die Höhe einer Rente wegen voller Erwerbsminderung, eine Hochrechnung der künftigen Altersrente und die bisher bezahlten Beiträge darstellte. Die Hochrechnung der künftigen Altersrente ergab, dass die bislang erreichten Rentenanwartschaften nach damaligem Stand einer monatlichen Altersrente von EUR 428,45 entsprachen. Weiter führte die Beklagte aus, die Rente werde aber aufgrund künftiger Rentenanpassung tatsächlich höher ausfallen. Leider könne sie die Entwicklung nicht vorhersehen. Betrage der jährliche Anpassungssatz 1,5%, so ergebe sich zum 65. Lebensjahr eine Rente von monatlich EUR 504,70, bei einem Anpassungssatz von 3,5% eine solche von EUR 625,38. Diese Beträge seien wegen des Anstiegs der Lebenshaltungskosten in ihrer Kaufkraft nicht mit heutigem Einkommen vergleichbar. Dem Schreiben war ein Versicherungsverlauf vom 02. Dezember 2003 beigefügt. Dieser erhielt gespeicherte Daten für Zeiten vom 05. Januar 1966 bis 21. September 1990 und auf Seite 3 den Vermerk: "Die Zeiten bis zum 31.12.1988 sind bereits verbindlich festgestellt worden".

Mit Schreiben vom 11. Juli 2005 übersandte die Beklagte dem Kläger eine Rentenauskunft. Dieses Schreiben enthielt in der Überschrift den Zusatz "kein Rentenbescheid". Die Altersrente nach Vollendung des 65. Lebensjahres würde EUR 406,72 monatlich betragen, wenn der Berechnung ausschließlich die bisher gespeicherten rentenrechtlichen Zeiten sowie der derzeit maßgebende aktuelle Rentenwert zugrunde gelegt werde. Der Kläger könne davon ausgehen, dass die errechnete Altersrente in Höhe von EUR 406,72 aufgrund künftiger Rentenanpassungen tatsächlich höher ausfallen werde. Betrage der jährliche Anpassungssatz 1,5%, so ergebe sich eine monatliche Rente von etwa EUR 460,00. Bei einem jährlichen Anpassungssatz von 2,5% ergebe sich eine monatliche Rente von EUR 500,00. Auf Seite 3 enthielt das Schreiben nach der Erläuterung, dass die Rentenanwartschaft nach den aktuellen Bestimmungen errechnet worden sei, den Vermerk "Die Rentenauskunft ist deshalb nicht rechtsverbindlich". Dem Schreiben war ein Versicherungsverlauf als "Anlage zum Bescheid vom 11.07.2005" beigefügt. Der Versicherungsverlauf enthielt bezüglich der gespeicherten Daten keine Änderungen gegenüber dem Versicherungsverlauf, der der Renteninformation vom 02. Dezember 2003 beilag. Er enthielt allerdings den Zusatz, die Zeiten bis zum 31. Dezember 1998 seien verbindlich festgestellt.

Mit Schreiben vom 28. Juli 2005 legte der Kläger ausdrücklich "gegen den Bescheid vom 11.07.2005 Widerspruch" ein. Mit Schreiben vom 02. Dezember 2003 habe man ihm mitgeteilt, der voraussichtliche Rentenbetrag liege bei EUR 428,45, jetzt werde dieser Betrag nur noch mit EUR 406,72 angegeben. An seinen Daten habe sich nichts geändert. Es bestehe daher kein Anlass zur behördlichen "Arbeitsbeschaffungs-Aktivität".

Mit Schreiben vom 02. August 2005 wies die Beklagte den Kläger darauf hin, dass die Rentenauskunft keinen Verwaltungsakt darstelle, der mit dem Rechtsbehelf des Widerspruchs oder einer Klage abgefochten werden könne. Die Rentenauskunft beinhalte lediglich die Rentenhöhe, die sich aus den der Rentenberechnung zugrunde liegenden rechtserheblichen Zeiten zurzeit ergebe. Sie sei nicht verbindlich. Hierauf äußerte der Kläger, er habe nicht um Auskunft gebeten. Nicht verbindliche Tätigkeiten öffentlicher Verwaltungen dokumentierten deren Entbehrlichkeit. Der Bescheid vom 11. Juli 2005 habe auch eine Rechtsbehelfsbelehrung enthalten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 15. November 2005 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Ein Widerspruch sei nur gegen den ihm am 11. Juli 2005 erteilten Versicherungsverlauf zulässig. Hiergegen habe er keine Einwände erhoben. Eine Renteninformation sei kein Verwaltungsakt. Sie könne deshalb nicht mit dem Widerspruch angefochten werden. Sie solle lediglich Auskunft über die Höhe der bisherigen Rentenanwartschaften und eine Prognose über die zu erwartende Altersrente geben. Eine verbindliche Entscheidung über die Berechnung der Rente werde erst bei der Rentenbewilligung im Leistungsfall getroffen. Der Widerspruch gegen die Rentenauskunft bzw. die Renteninformation sei deshalb unzulässig.

