Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 5 KR 2778/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 5548/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 29. November 2005 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten
Tatbestand:
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Beklagte der Klägerin Kosten für "Olibanum Boswellia carterii" (Olibanum-Kapseln nach Dr. C. Fernando; im Folgenden Olibanum-Kapseln) zu erstatten und ihr diese Kapseln künftig zur Verfügung zu stellen hat.
Die am 1947 geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert. Bei ihr wurde im Juli 1999 ein fibrilläres Astrozytom WHO-Grad 2 (Hirntumor) festgestellt. Nach dem Attest des die Klägerin hausärztlich behandelnden Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. H. vom 23. März 2006 wurde zunächst eine Anfallsprophylaxe mit Zentropil durchgeführt, ferner kernspintomographische Kontrollen und krankengymnastische Behandlungen. Im September 2000 stellte sich die Klägerin in der L.-Klinik (Onkologische Spezialklinik) in A. in der Schweiz vor. Dort wurde eine begleitende homöopathische Therapie begonnen. Seitdem verordnete Dr. H. der Klägerin auf Privatrezepten die Olibanum-Kapseln, die die Klägerin jeweils bei der Stadt-Apotheke Kraichtal-Gochsheim (Apotheker Dr. rer. nat. R. C. Fernando) bezog. Zunächst bezahlte die Klägerin diese Kapseln selbst. Zu einem der Beklagten eingereichten Attest vom 10. Februar 2004 wegen Kostenübernahme hinsichtlich der Olibanum-Kapseln wies Dr. H. ergänzend in dem weiteren Attest vom 17. Juni 2004 darauf hin, dass bei der Klägerin im Rahmen der medikamentösen Therapie mit den Olibanum-Kapseln ein Stillstand des Tumorleidens erreicht worden sei. Für die Behandlung der Krankheitssymptome gebe es aufgrund der erheblichen Unverträglichkeiten/Nebenwirkungen und der damit verbundenen Verschlechterung der Lebensqualität kein Alternativ-Präparat aus der Schulmedizin. Aus diesem Grund sei das von der Klägerin benötigte Olibanum-Präparat das einzige für die Therapie in Frage kommende Mittel. Die Beklagte erhob daraufhin eine Stellungnahme des Dr. M. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) in F., der am 19. August 2004 ausführte, es handle sich bei den Kapseln um eine Rezepturarznei aus Weihrauchharz. In Deutschland gebe es keine zugelassenen Arzneimittel mit dem Inhaltsstoff des Harzes aus dem Weihrauchbaum. Alle Wirkstoffe, die der Verschreibungspflicht unterlägen, seien in der Anlage zu den Arzneimittelrichtlinien (AMR) und im Betäubungsmittelgesetz aufgeführt. Weihrauchharz sei dort nicht erwähnt. Es handle sich damit um ein nicht verschreibungspflichtiges Arzneimittel. Ein Ausnahmetatbestand liege nicht vor. Alternativ sei auf die kausale Therapie mittels einer Radiatio hinzuweisen bzw. auf die symptomatische Therapie eines begleitenden Hirnödems mit Kortikoiden. Für die Wirksamkeit von Weihrauchpräparaten ergebe sich bei der Diagnose der Klägerin kein Wirksamkeitsnachweis, welcher den Kriterien der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) im Sinne kontrollierter randomisierter Phase-III-Studien mit Nachweis eines Therapiebenefits genüge. Mit Schreiben vom 23. August 2004 teilte die Beklagte der Klägerin daraufhin mit, dass eine Kostenübernahme für die Olibanum-Kapseln nicht in Betracht komme. Dagegen wandte sich die Klägerin unter Vorlage eines weiteren Attests des Dr. H. vom 22. September 2004 und einer Abhandlung über "Olibanum (Weihrauch) Kapseln nach Dr. Fernando". Sie machte geltend, für die Olibanum-Kapseln spreche zum einen deren medizinische Wirksamkeit. Die monatlichen Kosten dafür beliefen sich auf ungefähr 50, EUR. Eine Behandlung mit Kortikoiden wäre mit erheblichen Nebenwirkungen verbunden, wobei diese Behandlung bei ihr auch erfolglos geblieben sei. Im Übrigen gingen die Kosten für eine eintägige stationäre Behandlung über diejenigen Kosten hinaus, die jährlich für Olibanum-Kapseln anfallen würden. Insoweit liege die Kostenübernahme hier auch im Interesse der gesamten Versichertengemeinschaft. Mit Bescheid vom 15. Oktober 2004 bestätigte die Beklagte gegenüber der Klägerin ihre Ablehnung hinsichtlich der Kostenübernahme für die Olibanum-Kapseln. Dagegen legte die Klägerin Widerspruch ein; nach einem weiteren Hinweisschreiben an die Klägerin vom 12. November 2004 wies der bei der Beklagten gebildete Widerspruchsausschuss II den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 21. Juni 2005 zurück.
