Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
5
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 10 KA 5294/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KA 30/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 16.11.2005 wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Berufungsverfahrens als Gesamtschuldner.
Gründe:
I.
Die Kläger wenden sich gegen die sachlich-rechnerische Berichtigung ihres Honorars für die Quartale 3/02 bis 1/03 (Streichung der Gebührennummer 19 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes für ärztliche Leistungen, EBM, in der bis 31.3.2005 geltenden Fassung, im folgenden EBM a.F. bei gleichzeitiger Abrechnung der Gebührennummer 822 EBM a.F.).
Die in Rede stehenden Gebührennummer hatten folgenden Wortlaut:
Gebührennummer 19 EBM a. F.: Erhebung der Fremdanamnese, gegebenenfalls bei mehreren Personen, über einen psychisch, hirnorganisch oder krankheitsbedingt erheblich kommunikationsgestörten Kranken (z. B. Taubheit, Sprachverlust) und/oder Unterweisung und Führung der entsprechenden Bezugspersonen(en), einmal im Behandlungsfall.
Gebührennummer 822 EBM a.F.: Psychiatrische Behandlung zur Reintegration eines Erwachsenen mit psychopathologisch definiertem Krankheitsbild durch syndrombezogene verbale Intervention als therapeutische Konsequenz aus den dokumentierten Ergebnissen der selbst erbrachten Leistung nach Nummer 820.
Die Kläger nehmen als Fachärzte für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie in Gemeinschaftspraxis an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Die Beklagte (bzw. deren Rechtsvorgängerin, die Kassenärztliche Vereinigung Nord-Württemberg) prüfte die von den Klägern für die Quartale 3/02 bis 1/03 eingereichten Honorarabrechnungen auf sachlich-rechnerische Richtigkeit und strich den Ansatz der Gebührennummer 19 EBM a.F. in 308 Fällen (Quartal 3/02: 114 Fälle, Quartal 4/02: 89 Fälle; Quartal 1/03: 105 Fälle; Betrag der Streichungen: 6.728,98 EUR).
Zur Begründung der dagegen eingelegten Widersprüche trugen die Kläger (unter Bezugnahme auf den gegen eine entsprechende Honorarberichtigung für das Quartal 2/02 eingelegten Widerspruch) vor, die Gebührennummern 19 und 822 EBM a.F. seien nicht zeitgleich abgerechnet worden. Die psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlung gemäß Gebührennummer 822 EBM a.F. finde zwischen dem Therapeuten und dem Patienten statt. Die vorherige Erhebung der Fremdanamnese, beispielsweise im Altenheim, werde mit dem Betreuungspersonal oder Angehörigen durchgeführt. Erst danach erfolge die Betreuung der Patienten. Entsprechendes gelte, wenn ein Patient die Praxis gemeinsam mit Angehörigen aufsuche. Auch hier werde zunächst die Fremdanamnese erhoben. Erst im Anschluss daran beginne die eigentliche Behandlung.
Mit Widerspruchsbescheid vom 15.9.2003 wies die Beklagte die Widersprüche zurück. Sie führte aus, nach der Leistungsbeschreibung der Gebührennummer 19 EBM a. F. berechtige nicht jede Erhebung der Fremdanamnese und/oder Unterweisung und Führung entsprechender Bezugspersonen zur Leistungsabrechnung. Vielmehr müsse eine erhebliche Kommunikationsstörung vorliegen, die auf psychische, hirnorganische oder krankheitsbedingte Ursachen zurückgehe. Unter Kommunikationsstörungen seien dabei allein Störungen der verbalen Kommunikation zu verstehen, bezogen auf die Kommunikation zwischen dem Arzt und dem Kranken. Aus den beispielhaft genannten Störungen, wie Taubheit oder Sprachverlust, werde deutlich, dass erhebliche Kommunikationsstörungen auf Grund dauerhafter Störungen der Sprache und/oder Schädigung des Gehörs vorliegen müssten. Die bloß vorübergehende Unfähigkeit des Patienten zur Kommunikation mit dem Arzt genüge nicht. Liege aber eine Kommunikationsstörung nach Gebührennummer 19 EBM a. F. vor, sei eine verbale Interaktion zwischen Patient und Arzt nicht möglich. Daher könnten Gesprächsleistungen neben der Leistung nach Gebührennummer 19 EBM a. F. nicht abgerechnet werden. Mit dem Ansatz der Gebührennummer 822 EBM a.F. hätten die Kläger dokumentiert, dass eine verbale Interaktion tatsächlich möglich gewesen sei.
Am 7.10.2003 erhoben die Kläger Klage beim Sozialgericht Stuttgart. Zur Begründung trugen sie vor, die in Rede stehenden Gebührennummern schlössen sich nicht gegenseitig aus. Die im Widerspruchsbescheid (unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Landessozialgerichts Baden-Württemberg; Urteile vom 15.9.1999, - L 5 KA 316/99 -, und vom 25.10.2000, - L 5 KA 1268/00 -) vertretene Rechtsauffassung sei medizinisch unzutreffend. Offenbar könne die Beklagte psychisch Kranke von organisch Kranken, etwa von Tauben und Stummen, nicht unterscheiden. Die Erhebung der Fremdanamnese bei psychisch oder hirnorganisch Kranken sei nicht wegen deren Taubheit oder Sprachverlust notwendig, sondern weil infolge ihrer Wahrnehmungsstörungen bzw. Wahn- oder Beziehungsideen eine objektive Fremdanamnese erforderlich sei. Die Patienten nähmen ihre Störungen selbst nicht mehr wahr. Außerdem sei in Gebührennummer 19 EBM a.F. die Unterweisung und Führung der entsprechenden Bezugspersonen vorgesehen. Eine einzige Unterweisung dieser Art rechtfertige den Ansatz der Gebührennummer 19 EBM a. F. Folge man der Ansicht der Beklagten, könnte grundsätzlich kein Nervenarzt oder Psychiater die Gebührennummer 19 EBM a. F. bei psychisch oder hirnorganisch Kranken abrechnen; damit wäre der Sicherstellungsauftrag gefährdet. Außerdem würden Neurologen und Psychiater benachteiligt. Die Rechtsprechung des Landessozialgerichts Baden-Württemberg, das den Anwendungsbereich der Gebührennummer 19 EBM a. F. auf eine wegen verbaler Kommunikationsstörung des Patienten notwendige Fremdanamnese beschränke, sei zu eng und könne sich nicht auf den Wortlaut dieser Gebührennummer stützen; diese liefe hinsichtlich psychisch verbaler Kommunikationsstörungen außerdem im Wesentlichen leer. Der Begriff der Kommunikationsstörung gehe vielmehr über verbale Störungen hinaus, zumal auch eine nonverbale Kommunikation möglich sei. Die in der Leistungslegende genannten Beispiele der Taubheit und des Sprachverlustes beträfen außerdem die Aufhebung und nicht nur die Störung der verbalen Kommunikation. Insgesamt wirke die Rechtsprechung des Landessozialgerichts konstruiert und gehe an den medizinischen Gegebenheiten vorbei. Gerade im Bereich der Psychiatrie sei die Erhebung einer Fremdanamnese bei Patienten mit Bewusstseins- und Wahrnehmungs- oder Denkstörungen zur Gewinnung von Zusatzinformationen oft unabdingbar. Insoweit ergänzten sich die Eigen- und Fremdanamnese gegenseitig und schlössen sich nicht aus. Bei der (psychiatrischen) Fremdanamnese entstehe ein Zusatzaufwand, der mit der Gebührennummer 19 EBM a. F. vergütet werden solle. Der Ansatz von Leistungen nach Gebührennummer 822 EBM a.F. stehe dem nicht entgegen. Insbesondere setze die Gebührennummer 19 EBM a. F. nicht voraus, dass die Kommunikationsfähigkeit des Patienten gänzlich aufgehoben sei; notwendig sei lediglich eine erhebliche Kommunikationsstörung. Da der Arzt bei einem Gespräch mit unter Wahrnehmungs-, Bewusstseins- oder Denkstörungen leidenden Patienten deren Aussagen stets hinterfragen und ergänzen müsse, seien die Kommunikation und der Zugang zum Patienten erheblich erschwert. Im Rahmen einer psychiatrischen Psychotherapie müsse sich der Therapeut bei der verbalen Intervention auf die Kommunikationsstörung einlassen, um so einen Heilungserfolg zu erreichen. Insoweit gehe es bei solchen Gesprächen nicht um eine der Diagnose dienende Anamnese, sondern um die Therapie selbst. Neben der Fremdanamnese sei vielfach auch eine Unterweisung und Führung der Bezugspersonen therapeutisch notwendig.
