Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 10 R 1385/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 523/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 16. Oktober 2003 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Beschäftigungszeit des Klägers im Beitrittsgebiet vom 1. September 1965 bis 30. Juni 1989 als Zeit der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der zusätzlichen Altersversorgung der Technischen Intelligenz (AVTI) festzustellen ist.
Der 1943 geborene Kläger absolvierte von 1958 bis 1961 eine Lehre als Maschinenschlosser und arbeitete in diesem Beruf, bevor er die Ingenieurschule für Gastechnik in L.-M. besuchte. Diese Ausbildung schloss der Kläger am 31. Juli 1965 erfolgreich als Ingenieur der Fachrichtung Gasverteilungs- und Gasanwendungstechnik ab. Ab dem 1. September 1965 arbeitete der Kläger als Ingenieur zunächst im VEB E. R., sodann ab dem 1. Januar 1967 im VEB E. L., ab dem 16. Januar 1967 gefolgt vom VEB M. L. und schließlich ab dem 1. Januar 1969 bis zum 30. Juni 1989 im VEB V. G. B.-E ... Am 29. März 1974 verlieh der Rat der Sektion Verfahrenstechnik der Technischen Hochschule für Chemie "C. Sch." L.-M. dem Kläger aufgrund seines zwischenzeitlich absolvierten Fernstudiums den akademischen Grad "Diplom-Ingenieur" (Dipl.-Ing.).
Ende Juni 1989 übersiedelte der Kläger in die Bundesrepublik Deutschland, wo er ab November 1989 wieder einer versicherungspflichtigen Beschäftigung im erlernten Beruf nachging.
Am 12. November 2002 beantragte der Kläger bei der Beklagten im Rahmen eines Kontenklärungsverfahrens, die Zeit vom 1. September 1965 bis 30. Juni 1989 als Zeit der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der Technischen Intelligenz festzustellen. Dazu gab er u. a. an, in der Zeit vom 20. April 1982 bis zum 30. Juni 1989 Beiträge zur Freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) gezahlt zu haben.
Mit Bescheid vom 3. Dezember 2002 lehnte die Beklagte den Antrag auf Feststellung der Beschäftigungszeit vom 1. September 1965 bis 30. Juni 1989 als Zeit der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) ab. Eine Versorgungsanwartschaft i. S. v. § 1 AAÜG sei nicht entstanden. Es habe weder eine positive Versorgungszusage zu Zeiten der DDR vorgelegen, noch sei am 30. Juni 1990 eine Beschäftigung ausgeübt worden, die dem Kreis der obligatorisch Versorgungsberechtigten zuzuordnen wäre. Der Kläger sei am 30. Juni 1990 nicht mehr im Beitrittsgebiet beschäftigt gewesen.
Hiergegen erhob der Kläger am 18. Dezember 2002 Widerspruch und machte geltend, bei seinen ehemaligen Arbeitskollegen (Ingenieure), die über den Stichtag 30. Juni 1990 hinaus bei ihrem VEB-Betrieb geblieben seien, seien Zeiten zum Zusatzversorgungssystem der Technischen Intelligenz festgestellt worden; sie seien ihm gegenüber besser gestellt. Darin sehe er eine ihn treffende weitere Benachteiligung nicht regimetreuer ehemaliger DDR-Bürger. Mit am 16. Mai 2003 dem Kläger zugegangenem Widerspruchsbescheid vom 28. April 2003 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.
Hiergegen erhob der Kläger am 19. Mai 2003 Klage zum Sozialgericht (SG) Reutlingen, mit der er die Feststellung der Beschäftigungszeiten im Beitrittsgebiet als Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der Technischen Intelligenz weiterverfolgte. Er trug vor, bei ihm seien alle Kriterien für eine fiktive Zusatzversorgungsanwartschaft erfüllt. Die Stichtagsregelung verletze ihn in seinen Rechten aus Art. 3 Abs. 1 GG. Die zu Grunde liegenden Normen der §§ 1,5 AAÜG würden keinen Stichtag nennen. Dementsprechend habe das Bundessozialgericht (BSG) in den bis zum Jahr 1999 erlassenen Urteilen auch niemals auf den Stichtag abgestellt. Danach seien Zugehörigkeitszeiten im Sinn des AAÜG immer dann anzuerkennen, wenn der Versorgungsberechtigte zu irgendeinem Zeitpunkt (nicht notwendig am 30. Juni 1990) eine Beschäftigung ausgeübt habe, wegen der ihrer Art nach eine zusätzliche Altersversorgung in einem System vorgesehen gewesen sei, das in den Anlagen 1 und 2 zum AAÜG aufgelistet sei.
Mit Urteil vom 16. Oktober 2003 wies das Sozialgericht die Klage als unbegründet ab. Zur Begründung führte es aus, der Kläger erfülle die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 AAÜG nicht, da er zu keinem Zeitpunkt in der DDR eine Versorgungszusage oder einen Einzelvertrag mit der konkreten Aussicht erhalten habe, beim Eintritt des Versorgungsfalls Leistungen zu erhalten. Er könne seinen Anspruch auch nicht auf die vom BSG vorgenommene verfassungskonforme Auslegung des § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG stützen. Danach hätten alle diejenigen "eine Versorgungsanwartschaft erworben", denen aus bundesrechtlicher Sicht nach den Gegebenheiten der DDR eine Anwartschaft auf eine Versorgung durch Einzelfallregelung am 30.06.1990 hätte eingeräumt werden müssen. Die Voraussetzungen für eine obligatorische Einbeziehung hätten beim Kläger am 30.06.1990 aber nicht (mehr) vorgelegen. Dieses Ergebnis begegne auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen. Das Urteil wurde dem Kläger am 23. Oktober 2003 zugestellt.