Deswegen erhob die Klägerin am 08. Juli 2005 Klage beim Sozialgericht (SG) Freiburg. Sie verwies auf ihr bisheriges Vorbringen, dass im Rahmen der medikamentösen Therapie mit den Olibanum-Kapseln ein Stillstand des Tumorleidens erreicht worden sei, dass nennenswerte Nebenwirkungen nicht eingetreten seien und dass die durchgeführte Behandlung im Interesse der Versichertengemeinschaft kostengünstiger sei als eine Behandlung mit Kortikoiden im Rahmen einer stationären Therapie. Die Klägerin reichte privatärztliche Rezepte des Dr. H. mit entsprechenden Quittungsvermerken der oben genannten Apotheke über den Bezug der Olibanum-Kapseln in der Zeit vom 02. April 2004 bis 14. Juni 2005 über insgesamt 2.860,- EUR ein. Dieser Betrag sei zu erstatten und die Beklagte sei zu verpflichten, ihr auch künftig Olibanum-Kapseln zur Verfügung zu stellen. Die Beklagte trat der Klage unter Vorlage ihrer Verwaltungsakten entgegen. Sie nahm auf die angegriffenen Bescheide Bezug. Mit Gerichtsbescheid vom 29. November 2005, der den Prozessbevollmächtigten der Klägerin gegen Empfangsbekenntnis am 05. Dezember 2005 zugestellt wurde, wies das SG die Klage ab. Bei den Olibanum-Kapseln handele es sich um ein nicht verschreibungspflichtiges Arzneimittel. Die Inanspruchnahme zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung werde auch durch die AMR nicht gerechtfertigt. Olibanum werde im Abschnitt F. 16.4 der AMR nicht als verordnungsfähiges Präparat aufgeführt. Eine Verordnung der Olibanum-Kapseln käme lediglich als Arzneimittel der Homöopathie in Betracht. Dem stehe jedoch die Verordnung über unwirtschaftliche Arzneimittel in der gesetzlichen Krankenversicherung entgegen. Insoweit werde in der Anlage II zu § 3 der entsprechenden Verordnung als Arzneimittel der besonderen Therapierichtung Homöopathie, das unwirtschaftlich sei, ausdrücklich Olibanum genannt. Damit komme eine Verordnung dieses Präparats zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen auch nicht über Abschnitt F. 16.5 der AMR in Betracht.
Dagegen hat die Klägerin am 28. Dezember 2005 schriftlich Berufung beim Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Mit Schriftsatz vom 06. April 2006 hat die Klägerin die Klage hinsichtlich des Betrags von 875,- EUR für vor dem 27. August 2004 angefallene Kosten zurückgenommen und weitere bis 15. Dezember 2005 entstandene Kosten für Olibanum-Kapseln mit 1.200,- EUR beziffert. Sie trägt vor, der Erstattungsanspruch bestehe für die Kosten der nach dem 27. August 2004 beschafften Kapseln. Das SG habe die inzwischen ergangene Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 06. Dezember 2005 (1 BvR 347/98), auf die sie sich jetzt stütze, noch nicht berücksichtigen können. Das BVerfG habe entschieden, dass es mit Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) in Verbindung mit dem grundgesetzlichen Sozialstaatprinzip nicht vereinbar sei, den Einzelnen zum einen unter den Voraussetzungen des § 5 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V) einer Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung zu unterwerfen und für seine an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ausgerichteten Beiträge die notwendige Krankheitsbehandlung gesetzlich zuzusagen, ihn andererseits aber dann, wenn er an einer lebensbedrohlichen oder sogar regelmäßig tödlich verlaufenden Krankheit leide, für die schulmedizinische Behandlungsmethoden nicht vorlägen, von der Leistung einer bestimmten Behandlungsmethode durch die Krankenkasse auszuschließen und auf die Finanzierung der Behandlung außerhalb dieses Systems zu verweisen. Insoweit sei den Sozialgerichten die Verpflichtung aufgegeben, in derartigen Fällen gegebenenfalls mit sachverständiger Hilfe zu prüfen, ob es für die vom behandelnden Arzt nach gewissenhafter fachlicher Einschätzung vorgenommene Behandlung ernsthafte Hinweise auf einen nicht ganz entfernt liegenden Erfolg der Heilung oder auch nur auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf im konkreten Einzelfall gebe. Dies sei bei ihr der Fall. Andere schulmedizinische Behandlungsalternativen existierten nicht bzw. seien mit derart erheblichen körperlichen Beeinträchtigungen verbunden, dass sie unzumutbar wären. Demgegenüber habe die Behandlung mit Olibanum-Kapseln gemäß dem vorgelegten Attest des Dr. H. eine Heilung bewirkt, jedenfalls eine spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf gehabt, wobei die Behandlung bereits länger andauere. Damit erlaube diese Behandlung auch Folgerungen für ihre Wirksamkeit. Der fachärztlichen Einschätzung der Wirksamkeit der Methode im konkreten Einzelfall durch die behandelnde Ärzte komme entscheidende Bedeutung zu. Damit sei ihr Anspruch begründet, da sonst verfassungsrechtliche Prinzipien verletzt wären. Die Klägerin hat weitere privatärztliche Verordnungen über Olibanum-Kapseln mit entsprechenden Apothekenquittungen vom 14. Juni, 17. Oktober, 06. und 15. Dezember 2005, ärztliche Atteste des Dr. H. vom 23. März 2006 und 11. Januar 2007 sowie eine Bescheinigung der L.-Klinik (Dr. S.) vom 05. April 2004 eingereicht. Insoweit stehe fest, dass durch die Olibanum-Kapseln bei ihr ein Therapieerfolg erreicht worden sei. Die von Dr. H. in Zusammenarbeit mit der L.-Klinik durchgeführte Therapie habe keine schwerwiegenden Nebenwirkungen zur Folge gehabt, die bei schulmedizinischer Behandlung aufgetreten wären.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 29. November 2005 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 23. August 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Juni 2005 zu verurteilen, ihr für Olibanum-Kapseln 3.185,- EUR zu erstatten und ihr diese Kapseln künftig zur Verfügung zu stellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angegriffenen Gerichtsbescheid und die streitbefangenen Bescheide für zutreffend. Auch aus dem Hinweis auf den Beschluss des BVerfG ergebe sich keine andere Beurteilung, denn es liege hier nicht der Fall vor, dass keine schulmedizinischen Behandlungsalternativen zur Verfügung gestanden hätten.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat nach § 124 Abs. 2 SGG mit dem Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist statthaft und zulässig, jedoch nicht begründet.