Das Sozialgericht, dem noch ein Schreiben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung vom 8.9.2004 (SG-Akte S. 44) vorgelegt worden war, wies die Klage mit Urteil vom 16.11.2005 ab. Die Sprungrevision zum Bundessozialgericht wurde zugelassen. Zur Begründung führte das Sozialgericht aus, die Gebührennummer 19 EBM a. F. setze nach dem eindeutigen Wortlaut der Leistungslegende die Erhebung einer Fremdanamnese und/oder die Unterweisung und Führung einer Bezugsperson bei einem Kranken voraus, der psychisch, hirnorganisch oder sonst krankheitsbedingt erheblich kommunikationsgestört sei. Die Fremdanamnese finde statt, wenn die Krankengeschichte nicht von dem Kranken selbst, sondern von einem Dritten erfragt werden müsse. Dann trete die Fremdanamnese an die Stelle einer sonst unmittelbar zwischen Patient und Arzt bestehenden Auskunftsbeziehung. Da die Krankengeschichte stets verbal erfragt werde und bei dem Patienten auch eine Selbstbeobachtungsfähigkeit voraussetze, seien unter Kommunikationsstörungen im Sinne der Gebührennummer 19 EBM a. F. allein Störungen der verbalen Kommunikation im Verhältnis zwischen Arzt und Patient zu verstehen. Eine krankheitsbedingte Kommunikationsstörung nach Gebührennummer 19 EBM a. F. könne daher nur vorliegen, wenn eine verbale Kommunikation zwischen dem Kranken und dem Arzt ohne die in der Leistungslegende genannten Gründe grundsätzlich möglich wäre, sie in der konkreten Untersuchungssituation aber aus den in der Leistungslegende genannten Ursachen nicht oder nicht ausreichend möglich sei (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 25.10.2000, - L 5 KA 1268/00 -).
Andere Gründe, die eine gestörte Kommunikation verursachten, etwa fehlende Sprachkenntnisse des Patienten, genügten für den Ansatz der Gebührennummer 19 EBM a. F. nicht. Neben "formal verbalen" Kommunikationsstörungen, etwa durch Sprachverlust oder Taubheit bzw. deshalb kaum verständlicher Sprache, seien gerade bei psychisch oder hirnorganisch Kranken durchaus Fallgestaltungen möglich, in denen der Patient zwar sprechen könne, wegen seiner Erkrankung aber dennoch eine sinnvolle verbale Interaktion und Anamneseerhebung ausscheide. In solchen Fällen müsse der Arzt, nicht anders als bei Patienten, die nicht oder kaum verständlich sprechen könnten, eine Fremdanamnese durchführen, um die Krankengeschichte überhaupt erheben zu können. Insoweit weise die Kassenärztliche Bundesvereinigung in ihrem Schreiben vom 8.9.2004 zu Recht darauf hin, dass die Gebührennummer 19 EBM a. F. eine organische Störung der Sprache oder des Gehörs nicht voraussetze. Auch bei Demenzkranken oder einem apoplektischen Insult oder Unfall mit entsprechenden Folgen könne eine Fremdanamnese notwendig und gem. Gebührennummer 19 EBM a. F. abrechenbar sein.
Demgegenüber erfordere eine Leistung nach Gebührennummer 822 EBM a.F. im Rahmen der psychiatrischen Behandlung eines Erwachsenen mit psychopathologisch definiertem Krankheitsbild an Stelle oder in Ergänzung zu einer Pharmakotherapie eine begleitende psychiatrische verbale Intervention, um möglichst ein Verbleiben des Kranken in seinem persönlichen Umfeld zu erreichen und stationäre Behandlungen zu vermeiden. Voraussetzung für Erbringung und Abrechnung der Leistungen nach Gebührennummer 822 EBM a.F. sei, dass der Kranke zu einer sinnvollen verbalen Kommunikation fähig sei und die verbale Intervention nicht als Monolog des Arztes erfolge. Andernfalls sei eine gezielte Einwirkung auf krankhafte Gedankenabläufe, Motivationslagen oder die Selbstinterpretation des Patienten nicht möglich. Mit dem Ansatz dieser Gebührennummer hätten die Kläger dokumentiert, dass bei den betreffenden Patienten ohne Zuhilfenahme von Begleit- oder Bezugspersonen, wenn auch möglicherweise erschwert, eine therapeutisch sinnvolle Kommunikation möglich gewesen sei. Dann könne die Gebührennummer 19 EBM a.F. aber nicht angesetzt werden. Das gelte auch hinsichtlich der Unterweisung und Führung von Bezugspersonen.
Auf das ihnen am 1.12.2005 zugestellte Urteil haben die Kläger am 2.1.2006 Berufung eingelegt. Zur Begründung wiederholen und bekräftigen sie ihr bisheriges Vorbringen. Das Sozialgericht habe nicht hinreichend zwischen der für Diagnosestellung und Therapieplanung auf Grund der Kommunikationsstörung unabdingbaren Fremdanamnese und der für den weiteren Verlauf der Erkrankung erforderlichen verbalen Therapie unterschieden. Zur Frage, ob bei Vorliegen einer erheblichen psychischen, hirnorganischen oder anderweit krankheitsbedingten Kommunikationsstörung im Sinne der Gebührennummer 19 EBM a. F. eine verbale Intervention nach Gebührennummer 822 EBM a.F. möglich und medizinisch sinnvoll sei, hätte ein Sachverständigengutachten erhoben werden müssen. Die in Rede stehenden Gebührennummern schlössen sich entgegen der Auffassung des Sozialgerichts nicht aus. Dies sei insbesondere aus dem Wortlaut der Leistungslegenden nicht abzuleiten.
Nachdem die Beteiligten auf das Senatsurteil vom 13.12.2006 (- L 5 KA 5574/05 -) hingewiesen worden waren, haben die Kläger ergänzend geltend gemacht, auch der Senat verkenne nach wie vor, dass zwischen der diagnostisch notwendigen Kommunikation im Rahmen einer Erstanamnese und der nachfolgenden therapeutischen verbalen Interaktion unterschieden werden müsse. Während sich die Erstanamnese in der Regel im Erstgespräch mit dem Patienten bzw. mit der Bezugsperson erschöpfe und zu Beginn der Behandlung erfolge, handele es sich bei der verbalen Interaktion nach Gebührennummer 822 EBM a.F. um einen länger anhaltenden Prozess, bei dem versucht werde, die verbale Kommunikation mit dem Patienten und damit dessen Erkrankung nach und nach zu verbessern. Dem stünden die im genannten Senatsurteil zitierten Kommentarstellen nicht entgegen. Auf Grund eigener Sachkunde könne der Senat nicht darüber befinden, ob sich die psychisch oder hirnorganisch bedingte erhebliche Kommunikationsstörung und die therapeutische verbale Interaktion gegenseitig ausschlössen; deshalb müsse hierzu ein Sachverständigengutachten eingeholt werden. Gegebenenfalls möge die Revision zugelassen werden. Die vom Sozialgericht zugelassene Sprungrevision sei daran gescheitert, dass die Beklagte ihre Zustimmung nicht erteilt habe. Nach wie vor bestehe, ungeachtet dessen, dass die genannten Gebührennummern außer Kraft getreten seien, erheblicher Klärungsbedarf, da noch über mehrere gleichartige Streitfälle zu entscheiden sei.
Die Kläger beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 16.11.2005 aufzuheben, die Gesamthonorarabrechnungsbescheide für die Quartale 3/02, 4/02 und 1/03 einschließlich der ergänzenden Berichtigungsbescheide in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.9.2003 insoweit abzuändern, als darin insgesamt 308 Ansätze der Gebührennummer 19 EBM a. F. gestrichen wurden, und die Beklagte zur Vergütung dieser Leistungen zu verurteilen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Der Senat hat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass er die Berufung, was vorliegend in Betracht komme, gem. § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Beschluss zurückweisen kann, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten hatten Gelegenheit, hierzu Stellung zu nehmen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.
II.
Der Senat weist die Berufung der Kläger gem. § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss zurück, weil er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten hatten Gelegenheit, hierzu Stellung zu nehmen.
Die Berufung der Kläger ist gem. §§ 143, 144, 151 SGG statthaft (Beschwerdewert: 6.728,98 EUR) und auch sonst zulässig, jedoch nicht begründet. Die Beklagte hat die in den Quartalen 3/02 bis 1/03 abgerechneten Leistungen nach Gebührennummer 19 EBM a.F. zu Recht in den hier streitigen 308 Fällen im Wege sachlich-rechnerischer Honorarberichtigung gestrichen. Das Sozialgericht hat die Klage daher zu Recht abgewiesen.