Der Kläger erhob am 19. Dezember 2005 Klage beim Sozialgericht Freiburg und machte geltend, sein Widerspruch sei zur Mitteilung/dem Bescheid der Beklagten vom 11. Juli 2005 unter Einschluss sämtlicher Anlagen eingelegt worden. Die Beklagte versuche Rechtsmittel zu verhindern, indem sie mit einer nicht rechtsmittelfähigen Mitteilung einen rechtsmittelfähigen Verwaltungsakt versende.

Die Beklagte hielt an ihrer Auffassung fest.

Durch Gerichtsbescheid vom 30. Mai 2006 wies das Sozialgericht die Klage ab. Die Rentenauskunft vom 11. Juli 2005 stelle, soweit sie die zu erwartende Rente und die Auskunft dazu betreffe, keinen Bescheid mit eigenständigem Regelungscharakter, sondern eine unverbindliche Prognose dar. Diese stelle keinen verbindlichen Bescheid dar, der den Kläger in seinen Rechten gegenwärtig verletzen könne. Der beigelegte Versicherungsverlauf stelle zwar einen mit einem Widerspruch anfechtbaren Bescheid dar, da er gegenüber dem Versicherten Bindungswirkung entfalten könne. Hinsichtlich des Inhalts des Versicherungsverlaufes habe der Kläger jedoch keine Einwendungen erhoben. Es sei daher davon auszugehen, dass die Beklagte die gemeldeten Zeiten richtig und vollständig erfasst habe. Der Kläger sei auch nicht dadurch in seinen Rechten verletzt, dass die Beklagte ihm diese Auskunft überhaupt erteilt habe. Die Beklagte sei nach § 149 Abs. 3 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) zu einer solchen Auskunft verpflichtet. Die bereits erteilte Rentenauskunft sei durch die gesetzliche Ermächtigung gedeckt und nicht allein deshalb rechtswidrig, weil der Kläger bei der Beklagten nicht um deren Erteilung nachgesucht habe.

Gegen den am 02. Juni 2006 als Übergabe-Einschreiben (ohne Rückschein) zur Post gegebenen Gerichtsbescheid hat der Kläger am 07. Juli 2006 Berufung beim Sozialgericht Freiburg eingelegt. Das Sozialgericht hat das Berufungsschreiben am 14. Juli 2006 dem Landessozialgericht vorgelegt. Der Kläger führt aus, er begehre nicht die Aufhebung einer Rentenauskunft mit dem Versicherungsverlauf der Beklagten. Er begehre vielmehr die Aufhebung des seines Erachtens nach grob rechtswidrigen Widerspruchsbescheids der Beklagten vom 15. November 2005, da dieser seinen Widerspruch wegen Unzulässigkeit abgewiesen habe. Er wende sich vor allem dagegen, dass ihm Auskünfte über die zu erwartende Rentenhöhe zugesandt würden und diese Auskünfte dann andererseits keine rechtliche Bindung haben sollen. Er möchte festgestellt haben, dass die zweite Auskunft mit einer Rentenhöhe von ca. EUR 406,00 derartig stark von der ersten Auskunft abweiche, dass diese nicht rechtens sein könne.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 30. Mai 2006 und den Bescheid der Beklagten vom 11. Juli 2005 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 15. November 2005 aufzuheben, festzustellen, dass die Rentenauskunft vom 11. Juli 2005 rechtswidrig ist und die Beklagte zu verpflichten, es zukünftig zu unterlassen, ihm Rentenauskünfte zu übersenden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung abzuweisen.

Sie bezieht sich auf ihre bisherigen Ausführungen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten, die Akten des Sozialgerichts und die Berufungsakten Bezug genommen.

In der nichtöffentlichen Verhandlung vom 02. Februar 2007 haben die Beteiligten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143, 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 SGG entscheidet, ist zulässig, aber nicht begründet.

1. Der Kläger wendet sich gegen die ihm von der Beklagten erteilte Rentenauskunft vom 11. Juli 2005, jedenfalls insoweit als die Beklagte sie als unverbindlich bezeichnet. Das Sozialgericht hat die Klage hiergegen zu Recht abgewiesen.