Die Klägerin hat keinen nach § 13 Abs. 3 SGB V zu beurteilenden Anspruch auf Erstattung der Kosten in Höhe von EUR 3.185,- für nach dem 27. August 2004 bis zuletzt am 15. Dezember 2005 beschaffte Olibanum-Kapseln, weil die Beklagte ihr diese Kapseln nicht als Sachleistung zur Verfügung zu stellen hatte, weshalb auch ein Anspruch zu verneinen ist, der Klägerin diese Kapseln als Sachleistung künftig zu gewähren. Deshalb ist der Bescheid der Beklagten vom 23. August 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Juni 2005 rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Dies hat das SG zu Recht entschieden, weshalb der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden Gründe des angegriffenen Urteils Bezug nimmt.
Ergänzend ist noch Folgendes auszuführen: Auch der Senat vermag nicht festzustellen, dass es sich bei den Olibanum-Kapseln um ein in Deutschland zugelassenes Arzneimittel handelt. Dieses Arzneimittel hat auch weder das zentrale noch das dezentrale europarechtliche Anerkennungsverfahren (vgl. dazu Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 18. Mai 2004 - B 1 KR 21/02 R) durchlaufen, zumal Dr. H. im Attest vom 23. März 2006 darauf hingewiesen hat, dass nach seinen Recherchen eine Arzneimittelzulassung in der Europäischen Union nicht vorliege.
Ein Sachleistungsanspruch, der Klägerin die Olibanum-Kapseln zur Verfügung zu stellen, ergibt sich auch nicht entsprechend des von ihr angeführten Beschlusses des BVerfG vom 06. Dezember 2005 - 1 BvR 347/98 - = SozR 4-2500 § 27 Nr. 5), selbst wenn diese Entscheidung im Wege weitergehender verfassungskonformer Auslegung auch auf den Arzneimittelbereich im Rahmen des § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB V, wonach die Krankenhausbehandlung auch die Versorgung mit Arzneimitteln umfasst, und des § 31 SGB V anwendbar ist (vgl. BSG, Urteil vom 04. April 2006 - B 1 KR 7/05 R - und vom 26. September 2006 - B 1 KR 14/06 R). Danach müssen folgende Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein, um auch bei nicht zugelassenen Arzneimitteln einen Sachleistungsanspruch gegen die Krankenkasse begründen zu können: Es liegt eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung vor (1.). Bezüglich dieser Krankheit steht eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung (2.). Bezüglich der beim Versicherten ärztlich angeordneten (neuen, nicht allgemein anerkannten) Behandlungsmethode besteht eine "auf Indizien gestützte" nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf (3.). Nur bei Vorliegen dieser Voraussetzungen erschienen die Behandlungen der Klägerin in der Zeit nach dem 27. August 2004 mit den von dem Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. H. verordneten Kapseln als notwendig im Sinne des § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V.
Der Senat lässt dahingestellt, ob bei der Klägerin nach dem 27. August 2004 hinsichtlich des sich größenmäßig ersichtlich seit Juli 1999 nicht weiterentwickelten Hirntumors, bei dem seit September 2000 die Behandlung mit den Kapseln durchgeführt wird, noch eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Krankheit vorliegt. Insoweit wird eine Krankheit verlangt, die in absehbarer Zeit zum Verlust des Lebens oder eines wichtigen Organs führt (vgl. BSG, Urteil vom 04. April 2006 - B 1 KR 7/05 R - und zuletzt vom 14. Dezember 2006 - B 1 KR 12/06 R). Jedenfalls vermag der Senat nicht festzustellen, dass im August 2004 keine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung eines (nicht wachsenden) Hirntumors zur Verfügung stand. Dem Gutachten des Dr. M. vom 19. August 2004 entnimmt der Senat, dass als kausale Therapie eine Radiatio bzw. als symptomatische Therapie eine solche mit Kortikoiden in Betracht gekommen wäre. Insoweit weist auch Dr. H. darauf hin, er gehe davon aus, dass seitens der Neurologischen Abteilung der Universitätsklinik Freiburg die üblichen schulmedizinischen Behandlungsoptionen zur Verfügung gestanden hätten; insoweit weist er bei einer Größenzunahme des Tumors auf eine Kombination aus chirurgischen und strahlentherapeutischen Maßnahmen hin (vgl. Atteste vom 23. März 2006 und 11. Januar 2007). Soweit Dr. H. hinsichtlich der kausalen und symptomatischen Therapieoptionen, nämlich der Behandlung mit Kortikoiden und der Bestrahlung, allgemein von den "nebenwirkungsreichsten und den Organismus belastendsten Verfahren" spricht (vgl. Attest vom 22. September 2004), ergibt sich nicht, dass solche Therapien speziell bei der Klägerin wegen des Bestehens gravierender gesundheitlicher Risiken nicht hätten angewandt werden können. Es lässt sich auch nicht feststellen, dass solche kausalen bzw. symptomatischen Therapien bei der Klägerin überhaupt zur Anwendung gekommen sind.