Rechtsgrundlage der von den Klägern bekämpften Streichungen sind die Bestimmungen in § 45 Abs. 2 Satz 1 BMV-Ä und § 34 Abs. 4 Satz 1 und 2 EKV-Ä. Danach obliegt den Kassenärztlichen Vereinigungen die Prüfung der von den Vertragsärzten vorgelegten Abrechnungen ihrer vertragsärztlichen Leistungen hinsichtlich der sachlich-rechnerischen Richtigkeit. Dies gilt insbesondere für die Anwendung des Regelwerkes. Die Kassenärztliche Vereinigung berichtigt die Honorarforderung des Vertragsarztes bei Fehlern hinsichtlich der sachlich-rechnerischen Richtigkeit. Der leicht abweichende Wortlaut des § 34 EKV-Ä enthält in der Sache keine andere Regelung. Die Prüfung auf sachlich-rechnerische Richtigkeit einer Abrechnung erstreckt sich auf die Frage, ob die abgerechneten Leistungen ordnungsgemäß - also ohne Verstoß gegen gesetzliche oder vertragliche Bestimmungen mit Ausnahme des Wirtschaftlichkeitsgebotes - erbracht worden sind. Soweit es - wie hier hinsichtlich der Gebührennummern 19 und 822 EBM a.F. - auf die Auslegung der vertragsärztlichen Gebührenordnung ankommt, ist in erster Linie der Wortlaut der jeweiligen Leistungslegende maßgeblich. Das vertragliche Regelwerk dient nämlich dem Ausgleich der unterschiedlichen Interessen zwischen Ärzten und Krankenkassen, und es ist vorrangig Aufgabe des Bewertungsausschusses selbst, darin auftretende Unklarheiten zu beseitigen. Ergänzend ist es statthaft, zur Klarstellung des Wortlauts der Leistungslegende eine systematische Interpretation im Sinne einer Gesamtschau der im inneren Zusammenhang stehenden vergleichbaren oder ähnlichen Gebührenregelungen vorzunehmen. Eine entstehungsgeschichtliche Auslegung unklarer oder mehrdeutiger Regelungen kommt nur in Betracht, wenn Dokumente vorliegen, in denen die Urheber der Bestimmungen diese in der Zeit ihrer Entstehung selbst erläutert haben. Leistungsbeschreibungen dürfen weder ausdehnend ausgelegt noch analog angewandt werden (zu alledem zuletzt Senatsurteil vom 13.12.2006, - 5 KA 5574/05 - mit Nachweisen zur Rechtsprechung des BSG).
Wie der Senat in seinem den Beteiligten (auszugsweise) bekannten Urteil vom 13.12.2006, a. a. O.) entschieden hat, können Leistungen nach Gebührennummer 19 EBM a.F. neben Leistungen nach Gebührennummer 822 EBM a.F. nicht abgerechnet werden. Der Senat hat hierzu i. e. Folgendes ausgeführt:
"Die Leistungslegende der mit 500 Punkten bewerteten GNR 19 EBM hatte in den hier streitigen Quartalen folgenden Wortlaut: Erhebung der Fremdanamnese, gegebenenfalls bei mehreren Personen, über einen psychisch, hirnorganisch oder krankheitsbedingt erheblich kommunikationsgestörten Kranken (z. B. Taubheit, Sprachverlust) und/oder Unterweisung und Führung der entsprechenden Bezugsperson(en), einmal im Behandlungsfall.
Die Leistungslegende der mit 320 Punkten bewerteten GNR 822 EBM hatte in den streitigen Quartalen folgenden Wortlaut: Psychiatrische Behandlung zur Reintegration eines Erwachsenen mit psychopathologisch definiertem Krankheitsbild durch syndrombezogene verbale Intervention als therapeutische Konsequenz aus den dokumentierten Ergebnissen der selbst erbrachten Leistung nach Nummer 820.
Nach dem Wortlaut der Leistungslegende setzt damit die Berechnungsfähigkeit der Erhebung der Fremdanamnese nach GNR 19 EBM voraus, dass ein Patient behandelt wird, der krankheitsbedingt, hirnorganisch oder psychisch erheblich kommunikationsgestört ist, der also aus einem der drei genannten, einander nicht notwendig ausschließenden Gründen diejenigen Informationen dem Arzt nicht selbst geben kann, die ein Patient, der an vergleichbaren Störungen nicht leidet, dem behandelnden Arzt selbst verschaffen könnte (siehe Beschluss des BSG vom 16. Mai 2001 - B 6 KA 4/01 B - mit dem das BSG das Urteil des erkennenden Senats vom 25. Oktober 2000 - L 5 KA 1268/00 - bestätigt hat).
Die Erhebung der Fremdanamnese (erste Fallgruppe der GNR 19 EBM) findet statt, wenn - entsprechend der Bedeutung von Anamnese als "das Erfragen ... der Vorgeschichte einer Krankheit durch den Arzt" (vgl. Brockhaus Enzyklopädie 19. Auflage 1986) - die Krankengeschichte nicht vom Kranken selbst, sondern von einem Dritten erfragt wird, der Auskunft über den Kranken geben kann. Die Fremdanamnese tritt in diesen Fällen an die Stelle einer sonst unmittelbar zwischen Patient und Arzt bestehenden Auskunftsbeziehung. Daraus ergibt sich, dass gerade die Kommunikationsstörung die Fremdanamnese erforderlich machen muss. Daraus folgt weiter, da die Krankengeschichte stets verbal "erfragt" wird und bei dem Patienten auch eine Selbstbeobachtungsgabe voraussetzt, dass unter Kommunikationsstörungen im Sinne der hier zu beurteilenden Leistungslegende allein Störungen der verbalen Kommunikation zu verstehen sind, und zwar bezogen auf die Kommunikation zwischen dem Kranken und dem Arzt (so der erkennende Senat in seinem Urteil vom 25. Oktober 2000 L 5 KA 1268/00 -). D. h. mit anderen Worten, eine krankheitsbedingte Kommunikationsstörung im Sinne der GNR 19 EBM kann deshalb nur gegeben sein, wenn eine verbale Kommunikation zwischen dem Kranken und dem Arzt ohne die in der Leistungslegende genannten Gründen grundsätzlich möglich wäre, sie in der konkreten Untersuchungssituation aber aus den in der Leistungslegende genannten Ursachen nicht (ausreichend) möglich ist.
Zutreffend hat unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung des BSG bzw. des erkennenden Senats bereits das SG darauf verwiesen, dass die Störung der verbalen Kommunikation nicht allein auf Fälle der "formal verbalen" Kommunikationsstörung begrenzt ist. Denn in der Tat würde bei einer Einengung der Kommunikationsstörung auf eine rein "formal verbale" Kommunikationsstörung nämlich fast kein Anwendungsbereich für psychisch oder hirnorganisch bedingte Kommunikationsstörungen verbleiben, die jedoch ausdrücklich in der Leistungslegende der GNR 19 EBM aufgeführt sind. D. h. weiter, neben den Fällen der "formal verbalen" Kommunikationsstörung, in denen der Patient nicht (z. B. Sprachverlust) oder kaum verständlich (z. B. Taubheit) sprechen kann, gibt es gerade bei psychisch oder hirnorganisch Erkrankten Fälle, in denen der Patient zwar durchaus sprechen kann, gleichwohl aber aufgrund seiner Erkrankung eine sinnvolle verbale Interaktion zwischen Arzt und Patient hinsichtlich der Anamneseerhebung nicht erfolgt, bzw. erfolgen kann. Eine erhebliche Kommunikationsstörung kann daher, wie vom SG weiter zutreffend bereits ausgeführt, im Sinne der GNR 19 EBM - neben den bereits in der Leistungslegende beschriebenen Erkrankungen wie Taubheit und Sprachverlust - beispielsweise auch bei - den von der Klägerbevollmächtigten ausdrücklich genannten - Demenzerkrankungen (vgl. Kölner Kommentar zum EBM, Stand Oktober 2001, Anmerkung 1 zu GNR 19 EBM, Seite 184), bei psychischen Störungen wie Autismus oder bei einem apoplektischen Insult mit entsprechenden Folgen oder auch einem Unfall mit nachfolgender Unmöglichkeit einer Kommunikation mit dem Kranken oder einer derart gravierenden Beeinträchtigung der Kommunikationsfähigkeit, dass der Arzt zu einer sachgerechten Beurteilung und Behandlung der Erkrankung fremder anamnestischer Angaben bedarf (siehe Kölner Kommentar a.a.O.), vorliegen.