Am 3. November 2003 hat der Kläger gegen das Urteil Berufung eingelegt (L 9 RA 4390/03) und vorgetragen, seines Erachtens sei die rückwirkend vom Bundessozialgericht entwickelte Stichtagsregelung "30. Juni 1990" willkürlich und damit nicht verfassungskonform. Weil das angefochtene Urteil sich auf diese Regelung stütze, verletze es seine Rechte aus Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 1 des Protokolls Nr. 1 zur Europäischen Menschenrechtskonvention - EMRK - in Verbindung mit Art 14 EMRK. Er werde allein wegen seines auf politische Motive gegründeten Verlassens der DDR vor dem Stichtag bestraft. Denn am Stichtag sei er als Ingenieur in der Bundesrepublik Deutschland wieder beschäftigt gewesen und habe entsprechend Steuern und Rentenbeiträge gezahlt.
Durch Beschluss vom 9. Mai 2005 hat der erkennende Senat das Verfahren nach Anhörung der Beteiligten ausgesetzt, um Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts über mehrere anhängige Verfassungsbeschwerden zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der Stichtagsregelung "30. Juni 1990" abzuwarten. Nachdem das Bundesverfassungsgericht diese Verfassungsbeschwerden - 1 BvR 1921/04, 1 BvR 203/05, 1 BvR 445/05 und 1 BvR 1144/05 - durch Beschluss vom 26. Oktober 2005 nicht zur Entscheidung angenommen hatte, ist das vorliegende Berufungsverfahren auf Antrag der Beklagten vom 25. Januar 2006 fortgeführt worden (L 9 R 523/06).
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 16. Oktober 2003 sowie den Bescheid der Beklagten vom 3. Dezember 2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. April 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Zeit vom 1. September 1965 bis 30. Juni 1989 als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der Technischen Intelligenz anzuerkennen sowie die tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte festzustellen, hilfsweise, das Verfahren "zum Ruhen zu bringen bzw. auszusetzen", um in einzelnen Verfahren anstehende höchstrichterliche Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (Beschwerden-Nummern 9109/05 und 9095/05) zur Frage der Konventionsmäßigkeit der angegriffenen Stichtagsregelung abzuwarten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie erwidert, dem Kläger fehle für einen fiktiven bundesrechtlichen Anspruch auf Feststellung von Zugehörigkeitszeiten zur Altersversorgung der Technischen Intelligenz das Bestehen eines nach § 2 Abs. 1 der 2. Durchführungsbestimmung geforderten Angestelltenverhältnisses zu einem volkseigenen oder ihm gleichgestellten Betrieb am Stichtag 30. Juni 1990. Die Stichtagsregelungen für die Schaffung von Ansprüchen seien trotz der damit verbundenen Härten verfassungsrechtlich grundsätzlich zulässig. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe durch Beschluss vom 26. Oktober 2005 die Verfahren 1 BvR 1921/04, 1 BvR 203/05, 1 BvR 445/05 und 1 BvR 1144/05 nicht zur Entscheidung angenommen und damit die Auslegungspraxis des BSG zu § 1 AAÜG ausdrücklich bestätigt. Dementsprechend seien auch Gründe dafür, das Verfahren auszusetzen oder zum Ruhen zu bringen, nicht ersichtlich.
Mit Verfügung vom 14./15. Dezember 2006 hat der Senat die Beteiligten auf die Möglichkeit einer Entscheidung durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz - SGG - hingewiesen.
Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts sowie des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.
Die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, weil der Kläger keinen Anspruch auf Feststellung der im Beitrittsgebiet zurückgelegten Beschäftigungszeiten als Zeiten der Zugehörigkeit zur Altersversorgung der technischen Intelligenz hat (1.). Der hilfsweise gestellte Ruhensantrag des Klägers ist unzulässig (2. a.) und der weitere hilfsweise Antrag, das Verfahren auszusetzen, ist unbegründet (2. b.).
Gemäß § 153 Abs. 4 SGG kann das LSG - nach vorheriger Anhörung der Beteiligten - die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Im vorliegenden Fall sind die Berufsrichter des Senats einstimmig zum Ergebnis gekommen, dass die Berufung unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Mit Schreiben 14./15. Dezember 2006 hat der Senat die Beteiligten auch auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG hingewiesen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Eine Zustimmung der Beteiligten ist nicht erforderlich.
1. Zu Recht hat das Sozialgericht ausgeführt, dass der Kläger nicht unter den persönlichen Anwendungsbereich des § 1 AAÜG fällt. Vom persönlichen Anwendungsbereich werden nach § 1 Abs. 1 AAÜG die Inhaber von Ansprüchen und Anwartschaften erfasst, welche auf Grund der Zugehörigkeit zu Versorgungssystemen im Beitrittsgebiet erworben worden sind und beim Inkrafttreten dieses Gesetzes am 1. August 1991 bestanden haben (§ 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG). War ein Verlust der Versorgungsanwartschaften deswegen eingetreten, weil die Regelungen der Versorgungssysteme ihn bei einem Ausscheiden vor dem Leistungsfall vorsahen, gilt dieser Anwartschaftsverlust nach Satz 2 dieser Vorschrift als nicht eingetreten.
Der Kläger erfüllt diese Tatbestände nicht. Er war nicht Inhaber einer bei Inkrafttreten des AAÜG am 1. August 1991 bestehenden Versorgungsanwartschaft. Eine Einzelfallentscheidung, durch die ihm eine Versorgungsanwartschaft zuerkannt worden war, liegt nicht vor. Er hatte weder eine positive Statusentscheidung der Beklagten erlangt, noch hatte er eine frühere Versorgungszusage in Form eines nach Art. 19 Satz 1 Einigungsvertrag bindend gebliebenen Verwaltungsakts. Der Kläger war auch nicht auf Grund eines Einzelvertrags oder einer späteren Rehabilitationsentscheidung in das Versorgungssystem der Altersversorgung der Technischen Intelligenz einbezogen worden. Für den Kläger gilt auch nicht § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG, denn er hatte vor dem 30. Juni 1990 keine Rechtsposition inne, die er hätte verlieren können. Nur in diesen Fällen wird kraft Gesetzes eine Anwartschaften nach § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG fingiert (vgl. BSG, Urteile vom 8. Juni 2004 - B 4 RA 56/03 R - und vom 16. März 2006 - B 4 RA 30/05 R -).
