L 9 R 120/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 11 R 2677/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 120/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 15.11.2005 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.

Der 1956 geborene Kläger hat keinen Beruf erlernt. Er hat nach seinen Angaben von 1974 bis 1975 über das Arbeitsamt an einem Mechanikerlehrgang teilgenommen, diesen jedoch aus gesundheitlichen Gründen nicht abgeschlossen. Von 1976 bis ca. 1988 war er als Maschinist und Staplerfahrer beschäftigt gewesen und sodann vom 01.06. 1988 bis 31.12.1993 bei der Fa. W.-Hydraulik als Bediener einer NC-Drehmaschine (Arbeitszeugnis vom 01.12.1993). Unterbrochen durch Zeiten der Arbeitslosigkeit folgten verschiedene Beschäftigungsverhältnisse, zuletzt vom 26.01.1998 bis zum 31.07.1999 bei der Fa. K. Werkzeugbau in S. und vom 10.07.2000 bis zum 03.01.2002 bei der Fa. H., Präzisions-Metallbearbeitung in S ... Die letzte versicherungspflichtige Beschäftigung als Lkw-Fahrer mit Abladetätigkeiten vom 29.09. bis 11.10.2002 gab der Kläger nach knapp drei Wochen auf, da sie ihm zu schwer gewesen sei.

Am 25.03.2003 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.

Die Beklagte veranlasste eine Begutachtung des Klägers nach Untersuchung durch Dr. S ... Dieser nannte in seinem Gutachten vom 08.05.2003 folgende Diagnosen: 1. Insulinpflichtige Zuckerkrankheit 2. Diabetische Nervenbeteiligung (Polyneuropathie) 3. Obstruktive Lungenventilationsstörung (bei anamnestisch Pollen-Allergie) 4. Vorbekannte Fettstoffwechselstörung 5. Bekanntes Carpaltunnelsyndrom Hand links 6. Ulnarisschwäche Hand rechts 7. Lumbales Rücken-Wirbelsäulen (WS)-Syndrom, muskuläre Dysbalance. Dr. S. hielt die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Lkw-Fahrer mit schweren Abladetätigkeiten für dauerhaft dem Kläger unzumutbar ( bzw. für nur unter 3 Stunden arbeitstäglich möglich). Dagegen könnten leichte Arbeiten mit Einschränkungen vollschichtig ausgeübt werden. Zu vermeiden seien schwere und mittelschwere körperliche Dauerbelastungen, Absturzgefahr, Tätigkeit an gefährdenden ungeschützten Maschinen, mit besonderer Beanspruchung des Hörvermögens, mit häufigem Klettern und Steigen, mit häufigem Heben und Tragen oder Bewegen von mittelschweren Lasten, unter Kälte, Nässe, Lärm, mit inhalativen Reizen und mit besonderen berufsmäßigen Fahr- und Steuerungstätigkeiten.

Hierauf lehnte die Beklagten den Rentenantrag des Klägers mit Bescheid vom 12.05.2003 ab.

Dagegen wandte sich der Kläger mit seinem Widerspruch vom 05.06.2003. Seine gesundheitlichen Beeinträchtigungen seien nicht vollumfänglich erfasst worden. Insbesondere wegen anhaltender Ein- und Durchschlafstörungen, innerer Unruhe, Pessimismus, Schmerzen und Taubheitsgefühle in der linken Hand, Schmerzen in den Beinen, Schmerzen im rechten Arm, hohem Blutdruck und den Folgen der Zuckerkrankheit seien ihm selbst leichte Arbeiten nicht mehr vollschichtig zuzumuten.

Nach Einholung einer beratungsärztlichen Stellungnahme des Dr. S. vom 18.07.2003 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 17.09.2003 zurück. Ergänzend zur Begründung im angefochtenen Bescheid wurde ausgeführt, aufgrund der zuletzt ausgeübten Tätigkeit als Lagerist könne der Kläger auf sämtliche ungelernte Tätigkeiten verwiesen werden.