Wie bereits weiter vom SG zutreffend ausgeführt erfordert die Leistung nach GNR 822 EBM im Rahmen der psychiatrischen Behandlung eines Erwachsenen mit psychopathologisch definierten Krankheitsbild anstelle oder in Ergänzung zu einer Pharmakotherapie eine begleitende psychiatrische verbale Intervention, um möglichst ein Verbleiben des Kranken in seinem persönlichen Umfeld zu erreichen und stationäre Behandlungen zu vermeiden (siehe Kölner Kommentar zum EBM, Stand Oktober 2003, Anmerkung 2 zur GNR 822 EBM). Unter einer syndrombezogenen verbalen Intervention ist dabei die gezielte Einwirkung auf krankhafte Gedankenabläufe, auf die Motivationslage und auf die Selbstinterpretation des Patienten zu verstehen, Beratungen, intensive Gespräche oder Erörterungen erfüllen nicht den Leistungsinhalt der GNR 822 (siehe Kölner Kommentar a.a.O., Anmerkung 4). Voraussetzung für die Erbringung und Abrechnung der Leistung nach GNR 822 EBM ist damit, dass der Kranke zu einer sinnvollen verbalen Kommunikation fähig ist und die verbale Intervention nicht als Monolog des Arztes verstanden werden darf. Zutreffend hat das SG darauf verwiesen, dass eine "gezielte Einwirkung" auf krankhafte Gedankenabläufe, Motivationslage oder die Selbstinterpretation des Patienten naturgemäß nur im Dialog mit dem Kranken erfolgen kann. Der Kläger hat mit dem Ansatz der GNR 822 EBM dokumentiert, dass er mit diesen Patienten ohne Zuhilfenahme von Begleit- oder Bezugspersonen - wenn auch unter Umständen erschwert - eine therapeutisch sinnvolle Kommunikation durchführen konnte. Wenn aber eine (sinnvolle) verbale Kommunikation mit dem Patienten möglich ist, scheidet in der Tat der Ansatz der GNR 19 EBM neben der GNR 822 EBM im Behandlungsfall von vornherein aus.
Soweit der Kläger hier nun versucht geltend zu machen, dass es einerseits durchaus Konstellationen geben könne, bei denen mit den betroffenen Patienten zwar eine Unterhaltung in begrenztem Umfang gegeben sei, eine therapeutische Zuwendung in Form von positiver Verstärkung und Bestätigung meistens möglich sei, so etwa bei Demenzpatienten oder auch bei Patienten nach einem Schlaganfall oder sich etwa bei psychisch erkrankten Patienten die Kommunikationsstörung nicht komplett auf die gesamte verbale Äußerungsfähigkeit oder Aufmerksamkeit des Patienten beziehe, sondern nur Teilbereiche beträfe, die jedoch zu schwerwiegenden Verhaltensweisen führen könnten, weshalb in diesen Fällen zwar einerseits eine verbale Interaktion "eingeschränkt" im Sinne der GNR 822 EBM möglich sei, auf der anderen Seite aber auch die Befragung der Bezugspersonen gerade zur Erarbeitung der Anamnese notwendig sei, da die Patienten entweder (wie etwa bei Demenzkranken oder durch Schlaganfall betroffenen Patienten) nicht in der Lage seien sich entsprechend zu artikulieren oder aufgrund ihrer psychischen Erkrankung die Realität verzerrt wahrnehmen und dann auch darstellen würden, führt dies zu keiner anderen Beurteilung der hier streitigen Frage. Zu beachten ist nämlich, dass die GNR 19 EBM voraussetzt, dass hier eine erhebliche Kommunikationsstörung vorliegt. Eine weitere Einschränkung dahingehend, dass "ausreichend" ist, dass die Kommunikationsstörung jedenfalls der Erhebung der Anamnese entgegensteht, im Übrigen aber eine "gewisse" Kommunikation noch möglich ist, ist in der Leistungslegende nicht aufgeführt. Dies heißt mit anderen Worten, immer dann, wenn eine Kommunikationsstörung vorliegt, die es nicht möglich macht, die Anamnese selbst bei dem Patienten zu erheben, also ein Dialog zwischen Arzt und Patient nicht möglich ist, kann dann aber auch im Übrigen kein Dialog zwischen Arzt und Patient, wie es die GNR 822 EBM verlangt, möglich sein. Andersrum formuliert, sobald eine sinnvolle Kommunikation im Sinne von GNR 822 EBM möglich ist, wie sie der Kläger in diesen Fällen durch die entsprechende Abrechnung dokumentiert hat, kann nach dem eindeutigen Wortlaut der Leistungslegende zu GNR 19 EBM nicht mehr von einem dergestalt kommunikationsgestörten Patienten ausgegangen werden, mit dem ein Dialog nicht möglich ist. Dies aber ist gerade Voraussetzung für die Anwendung der GNR 19 EBM. Die vom Kläger gewünschte Differenzierung in eine teilweise Kommunikationsstörung und teilweise Kommunikationsmöglichkeit und dann eine entsprechende Abrechnung beider Gebührennummern nebeneinander ist nach dem eindeutigen Wortlaut der Leistungslegende nicht möglich.
Dies gilt auch für die vom Kläger besonders hervorgehobenen Fälle der Kommunikationsunwilligkeit als Folge oder Begleiterscheinung psychischer Erkrankungen. Mit einem Patienten, der von seinem Sprachvermögen und seiner Aufnahmefähigkeit voll kommunikationsfähig ist, der aber aus den Gründen seiner psychischen Erkrankung über bestimmte Wahrnehmungen oder Verhaltensweisen mit dem Arzt nicht sprechen will, ist grundsätzlich eine verbale Kommunikation uneingeschränkt möglich. Fehlende Auskunftsbereitschaft, fehlende oder übertriebene Krankheitseinsicht oder eine verfälschte Darstellung durch Simulation oder Dissimulation sind zudem alltägliche Faktoren, mit denen der Arzt bei jeder Anamneseerhebung rechnen muss, und zwar auch bei Angehörigen, wenn er diese in das Gespräch einbezieht. Dass die Angaben Dritter dazu führen können, dass der Kern einer Erkrankung schneller eruiert wird, ist dem Kläger einzuräumen. Die Einbeziehung eines Dritten in ein auf der Gesprächsebene unproblematisches oder sogar flüssiges Gespräch vermag aber nicht die Voraussetzungen von GNR 19 EBM zu erfüllen, weil eine Kommunikationsstörung bei der Gesprächsführung, vergleichbar derjenigen, die bei einem Tauben oder einer Person mit Sprachverlust auftritt, in diesen Fällen nicht vorliegt.
Nichts anderes gilt im Übrigen auch für die zweite Fallvariante der GNR 19 EBM, nämlich die Unterweisung und Führung der entsprechenden Bezugsperson(en). Denn auch dies setzt genauso voraus, dass eine erhebliche Kommunikationsstörung vorliegt, die es gerade unmöglich macht, einen "normalen" Dialog zwischen Arzt und Patient führen zu können."
Der Senat hält nach erneuter Überprüfung an dieser Rechtsprechung fest. Das Berufungsvorbringen der Kläger rechtfertigt eine andere Beurteilung nicht.
Die Erhebung eines medizinischen Sachverständigengutachtens ist nicht erforderlich und drängt sich dem Senat daher auch nicht auf. Entscheidungserheblich ist vorliegend nicht, ob und inwieweit bei krankheitsbedingten Kommunikationsstörungen eine verbale (therapeutische) Intervention medizinisch möglich und sinnvoll ist. Vielmehr kommt es auf den Leistungsinhalt der Gebührennummern 19 und 822 EBM a.F. und deren Verhältnis zueinander an. Dabei handelt es sich aber um Rechtsfragen, die der Senat nach den dafür geltenden Rechtsgrundsätzen zu beantworten hat und die einer Beweiserhebung (auch durch Sachverständigengutachten) daher nicht zugänglich sind. Auch die von den Klägern postulierte Unterscheidung von diagnostisch notwendiger Kommunikation im Rahmen einer Erstanamnese und nachfolgender therapeutischer verbaler Interaktion kann ihrem Begehren nicht zum Erfolg verhelfen. Vielmehr bleibt es dabei, dass - wie im Senatsurteil vom 13.12.2006 (a. a. O.) eingehend dargelegt wurde - nach dem rechtlich maßgeblichen Regelungsgehalt der Gebührennummern 19 und 822 EBM a.F. eine Fremdanamnese (Gebührennummer 19 EBM a.F.) nicht abgerechnet werden kann, wenn eine therapeutisch sinnvolle verbale Kommunikation (i.S.d. Gebührennummer 822 EBM a.F.) möglich ist. Die anweichende Auffassung der Kläger findet im Wortlaut der streitigen Gebührennummern keine Stütze.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Revision ist nicht zuzulassen. Insbesondere hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung i. S. d. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG. Zum einen handelt es sich bei den Gebührennummern 19 und 822 EBM a.F. um ausgelaufenes Recht, das seit dem 1. April 2005 durch den neuen EBM 2000plus ersetzt worden ist. Zum anderen sind die hier streitigen Rechtsfragen allein aus dem insoweit nicht auslegungsfähigen Wortlaut der genannten Gebührennummern zu beantworten (vgl. auch insoweit Senatsurteil vom 13.12.2006, a. a. O.). Dass nach dem Vorbringen der Kläger beim Sozialgericht Stuttgart noch über mehrere gleichartige Streitfälle zu entscheiden sei, rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht.
