L 9 R 660/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 4 R 3168/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 660/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 4. Januar 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Beschäftigungszeit des Klägers im Beitrittsgebiet vom 1.10.1977 bis 20.3.1990 als Zeit der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der zusätzlichen Altersversorgung der Technischen Intelligenz (AVTI) festzustellen ist.

Der 1954 geborene Kläger studierte von September 1973 bis August 1977 an der Technischen Universität in D. Fertigungstechnik und Werkzeugmaschinen und erlangte am 10.11.1977 seinen Abschluss als Diplom-Ingenieur. Vom 1.10.1977 bis 31.12.1984 arbeitete er als Konstrukteur und vom 1.1.1985 bis 20.3.1990 als Konstruktionsverantwortlicher II beim VEB P. in D ... Am 18.3.1990 siedelte er in die alten Bundesländer nach T. über. Vom 21.3. bis 23.4.1990 war er arbeitslos; anschließend war er vom 23.4.1990 bis 30.6.1992 als Konstruktionsingenieur bei der J. B. Maschinenfabrik in W. beschäftigt.

Am 23.7.2004 beantragte der Kläger, die Zeit vom 1.10.1977 bis 20.3.1990 als Zeit der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der Technischen Intelligenz festzustellen.

Mit Bescheid vom 16.8.2004 lehnte die Beklagte den Antrag auf Feststellung der Beschäftigungszeit vom 1.10. 1977 bis 20.3.1990 als Zeit der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) ab. Eine Versorgungsanwartschaft i. S. v. § 1 AAÜG sei nicht entstanden. Es habe weder eine positive Versorgungszusage zu Zeiten der DDR vorgelegen, noch sei am 30.6.1990 eine Beschäftigung ausgeübt worden, die dem Kreis der obligatorisch Versorgungsberechtigten zuzuordnen wäre. Der Kläger sei am 30.6.1990 nicht mehr im Beitrittsgebiet beschäftigt gewesen.

Hiergegen legte der Kläger am 15.9.2004 Widerspruch ein und machte geltend, bei vielen seiner ehemaligen Arbeitskollegen (Ingenieure), die über den Stichtag 30.6.1990 hinaus beim VEB P. geblieben seien, seien Zeiten zum Zusatzversorgungssystem der Technischen Intelligenz festgestellt worden; sie seien ihm gegenüber besser gestellt. Die Stichtagsregelung verstoße gegen das Gleichheitsgebot des Art. 3 Grundgesetz (GG). Mit Widerspruchsbescheid vom 30.11.2004 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Hiergegen erhob der Kläger am 28.12.2004 Klage zum Sozialgericht (SG) Konstanz, mit der er die Feststellung der Beschäftigungszeiten im Beitrittsgebiet als Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der Technischen Intelligenz weiterverfolgte. Er trug vor, bei ihm seien alle Kriterien für eine fiktive Zusatzversorgungsanwartschaft erfüllt. Die Stichtagsregelung sei verfassungswidrig. Die zu Grunde liegenden Normen der §§ 1, 5 AAÜG würden keinen Stichtag nennen. Dementsprechend habe das Bundessozialgericht (BSG) in den bis zum Jahr 1999 erlassenen Urteilen auch niemals auf den Stichtag abgestellt. Soweit ersichtlich habe das BSG erstmals im Urteil vom 29.7.2004 (B 4 RA 12/04) die betriebliche Voraussetzung einer fingierten Versorgungsanwartschaft mit der Stichtagsregelung verknüpft, ohne dies weiter zu begründen. Diese Auffassung verstoße gegen Art. 3 GG.

Mit Gerichtsbescheid vom 4.1.2006 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, Voraussetzung für die Feststellung der Zugehörigkeit gem. § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG sei, dass zum 1.8.1991 mit Inkrafttreten des AAÜG als Art. 3 des Rentenüberleitungsgesetzes vom 25.7.1991 eine Zugehörigkeit zu einem Versorgungssysteme bestanden habe. Dies sei dann der Fall, wenn jemand durch einen nach Art. 19 des Einigungsvertrages bindend gebliebenen Verwaltungsakt der DDR oder einer ihrer Untergliederungen oder später durch eine Rehabilitationsentscheidung oder nach Art. 19 Satz 2 oder 3 des Einigungsvertrages in einem Versorgungssystem einbezogen gewesen sei. Eine solche Einbeziehungsentscheidung habe beim Kläger jedoch nicht vorgelegen. Daneben finde § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG im Rahmen einer erweiternden verfassungskonformen Auslegung Anwendung, wenn jemand auf Grund der am 30.6.1990 gegebenen Sachlage einen "Anspruch auf Versorgungszusage" rückschauend nach den zu Bundesrecht gewordenen Regelungen der Versorgungssysteme gehabt habe. Voraussetzung hierfür sei jedoch gem. § 2 Abs. 2 der Durchführungsbestimmung zur ZAVO-techInt, dass sich der Kläger im Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls in einem Anstellungsverhältnis zu einem volkseigenen oder ihm gleichgestellten Betrieb befunden habe. Da der Kläger, ohne dass der Versicherungsfall eingetreten gewesen sei, noch vor dem 30.6.1990 aus seiner Tätigkeit in der damaligen DDR auf Dauer ausgeschieden sei, habe er zum Stichtag die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 der 2. DB z. ZAVO nicht erfüllt. Da nach § 1 AAÜG schon der Anwendungsbereich des AAÜG nicht eröffnet sei, könne eine Feststellung der Zeiten nach § 5 AAÜG nicht erfolgen. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.