Hiergegen erhob der Kläger am 10.10.2003 Klage zum Sozialgericht (SG) Heilbronn, mit der er die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung weiterverfolgte. Er berief sich auf das Zeugnis seiner behandelnden Ärzte und legte Arztbriefe des Internisten/Kardiologen Dr. J. vom 31.10.1997 und des Internisten A. M. vom 09.05.2004 vor. Zwischenzeitlich seien bei ihm ein Gallenstein, eine strukturverdichtete Leber sowie eine Zyste an der linken Niere diagnostiziert worden. Seit dem 28.10.2004 sei bei ihm ein Grad der Behinderung (GdB) nach dem Schwerbehindertengesetz um 70 festgestellt worden. Außerdem machte er unter Vorlage von Arbeitsverträgen, Zeugnissen und Gehaltsabrechnungen seiner früheren Arbeitgeber geltend, ihm stehe Berufsschutz als Facharbeiter, zumindest aber als Angelernter im oberen Bereich zu. Er besitze seit rund 20 Jahren den Staplerführerschein.

Das SG vernahm die behandelnden Ärzte des Klägers als sachverständige Zeugen auf schriftlichem Weg. Der Arzt für Allgemeinmedizin Dr. L., gab unter dem 29.02.2004 an, der Kläger sei nicht mehr in der Lage, eine Tätigkeit mit Nachtschicht und mit einer Fahrtätigkeit wegen des insulinpflichtigen Diabetes und der diabetischen Polyneurophatie auszuführen. Leichtere körperliche Tätigkeiten ohne Arbeiten auf einem Gerüst seien dagegen vollschichtig möglich.

Der HNO-Arzt Dr. T. teilte in der Auskunft vom 03.03.2004 mit, der Kläger könne Tätigkeiten, die nicht entscheidend vom Gehör abhingen, bei abgesenkter Gesamthörleistung und Versorgung mit Hörgeräten ohne Probleme 8 Stunden täglich ausführen.

Der Augenarzt Dr. H. führte unter dem 15.03.2004 aus, von Seiten der Augen lägen keine Krankheitserscheinungen vor, die eine Einschränkung einer beruflichen Tätigkeit nach sich zögen.

Auch der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. St. hielt in der Auskunft vom 22.03.2004 eine leichte körperliche Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ohne gesundheitliche Gefährdung noch ca. 8 Stunden täglich für möglich. Wegen der Schlafstörungen und der episodischen depressiven Verstimmungszustände sei die Stressbelastbarkeit eingeschränkt. Daher seien Tätigkeiten mit erhöhtem Zeitdruck oder Schichtwechsel und Akkordarbeiten zu meiden.

Der Internist Dr. Sch. hielt in der sachverständigen Zeugenauskunft vom 27.08.2004 unter Berücksichtigung des im Vordergrund stehenden Diabetes mellitus ebenfalls die Ausübung einer vollschichtigen leichten Tätigkeit für zumutbar.

Auf gerichtliche Anfrage wurde von der Firma G. H. GmbH & Co KG am 12.01.2005 unter Vorlage eines Zeugnisses vom Januar 2002 mitgeteilt, der dort vom 10.07.2000 bis 03.01.2002 beschäftigte Kläger sei zunächst als Hilfsarbeiter/Maschinenbediener und ab Oktober 2000 als Arbeiter im Lager, im Versand und bei Reinigungsarbeiten eingesetzt gewesen. Tariflich sei er als Hilfskraft eingestuft gewesen. Ein Arbeitnehmer ohne Vorbildung habe ca. eine Woche angelernt werden müssen, um die vom Kläger verrichteten Tätigkeiten auszuüben.