Ferner vermag der Senat vor allem nicht festzustellen, dass im Hinblick auf die Anwendung der Olibanum-Kapseln, die Dr. H. der Klägerin auch nach dem 27. August 2004 verordnet hat, eine nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Die erforderliche abstrakte und konkret auf die Versicherte bezogene Nutzen-Risiko-Analyse fällt unter Beachtung des gebotenen Wahrscheinlichkeitsmaßstabs hier nicht positiv aus. Der Wahrscheinlichkeitsmaßstab, der zu verlangen ist, um davon ausgehen zu dürfen, dass die behaupteten Behandlungserfolge mit hinreichender Sicherheit dem Einsatz gerade der streitigen Behandlung zugerechnet werden können und das einzugehende Risiko vertretbar ist, unterliegt Abstufungen je nach der Schwere und dem Stadium der Erkrankung. Dabei sind Differenzierungen im Sinne der Geltung abgestufter Evidenzgrade nach dem Grundsatz vorzunehmen "je schwerwiegender die Erkrankung und hoffnungsloser die Situation, desto geringere Anforderungen an die ernsthaften Hinweise auf einen nicht ganz entfernt liegenden Behandlungserfolg". Speziell bei der Arzneimittelversorgung müssen die vorhandenen Erkenntnisse abstrakt die Annahme rechtfertigen, dass der mit der geplanten Arzneimitteltherapie angestrebte Erfolg erreicht werden kann und zwar in dem Sinne, dass die Anwendung des Arzneimittels - unter Berücksichtigung von Spontanheilung und wirkungsunabhängigen Effekten - eher zu einem therapeutischen Erfolg führt als seine Nichtanwendung. Eine positive Auswirkung auf den Krankheitsverlauf ist zu bejahen, wenn mindestens das Fortschreiten der Krankheit aufgehalten oder Komplikationen verhindert werden. Fehlen theoretisch-wissenschaftliche Erklärungsmuster, kann im Einzelfall bei vertretbaren Risiken auch die bloße ärztliche Erfahrung für die Annahme eines Behandlungserfolgs entscheidend sein, wenn sich diese Erkenntnisse durch andere Ärzte in ähnlicher Weise wiederholen lassen (vgl. dazu BSG, Urteil vom 04. April 2006, a.a.O.). Diese Voraussetzungen liegen hier jedoch nicht vor. Denn Dr. H. hat im Attest vom 23. März 2006 ausgeführt, es bleibe letztendlich hypothetisch, ob die zu verzeichnende Größenkonstanz auf die Annahme der Olibanum-Kapseln zurückzuführen sei. Er weist lediglich auf die Tatsache hin, dass die Klägerin die Kapseln nunmehr seit zehn Jahren konsequent zu sich nehme und dass der klinische Verlauf selbst für Facharztkollegen erstaunlich positiv zu sehen sei. Auch im weiteren Attest vom 11. Januar 2007 hat er bestätigt, dass es letztlich nur um die Einzelfallbeobachtung der Klägerin gehe und der Therapieerfolg bei ihr hypothetisch bleibe, da niemand wissen könne, wie der Krankheitsverlauf ohne Einnahme der Kapseln verlaufen wäre. Auch ohne Einnahme anderer schulmedizinischer Präparate sei der Zustand bei der Klägerin erfreulich konstant. Diese lediglich auf den Einzelfall bezogenen Feststellungen ergeben hier nicht, dass die behaupteten Behandlungserfolge mit hinreichender Sicherheit auf den Einsatz der Olibanum-Kapseln bezogen werden können.
Dies ergibt sich auch nicht aus der vorgelegten Bescheinigung der L.-Klinik vom 05. April 2004, worin bestätigt wird, dass für die Behandlung des Astozytoms die Einnahme von Olibanum nach Dr. Fernando notwendig sei. Dabei berücksichtigt der Senat auch, dass in der von der Klägerin vorgelegten Veröffentlichung über "Olibanum (Weihrauch) Kapseln nach Dr. Fernando" darauf hingewiesen wird, dass die Behandlung von Patienten mit Olibanum als komplementär therapeutischer Ansatz verstanden werden solle und als Ergänzungstherapie nicht den Anspruch erhebe, Basistherapeutika zu ersetzen. Ersichtlich ist bei der Klägerin jedoch seit 2000 Olibanum nicht als Ergänzungstherapie eingesetzt worden.
Darauf, dass hier im Übrigen die Arzneimittel-Therapie mit den Olibanum-Kapseln, die Dr. H. als Arzt für Allgemeinmedizin verordnet hat, möglicherweise nicht nach den Regeln der ärztlichen Kunst durch einen erfahrenen Onkologen durchgeführt und dokumentiert ist (vgl. dazu BSG, a.a.O. Rdnrn. 49 ff.; zur unbedingt notwendigen Führung und Überwachung der Patienten durch einen Therapeuten vgl. auch die von der Klägerin erwähnte Veröffentlichung), kommt es nicht an.
Danach besteht ein Sachleistungsanspruch und dementsprechend auch ein Kostenerstattungsanspruch nicht.