Die Kläger tragen die Kosten des Berufungsverfahrens als Gesamtschuldner.
Gründe:
I.
Die Kläger wenden sich gegen die sachlich-rechnerische Berichtigung ihres Honorars für die Quartale 3/02 bis 1/03 (Streichung der Gebührennummer 19 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes für ärztliche Leistungen, EBM, in der bis 31.3.2005 geltenden Fassung, im folgenden EBM a.F. bei gleichzeitiger Abrechnung der Gebührennummer 822 EBM a.F.).
Die in Rede stehenden Gebührennummer hatten folgenden Wortlaut:
Gebührennummer 19 EBM a. F.: Erhebung der Fremdanamnese, gegebenenfalls bei mehreren Personen, über einen psychisch, hirnorganisch oder krankheitsbedingt erheblich kommunikationsgestörten Kranken (z. B. Taubheit, Sprachverlust) und/oder Unterweisung und Führung der entsprechenden Bezugspersonen(en), einmal im Behandlungsfall.
Gebührennummer 822 EBM a.F.: Psychiatrische Behandlung zur Reintegration eines Erwachsenen mit psychopathologisch definiertem Krankheitsbild durch syndrombezogene verbale Intervention als therapeutische Konsequenz aus den dokumentierten Ergebnissen der selbst erbrachten Leistung nach Nummer 820.
Die Kläger nehmen als Fachärzte für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie in Gemeinschaftspraxis an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Die Beklagte (bzw. deren Rechtsvorgängerin, die Kassenärztliche Vereinigung Nord-Württemberg) prüfte die von den Klägern für die Quartale 3/02 bis 1/03 eingereichten Honorarabrechnungen auf sachlich-rechnerische Richtigkeit und strich den Ansatz der Gebührennummer 19 EBM a.F. in 308 Fällen (Quartal 3/02: 114 Fälle, Quartal 4/02: 89 Fälle; Quartal 1/03: 105 Fälle; Betrag der Streichungen: 6.728,98 EUR).
Zur Begründung der dagegen eingelegten Widersprüche trugen die Kläger (unter Bezugnahme auf den gegen eine entsprechende Honorarberichtigung für das Quartal 2/02 eingelegten Widerspruch) vor, die Gebührennummern 19 und 822 EBM a.F. seien nicht zeitgleich abgerechnet worden. Die psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlung gemäß Gebührennummer 822 EBM a.F. finde zwischen dem Therapeuten und dem Patienten statt. Die vorherige Erhebung der Fremdanamnese, beispielsweise im Altenheim, werde mit dem Betreuungspersonal oder Angehörigen durchgeführt. Erst danach erfolge die Betreuung der Patienten. Entsprechendes gelte, wenn ein Patient die Praxis gemeinsam mit Angehörigen aufsuche. Auch hier werde zunächst die Fremdanamnese erhoben. Erst im Anschluss daran beginne die eigentliche Behandlung.
Mit Widerspruchsbescheid vom 15.9.2003 wies die Beklagte die Widersprüche zurück. Sie führte aus, nach der Leistungsbeschreibung der Gebührennummer 19 EBM a. F. berechtige nicht jede Erhebung der Fremdanamnese und/oder Unterweisung und Führung entsprechender Bezugspersonen zur Leistungsabrechnung. Vielmehr müsse eine erhebliche Kommunikationsstörung vorliegen, die auf psychische, hirnorganische oder krankheitsbedingte Ursachen zurückgehe. Unter Kommunikationsstörungen seien dabei allein Störungen der verbalen Kommunikation zu verstehen, bezogen auf die Kommunikation zwischen dem Arzt und dem Kranken. Aus den beispielhaft genannten Störungen, wie Taubheit oder Sprachverlust, werde deutlich, dass erhebliche Kommunikationsstörungen auf Grund dauerhafter Störungen der Sprache und/oder Schädigung des Gehörs vorliegen müssten. Die bloß vorübergehende Unfähigkeit des Patienten zur Kommunikation mit dem Arzt genüge nicht. Liege aber eine Kommunikationsstörung nach Gebührennummer 19 EBM a. F. vor, sei eine verbale Interaktion zwischen Patient und Arzt nicht möglich. Daher könnten Gesprächsleistungen neben der Leistung nach Gebührennummer 19 EBM a. F. nicht abgerechnet werden. Mit dem Ansatz der Gebührennummer 822 EBM a.F. hätten die Kläger dokumentiert, dass eine verbale Interaktion tatsächlich möglich gewesen sei.
Am 7.10.2003 erhoben die Kläger Klage beim Sozialgericht Stuttgart. Zur Begründung trugen sie vor, die in Rede stehenden Gebührennummern schlössen sich nicht gegenseitig aus. Die im Widerspruchsbescheid (unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Landessozialgerichts Baden-Württemberg; Urteile vom 15.9.1999, - L 5 KA 316/99 -, und vom 25.10.2000, - L 5 KA 1268/00 -) vertretene Rechtsauffassung sei medizinisch unzutreffend. Offenbar könne die Beklagte psychisch Kranke von organisch Kranken, etwa von Tauben und Stummen, nicht unterscheiden. Die Erhebung der Fremdanamnese bei psychisch oder hirnorganisch Kranken sei nicht wegen deren Taubheit oder Sprachverlust notwendig, sondern weil infolge ihrer Wahrnehmungsstörungen bzw. Wahn- oder Beziehungsideen eine objektive Fremdanamnese erforderlich sei. Die Patienten nähmen ihre Störungen selbst nicht mehr wahr. Außerdem sei in Gebührennummer 19 EBM a.F. die Unterweisung und Führung der entsprechenden Bezugspersonen vorgesehen. Eine einzige Unterweisung dieser Art rechtfertige den Ansatz der Gebührennummer 19 EBM a. F. Folge man der Ansicht der Beklagten, könnte grundsätzlich kein Nervenarzt oder Psychiater die Gebührennummer 19 EBM a. F. bei psychisch oder hirnorganisch Kranken abrechnen; damit wäre der Sicherstellungsauftrag gefährdet. Außerdem würden Neurologen und Psychiater benachteiligt. Die Rechtsprechung des Landessozialgerichts Baden-Württemberg, das den Anwendungsbereich der Gebührennummer 19 EBM a. F. auf eine wegen verbaler Kommunikationsstörung des Patienten notwendige Fremdanamnese beschränke, sei zu eng und könne sich nicht auf den Wortlaut dieser Gebührennummer stützen; diese liefe hinsichtlich psychisch verbaler Kommunikationsstörungen außerdem im Wesentlichen leer. Der Begriff der Kommunikationsstörung gehe vielmehr über verbale Störungen hinaus, zumal auch eine nonverbale Kommunikation möglich sei. Die in der Leistungslegende genannten Beispiele der Taubheit und des Sprachverlustes beträfen außerdem die Aufhebung und nicht nur die Störung der verbalen Kommunikation. Insgesamt wirke die Rechtsprechung des Landessozialgerichts konstruiert und gehe an den medizinischen Gegebenheiten vorbei. Gerade im Bereich der Psychiatrie sei die Erhebung einer Fremdanamnese bei Patienten mit Bewusstseins- und Wahrnehmungs- oder Denkstörungen zur Gewinnung von Zusatzinformationen oft unabdingbar. Insoweit ergänzten sich die Eigen- und Fremdanamnese gegenseitig und schlössen sich nicht aus. Bei der (psychiatrischen) Fremdanamnese entstehe ein Zusatzaufwand, der mit der Gebührennummer 19 EBM a. F. vergütet werden solle. Der Ansatz von Leistungen nach Gebührennummer 822 EBM a.F. stehe dem nicht entgegen. Insbesondere setze die Gebührennummer 19 EBM a. F. nicht voraus, dass die Kommunikationsfähigkeit des Patienten gänzlich aufgehoben sei; notwendig sei lediglich eine erhebliche Kommunikationsstörung. Da der Arzt bei einem Gespräch mit unter Wahrnehmungs-, Bewusstseins- oder Denkstörungen leidenden Patienten deren Aussagen stets hinterfragen und ergänzen müsse, seien die Kommunikation und der Zugang zum Patienten erheblich erschwert. Im Rahmen einer psychiatrischen Psychotherapie müsse sich der Therapeut bei der verbalen Intervention auf die Kommunikationsstörung einlassen, um so einen Heilungserfolg zu erreichen. Insoweit gehe es bei solchen Gesprächen nicht um eine der Diagnose dienende Anamnese, sondern um die Therapie selbst. Neben der Fremdanamnese sei vielfach auch eine Unterweisung und Führung der Bezugspersonen therapeutisch notwendig.