Der Kläger wird auch nicht nach der vom BSG vorgenommenen erweiternden verfassungskonformen Auslegung des § 1 Abs. 1 AAÜG (vgl. Urteil vom 8. Juni 2004 a. a. O.) vom AAÜG erfasst. Danach ist zu prüfen, ob die Nichteinbezogenen aus der Sicht des am 1. August 1991 gültigen Bundesrechtes nach der am 30. Juni 1990 gegebenen Sachlage einen Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage gehabt hätten. Dieser fiktive Anspruch auf Erteilung einer Zusage im Bereich der Altersversorgung der Technischen Intelligenz hängt von drei Voraussetzungen (persönliche, sachliche und betriebliche) ab, die allesamt am 30. Juni 1990 vorgelegen haben müssen. Der Kläger erfüllt zumindest die betriebliche Voraussetzung nicht, da er unstreitig am 30. Juni 1990 in keinem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie und das Bauwesens oder in einem gleichgestellten Betrieb tätig gewesen war.
Die Nichteinbeziehung des Klägers in den Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 AAÜG stellt keinen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 und Abs. 3 GG dar. Der Kläger war aus dem von einem Versorgungssystem erfassten Beschäftigungsverhältnis bereits am 30. Juni 1989 ausgeschieden und in die Bundesrepublik Deutschland (alte Bundesländer) übergesiedelt. Durch die Schließung der Altersversorgung der Technischen Intelligenz im Beitrittsgebiet hat ihm deshalb kein am 30. Juni 1990 bestehender Anspruch und keine Anwartschaft verloren gehen können.
Das Bundesverfassungsgericht hat im oben genannten Beschluss vom 26. Oktober 2005 (SozR 4-8560 § 22 Nr. 1), in welchem es u. a. die gegen das Urteil des Bundessozialgerichts vom 8. Juni 2004 - B 4 RA 56/03 R - erhobene Verfassungsbeschwerde nicht angenommen hat, ausgeführt, eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung stelle das Stichtagsprinzip, hier bezogen auf den 30. Juni 1990, nicht dar. Das Bundessozialgericht habe über einen eng verstandenen Wortlaut des § 1 Abs. 1 AAÜG hinaus auch Personen, die zu keinem Zeitpunkt in ein Zusatzversorgungssystemen einbezogen gewesen seien, unter - den genannten - engen Kriterien in den Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 AAÜG einbezogen und damit zu Gunsten solcher Personen, die niemals - auch nicht in der Rechtsordnung der DDR - eine gesicherte Rechtsposition, etwa in Form einer Anwartschaft inne gehabt hätten, die Realisierung eines lediglich fiktiven Anspruchs ermöglicht, wenn die Voraussetzungen des fiktiven Anspruchs im Einzelfall am 30. Juni 1990 gegeben gewesen seien. Innerhalb der Gruppe der zu keinem Zeitpunkt in ein Zusatzversorgungssystem förmlich Einbezogenen sei das Bundessozialgericht durch den Gleichbehandlungsgrundsatz nicht gehalten gewesen, den von ihm entwickelten fiktiven Anspruch auf Einbeziehung in ein System der Zusatzversorgung, welcher durch die genannte Stichtagsregelungen nur wenige Personen betraf, auf alle diejenigen zur Anwendung zu bringen, die zu irgend einem Zeitpunkt vor dem 30. Juni 1990 die Voraussetzungen für einen fiktiven Anspruch im Sinne der dargestellten höchstrichterlichen Rechtsprechung erfüllt hätten.
Diese verfassungsrechtliche Beurteilung der aufgeworfenen Rechtsfrage hat sich das Bundessozialgericht jüngst in seinem Urteil vom 7. September 2006 (B 4 RA 39/05 R, JURIS) zu eigen gemacht, indem es ausführt:
"Art 3 Abs. 1 und 3 Grundgesetz (GG) gebietet nicht, von jenen zu Bundesrecht gewordenen Regelungen der Versorgungssysteme sowie von den historischen Fakten, aus denen sich etwa Ungleichheiten ergeben, abzusehen und sie "rückwirkend" zu Lasten der heutigen Beitrags- und Steuerzahler auszugleichen. Eine solche nachträgliche Korrektur der im Bereich der Zusatzversorgungssysteme am 30. Juni 1990 in Kraft gewesenen abstrakt-generellen Regelungen ist daher auch insoweit unzulässig, als sie damals willkürlich waren. Mit Blick auf die Neueinbeziehungsverbote in dem zu Bundesrecht gewordenen Rentenangleichungsgesetz der DDR (vgl. Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet F Abschnitt III Nr. 8 EinigVtr) und im EinigVtr (vgl. Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet H Abschnitt III Nr 9 Buchst a Satz 1 Halbsatz 2 zum EinigVtr) ist eine erweiternde Auslegung über die in § 1 Abs. 1 AAÜG selbst angelegte Modifikation hinaus nicht erlaubt ( Art 20 Abs. 3 GG ), sodass ein Analogieverbot besteht. Diese verfassungsrechtliche Wertung des BSG hat das Bundesverfassungsgericht bestätigt (Beschluss vom 4. August 2004, 1 BvR 1557/01 , SozR 4-8570 § 5 Nr. 4; Beschluss vom 26. Oktober 2005, 1 BvR 1921/04 , SozR 4-8560 § 22 Nr. 1 Rn. 38 ff)."
Im Übrigen ist dem oben genannten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zu entnehmen, dass der Anteil der in ein Zusatzversorgungssystem einbezogenen potenziell Berechtigten in den einzelnen Systemen unterschiedlich hoch war. Während im Bereich der medizinischen und pädagogischen Intelligenz nahezu alle Berechtigten aufgenommen worden, wird der Anteil der in die AVTI einbezogenen Ingenieure nur mit drei bis fünf Prozent angegeben.
Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass selbst dann kein Anspruch auf Anerkennung von Zeiten der Zugehörigkeit zur AVTI besteht, wenn ein Versicherter bis 29. Juni 1990 in einem VEB beschäftigt war, der ab 30. Juni 1990 in eine GmbH umgewandelt worden war (BSG, Urteil vom 16. März 2006, a. a. O. und BVerfG, Beschluss vom 26. Oktober 2005 a. a. O.). Dies gilt erst recht im Fall des Klägers, der bereits ab 1. Juli 1989 nicht mehr in einem VEB tätig war.
2. Die Antragstellung lässt nicht erkennen, ob die hilfsweise gestellten Anträge auf Anordnung des Ruhens und auf Aussetzung gleichrangig nebeneinander oder in einem Stufenverhältnis zueinander stehen sollen. Dies kann jedoch dahingestellt bleiben, weil der Kläger in keinem Fall mit seinem Begehren Erfolg haben kann.
a) Der Antrag auf Anordnung des Ruhens ist unzulässig. Er scheitert schon daran, dass die Beklagte dem Ruhen des Verfahrens nicht zugestimmt hat. Nach § 251 Satz 1 der Zivilprozessordnung (ZPO), der hier nach § 202 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) entsprechend anzuwenden ist, hat das Gericht das Ruhen des Verfahrens anzuordnen, wenn beide Parteien dies beantragen und anzunehmen ist, dass wegen Schwebens von Vergleichsverhandlungen oder aus sonstigen wichtigen Gründen diese Anordnung zweckmäßig ist. Ein einseitiger Antrag auf Anordnung des Ruhens ist gesetzlich nicht vorgesehen und damit von vornherein unstatthaft.
b) Der Antrag auf Aussetzung des Verfahrens ist zulässig, aber unbegründet. Nach § 114 Abs. 2 SGG kann das Gericht anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung eines anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsstelle auszusetzen ist, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil vom Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand des anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsstelle festzustellen ist. Diese Vorschrift ist hier offensichtlich nicht unmittelbar anwendbar, weil es kein anderes Rechtsverhältnis gibt, das vorgreiflich abzuklären wäre. Eine analoge Anwendung dieser Vorschrift auf weitere Fallkonstellationen ist nach der Rechtsprechung der verschiedenen Gerichtsbarkeiten zwar möglich. Die entsprechende Anwendung kann etwa ausnahmsweise akzeptiert werden, wenn wegen der streiterheblichen Frage bereits Verfassungsbeschwerden beim Bundesverfassungsgericht anhängig sind (vgl. BVerfGE 3, 58, 74; 54, 39; BSG in Breithaupt 92, 790; LSG Thüringen, Beschluss vom 29. Juli 2004, L 2 RA 461/04, JURIS, Meyer-Ladewig/Leitherer, SGG, 8. Aufl., § 114 Rn. 7b). Es soll in diesen Fällen verhindert werden, dass das Bundesverfassungsgericht mit einer Vielzahl gleichgelagerter Fälle "überschwemmt" wird, ohne dass dies einer weiteren Klärung dient (BSG, a. a. O.).
Diese Rechtsprechung ist hier aus mehreren Gründen nicht einschlägig. Eine "Überschwemmung" des Bundesverfassungsgerichts mit Verfahren, in denen es um die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage geht, ist jedenfalls bislang nicht eingetreten. Über eine Reihe von im Zusammenhang mit der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Überführung der Zusatzversorgung der technischen Intelligenz der ehemaligen DDR in bundesdeutsches Recht erhobenen Verfassungsbeschwerden hat das Bundesverfassungsgericht auch bereits entschieden. Insbesondere durch den oben benannten und ausführlich begründeten Nichtannahmebeschluss vom 26. Oktober 2005 hat das Bundesverfassungsgericht die vom Kläger aufgeworfene Frage der Verfassungsmäßigkeit der Stichtagsregelung nach dem AAÜG geklärt. Soweit zu dieser Frage noch weitere Verfassungsbeschwerden anhängig sind, misst der erkennende Senat diesen Verfassungsbeschwerden auf der Grundlage der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 26. Oktober 2005 keine rechtlich relevante Aussicht auf Erfolg bei. Die Garantie eines effektiven Rechtsschutzes, wie sie in Art. 19 Abs. 4 GG und dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 2 und Abs. 3 GG) verankert ist, verbietet es aber, ein Verfahren in der nicht näher fundierten Erwartung auszusetzen, dass ein anderes Verfahren eine Klärung der Rechtslage bringen werde.
Das Vorstehende gilt erst recht im Hinblick auf die beiden nach Angaben des Klägers beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zur Frage der Konventionsmäßigkeit der vorliegend angegriffenen Stichtagsregelung anhängigen Beschwerdeverfahren (Nummern 9109/05 und 9095/05), über deren Inhalt und Verfahrensstand dem erkennenden Senats nichts bekannt ist. Hinzu kommt, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte nach Art. 37 Abs. 1 S. 1 EMRK jederzeit während des Verfahrens entscheiden kann, eine Beschwerde zu streichen, wenn die Umstände Grund zur Annahme geben, dass der Beschwerdeführer seine Beschwerde nicht weiterzuverfolgen beabsichtigt, die Streitigkeit einer Lösung zugeführt worden ist oder eine weitere Prüfung der Beschwerde aus anderen vom Gerichtshof festgestellten Gründen nicht gerechtfertigt ist. Auch dies spricht gegen eine Aussetzung des Verfahrens.
Nach alledem vermag der Senat - in Übereinstimmung mit der Beklagten - weder im nationalen Recht noch im Völkerrecht einen Grund dafür zu erkennen, das Verfahren auszusetzen. Die Rechtslage insbesondere ist durch die oben zitierten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 26. Oktober 2005 und des Bundessozialgerichts vom 7. September 2006 abschließend geklärt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Beschäftigungszeit des Klägers im Beitrittsgebiet vom 1. September 1965 bis 30. Juni 1989 als Zeit der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der zusätzlichen Altersversorgung der Technischen Intelligenz (AVTI) festzustellen ist.