Eine Anfechtungsklage setzt nach § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG voraus, dass ein Verwaltungsakt, dessen Aufhebung begehrt wird, ergangen ist. Streitgegenstand der Anfechtungsklage ist dann gemäß § 95 SGG der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat. Ein Verwaltungsakt setzt seinerseits voraus, dass eine Regelung durch die Behörde erfolgt. Eine solche Regelung enthält die Rentenauskunft der Beklagten vom 11. Juli 2005 insoweit, als in dem der Rentenauskunft beigefügten Versicherungsverlauf rentenrechtliche Zeiten bis 31. Dezember 1998 verbindlich festgestellt werden (§ 149 Abs. 5 Satz 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch - SGB VI -). In diesem Umfang sieht die Beklagte selbst den Erlass eines Bescheides. Sie hat er dazu im Widerspruchsbescheid dargelegt, ein Widerspruch sei nur gegen den erteilten Versicherungsverlauf zulässig. Bezüglich der in dem Versicherungsverlauf festgestellten rentenrechtliche Zeiten erhebt der Kläger keine Einwände.

Im Übrigen enthält die Rentenauskunft vom 11. Juli 2005 keine Regelung, sondern gibt lediglich eine Information über die Höhe der voraussichtlichen Altersrente. Eine Rentenauskunft stellt keine bestimmte Höhe einer späteren Rente fest. Es handelt sich vielmehr um einen Schätzwert bezüglich der Höhe der späteren Altersrente. Über die Anrechnung und Bewertung der im Versicherungsverlauf enthaltenen Daten wird gemäß § 149 Abs. 5 Satz 3 SGB VI (in der Fassung des Gesetz vom 23. Dezember 2002 - BGBl I, S. 4621 -, in Kraft ab 01. April 2003) erst bei der Feststellung einer Leistung entschieden. Rentenauskünfte im Sinne des §§ 109 SGB VI (in der Fassung des Gesetzes vom 26. Juni 2001 -BGBl. I S. 1310- , in Kraft ab 01. Januar 2004 ) sind für das Rentenversicherungssystem zwingend nicht rechtsverbindlich (BSG, Urteil vom 30. August 2001 - B 4 RA 114/00 R - SozR 3- 2600 § 149 Nr. 6; BSG, Urteil vom 29. Januar 1997 5/4 RA 11/94 -). Insoweit enthält die Rentenauskunft deshalb keine Regelung, die den Kläger belasten könnte. Soweit sich die Klage deshalb gegen den Inhalt der Auskunft wendet, ist der Kläger in Rechten nicht verletzt.

2. Soweit der Kläger im Berufungsverfahren zusätzlich die Feststellung begehrt, die ihm erteilte Rentenauskunft sei unrichtig, da ein zu niedriger Wert angesetzt sei, ist die Feststellungsklage unzulässig. Es fehlt bereits an einem Feststellungsinteresse, das nach § 55 Abs. 1 SGG Voraussetzung einer Feststellungsklage ist. Da die Rentenauskunft - wie oben dargelegt - keinerlei Rechtswirkungen beinhaltet, sondern lediglich eine zu Informationszwecken erteilte Schätzung einer künftig zu erwartenden Rentenhöhe ist, fehlt es an einem berechtigten Interesse des Versicherten an der Feststellung, dass diese Schätzung gegebenenfalls zu hoch oder zu niedrig sei.

3. Soweit der Kläger begehrt, die Beklagte habe es zu unterlassen, ihm rechtlich unverbindliche Rentenauskünfte zuzusenden, hat das Sozialgericht die Klage ebenfalls zu Recht abgewiesen. Es handelt sich insoweit um eine echte Leistungsklage im Sinne einer Unterlassungsklage gemäß § 54 Abs. 5 SGG, die hier, weil sie auf die Unterlassung künftigen Verwaltungshandelns gerichtet ist, als vorbeugende Unterlassungsklage erhoben wurde. Der Kläger hat nach derzeitiger Rechtslage keinen Anspruch darauf, dass es die Beklagte künftig unterlässt, ihm Rentenauskünfte und auch Renteninformationen zu übersenden. Die Berechtigung und gleichzeitig die Verpflichtung der Beklagten, Rentenauskünfte und Renteninformationen zu erteilen, ergibt sich aus § 109 Abs. 1 SGB VI. Danach erhalten Versicherte, die das 27. Lebensjahr vollendet haben, jährlich eine schriftliche Renteninformation. Nach Vollendung des 54. Lebensjahres wird diese alle drei Jahre durch eine Rentenauskunft ersetzt. Besteht ein berechtigtes Interesse, kann die Rentenauskunft auch jüngeren Versicherten erteilt werden oder in kürzeren Abständen erfolgen. Hieraus ergibt sich die Verpflichtung der Beklagten, Renteninformationen nach näherer Maßgabe des § 109 Abs. 2 bis 5 SGB VI zu versenden.

Keiner Erörterung bedarf die Frage, ob sich an der Berechtigung der Beklagten zur Versendung von Renteninformationen und Rentenauskünften etwas ändern würde, wenn der Kläger ausdrücklich auf die Zusendung weiterer Renteninformationen verzichten würde. Dies hat der Kläger definitiv nicht getan. In der mündlichen nichtöffentlichen Sitzung hat er ein entsprechendes Angebot der Beklagten ausdrücklich abgelehnt.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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