Gegen den am 12.1.2006 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 10.2.2006 Berufung eingelegt und vorgetragen, seines Erachtens sei die Stichtagsregelung 30.6.1990 nicht verfassungskonform.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 4. Januar 2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom 16. August 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. November 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Zeit vom 1. Oktober 1977 bis 20. März 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der Technischen Intelligenz anzuerkennen sowie die tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte festzustellen, hilfsweise das Verfahren auszusetzen bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Verfahren 1 BvR 2156/04.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie erwidert, dem Kläger fehle für einen fiktiven bundesrechtlichen Anspruch auf Feststellung von Zugehörigkeitszeiten zur Altersversorgung der Technischen Intelligenz das Bestehen eines nach § 2 Abs. 1 der 2. Durchführungsbestimmung geforderten Angestelltenverhältnisses zu einem volkseigenen oder ihm gleichgestellten Betrieb am Stichtag 30.6.1990. Die Stichtagsregelungen für die Schaffung von Ansprüchen seien trotz der damit verbundenen Härten verfassungsrechtlich grundsätzlich zulässig. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe durch Beschluss vom 26.10.2005 die Verfahren 1 BvR 1921/04, 1 BvR 203/05, 1 BvR 445/05 und 1 BvR 1144/05 nicht zur Entscheidung angenommen und damit die Auslegungspraxis des BSG zu § 1 AAÜG ausdrücklich bestätigt.

Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten, des SG sowie des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.

Die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, da der Kläger keinen Anspruch auf Feststellung der im Beitrittsgebiet zurückgelegten Beschäftigungszeiten als Zeiten der Zugehörigkeit zu Altersversorgung der technischen Intelligenz hat.

Das SG hat den rechtserheblichen Sachverhalt umfassend dargestellt, die rechtlichen Voraussetzungen für die Anerkennung und Feststellung von Zeiten nach dem AAÜG zutreffend dargestellt und unter ausführlicher Darlegung der Rechtsprechung des BSG ausgeführt, aus welchen Gründen der Kläger keinen Anspruch auf Feststellung der Zeiten vom 1.10.1977 bis 20.3.1990 als Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der AVTI hat. Insoweit wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Gerichtsbescheids Bezug genommen und von einer Darstellung der Entscheidungsgründe gemäß § 153 Abs. 2 SGG weitgehend abgesehen.

Zu Recht hat das SG ausgeführt, dass der Kläger nicht unter den persönlichen Anwendungsbereich des § 1 AAÜG fällt. Vom persönlichen Anwendungsbereich werden nach § 1 Abs. 1 AAÜG die Inhaber von Ansprüchen und Anwartschaften erfasst, welche auf Grund der Zugehörigkeit zu Versorgungssystemen im Beitrittsgebiet erworben worden sind und beim Inkrafttreten dieses Gesetzes am 1. August 1991 bestanden haben (§ 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG). War ein Verlust der Versorgungsanwartschaften deswegen eingetreten, weil die Regelungen der Versorgungssysteme ihn bei einem Ausscheiden vor dem Leistungsfall vorsahen, gilt dieser Anwartschaftsverlust nach Satz 2 dieser Vorschrift als nicht eingetreten.

Der Kläger erfüllt diese Tatbestände nicht. Er war nicht Inhaber einer bei Inkrafttreten des AAÜG am 1. August 1991 bestehenden Versorgungsanwartschaft. Eine Einzelfallentscheidung, durch die ihm eine Versorgungsanwartschaft zuerkannt worden war, liegt nicht vor. Er hatte weder eine positive Statusentscheidung der Beklagten erlangt, noch hatte er eine frühere Versorgungszusage in Form eines nach Art. 19 Satz 1 Einigungsvertrag bindend gebliebenen Verwaltungsakts. Der Kläger war auch nicht auf Grund eines Einzelvertrags oder einer späteren Rehabilitationsentscheidung in das Versorgungssystem der Altersversorgung der Technischen Intelligenz einbezogen worden. Für den Kläger gilt auch nicht § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG, denn er hatte vor dem 30. Juni 1990 keine Rechtsposition inne, die er hätte verlieren können. Nur in diesen Fällen wird kraft Gesetzes eine Anwartschaft nach § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG fingiert (vgl. BSG, Urt. vom 8.6.2004 - B 4 RA 56/03 R - und vom 16.3.2006 - B 4 RA 30/05 R -).