Der 1943 geborene Kläger absolvierte von 1958 bis 1961 eine Lehre als Maschinenschlosser und arbeitete in diesem Beruf, bevor er die Ingenieurschule für Gastechnik in L.-M. besuchte. Diese Ausbildung schloss der Kläger am 31. Juli 1965 erfolgreich als Ingenieur der Fachrichtung Gasverteilungs- und Gasanwendungstechnik ab. Ab dem 1. September 1965 arbeitete der Kläger als Ingenieur zunächst im VEB E. R., sodann ab dem 1. Januar 1967 im VEB E. L., ab dem 16. Januar 1967 gefolgt vom VEB M. L. und schließlich ab dem 1. Januar 1969 bis zum 30. Juni 1989 im VEB V. G. B.-E ... Am 29. März 1974 verlieh der Rat der Sektion Verfahrenstechnik der Technischen Hochschule für Chemie "C. Sch." L.-M. dem Kläger aufgrund seines zwischenzeitlich absolvierten Fernstudiums den akademischen Grad "Diplom-Ingenieur" (Dipl.-Ing.).
Ende Juni 1989 übersiedelte der Kläger in die Bundesrepublik Deutschland, wo er ab November 1989 wieder einer versicherungspflichtigen Beschäftigung im erlernten Beruf nachging.
Am 12. November 2002 beantragte der Kläger bei der Beklagten im Rahmen eines Kontenklärungsverfahrens, die Zeit vom 1. September 1965 bis 30. Juni 1989 als Zeit der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der Technischen Intelligenz festzustellen. Dazu gab er u. a. an, in der Zeit vom 20. April 1982 bis zum 30. Juni 1989 Beiträge zur Freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) gezahlt zu haben.
Mit Bescheid vom 3. Dezember 2002 lehnte die Beklagte den Antrag auf Feststellung der Beschäftigungszeit vom 1. September 1965 bis 30. Juni 1989 als Zeit der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) ab. Eine Versorgungsanwartschaft i. S. v. § 1 AAÜG sei nicht entstanden. Es habe weder eine positive Versorgungszusage zu Zeiten der DDR vorgelegen, noch sei am 30. Juni 1990 eine Beschäftigung ausgeübt worden, die dem Kreis der obligatorisch Versorgungsberechtigten zuzuordnen wäre. Der Kläger sei am 30. Juni 1990 nicht mehr im Beitrittsgebiet beschäftigt gewesen.
Hiergegen erhob der Kläger am 18. Dezember 2002 Widerspruch und machte geltend, bei seinen ehemaligen Arbeitskollegen (Ingenieure), die über den Stichtag 30. Juni 1990 hinaus bei ihrem VEB-Betrieb geblieben seien, seien Zeiten zum Zusatzversorgungssystem der Technischen Intelligenz festgestellt worden; sie seien ihm gegenüber besser gestellt. Darin sehe er eine ihn treffende weitere Benachteiligung nicht regimetreuer ehemaliger DDR-Bürger. Mit am 16. Mai 2003 dem Kläger zugegangenem Widerspruchsbescheid vom 28. April 2003 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.
Hiergegen erhob der Kläger am 19. Mai 2003 Klage zum Sozialgericht (SG) Reutlingen, mit der er die Feststellung der Beschäftigungszeiten im Beitrittsgebiet als Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der Technischen Intelligenz weiterverfolgte. Er trug vor, bei ihm seien alle Kriterien für eine fiktive Zusatzversorgungsanwartschaft erfüllt. Die Stichtagsregelung verletze ihn in seinen Rechten aus Art. 3 Abs. 1 GG. Die zu Grunde liegenden Normen der §§ 1,5 AAÜG würden keinen Stichtag nennen. Dementsprechend habe das Bundessozialgericht (BSG) in den bis zum Jahr 1999 erlassenen Urteilen auch niemals auf den Stichtag abgestellt. Danach seien Zugehörigkeitszeiten im Sinn des AAÜG immer dann anzuerkennen, wenn der Versorgungsberechtigte zu irgendeinem Zeitpunkt (nicht notwendig am 30. Juni 1990) eine Beschäftigung ausgeübt habe, wegen der ihrer Art nach eine zusätzliche Altersversorgung in einem System vorgesehen gewesen sei, das in den Anlagen 1 und 2 zum AAÜG aufgelistet sei.
Mit Urteil vom 16. Oktober 2003 wies das Sozialgericht die Klage als unbegründet ab. Zur Begründung führte es aus, der Kläger erfülle die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 AAÜG nicht, da er zu keinem Zeitpunkt in der DDR eine Versorgungszusage oder einen Einzelvertrag mit der konkreten Aussicht erhalten habe, beim Eintritt des Versorgungsfalls Leistungen zu erhalten. Er könne seinen Anspruch auch nicht auf die vom BSG vorgenommene verfassungskonforme Auslegung des § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG stützen. Danach hätten alle diejenigen "eine Versorgungsanwartschaft erworben", denen aus bundesrechtlicher Sicht nach den Gegebenheiten der DDR eine Anwartschaft auf eine Versorgung durch Einzelfallregelung am 30.06.1990 hätte eingeräumt werden müssen. Die Voraussetzungen für eine obligatorische Einbeziehung hätten beim Kläger am 30.06.1990 aber nicht (mehr) vorgelegen. Dieses Ergebnis begegne auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen. Das Urteil wurde dem Kläger am 23. Oktober 2003 zugestellt.