Mit Urteil vom 15.11.2005 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung führte das SG aus, sämtliche als sachverständige Zeugen angehörten behandelnden Ärzte des Klägers hätten in ihrer sozialmedizinischen Beurteilung dargelegt, dass der Kläger nicht daran gehindert sei, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig zu verrichten. Auch liege keine Berufsunfähigkeit vor. Der Kläger sei im Rahmen des Mehrstufenschemas des Bundessozialgerichts der Gruppe der unteren Angelernten zuzuordnen. Daher könne er auf sämtliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden. Selbst wenn der Kläger jedoch der Gruppe der Angelernten des oberen Bereichs angehören würde, so könne er zumutbar auf den Beruf der einfachen Bürohilfskraft verwiesen werden, den er nach seinen gesundheitlichen Verhältnissen ausüben könne.

Gegen das am 09.12.2005 zugestellte Urteil hat der Kläger am 09.01.2006 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt. Zur Begründung verweist er auf seinen Vortrag im erstinstanzlichen Verfahren. Er hat eine Kopie seines Schwerbehindertenausweises (GdB 70 seit 28.10.2004), den Arbeitsvertrag mit der Firma H. vom 05.07.2000 und einen ärztlichen Kurzbrief der chirurgischen Klinik der S.-Kliniken H. vom 10.01.2006 (Diagnose Leistenhernien beidseits) vorgelegt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 15.11.2005 sowie den Bescheid der Beklagten vom 12.05.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.09.2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung, ab dem 01.03.2003 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat zunächst Beweis erhoben durch Einholung einer schriftlichen Auskunft (vom 10.04.2006) von der Firma K. Werkzeugbau GmbH. Darin wird ausgeführt, der Kläger sei dort vom 26.01.1998 bis 31.07.1999 beschäftigt gewesen. Die Anlernzeit für die von ihm verrichteten Tätigkeiten (Maschinen reinigen, Teile in CNC-gesteuerte Maschinen einlegen und Teile transportieren) betrage ca. 1 Woche. Er habe einen Stundenlohn von zunächst 22,00 DM später von 22,78 DM erhalten mit einer Einstufung als ungelernter Arbeitnehmer.

Sodann hat der Senat eine schriftliche sachverständige Zeugenaussage von Dr. W., Facharzt für innere Medizin, eingeholt. Unter dem 07.08.2006 hat dieser unter Vorlage von Arztbriefen der S.-Kliniken vom 13.03., 23.03. und 21.04.2006 und der Augenärztin Dr. A.-S. vom 29.03.2006 ausgeführt, er behandle den Kläger seit November 2005. Es liege ein Diabetes mellitus Typ II vor mit Erstdiagnose 1980. Bei der letzten Augenuntersuchung habe im Gegensatz zu früher eine diabetische Retinopathie nicht nachgewiesen werden können. Eine diabetische Nephropathie sei bisher ebenfalls nicht nachgewiesen. Die seit dem Jahr 2004 bekannte Polyneuropathie mache derzeit nach Angaben des Klägers keine größeren Beschwerden. Neu festgestellt worden sei im März 2006 eine chronisch-obstruktive Lungenerkrankung mit einer mittelschweren Obstruktion im Lungenfunktionstest. Der Kläger sei Raucher. Das Rauchen sei bisher nicht eingestellt worden. Eine medikamentöse Therapie werde bei dieser Erkrankung derzeit noch nicht durchgeführt. Weiterhin habe bei dem Kläger eine Leistenhernie links bestanden, die erfolgreich im März 2006 operiert worden sei. Seitdem habe der Kläger keine Beschwerden mehr angegeben. Beim letzten Patientenkontakt im Juli 2006 sei der Kläger arbeitsfähig gewesen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akten des Senats, des Sozialgerichts und der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung des Kläger ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.

Die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig. Der Kläger hat gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Die gesetzlichen Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, um Rente wegen Erwerbsminderung zu erhalten, sind in der angefochtenen Entscheidung des SG zitiert; hierauf nimmt der Senat, um Wiederholungen zu vermeiden, Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).

Auch der Senat ist zu dem Ergebnis gelangt, dass der Kläger nicht erwerbsgemindert ist und ihm daher keine Rente wegen Erwerbsminderung zusteht.