Das Sozialgericht, dem noch ein Schreiben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung vom 8.9.2004 (SG-Akte S. 44) vorgelegt worden war, wies die Klage mit Urteil vom 16.11.2005 ab. Die Sprungrevision zum Bundessozialgericht wurde zugelassen. Zur Begründung führte das Sozialgericht aus, die Gebührennummer 19 EBM a. F. setze nach dem eindeutigen Wortlaut der Leistungslegende die Erhebung einer Fremdanamnese und/oder die Unterweisung und Führung einer Bezugsperson bei einem Kranken voraus, der psychisch, hirnorganisch oder sonst krankheitsbedingt erheblich kommunikationsgestört sei. Die Fremdanamnese finde statt, wenn die Krankengeschichte nicht von dem Kranken selbst, sondern von einem Dritten erfragt werden müsse. Dann trete die Fremdanamnese an die Stelle einer sonst unmittelbar zwischen Patient und Arzt bestehenden Auskunftsbeziehung. Da die Krankengeschichte stets verbal erfragt werde und bei dem Patienten auch eine Selbstbeobachtungsfähigkeit voraussetze, seien unter Kommunikationsstörungen im Sinne der Gebührennummer 19 EBM a. F. allein Störungen der verbalen Kommunikation im Verhältnis zwischen Arzt und Patient zu verstehen. Eine krankheitsbedingte Kommunikationsstörung nach Gebührennummer 19 EBM a. F. könne daher nur vorliegen, wenn eine verbale Kommunikation zwischen dem Kranken und dem Arzt ohne die in der Leistungslegende genannten Gründe grundsätzlich möglich wäre, sie in der konkreten Untersuchungssituation aber aus den in der Leistungslegende genannten Ursachen nicht oder nicht ausreichend möglich sei (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 25.10.2000, - L 5 KA 1268/00 -).
Andere Gründe, die eine gestörte Kommunikation verursachten, etwa fehlende Sprachkenntnisse des Patienten, genügten für den Ansatz der Gebührennummer 19 EBM a. F. nicht. Neben "formal verbalen" Kommunikationsstörungen, etwa durch Sprachverlust oder Taubheit bzw. deshalb kaum verständlicher Sprache, seien gerade bei psychisch oder hirnorganisch Kranken durchaus Fallgestaltungen möglich, in denen der Patient zwar sprechen könne, wegen seiner Erkrankung aber dennoch eine sinnvolle verbale Interaktion und Anamneseerhebung ausscheide. In solchen Fällen müsse der Arzt, nicht anders als bei Patienten, die nicht oder kaum verständlich sprechen könnten, eine Fremdanamnese durchführen, um die Krankengeschichte überhaupt erheben zu können. Insoweit weise die Kassenärztliche Bundesvereinigung in ihrem Schreiben vom 8.9.2004 zu Recht darauf hin, dass die Gebührennummer 19 EBM a. F. eine organische Störung der Sprache oder des Gehörs nicht voraussetze. Auch bei Demenzkranken oder einem apoplektischen Insult oder Unfall mit entsprechenden Folgen könne eine Fremdanamnese notwendig und gem. Gebührennummer 19 EBM a. F. abrechenbar sein.
Demgegenüber erfordere eine Leistung nach Gebührennummer 822 EBM a.F. im Rahmen der psychiatrischen Behandlung eines Erwachsenen mit psychopathologisch definiertem Krankheitsbild an Stelle oder in Ergänzung zu einer Pharmakotherapie eine begleitende psychiatrische verbale Intervention, um möglichst ein Verbleiben des Kranken in seinem persönlichen Umfeld zu erreichen und stationäre Behandlungen zu vermeiden. Voraussetzung für Erbringung und Abrechnung der Leistungen nach Gebührennummer 822 EBM a.F. sei, dass der Kranke zu einer sinnvollen verbalen Kommunikation fähig sei und die verbale Intervention nicht als Monolog des Arztes erfolge. Andernfalls sei eine gezielte Einwirkung auf krankhafte Gedankenabläufe, Motivationslagen oder die Selbstinterpretation des Patienten nicht möglich. Mit dem Ansatz dieser Gebührennummer hätten die Kläger dokumentiert, dass bei den betreffenden Patienten ohne Zuhilfenahme von Begleit- oder Bezugspersonen, wenn auch möglicherweise erschwert, eine therapeutisch sinnvolle Kommunikation möglich gewesen sei. Dann könne die Gebührennummer 19 EBM a.F. aber nicht angesetzt werden. Das gelte auch hinsichtlich der Unterweisung und Führung von Bezugspersonen.
Auf das ihnen am 1.12.2005 zugestellte Urteil haben die Kläger am 2.1.2006 Berufung eingelegt. Zur Begründung wiederholen und bekräftigen sie ihr bisheriges Vorbringen. Das Sozialgericht habe nicht hinreichend zwischen der für Diagnosestellung und Therapieplanung auf Grund der Kommunikationsstörung unabdingbaren Fremdanamnese und der für den weiteren Verlauf der Erkrankung erforderlichen verbalen Therapie unterschieden. Zur Frage, ob bei Vorliegen einer erheblichen psychischen, hirnorganischen oder anderweit krankheitsbedingten Kommunikationsstörung im Sinne der Gebührennummer 19 EBM a. F. eine verbale Intervention nach Gebührennummer 822 EBM a.F. möglich und medizinisch sinnvoll sei, hätte ein Sachverständigengutachten erhoben werden müssen. Die in Rede stehenden Gebührennummern schlössen sich entgegen der Auffassung des Sozialgerichts nicht aus. Dies sei insbesondere aus dem Wortlaut der Leistungslegenden nicht abzuleiten.
Nachdem die Beteiligten auf das Senatsurteil vom 13.12.2006 (- L 5 KA 5574/05 -) hingewiesen worden waren, haben die Kläger ergänzend geltend gemacht, auch der Senat verkenne nach wie vor, dass zwischen der diagnostisch notwendigen Kommunikation im Rahmen einer Erstanamnese und der nachfolgenden therapeutischen verbalen Interaktion unterschieden werden müsse. Während sich die Erstanamnese in der Regel im Erstgespräch mit dem Patienten bzw. mit der Bezugsperson erschöpfe und zu Beginn der Behandlung erfolge, handele es sich bei der verbalen Interaktion nach Gebührennummer 822 EBM a.F. um einen länger anhaltenden Prozess, bei dem versucht werde, die verbale Kommunikation mit dem Patienten und damit dessen Erkrankung nach und nach zu verbessern. Dem stünden die im genannten Senatsurteil zitierten Kommentarstellen nicht entgegen. Auf Grund eigener Sachkunde könne der Senat nicht darüber befinden, ob sich die psychisch oder hirnorganisch bedingte erhebliche Kommunikationsstörung und die therapeutische verbale Interaktion gegenseitig ausschlössen; deshalb müsse hierzu ein Sachverständigengutachten eingeholt werden. Gegebenenfalls möge die Revision zugelassen werden. Die vom Sozialgericht zugelassene Sprungrevision sei daran gescheitert, dass die Beklagte ihre Zustimmung nicht erteilt habe. Nach wie vor bestehe, ungeachtet dessen, dass die genannten Gebührennummern außer Kraft getreten seien, erheblicher Klärungsbedarf, da noch über mehrere gleichartige Streitfälle zu entscheiden sei.
Die Kläger beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 16.11.2005 aufzuheben, die Gesamthonorarabrechnungsbescheide für die Quartale 3/02, 4/02 und 1/03 einschließlich der ergänzenden Berichtigungsbescheide in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.9.2003 insoweit abzuändern, als darin insgesamt 308 Ansätze der Gebührennummer 19 EBM a. F. gestrichen wurden, und die Beklagte zur Vergütung dieser Leistungen zu verurteilen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Der Senat hat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass er die Berufung, was vorliegend in Betracht komme, gem. § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Beschluss zurückweisen kann, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten hatten Gelegenheit, hierzu Stellung zu nehmen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.
II.
Der Senat weist die Berufung der Kläger gem. § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss zurück, weil er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten hatten Gelegenheit, hierzu Stellung zu nehmen.
Die Berufung der Kläger ist gem. §§ 143, 144, 151 SGG statthaft (Beschwerdewert: 6.728,98 EUR) und auch sonst zulässig, jedoch nicht begründet. Die Beklagte hat die in den Quartalen 3/02 bis 1/03 abgerechneten Leistungen nach Gebührennummer 19 EBM a.F. zu Recht in den hier streitigen 308 Fällen im Wege sachlich-rechnerischer Honorarberichtigung gestrichen. Das Sozialgericht hat die Klage daher zu Recht abgewiesen.