Am 3. November 2003 hat der Kläger gegen das Urteil Berufung eingelegt (L 9 RA 4390/03) und vorgetragen, seines Erachtens sei die rückwirkend vom Bundessozialgericht entwickelte Stichtagsregelung "30. Juni 1990" willkürlich und damit nicht verfassungskonform. Weil das angefochtene Urteil sich auf diese Regelung stütze, verletze es seine Rechte aus Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 1 des Protokolls Nr. 1 zur Europäischen Menschenrechtskonvention - EMRK - in Verbindung mit Art 14 EMRK. Er werde allein wegen seines auf politische Motive gegründeten Verlassens der DDR vor dem Stichtag bestraft. Denn am Stichtag sei er als Ingenieur in der Bundesrepublik Deutschland wieder beschäftigt gewesen und habe entsprechend Steuern und Rentenbeiträge gezahlt.
Durch Beschluss vom 9. Mai 2005 hat der erkennende Senat das Verfahren nach Anhörung der Beteiligten ausgesetzt, um Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts über mehrere anhängige Verfassungsbeschwerden zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der Stichtagsregelung "30. Juni 1990" abzuwarten. Nachdem das Bundesverfassungsgericht diese Verfassungsbeschwerden - 1 BvR 1921/04, 1 BvR 203/05, 1 BvR 445/05 und 1 BvR 1144/05 - durch Beschluss vom 26. Oktober 2005 nicht zur Entscheidung angenommen hatte, ist das vorliegende Berufungsverfahren auf Antrag der Beklagten vom 25. Januar 2006 fortgeführt worden (L 9 R 523/06).
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 16. Oktober 2003 sowie den Bescheid der Beklagten vom 3. Dezember 2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. April 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Zeit vom 1. September 1965 bis 30. Juni 1989 als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der Technischen Intelligenz anzuerkennen sowie die tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte festzustellen, hilfsweise, das Verfahren "zum Ruhen zu bringen bzw. auszusetzen", um in einzelnen Verfahren anstehende höchstrichterliche Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (Beschwerden-Nummern 9109/05 und 9095/05) zur Frage der Konventionsmäßigkeit der angegriffenen Stichtagsregelung abzuwarten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie erwidert, dem Kläger fehle für einen fiktiven bundesrechtlichen Anspruch auf Feststellung von Zugehörigkeitszeiten zur Altersversorgung der Technischen Intelligenz das Bestehen eines nach § 2 Abs. 1 der 2. Durchführungsbestimmung geforderten Angestelltenverhältnisses zu einem volkseigenen oder ihm gleichgestellten Betrieb am Stichtag 30. Juni 1990. Die Stichtagsregelungen für die Schaffung von Ansprüchen seien trotz der damit verbundenen Härten verfassungsrechtlich grundsätzlich zulässig. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe durch Beschluss vom 26. Oktober 2005 die Verfahren 1 BvR 1921/04, 1 BvR 203/05, 1 BvR 445/05 und 1 BvR 1144/05 nicht zur Entscheidung angenommen und damit die Auslegungspraxis des BSG zu § 1 AAÜG ausdrücklich bestätigt. Dementsprechend seien auch Gründe dafür, das Verfahren auszusetzen oder zum Ruhen zu bringen, nicht ersichtlich.
Mit Verfügung vom 14./15. Dezember 2006 hat der Senat die Beteiligten auf die Möglichkeit einer Entscheidung durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz - SGG - hingewiesen.
Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts sowie des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.
Die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, weil der Kläger keinen Anspruch auf Feststellung der im Beitrittsgebiet zurückgelegten Beschäftigungszeiten als Zeiten der Zugehörigkeit zur Altersversorgung der technischen Intelligenz hat (1.). Der hilfsweise gestellte Ruhensantrag des Klägers ist unzulässig (2. a.) und der weitere hilfsweise Antrag, das Verfahren auszusetzen, ist unbegründet (2. b.).
Gemäß § 153 Abs. 4 SGG kann das LSG - nach vorheriger Anhörung der Beteiligten - die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Im vorliegenden Fall sind die Berufsrichter des Senats einstimmig zum Ergebnis gekommen, dass die Berufung unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Mit Schreiben 14./15. Dezember 2006 hat der Senat die Beteiligten auch auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG hingewiesen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Eine Zustimmung der Beteiligten ist nicht erforderlich.
1. Zu Recht hat das Sozialgericht ausgeführt, dass der Kläger nicht unter den persönlichen Anwendungsbereich des § 1 AAÜG fällt. Vom persönlichen Anwendungsbereich werden nach § 1 Abs. 1 AAÜG die Inhaber von Ansprüchen und Anwartschaften erfasst, welche auf Grund der Zugehörigkeit zu Versorgungssystemen im Beitrittsgebiet erworben worden sind und beim Inkrafttreten dieses Gesetzes am 1. August 1991 bestanden haben (§ 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG). War ein Verlust der Versorgungsanwartschaften deswegen eingetreten, weil die Regelungen der Versorgungssysteme ihn bei einem Ausscheiden vor dem Leistungsfall vorsahen, gilt dieser Anwartschaftsverlust nach Satz 2 dieser Vorschrift als nicht eingetreten.
Der Kläger erfüllt diese Tatbestände nicht. Er war nicht Inhaber einer bei Inkrafttreten des AAÜG am 1. August 1991 bestehenden Versorgungsanwartschaft. Eine Einzelfallentscheidung, durch die ihm eine Versorgungsanwartschaft zuerkannt worden war, liegt nicht vor. Er hatte weder eine positive Statusentscheidung der Beklagten erlangt, noch hatte er eine frühere Versorgungszusage in Form eines nach Art. 19 Satz 1 Einigungsvertrag bindend gebliebenen Verwaltungsakts. Der Kläger war auch nicht auf Grund eines Einzelvertrags oder einer späteren Rehabilitationsentscheidung in das Versorgungssystem der Altersversorgung der Technischen Intelligenz einbezogen worden. Für den Kläger gilt auch nicht § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG, denn er hatte vor dem 30. Juni 1990 keine Rechtsposition inne, die er hätte verlieren können. Nur in diesen Fällen wird kraft Gesetzes eine Anwartschaften nach § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG fingiert (vgl. BSG, Urteile vom 8. Juni 2004 - B 4 RA 56/03 R - und vom 16. März 2006 - B 4 RA 30/05 R -).