Eine Erwerbsminderung des Klägers, d.h. ein Absinken seiner Leistungsfähigkeit auf ein Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von weniger als 6 Stunden arbeitstäglich, lässt sich zur Überzeugung des Senats nicht belegen. Dies ergibt sich zunächst aus dem im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten des Sozialmediziners Dr. S. vom 08.05.2003, das urkundsbeweislich auch im Berufungsverfahren verwertet wird. Danach leidet der Kläger zwar an einem insulinpflichtigen Diabetes mellitus mit Nervenbeteiligung (Polyneuropathie), an einer obstruktiven Lungenventilationsstörung bei angegebener Pollen-Allergie, an einer Fettstoffwechselstörung, an einem Carpaltunnelsyndrom der linken Hand und einer Ulnarisschwäche an der rechten Hand sowie an einem lumbalen Rücken-WS-Syndrom bei muskulärer Dysbalance. Desweiteren nannte Dr. S. eine beidseits vorliegende Hörminderung (links-betont). Nicht mehr zumutbar waren dem Kläger zum Zeitpunkt der Begutachtung - und sind auch aktuell - schwere und mittelschwere körperliche Dauerbelastungen, Arbeiten mit Absturzgefahr, an gefährdenden ungeschützten Maschinen, mit besonderer Beanspruchung des Hörvermögens, mit häufigem Klettern und Steigen, mit häufigem Heben und Tragen oder Bewegen von mittelschweren Lasten, mit Kälte-, Nässe-, Lärmexposition oder inhalativen Reizen und mit besonderen berufsmäßigen Fahr- und Steuerungstätigkeiten. Unter Beachtung dieser Einschränkungen kann der Kläger jedoch im zeitlichen Umfang von 6 Stunden arbeitstäglich eine körperlich leichte Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausüben. Insbesondere wird der Kläger nicht durch die wegen des Diabetes mellitus erforderlichen Blutzucker-Selbstmessungen und die ca. zweimal pro Tag erforderlichen Insulininjektionen an der Ausübung einer regelmäßigen Erwerbstätigkeit gehindert. Auch die als Folge des Diabetes mellitus aufgetretene Polyneuropathie mit rezidivierenden Parästhesien und zeitweiligen Schmerzen im Bereich der unteren Extremitäten stellt kein Hindernis für eine regelmäßige Erwerbstätigkeit dar. Dr. S. weist in diesem Zusammenhang insbesondere auf das bei der Untersuchung unauffällige Gangbild des Klägers hin. Durch die bei der damaligen Begutachtung festgestellten weiteren Gesundheitsstörungen, welche nicht im Vordergrund des Beschwerdebildes standen, wird das Leistungsvermögen des Klägers nicht weitergehend eingeschränkt.

An dem damals festgestellten Gesundheitszustand des Klägers hat sich zwischenzeitlich nichts wesentliches geändert. Dies ergibt sich aus den im sozialgerichtlichen Verfahren eingeholten sachverständigen Zeugenaussagen der behandelnden Ärzte des Klägers. Sie vertreten übereinstimmend die Auffassung, dass der Kläger in der Lage ist, leichte körperliche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig mit den bereits von Dr. S. genannten qualitativen Einschränkungen zu verrichten. Eine dauerhafte Verschlimmerung des Gesundheitszustandes des Klägers lässt sich den Arztauskünften nicht entnehmen. Insbesondere treten die von dem Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. St. erwähnten depressiven Verstimmungszustände nur episodisch, das heißt zeitlich begrenzt auf und schränken das zeitliche Leistungsvermögen des Klägers nicht ein. Durch sie wird lediglich die Stressbelastbarkeit des Klägers eingeschränkt, so dass Tätigkeiten mit erhöhtem Zeitdruck, Akkordarbeit oder Schichtwechsel zumindest beim Auftreten derartiger Verstimmungszustände nicht mehr als leidensgerecht erachtet werden können.