Die Berufung der Klägerin war zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Revisionszulassung liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten
Tatbestand:
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Beklagte der Klägerin Kosten für "Olibanum Boswellia carterii" (Olibanum-Kapseln nach Dr. C. Fernando; im Folgenden Olibanum-Kapseln) zu erstatten und ihr diese Kapseln künftig zur Verfügung zu stellen hat.
Die am 1947 geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert. Bei ihr wurde im Juli 1999 ein fibrilläres Astrozytom WHO-Grad 2 (Hirntumor) festgestellt. Nach dem Attest des die Klägerin hausärztlich behandelnden Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. H. vom 23. März 2006 wurde zunächst eine Anfallsprophylaxe mit Zentropil durchgeführt, ferner kernspintomographische Kontrollen und krankengymnastische Behandlungen. Im September 2000 stellte sich die Klägerin in der L.-Klinik (Onkologische Spezialklinik) in A. in der Schweiz vor. Dort wurde eine begleitende homöopathische Therapie begonnen. Seitdem verordnete Dr. H. der Klägerin auf Privatrezepten die Olibanum-Kapseln, die die Klägerin jeweils bei der Stadt-Apotheke Kraichtal-Gochsheim (Apotheker Dr. rer. nat. R. C. Fernando) bezog. Zunächst bezahlte die Klägerin diese Kapseln selbst. Zu einem der Beklagten eingereichten Attest vom 10. Februar 2004 wegen Kostenübernahme hinsichtlich der Olibanum-Kapseln wies Dr. H. ergänzend in dem weiteren Attest vom 17. Juni 2004 darauf hin, dass bei der Klägerin im Rahmen der medikamentösen Therapie mit den Olibanum-Kapseln ein Stillstand des Tumorleidens erreicht worden sei. Für die Behandlung der Krankheitssymptome gebe es aufgrund der erheblichen Unverträglichkeiten/Nebenwirkungen und der damit verbundenen Verschlechterung der Lebensqualität kein Alternativ-Präparat aus der Schulmedizin. Aus diesem Grund sei das von der Klägerin benötigte Olibanum-Präparat das einzige für die Therapie in Frage kommende Mittel. Die Beklagte erhob daraufhin eine Stellungnahme des Dr. M. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) in F., der am 19. August 2004 ausführte, es handle sich bei den Kapseln um eine Rezepturarznei aus Weihrauchharz. In Deutschland gebe es keine zugelassenen Arzneimittel mit dem Inhaltsstoff des Harzes aus dem Weihrauchbaum. Alle Wirkstoffe, die der Verschreibungspflicht unterlägen, seien in der Anlage zu den Arzneimittelrichtlinien (AMR) und im Betäubungsmittelgesetz aufgeführt. Weihrauchharz sei dort nicht erwähnt. Es handle sich damit um ein nicht verschreibungspflichtiges Arzneimittel. Ein Ausnahmetatbestand liege nicht vor. Alternativ sei auf die kausale Therapie mittels einer Radiatio hinzuweisen bzw. auf die symptomatische Therapie eines begleitenden Hirnödems mit Kortikoiden. Für die Wirksamkeit von Weihrauchpräparaten ergebe sich bei der Diagnose der Klägerin kein Wirksamkeitsnachweis, welcher den Kriterien der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) im Sinne kontrollierter randomisierter Phase-III-Studien mit Nachweis eines Therapiebenefits genüge. Mit Schreiben vom 23. August 2004 teilte die Beklagte der Klägerin daraufhin mit, dass eine Kostenübernahme für die Olibanum-Kapseln nicht in Betracht komme. Dagegen wandte sich die Klägerin unter Vorlage eines weiteren Attests des Dr. H. vom 22. September 2004 und einer Abhandlung über "Olibanum (Weihrauch) Kapseln nach Dr. Fernando". Sie machte geltend, für die Olibanum-Kapseln spreche zum einen deren medizinische Wirksamkeit. Die monatlichen Kosten dafür beliefen sich auf ungefähr 50, EUR. Eine Behandlung mit Kortikoiden wäre mit erheblichen Nebenwirkungen verbunden, wobei diese Behandlung bei ihr auch erfolglos geblieben sei. Im Übrigen gingen die Kosten für eine eintägige stationäre Behandlung über diejenigen Kosten hinaus, die jährlich für Olibanum-Kapseln anfallen würden. Insoweit liege die Kostenübernahme hier auch im Interesse der gesamten Versichertengemeinschaft. Mit Bescheid vom 15. Oktober 2004 bestätigte die Beklagte gegenüber der Klägerin ihre Ablehnung hinsichtlich der Kostenübernahme für die Olibanum-Kapseln. Dagegen legte die Klägerin Widerspruch ein; nach einem weiteren Hinweisschreiben an die Klägerin vom 12. November 2004 wies der bei der Beklagten gebildete Widerspruchsausschuss II den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 21. Juni 2005 zurück.