Rechtsgrundlage der von den Klägern bekämpften Streichungen sind die Bestimmungen in § 45 Abs. 2 Satz 1 BMV-Ä und § 34 Abs. 4 Satz 1 und 2 EKV-Ä. Danach obliegt den Kassenärztlichen Vereinigungen die Prüfung der von den Vertragsärzten vorgelegten Abrechnungen ihrer vertragsärztlichen Leistungen hinsichtlich der sachlich-rechnerischen Richtigkeit. Dies gilt insbesondere für die Anwendung des Regelwerkes. Die Kassenärztliche Vereinigung berichtigt die Honorarforderung des Vertragsarztes bei Fehlern hinsichtlich der sachlich-rechnerischen Richtigkeit. Der leicht abweichende Wortlaut des § 34 EKV-Ä enthält in der Sache keine andere Regelung. Die Prüfung auf sachlich-rechnerische Richtigkeit einer Abrechnung erstreckt sich auf die Frage, ob die abgerechneten Leistungen ordnungsgemäß - also ohne Verstoß gegen gesetzliche oder vertragliche Bestimmungen mit Ausnahme des Wirtschaftlichkeitsgebotes - erbracht worden sind. Soweit es - wie hier hinsichtlich der Gebührennummern 19 und 822 EBM a.F. - auf die Auslegung der vertragsärztlichen Gebührenordnung ankommt, ist in erster Linie der Wortlaut der jeweiligen Leistungslegende maßgeblich. Das vertragliche Regelwerk dient nämlich dem Ausgleich der unterschiedlichen Interessen zwischen Ärzten und Krankenkassen, und es ist vorrangig Aufgabe des Bewertungsausschusses selbst, darin auftretende Unklarheiten zu beseitigen. Ergänzend ist es statthaft, zur Klarstellung des Wortlauts der Leistungslegende eine systematische Interpretation im Sinne einer Gesamtschau der im inneren Zusammenhang stehenden vergleichbaren oder ähnlichen Gebührenregelungen vorzunehmen. Eine entstehungsgeschichtliche Auslegung unklarer oder mehrdeutiger Regelungen kommt nur in Betracht, wenn Dokumente vorliegen, in denen die Urheber der Bestimmungen diese in der Zeit ihrer Entstehung selbst erläutert haben. Leistungsbeschreibungen dürfen weder ausdehnend ausgelegt noch analog angewandt werden (zu alledem zuletzt Senatsurteil vom 13.12.2006, - 5 KA 5574/05 - mit Nachweisen zur Rechtsprechung des BSG).
Wie der Senat in seinem den Beteiligten (auszugsweise) bekannten Urteil vom 13.12.2006, a. a. O.) entschieden hat, können Leistungen nach Gebührennummer 19 EBM a.F. neben Leistungen nach Gebührennummer 822 EBM a.F. nicht abgerechnet werden. Der Senat hat hierzu i. e. Folgendes ausgeführt:
"Die Leistungslegende der mit 500 Punkten bewerteten GNR 19 EBM hatte in den hier streitigen Quartalen folgenden Wortlaut: Erhebung der Fremdanamnese, gegebenenfalls bei mehreren Personen, über einen psychisch, hirnorganisch oder krankheitsbedingt erheblich kommunikationsgestörten Kranken (z. B. Taubheit, Sprachverlust) und/oder Unterweisung und Führung der entsprechenden Bezugsperson(en), einmal im Behandlungsfall.
Die Leistungslegende der mit 320 Punkten bewerteten GNR 822 EBM hatte in den streitigen Quartalen folgenden Wortlaut: Psychiatrische Behandlung zur Reintegration eines Erwachsenen mit psychopathologisch definiertem Krankheitsbild durch syndrombezogene verbale Intervention als therapeutische Konsequenz aus den dokumentierten Ergebnissen der selbst erbrachten Leistung nach Nummer 820.
Nach dem Wortlaut der Leistungslegende setzt damit die Berechnungsfähigkeit der Erhebung der Fremdanamnese nach GNR 19 EBM voraus, dass ein Patient behandelt wird, der krankheitsbedingt, hirnorganisch oder psychisch erheblich kommunikationsgestört ist, der also aus einem der drei genannten, einander nicht notwendig ausschließenden Gründen diejenigen Informationen dem Arzt nicht selbst geben kann, die ein Patient, der an vergleichbaren Störungen nicht leidet, dem behandelnden Arzt selbst verschaffen könnte (siehe Beschluss des BSG vom 16. Mai 2001 - B 6 KA 4/01 B - mit dem das BSG das Urteil des erkennenden Senats vom 25. Oktober 2000 - L 5 KA 1268/00 - bestätigt hat).
Die Erhebung der Fremdanamnese (erste Fallgruppe der GNR 19 EBM) findet statt, wenn - entsprechend der Bedeutung von Anamnese als "das Erfragen ... der Vorgeschichte einer Krankheit durch den Arzt" (vgl. Brockhaus Enzyklopädie 19. Auflage 1986) - die Krankengeschichte nicht vom Kranken selbst, sondern von einem Dritten erfragt wird, der Auskunft über den Kranken geben kann. Die Fremdanamnese tritt in diesen Fällen an die Stelle einer sonst unmittelbar zwischen Patient und Arzt bestehenden Auskunftsbeziehung. Daraus ergibt sich, dass gerade die Kommunikationsstörung die Fremdanamnese erforderlich machen muss. Daraus folgt weiter, da die Krankengeschichte stets verbal "erfragt" wird und bei dem Patienten auch eine Selbstbeobachtungsgabe voraussetzt, dass unter Kommunikationsstörungen im Sinne der hier zu beurteilenden Leistungslegende allein Störungen der verbalen Kommunikation zu verstehen sind, und zwar bezogen auf die Kommunikation zwischen dem Kranken und dem Arzt (so der erkennende Senat in seinem Urteil vom 25. Oktober 2000 L 5 KA 1268/00 -). D. h. mit anderen Worten, eine krankheitsbedingte Kommunikationsstörung im Sinne der GNR 19 EBM kann deshalb nur gegeben sein, wenn eine verbale Kommunikation zwischen dem Kranken und dem Arzt ohne die in der Leistungslegende genannten Gründen grundsätzlich möglich wäre, sie in der konkreten Untersuchungssituation aber aus den in der Leistungslegende genannten Ursachen nicht (ausreichend) möglich ist.
Zutreffend hat unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung des BSG bzw. des erkennenden Senats bereits das SG darauf verwiesen, dass die Störung der verbalen Kommunikation nicht allein auf Fälle der "formal verbalen" Kommunikationsstörung begrenzt ist. Denn in der Tat würde bei einer Einengung der Kommunikationsstörung auf eine rein "formal verbale" Kommunikationsstörung nämlich fast kein Anwendungsbereich für psychisch oder hirnorganisch bedingte Kommunikationsstörungen verbleiben, die jedoch ausdrücklich in der Leistungslegende der GNR 19 EBM aufgeführt sind. D. h. weiter, neben den Fällen der "formal verbalen" Kommunikationsstörung, in denen der Patient nicht (z. B. Sprachverlust) oder kaum verständlich (z. B. Taubheit) sprechen kann, gibt es gerade bei psychisch oder hirnorganisch Erkrankten Fälle, in denen der Patient zwar durchaus sprechen kann, gleichwohl aber aufgrund seiner Erkrankung eine sinnvolle verbale Interaktion zwischen Arzt und Patient hinsichtlich der Anamneseerhebung nicht erfolgt, bzw. erfolgen kann. Eine erhebliche Kommunikationsstörung kann daher, wie vom SG weiter zutreffend bereits ausgeführt, im Sinne der GNR 19 EBM - neben den bereits in der Leistungslegende beschriebenen Erkrankungen wie Taubheit und Sprachverlust - beispielsweise auch bei - den von der Klägerbevollmächtigten ausdrücklich genannten - Demenzerkrankungen (vgl. Kölner Kommentar zum EBM, Stand Oktober 2001, Anmerkung 1 zu GNR 19 EBM, Seite 184), bei psychischen Störungen wie Autismus oder bei einem apoplektischen Insult mit entsprechenden Folgen oder auch einem Unfall mit nachfolgender Unmöglichkeit einer Kommunikation mit dem Kranken oder einer derart gravierenden Beeinträchtigung der Kommunikationsfähigkeit, dass der Arzt zu einer sachgerechten Beurteilung und Behandlung der Erkrankung fremder anamnestischer Angaben bedarf (siehe Kölner Kommentar a.a.O.), vorliegen.