Aus der im Berufungsverfahren eingeholten Auskunft des Hausarztes und Internisten W. vom August 2006 ergibt sich, dass gegenüber den im erstinstanzlichen Verfahren eingeholten ärztlichen Zeugenauskünften keine entscheidende Änderung in den gesundheitlichen Verhältnissen des Klägers eingetreten ist. Der Hausarzt weist daraufhin, dass sogar eine Besserung insoweit eingetreten ist, als bei der letzten Augenuntersuchung eine diabetische Retinopathie nicht nachgewiesen werden konnte; außerdem verursacht die diabetische Polyneuropathie nach den aktuellen Angaben des Klägers keine größeren Beschwerden. Die bereits von Dr. S. festgestellte obstruktive Lungenventilationsstörung wurde von Dr. W. bei einem Lungenfunktionstest am 22.03.2006 mit etwas schlechteren Werten bestätigt. Eine medikamentöse Therapie ist jedoch derzeit nach der ärztlichen Beurteilung des Internisten W. noch nicht erforderlich, wobei Dr. S. von einer bedarfsweisen entsprechenden ambulanten Behandelbarkeit ausging. Dementsprechend beeinträchtigt die Lungenerkrankung des Klägers, der das Rauchen im übrigen deswegen noch nicht aufgegeben hat, die Leistungsfähigkeit des Klägers nicht zusätzlich. Die aufgetretene Leistenhernie links ist erfolgreich im März 2006 operiert worden. Eine dauerhafte Einschränkung des Leistungsvermögens resultiert hieraus ebenfalls nicht.

Auch die Anerkennung eines GdB von 70 seit dem 28.10.2004 durch die Versorgungsverwaltung ist für das vorliegende Rentenstreitverfahren nach den §§ 43, 240 SGB VI ohne eigenes rechtliches Gewicht. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. BSG, B. v. 08.08.2001, B 9 SB 5/01 B, juris-dok.) ist die Frage, ob eine Person schwerbehindert ist von der anderen Frage, ob sie nach dem SGB VI erwerbsgemindert ist, zu unterscheiden. Zwischen beiden Tatbeständen besteht auf Grund ihrer völlig unterschiedlichen gesetzlichen Voraussetzungen keine Wechselwirkung. Während es für eine Berentung nach den §§ 43, 240 SGB VI auf die "konkreten" Erwerbsmöglichkeiten des Versicherten ankommt, beurteilt sich die Frage der Schwerbehinderung bzw. der Höhe des GdB nach den "abstrakten" Maßstäben des § 30 Abs.1 BVG (§ 69 Abs.1 Satz 4 SGB IX)

Der Senat kommt daher zu dem Ergebnis, dass der Kläger leichte Arbeiten mit den bereits erwähnten qualitativen Einschränkungen noch mindestens 6 Stunden arbeitstäglich ausüben kann.

Im Hinblick auf die qualitativen Leistungseinschränkungen muss dem Kläger keine konkrete Berufstätigkeit benannt werden, denn bei ihnen handelt es sich im Wesentlichen um solche, denen durch die Begrenzung auf leichte körperliche Arbeit hinreichend Rechnung getragen wird. Die dem Kläger noch zumutbaren Arbeiten (z.B. Verpacken von Kleinteilen, Sortier- Montier-, Ettiketier- und Klebearbeiten aber auch Bürohilfsarbeiten) werden in der Regel in wohl temperierten geschützten Räumen überwiegend in normaler Arbeitszeit verrichtet und sind auch nicht mit erhöhtem Zeitdruck oder mit Wechselschicht verbunden. Auch der Einfluss von Kälte, Nässe und Lärm sowie von inhalativen Reizen ist damit ausgeschlossen. Ferner kommen keine gefährdenden ungeschützten Maschinen zum Einsatz.