Deswegen erhob die Klägerin am 08. Juli 2005 Klage beim Sozialgericht (SG) Freiburg. Sie verwies auf ihr bisheriges Vorbringen, dass im Rahmen der medikamentösen Therapie mit den Olibanum-Kapseln ein Stillstand des Tumorleidens erreicht worden sei, dass nennenswerte Nebenwirkungen nicht eingetreten seien und dass die durchgeführte Behandlung im Interesse der Versichertengemeinschaft kostengünstiger sei als eine Behandlung mit Kortikoiden im Rahmen einer stationären Therapie. Die Klägerin reichte privatärztliche Rezepte des Dr. H. mit entsprechenden Quittungsvermerken der oben genannten Apotheke über den Bezug der Olibanum-Kapseln in der Zeit vom 02. April 2004 bis 14. Juni 2005 über insgesamt 2.860,- EUR ein. Dieser Betrag sei zu erstatten und die Beklagte sei zu verpflichten, ihr auch künftig Olibanum-Kapseln zur Verfügung zu stellen. Die Beklagte trat der Klage unter Vorlage ihrer Verwaltungsakten entgegen. Sie nahm auf die angegriffenen Bescheide Bezug. Mit Gerichtsbescheid vom 29. November 2005, der den Prozessbevollmächtigten der Klägerin gegen Empfangsbekenntnis am 05. Dezember 2005 zugestellt wurde, wies das SG die Klage ab. Bei den Olibanum-Kapseln handele es sich um ein nicht verschreibungspflichtiges Arzneimittel. Die Inanspruchnahme zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung werde auch durch die AMR nicht gerechtfertigt. Olibanum werde im Abschnitt F. 16.4 der AMR nicht als verordnungsfähiges Präparat aufgeführt. Eine Verordnung der Olibanum-Kapseln käme lediglich als Arzneimittel der Homöopathie in Betracht. Dem stehe jedoch die Verordnung über unwirtschaftliche Arzneimittel in der gesetzlichen Krankenversicherung entgegen. Insoweit werde in der Anlage II zu § 3 der entsprechenden Verordnung als Arzneimittel der besonderen Therapierichtung Homöopathie, das unwirtschaftlich sei, ausdrücklich Olibanum genannt. Damit komme eine Verordnung dieses Präparats zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen auch nicht über Abschnitt F. 16.5 der AMR in Betracht.
Dagegen hat die Klägerin am 28. Dezember 2005 schriftlich Berufung beim Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Mit Schriftsatz vom 06. April 2006 hat die Klägerin die Klage hinsichtlich des Betrags von 875,- EUR für vor dem 27. August 2004 angefallene Kosten zurückgenommen und weitere bis 15. Dezember 2005 entstandene Kosten für Olibanum-Kapseln mit 1.200,- EUR beziffert. Sie trägt vor, der Erstattungsanspruch bestehe für die Kosten der nach dem 27. August 2004 beschafften Kapseln. Das SG habe die inzwischen ergangene Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 06. Dezember 2005 (1 BvR 347/98), auf die sie sich jetzt stütze, noch nicht berücksichtigen können. Das BVerfG habe entschieden, dass es mit Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) in Verbindung mit dem grundgesetzlichen Sozialstaatprinzip nicht vereinbar sei, den Einzelnen zum einen unter den Voraussetzungen des § 5 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V) einer Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung zu unterwerfen und für seine an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ausgerichteten Beiträge die notwendige Krankheitsbehandlung gesetzlich zuzusagen, ihn andererseits aber dann, wenn er an einer lebensbedrohlichen oder sogar regelmäßig tödlich verlaufenden Krankheit leide, für die schulmedizinische Behandlungsmethoden nicht vorlägen, von der Leistung einer bestimmten Behandlungsmethode durch die Krankenkasse auszuschließen und auf die Finanzierung der Behandlung außerhalb dieses Systems zu verweisen. Insoweit sei den Sozialgerichten die Verpflichtung aufgegeben, in derartigen Fällen gegebenenfalls mit sachverständiger Hilfe zu prüfen, ob es für die vom behandelnden Arzt nach gewissenhafter fachlicher Einschätzung vorgenommene Behandlung ernsthafte Hinweise auf einen nicht ganz entfernt liegenden Erfolg der Heilung oder auch nur auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf im konkreten Einzelfall gebe. Dies sei bei ihr der Fall. Andere schulmedizinische Behandlungsalternativen existierten nicht bzw. seien mit derart erheblichen körperlichen Beeinträchtigungen verbunden, dass sie unzumutbar wären. Demgegenüber habe die Behandlung mit Olibanum-Kapseln gemäß dem vorgelegten Attest des Dr. H. eine Heilung bewirkt, jedenfalls eine spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf gehabt, wobei die Behandlung bereits länger andauere. Damit erlaube diese Behandlung auch Folgerungen für ihre Wirksamkeit. Der fachärztlichen Einschätzung der Wirksamkeit der Methode im konkreten Einzelfall durch die behandelnde Ärzte komme entscheidende Bedeutung zu. Damit sei ihr Anspruch begründet, da sonst verfassungsrechtliche Prinzipien verletzt wären. Die Klägerin hat weitere privatärztliche Verordnungen über Olibanum-Kapseln mit entsprechenden Apothekenquittungen vom 14. Juni, 17. Oktober, 06. und 15. Dezember 2005, ärztliche Atteste des Dr. H. vom 23. März 2006 und 11. Januar 2007 sowie eine Bescheinigung der L.-Klinik (Dr. S.) vom 05. April 2004 eingereicht. Insoweit stehe fest, dass durch die Olibanum-Kapseln bei ihr ein Therapieerfolg erreicht worden sei. Die von Dr. H. in Zusammenarbeit mit der L.-Klinik durchgeführte Therapie habe keine schwerwiegenden Nebenwirkungen zur Folge gehabt, die bei schulmedizinischer Behandlung aufgetreten wären.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 29. November 2005 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 23. August 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Juni 2005 zu verurteilen, ihr für Olibanum-Kapseln 3.185,- EUR zu erstatten und ihr diese Kapseln künftig zur Verfügung zu stellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angegriffenen Gerichtsbescheid und die streitbefangenen Bescheide für zutreffend. Auch aus dem Hinweis auf den Beschluss des BVerfG ergebe sich keine andere Beurteilung, denn es liege hier nicht der Fall vor, dass keine schulmedizinischen Behandlungsalternativen zur Verfügung gestanden hätten.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat nach § 124 Abs. 2 SGG mit dem Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist statthaft und zulässig, jedoch nicht begründet.