Wie bereits weiter vom SG zutreffend ausgeführt erfordert die Leistung nach GNR 822 EBM im Rahmen der psychiatrischen Behandlung eines Erwachsenen mit psychopathologisch definierten Krankheitsbild anstelle oder in Ergänzung zu einer Pharmakotherapie eine begleitende psychiatrische verbale Intervention, um möglichst ein Verbleiben des Kranken in seinem persönlichen Umfeld zu erreichen und stationäre Behandlungen zu vermeiden (siehe Kölner Kommentar zum EBM, Stand Oktober 2003, Anmerkung 2 zur GNR 822 EBM). Unter einer syndrombezogenen verbalen Intervention ist dabei die gezielte Einwirkung auf krankhafte Gedankenabläufe, auf die Motivationslage und auf die Selbstinterpretation des Patienten zu verstehen, Beratungen, intensive Gespräche oder Erörterungen erfüllen nicht den Leistungsinhalt der GNR 822 (siehe Kölner Kommentar a.a.O., Anmerkung 4). Voraussetzung für die Erbringung und Abrechnung der Leistung nach GNR 822 EBM ist damit, dass der Kranke zu einer sinnvollen verbalen Kommunikation fähig ist und die verbale Intervention nicht als Monolog des Arztes verstanden werden darf. Zutreffend hat das SG darauf verwiesen, dass eine "gezielte Einwirkung" auf krankhafte Gedankenabläufe, Motivationslage oder die Selbstinterpretation des Patienten naturgemäß nur im Dialog mit dem Kranken erfolgen kann. Der Kläger hat mit dem Ansatz der GNR 822 EBM dokumentiert, dass er mit diesen Patienten ohne Zuhilfenahme von Begleit- oder Bezugspersonen - wenn auch unter Umständen erschwert - eine therapeutisch sinnvolle Kommunikation durchführen konnte. Wenn aber eine (sinnvolle) verbale Kommunikation mit dem Patienten möglich ist, scheidet in der Tat der Ansatz der GNR 19 EBM neben der GNR 822 EBM im Behandlungsfall von vornherein aus.
Soweit der Kläger hier nun versucht geltend zu machen, dass es einerseits durchaus Konstellationen geben könne, bei denen mit den betroffenen Patienten zwar eine Unterhaltung in begrenztem Umfang gegeben sei, eine therapeutische Zuwendung in Form von positiver Verstärkung und Bestätigung meistens möglich sei, so etwa bei Demenzpatienten oder auch bei Patienten nach einem Schlaganfall oder sich etwa bei psychisch erkrankten Patienten die Kommunikationsstörung nicht komplett auf die gesamte verbale Äußerungsfähigkeit oder Aufmerksamkeit des Patienten beziehe, sondern nur Teilbereiche beträfe, die jedoch zu schwerwiegenden Verhaltensweisen führen könnten, weshalb in diesen Fällen zwar einerseits eine verbale Interaktion "eingeschränkt" im Sinne der GNR 822 EBM möglich sei, auf der anderen Seite aber auch die Befragung der Bezugspersonen gerade zur Erarbeitung der Anamnese notwendig sei, da die Patienten entweder (wie etwa bei Demenzkranken oder durch Schlaganfall betroffenen Patienten) nicht in der Lage seien sich entsprechend zu artikulieren oder aufgrund ihrer psychischen Erkrankung die Realität verzerrt wahrnehmen und dann auch darstellen würden, führt dies zu keiner anderen Beurteilung der hier streitigen Frage. Zu beachten ist nämlich, dass die GNR 19 EBM voraussetzt, dass hier eine erhebliche Kommunikationsstörung vorliegt. Eine weitere Einschränkung dahingehend, dass "ausreichend" ist, dass die Kommunikationsstörung jedenfalls der Erhebung der Anamnese entgegensteht, im Übrigen aber eine "gewisse" Kommunikation noch möglich ist, ist in der Leistungslegende nicht aufgeführt. Dies heißt mit anderen Worten, immer dann, wenn eine Kommunikationsstörung vorliegt, die es nicht möglich macht, die Anamnese selbst bei dem Patienten zu erheben, also ein Dialog zwischen Arzt und Patient nicht möglich ist, kann dann aber auch im Übrigen kein Dialog zwischen Arzt und Patient, wie es die GNR 822 EBM verlangt, möglich sein. Andersrum formuliert, sobald eine sinnvolle Kommunikation im Sinne von GNR 822 EBM möglich ist, wie sie der Kläger in diesen Fällen durch die entsprechende Abrechnung dokumentiert hat, kann nach dem eindeutigen Wortlaut der Leistungslegende zu GNR 19 EBM nicht mehr von einem dergestalt kommunikationsgestörten Patienten ausgegangen werden, mit dem ein Dialog nicht möglich ist. Dies aber ist gerade Voraussetzung für die Anwendung der GNR 19 EBM. Die vom Kläger gewünschte Differenzierung in eine teilweise Kommunikationsstörung und teilweise Kommunikationsmöglichkeit und dann eine entsprechende Abrechnung beider Gebührennummern nebeneinander ist nach dem eindeutigen Wortlaut der Leistungslegende nicht möglich.
Dies gilt auch für die vom Kläger besonders hervorgehobenen Fälle der Kommunikationsunwilligkeit als Folge oder Begleiterscheinung psychischer Erkrankungen. Mit einem Patienten, der von seinem Sprachvermögen und seiner Aufnahmefähigkeit voll kommunikationsfähig ist, der aber aus den Gründen seiner psychischen Erkrankung über bestimmte Wahrnehmungen oder Verhaltensweisen mit dem Arzt nicht sprechen will, ist grundsätzlich eine verbale Kommunikation uneingeschränkt möglich. Fehlende Auskunftsbereitschaft, fehlende oder übertriebene Krankheitseinsicht oder eine verfälschte Darstellung durch Simulation oder Dissimulation sind zudem alltägliche Faktoren, mit denen der Arzt bei jeder Anamneseerhebung rechnen muss, und zwar auch bei Angehörigen, wenn er diese in das Gespräch einbezieht. Dass die Angaben Dritter dazu führen können, dass der Kern einer Erkrankung schneller eruiert wird, ist dem Kläger einzuräumen. Die Einbeziehung eines Dritten in ein auf der Gesprächsebene unproblematisches oder sogar flüssiges Gespräch vermag aber nicht die Voraussetzungen von GNR 19 EBM zu erfüllen, weil eine Kommunikationsstörung bei der Gesprächsführung, vergleichbar derjenigen, die bei einem Tauben oder einer Person mit Sprachverlust auftritt, in diesen Fällen nicht vorliegt.
Nichts anderes gilt im Übrigen auch für die zweite Fallvariante der GNR 19 EBM, nämlich die Unterweisung und Führung der entsprechenden Bezugsperson(en). Denn auch dies setzt genauso voraus, dass eine erhebliche Kommunikationsstörung vorliegt, die es gerade unmöglich macht, einen "normalen" Dialog zwischen Arzt und Patient führen zu können."
Der Senat hält nach erneuter Überprüfung an dieser Rechtsprechung fest. Das Berufungsvorbringen der Kläger rechtfertigt eine andere Beurteilung nicht.
Die Erhebung eines medizinischen Sachverständigengutachtens ist nicht erforderlich und drängt sich dem Senat daher auch nicht auf. Entscheidungserheblich ist vorliegend nicht, ob und inwieweit bei krankheitsbedingten Kommunikationsstörungen eine verbale (therapeutische) Intervention medizinisch möglich und sinnvoll ist. Vielmehr kommt es auf den Leistungsinhalt der Gebührennummern 19 und 822 EBM a.F. und deren Verhältnis zueinander an. Dabei handelt es sich aber um Rechtsfragen, die der Senat nach den dafür geltenden Rechtsgrundsätzen zu beantworten hat und die einer Beweiserhebung (auch durch Sachverständigengutachten) daher nicht zugänglich sind. Auch die von den Klägern postulierte Unterscheidung von diagnostisch notwendiger Kommunikation im Rahmen einer Erstanamnese und nachfolgender therapeutischer verbaler Interaktion kann ihrem Begehren nicht zum Erfolg verhelfen. Vielmehr bleibt es dabei, dass - wie im Senatsurteil vom 13.12.2006 (a. a. O.) eingehend dargelegt wurde - nach dem rechtlich maßgeblichen Regelungsgehalt der Gebührennummern 19 und 822 EBM a.F. eine Fremdanamnese (Gebührennummer 19 EBM a.F.) nicht abgerechnet werden kann, wenn eine therapeutisch sinnvolle verbale Kommunikation (i.S.d. Gebührennummer 822 EBM a.F.) möglich ist. Die anweichende Auffassung der Kläger findet im Wortlaut der streitigen Gebührennummern keine Stütze.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Revision ist nicht zuzulassen. Insbesondere hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung i. S. d. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG. Zum einen handelt es sich bei den Gebührennummern 19 und 822 EBM a.F. um ausgelaufenes Recht, das seit dem 1. April 2005 durch den neuen EBM 2000plus ersetzt worden ist. Zum anderen sind die hier streitigen Rechtsfragen allein aus dem insoweit nicht auslegungsfähigen Wortlaut der genannten Gebührennummern zu beantworten (vgl. auch insoweit Senatsurteil vom 13.12.2006, a. a. O.). Dass nach dem Vorbringen der Kläger beim Sozialgericht Stuttgart noch über mehrere gleichartige Streitfälle zu entscheiden sei, rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht.
Rechtskraft
Aus
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