Dem Kläger ist somit keine Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren und zwar unabhängig davon, ob die für ihn zuständige Arbeitsagentur einen seinem Leistungsvermögen entsprechenden Arbeitsplatz anbieten könnte. Denn das Risiko, keinen offenen Arbeitsplatz zu finden, ist nicht von der Renten- sondern grundsätzlich von der Arbeitslosenversicherung zu tragen (BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 137 m.w.N.). Die Frage, ob es auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Arbeitsplätze gibt, ist nur dann zu klären, wenn eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt, was, wie bereits dargelegt wurde, hier nicht der Fall ist, oder wenn Arbeitskräfte, die noch sechs Stunden und mehr arbeiten können, nur noch auf solchen Arbeitsplätzen einsetzbar sind, bei denen wegen ihrer Seltenheit eine Verschlossenheit des Arbeitsmarktes besteht, also z. B. noch in Betracht kommende Tätigkeiten nicht unter betriebsüblichen Bedienungen ausgeübt werden können oder entsprechende Arbeitsplätze aufgrund gesundheitlicher Beeinträchtigungen von der Wohnung aus nicht erreichbar sind oder nur vereinzelt vorkommen (BSG SoR 2200 § 1246 Nr. 136, 137 und 139 sowie 1247 Nrn. 33 und 53; SozR3-2200 § 1247 Nr. 10 und 14).

Ausgehend hiervon sind keine Beschränkungen des zumutbaren Arbeitsweges erkennbar. Auch benötigt der Kläger, wie ebenfalls bereits dargelegt, wegen seiner Diabeteserkrankung keine betriebsunüblichen Pausen. Die erforderlichen Blutzuckerkontrollen können in der persönlichen Verteilzeit durchgeführt werden. Ebenso gibt es für das Bestehen der übrigen sogenannten Katalogfälle keine Anhaltspunkte.

Das SG hat auch zutreffend entschieden, dass dem Kläger keine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 240 Abs. 1 SGB VI) zusteht, weil der Kläger nicht berufsunfähig ist.

Der Senat schließt sich der Rechtsauffassung im Urteil des SG an, wonach der Kläger im Rahmen des Mehrstufenschemas des Bundessozialgerichts der Gruppe der unteren Angelernten (Anlernzeit von unter 12 Monaten) zuzuordnen ist. Eine Zuordnung zur Gruppe der Facharbeiter oder zu der Gruppe der oberen Angelernten (Anlernzeit von 12 bis 24 Monaten) kommt auch nach der weiteren Beweiserhebung im Berufungsverfahren nicht in Betracht. Der Kläger hat weder eine Facharbeiterausbildung absolviert noch hat er sich durch entsprechende Berufserfahrung die Kenntnisse und Fähigkeiten eines Facharbeiters erworben. Er wurde auch bei den maßgebenden Beschäftigungsverhältnissen bei der Fa. K. und bei der Fa. H. nicht wie ein Facharbeiter oder wie ein oberer Angelernter eingesetzt. Bei beiden Firmen (bei der Fa. K. von Januar 1998 bis Juli 1999 und bei der Fa. H. von Juli 2000 bis Januar 2002) war der Kläger nach den vorliegenden Arbeitgeberauskünften vom 10.04.2006 (Fa. K.) und vom 12.01.2005 (Fa. H.) dort lediglich als Hilfskraft in verschiedenen Bereichen mit einer erforderlichen Anlernzeit von einer Woche beschäftigt. Auch entsprechen die das damalige Aufgabengebiet des Klägers umfassenden Tätigkeiten (Maschinen reinigen, Teile in CNC-gesteuerte Maschinen einlegen und Teile transportieren, Versand- und Reinigungstätigkeiten) nicht dem Niveau einer Facharbeitertätigkeit oder der Tätigkeit eines oberen Angelernten. Schließlich war er bei beiden Firmen auch tariflich wie eine Hilfskraft eingestuft. Der Kläger kann daher auf alle körperlich leichten Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden, die ihm unter Beachtung der genannten qualitativen Einschränkungen seines Leistungsvermögens zumutbar sind.

Nach alledem sind das angefochtene Urteil und die Bescheide der Beklagten nicht zu beanstanden. Die Berufung des Klägers musste deswegen zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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