Die Klägerin hat keinen nach § 13 Abs. 3 SGB V zu beurteilenden Anspruch auf Erstattung der Kosten in Höhe von EUR 3.185,- für nach dem 27. August 2004 bis zuletzt am 15. Dezember 2005 beschaffte Olibanum-Kapseln, weil die Beklagte ihr diese Kapseln nicht als Sachleistung zur Verfügung zu stellen hatte, weshalb auch ein Anspruch zu verneinen ist, der Klägerin diese Kapseln als Sachleistung künftig zu gewähren. Deshalb ist der Bescheid der Beklagten vom 23. August 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Juni 2005 rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Dies hat das SG zu Recht entschieden, weshalb der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden Gründe des angegriffenen Urteils Bezug nimmt.
Ergänzend ist noch Folgendes auszuführen: Auch der Senat vermag nicht festzustellen, dass es sich bei den Olibanum-Kapseln um ein in Deutschland zugelassenes Arzneimittel handelt. Dieses Arzneimittel hat auch weder das zentrale noch das dezentrale europarechtliche Anerkennungsverfahren (vgl. dazu Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 18. Mai 2004 - B 1 KR 21/02 R) durchlaufen, zumal Dr. H. im Attest vom 23. März 2006 darauf hingewiesen hat, dass nach seinen Recherchen eine Arzneimittelzulassung in der Europäischen Union nicht vorliege.
Ein Sachleistungsanspruch, der Klägerin die Olibanum-Kapseln zur Verfügung zu stellen, ergibt sich auch nicht entsprechend des von ihr angeführten Beschlusses des BVerfG vom 06. Dezember 2005 - 1 BvR 347/98 - = SozR 4-2500 § 27 Nr. 5), selbst wenn diese Entscheidung im Wege weitergehender verfassungskonformer Auslegung auch auf den Arzneimittelbereich im Rahmen des § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB V, wonach die Krankenhausbehandlung auch die Versorgung mit Arzneimitteln umfasst, und des § 31 SGB V anwendbar ist (vgl. BSG, Urteil vom 04. April 2006 - B 1 KR 7/05 R - und vom 26. September 2006 - B 1 KR 14/06 R). Danach müssen folgende Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein, um auch bei nicht zugelassenen Arzneimitteln einen Sachleistungsanspruch gegen die Krankenkasse begründen zu können: Es liegt eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung vor (1.). Bezüglich dieser Krankheit steht eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung (2.). Bezüglich der beim Versicherten ärztlich angeordneten (neuen, nicht allgemein anerkannten) Behandlungsmethode besteht eine "auf Indizien gestützte" nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf (3.). Nur bei Vorliegen dieser Voraussetzungen erschienen die Behandlungen der Klägerin in der Zeit nach dem 27. August 2004 mit den von dem Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. H. verordneten Kapseln als notwendig im Sinne des § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V.
Der Senat lässt dahingestellt, ob bei der Klägerin nach dem 27. August 2004 hinsichtlich des sich größenmäßig ersichtlich seit Juli 1999 nicht weiterentwickelten Hirntumors, bei dem seit September 2000 die Behandlung mit den Kapseln durchgeführt wird, noch eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Krankheit vorliegt. Insoweit wird eine Krankheit verlangt, die in absehbarer Zeit zum Verlust des Lebens oder eines wichtigen Organs führt (vgl. BSG, Urteil vom 04. April 2006 - B 1 KR 7/05 R - und zuletzt vom 14. Dezember 2006 - B 1 KR 12/06 R). Jedenfalls vermag der Senat nicht festzustellen, dass im August 2004 keine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung eines (nicht wachsenden) Hirntumors zur Verfügung stand. Dem Gutachten des Dr. M. vom 19. August 2004 entnimmt der Senat, dass als kausale Therapie eine Radiatio bzw. als symptomatische Therapie eine solche mit Kortikoiden in Betracht gekommen wäre. Insoweit weist auch Dr. H. darauf hin, er gehe davon aus, dass seitens der Neurologischen Abteilung der Universitätsklinik Freiburg die üblichen schulmedizinischen Behandlungsoptionen zur Verfügung gestanden hätten; insoweit weist er bei einer Größenzunahme des Tumors auf eine Kombination aus chirurgischen und strahlentherapeutischen Maßnahmen hin (vgl. Atteste vom 23. März 2006 und 11. Januar 2007). Soweit Dr. H. hinsichtlich der kausalen und symptomatischen Therapieoptionen, nämlich der Behandlung mit Kortikoiden und der Bestrahlung, allgemein von den "nebenwirkungsreichsten und den Organismus belastendsten Verfahren" spricht (vgl. Attest vom 22. September 2004), ergibt sich nicht, dass solche Therapien speziell bei der Klägerin wegen des Bestehens gravierender gesundheitlicher Risiken nicht hätten angewandt werden können. Es lässt sich auch nicht feststellen, dass solche kausalen bzw. symptomatischen Therapien bei der Klägerin überhaupt zur Anwendung gekommen sind.