Der Kläger wird auch nicht nach der vom BSG vorgenommenen erweiternden verfassungskonformen Auslegung des § 1 Abs. 1 AAÜG (vgl. Urteil vom 8. Juni 2004 a. a. O.) vom AAÜG erfasst. Danach ist zu prüfen, ob die Nichteinbezogenen aus der Sicht des am 1. August 1991 gültigen Bundesrechtes nach der am 30. Juni 1990 gegebenen Sachlage einen Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage gehabt hätten. Dieser fiktive Anspruch auf Erteilung einer Zusage im Bereich der Altersversorgung der Technischen Intelligenz hängt von drei Voraussetzungen (persönliche, sachliche und betriebliche) ab, die allesamt am 30. Juni 1990 vorgelegen haben müssen. Der Kläger erfüllt zumindest die betriebliche Voraussetzung nicht, da er unstreitig am 30. Juni 1990 in keinem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie und das Bauwesens oder in einem gleichgestellten Betrieb tätig gewesen war.
Die Nichteinbeziehung des Klägers in den Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 AAÜG stellt keinen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 und Abs. 3 GG dar. Der Kläger war aus dem von einem Versorgungssystem erfassten Beschäftigungsverhältnis bereits am 30. Juni 1989 ausgeschieden und in die Bundesrepublik Deutschland (alte Bundesländer) übergesiedelt. Durch die Schließung der Altersversorgung der Technischen Intelligenz im Beitrittsgebiet hat ihm deshalb kein am 30. Juni 1990 bestehender Anspruch und keine Anwartschaft verloren gehen können.
Das Bundesverfassungsgericht hat im oben genannten Beschluss vom 26. Oktober 2005 (SozR 4-8560 § 22 Nr. 1), in welchem es u. a. die gegen das Urteil des Bundessozialgerichts vom 8. Juni 2004 - B 4 RA 56/03 R - erhobene Verfassungsbeschwerde nicht angenommen hat, ausgeführt, eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung stelle das Stichtagsprinzip, hier bezogen auf den 30. Juni 1990, nicht dar. Das Bundessozialgericht habe über einen eng verstandenen Wortlaut des § 1 Abs. 1 AAÜG hinaus auch Personen, die zu keinem Zeitpunkt in ein Zusatzversorgungssystemen einbezogen gewesen seien, unter - den genannten - engen Kriterien in den Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 AAÜG einbezogen und damit zu Gunsten solcher Personen, die niemals - auch nicht in der Rechtsordnung der DDR - eine gesicherte Rechtsposition, etwa in Form einer Anwartschaft inne gehabt hätten, die Realisierung eines lediglich fiktiven Anspruchs ermöglicht, wenn die Voraussetzungen des fiktiven Anspruchs im Einzelfall am 30. Juni 1990 gegeben gewesen seien. Innerhalb der Gruppe der zu keinem Zeitpunkt in ein Zusatzversorgungssystem förmlich Einbezogenen sei das Bundessozialgericht durch den Gleichbehandlungsgrundsatz nicht gehalten gewesen, den von ihm entwickelten fiktiven Anspruch auf Einbeziehung in ein System der Zusatzversorgung, welcher durch die genannte Stichtagsregelungen nur wenige Personen betraf, auf alle diejenigen zur Anwendung zu bringen, die zu irgend einem Zeitpunkt vor dem 30. Juni 1990 die Voraussetzungen für einen fiktiven Anspruch im Sinne der dargestellten höchstrichterlichen Rechtsprechung erfüllt hätten.
Diese verfassungsrechtliche Beurteilung der aufgeworfenen Rechtsfrage hat sich das Bundessozialgericht jüngst in seinem Urteil vom 7. September 2006 (B 4 RA 39/05 R, JURIS) zu eigen gemacht, indem es ausführt:
"Art 3 Abs. 1 und 3 Grundgesetz (GG) gebietet nicht, von jenen zu Bundesrecht gewordenen Regelungen der Versorgungssysteme sowie von den historischen Fakten, aus denen sich etwa Ungleichheiten ergeben, abzusehen und sie "rückwirkend" zu Lasten der heutigen Beitrags- und Steuerzahler auszugleichen. Eine solche nachträgliche Korrektur der im Bereich der Zusatzversorgungssysteme am 30. Juni 1990 in Kraft gewesenen abstrakt-generellen Regelungen ist daher auch insoweit unzulässig, als sie damals willkürlich waren. Mit Blick auf die Neueinbeziehungsverbote in dem zu Bundesrecht gewordenen Rentenangleichungsgesetz der DDR (vgl. Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet F Abschnitt III Nr. 8 EinigVtr) und im EinigVtr (vgl. Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet H Abschnitt III Nr 9 Buchst a Satz 1 Halbsatz 2 zum EinigVtr) ist eine erweiternde Auslegung über die in § 1 Abs. 1 AAÜG selbst angelegte Modifikation hinaus nicht erlaubt ( Art 20 Abs. 3 GG ), sodass ein Analogieverbot besteht. Diese verfassungsrechtliche Wertung des BSG hat das Bundesverfassungsgericht bestätigt (Beschluss vom 4. August 2004, 1 BvR 1557/01 , SozR 4-8570 § 5 Nr. 4; Beschluss vom 26. Oktober 2005, 1 BvR 1921/04 , SozR 4-8560 § 22 Nr. 1 Rn. 38 ff)."
Im Übrigen ist dem oben genannten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zu entnehmen, dass der Anteil der in ein Zusatzversorgungssystem einbezogenen potenziell Berechtigten in den einzelnen Systemen unterschiedlich hoch war. Während im Bereich der medizinischen und pädagogischen Intelligenz nahezu alle Berechtigten aufgenommen worden, wird der Anteil der in die AVTI einbezogenen Ingenieure nur mit drei bis fünf Prozent angegeben.
Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass selbst dann kein Anspruch auf Anerkennung von Zeiten der Zugehörigkeit zur AVTI besteht, wenn ein Versicherter bis 29. Juni 1990 in einem VEB beschäftigt war, der ab 30. Juni 1990 in eine GmbH umgewandelt worden war (BSG, Urteil vom 16. März 2006, a. a. O. und BVerfG, Beschluss vom 26. Oktober 2005 a. a. O.). Dies gilt erst recht im Fall des Klägers, der bereits ab 1. Juli 1989 nicht mehr in einem VEB tätig war.
2. Die Antragstellung lässt nicht erkennen, ob die hilfsweise gestellten Anträge auf Anordnung des Ruhens und auf Aussetzung gleichrangig nebeneinander oder in einem Stufenverhältnis zueinander stehen sollen. Dies kann jedoch dahingestellt bleiben, weil der Kläger in keinem Fall mit seinem Begehren Erfolg haben kann.
a) Der Antrag auf Anordnung des Ruhens ist unzulässig. Er scheitert schon daran, dass die Beklagte dem Ruhen des Verfahrens nicht zugestimmt hat. Nach § 251 Satz 1 der Zivilprozessordnung (ZPO), der hier nach § 202 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) entsprechend anzuwenden ist, hat das Gericht das Ruhen des Verfahrens anzuordnen, wenn beide Parteien dies beantragen und anzunehmen ist, dass wegen Schwebens von Vergleichsverhandlungen oder aus sonstigen wichtigen Gründen diese Anordnung zweckmäßig ist. Ein einseitiger Antrag auf Anordnung des Ruhens ist gesetzlich nicht vorgesehen und damit von vornherein unstatthaft.
b) Der Antrag auf Aussetzung des Verfahrens ist zulässig, aber unbegründet. Nach § 114 Abs. 2 SGG kann das Gericht anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung eines anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsstelle auszusetzen ist, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil vom Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand des anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsstelle festzustellen ist. Diese Vorschrift ist hier offensichtlich nicht unmittelbar anwendbar, weil es kein anderes Rechtsverhältnis gibt, das vorgreiflich abzuklären wäre. Eine analoge Anwendung dieser Vorschrift auf weitere Fallkonstellationen ist nach der Rechtsprechung der verschiedenen Gerichtsbarkeiten zwar möglich. Die entsprechende Anwendung kann etwa ausnahmsweise akzeptiert werden, wenn wegen der streiterheblichen Frage bereits Verfassungsbeschwerden beim Bundesverfassungsgericht anhängig sind (vgl. BVerfGE 3, 58, 74; 54, 39; BSG in Breithaupt 92, 790; LSG Thüringen, Beschluss vom 29. Juli 2004, L 2 RA 461/04, JURIS, Meyer-Ladewig/Leitherer, SGG, 8. Aufl., § 114 Rn. 7b). Es soll in diesen Fällen verhindert werden, dass das Bundesverfassungsgericht mit einer Vielzahl gleichgelagerter Fälle "überschwemmt" wird, ohne dass dies einer weiteren Klärung dient (BSG, a. a. O.).
Diese Rechtsprechung ist hier aus mehreren Gründen nicht einschlägig. Eine "Überschwemmung" des Bundesverfassungsgerichts mit Verfahren, in denen es um die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage geht, ist jedenfalls bislang nicht eingetreten. Über eine Reihe von im Zusammenhang mit der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Überführung der Zusatzversorgung der technischen Intelligenz der ehemaligen DDR in bundesdeutsches Recht erhobenen Verfassungsbeschwerden hat das Bundesverfassungsgericht auch bereits entschieden. Insbesondere durch den oben benannten und ausführlich begründeten Nichtannahmebeschluss vom 26. Oktober 2005 hat das Bundesverfassungsgericht die vom Kläger aufgeworfene Frage der Verfassungsmäßigkeit der Stichtagsregelung nach dem AAÜG geklärt. Soweit zu dieser Frage noch weitere Verfassungsbeschwerden anhängig sind, misst der erkennende Senat diesen Verfassungsbeschwerden auf der Grundlage der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 26. Oktober 2005 keine rechtlich relevante Aussicht auf Erfolg bei. Die Garantie eines effektiven Rechtsschutzes, wie sie in Art. 19 Abs. 4 GG und dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 2 und Abs. 3 GG) verankert ist, verbietet es aber, ein Verfahren in der nicht näher fundierten Erwartung auszusetzen, dass ein anderes Verfahren eine Klärung der Rechtslage bringen werde.
Das Vorstehende gilt erst recht im Hinblick auf die beiden nach Angaben des Klägers beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zur Frage der Konventionsmäßigkeit der vorliegend angegriffenen Stichtagsregelung anhängigen Beschwerdeverfahren (Nummern 9109/05 und 9095/05), über deren Inhalt und Verfahrensstand dem erkennenden Senats nichts bekannt ist. Hinzu kommt, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte nach Art. 37 Abs. 1 S. 1 EMRK jederzeit während des Verfahrens entscheiden kann, eine Beschwerde zu streichen, wenn die Umstände Grund zur Annahme geben, dass der Beschwerdeführer seine Beschwerde nicht weiterzuverfolgen beabsichtigt, die Streitigkeit einer Lösung zugeführt worden ist oder eine weitere Prüfung der Beschwerde aus anderen vom Gerichtshof festgestellten Gründen nicht gerechtfertigt ist. Auch dies spricht gegen eine Aussetzung des Verfahrens.
Nach alledem vermag der Senat - in Übereinstimmung mit der Beklagten - weder im nationalen Recht noch im Völkerrecht einen Grund dafür zu erkennen, das Verfahren auszusetzen. Die Rechtslage insbesondere ist durch die oben zitierten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 26. Oktober 2005 und des Bundessozialgerichts vom 7. September 2006 abschließend geklärt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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BWB
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