Ferner vermag der Senat vor allem nicht festzustellen, dass im Hinblick auf die Anwendung der Olibanum-Kapseln, die Dr. H. der Klägerin auch nach dem 27. August 2004 verordnet hat, eine nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Die erforderliche abstrakte und konkret auf die Versicherte bezogene Nutzen-Risiko-Analyse fällt unter Beachtung des gebotenen Wahrscheinlichkeitsmaßstabs hier nicht positiv aus. Der Wahrscheinlichkeitsmaßstab, der zu verlangen ist, um davon ausgehen zu dürfen, dass die behaupteten Behandlungserfolge mit hinreichender Sicherheit dem Einsatz gerade der streitigen Behandlung zugerechnet werden können und das einzugehende Risiko vertretbar ist, unterliegt Abstufungen je nach der Schwere und dem Stadium der Erkrankung. Dabei sind Differenzierungen im Sinne der Geltung abgestufter Evidenzgrade nach dem Grundsatz vorzunehmen "je schwerwiegender die Erkrankung und hoffnungsloser die Situation, desto geringere Anforderungen an die ernsthaften Hinweise auf einen nicht ganz entfernt liegenden Behandlungserfolg". Speziell bei der Arzneimittelversorgung müssen die vorhandenen Erkenntnisse abstrakt die Annahme rechtfertigen, dass der mit der geplanten Arzneimitteltherapie angestrebte Erfolg erreicht werden kann und zwar in dem Sinne, dass die Anwendung des Arzneimittels - unter Berücksichtigung von Spontanheilung und wirkungsunabhängigen Effekten - eher zu einem therapeutischen Erfolg führt als seine Nichtanwendung. Eine positive Auswirkung auf den Krankheitsverlauf ist zu bejahen, wenn mindestens das Fortschreiten der Krankheit aufgehalten oder Komplikationen verhindert werden. Fehlen theoretisch-wissenschaftliche Erklärungsmuster, kann im Einzelfall bei vertretbaren Risiken auch die bloße ärztliche Erfahrung für die Annahme eines Behandlungserfolgs entscheidend sein, wenn sich diese Erkenntnisse durch andere Ärzte in ähnlicher Weise wiederholen lassen (vgl. dazu BSG, Urteil vom 04. April 2006, a.a.O.). Diese Voraussetzungen liegen hier jedoch nicht vor. Denn Dr. H. hat im Attest vom 23. März 2006 ausgeführt, es bleibe letztendlich hypothetisch, ob die zu verzeichnende Größenkonstanz auf die Annahme der Olibanum-Kapseln zurückzuführen sei. Er weist lediglich auf die Tatsache hin, dass die Klägerin die Kapseln nunmehr seit zehn Jahren konsequent zu sich nehme und dass der klinische Verlauf selbst für Facharztkollegen erstaunlich positiv zu sehen sei. Auch im weiteren Attest vom 11. Januar 2007 hat er bestätigt, dass es letztlich nur um die Einzelfallbeobachtung der Klägerin gehe und der Therapieerfolg bei ihr hypothetisch bleibe, da niemand wissen könne, wie der Krankheitsverlauf ohne Einnahme der Kapseln verlaufen wäre. Auch ohne Einnahme anderer schulmedizinischer Präparate sei der Zustand bei der Klägerin erfreulich konstant. Diese lediglich auf den Einzelfall bezogenen Feststellungen ergeben hier nicht, dass die behaupteten Behandlungserfolge mit hinreichender Sicherheit auf den Einsatz der Olibanum-Kapseln bezogen werden können.
Dies ergibt sich auch nicht aus der vorgelegten Bescheinigung der L.-Klinik vom 05. April 2004, worin bestätigt wird, dass für die Behandlung des Astozytoms die Einnahme von Olibanum nach Dr. Fernando notwendig sei. Dabei berücksichtigt der Senat auch, dass in der von der Klägerin vorgelegten Veröffentlichung über "Olibanum (Weihrauch) Kapseln nach Dr. Fernando" darauf hingewiesen wird, dass die Behandlung von Patienten mit Olibanum als komplementär therapeutischer Ansatz verstanden werden solle und als Ergänzungstherapie nicht den Anspruch erhebe, Basistherapeutika zu ersetzen. Ersichtlich ist bei der Klägerin jedoch seit 2000 Olibanum nicht als Ergänzungstherapie eingesetzt worden.
Darauf, dass hier im Übrigen die Arzneimittel-Therapie mit den Olibanum-Kapseln, die Dr. H. als Arzt für Allgemeinmedizin verordnet hat, möglicherweise nicht nach den Regeln der ärztlichen Kunst durch einen erfahrenen Onkologen durchgeführt und dokumentiert ist (vgl. dazu BSG, a.a.O. Rdnrn. 49 ff.; zur unbedingt notwendigen Führung und Überwachung der Patienten durch einen Therapeuten vgl. auch die von der Klägerin erwähnte Veröffentlichung), kommt es nicht an.
Danach besteht ein Sachleistungsanspruch und dementsprechend auch ein Kostenerstattungsanspruch nicht.
Die Berufung der Klägerin war zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Revisionszulassung liegen nicht vor.
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