Der Kläger wird auch nicht nach der vom BSG vorgenommenen erweiternden verfassungskonformen Auslegung des § 1 Abs. 1 AAÜG (vgl. Urteil vom 8.6.2004 a. a. O.) vom AAÜG erfasst. Danach ist zu prüfen, ob die Nichteinbezogenen aus der Sicht des am 1.8.1991 gültigen Bundesrechtes nach der am 30.6.1990 gegebenen Sachlage einen Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage gehabt hätten. Dieser fiktive Anspruch auf Erteilung einer Zusage im Bereich der Altersversorgung der Technischen Intelligenz hängt von drei Voraussetzungen (persönliche, sachliche und betriebliche) ab, die allesamt am 30. Juni 1990 vorgelegen haben müssen. Der Kläger erfüllt zumindest die betriebliche Voraussetzung nicht, da er am 30.6.1990 in keinem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie und des Bauwesens oder in einem gleichgestellten Betrieb tätig gewesen war.

Die Nichteinbeziehung des Klägers in den Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 AAÜG stellt keinen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 Abs. 3 GG dar. Der Kläger war aus dem von einem Versorgungssystem erfassten Beschäftigungsverhältnis bereits am 20. März 1990 ausgeschieden und in die Bundesrepublik Deutschland (alte Bundesländer) übergesiedelt. Durch die Schließung der Altersversorgung der Technischen Intelligenz im Beitrittsgebiet hat ihm deshalb kein am 30. Juni 1990 bestehender Anspruch und keine Anwartschaft verloren gehen können.

Das Bundesverfassungsgericht hat zu der vorliegenden Frage im oben genannten Beschluss vom 26.10.2005 (SozR 4-8560 § 22 Nr. 1), in welchem es u. a. die gegen das Urteil des BSG vom 8.6.2004 - B 4 RA 56/03 R - eingelegte Verfassungsbeschwerde nicht angenommen hat, ausgeführt, eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung stelle das Stichtagsprinzip, hier bezogen auf den 30. Juni 1990, nicht dar. Das BSG habe über einen eng verstandenen Wortlaut des § 1 Abs. 1 AAÜG hinaus auch Personen, die zu keinem Zeitpunkt in ein Zusatzversorgungssystemen einbezogen gewesen seien, unter - den genannten - engen Kriterien in den Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 AAÜG einbezogen und damit zu Gunsten solcher Personen, die niemals - auch nicht in der Rechtsordnung der DDR - eine gesicherte Rechtsposition, etwa in Form einer Anwartschaft inne gehabt hätten, die Realisierung eines lediglich fiktiven Anspruchs ermöglicht, wenn die Voraussetzungen des fiktiven Anspruchs im Einzelfall am 30. Juni 1990 gegeben gewesen sein. Innerhalb der Gruppe der zu keinem Zeitpunkt in ein Zusatzversorgungssystem förmlich Einbezogenen sei das BSG durch den Gleichbehandlungsgrundsatz nicht gehalten gewesen, den von ihm entwickelten fiktiven Anspruch auf Einbeziehung in ein System der Zusatzversorgung, welcher durch die genannte Stichtagsregelungen nur wenige Personen betraf, auf alle diejenigen zur Anwendung zu bringen, die zu irgend einem Zeitpunkt vor dem 30.6.1990 die Voraussetzungen für einen fiktiven Anspruch im Sinne der dargestellten höchstrichterlichen Rechtsprechung erfüllt hätten.

Diese verfassungsrechtliche Beurteilung der aufgeworfenen Rechtsfrage hat sich das Bundessozialgericht jüngst in seinem Urteil vom 7. September 2006 (B 4 RA 39/05 R, JURIS) zu eigen gemacht, indem es ausführt:

"Art 3 Abs. 1 und 3 Grundgesetz (GG) gebietet nicht, von jenen zu Bundesrecht gewordenen Regelungen der Versorgungssysteme sowie von den historischen Fakten, aus denen sich etwa Ungleichheiten ergeben, abzusehen und sie "rückwirkend" zu Lasten der heutigen Beitrags- und Steuerzahler auszugleichen. Eine solche nachträgliche Korrektur der im Bereich der Zusatzversorgungssysteme am 30. Juni 1990 in Kraft gewesenen abstrakt-generellen Regelungen ist daher auch insoweit unzulässig, als sie damals willkürlich waren. Mit Blick auf die Neueinbeziehungsverbote in dem zu Bundesrecht gewordenen Rentenangleichungsgesetz der DDR (vgl. Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet F Abschnitt III Nr. 8 EinigVtr) und im EinigVtr (vgl. Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet H Abschnitt III Nr 9 Buchst a Satz 1 Halbsatz 2 zum EinigVtr) ist eine erweiternde Auslegung über die in § 1 Abs. 1 AAÜG selbst angelegte Modifikation hinaus nicht erlaubt ( Art 20 Abs. 3 GG ), sodass ein Analogieverbot besteht. Diese verfassungsrechtliche Wertung des BSG hat das Bundesverfassungsgericht bestätigt (Beschluss vom 4. August 2004, 1 BvR 1557/01 , SozR 4-8570 § 5 Nr. 4; Beschluss vom 26. Oktober 2005, 1 BvR 1921/04 , SozR 4-8560 § 22 Nr. 1 Rn. 38 ff)."

Im übrigen ist dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zu entnehmen, dass der Anteil der in ein Zusatzversorgungssystem einbezogenen potenziell Berechtigten in den einzelnen Systemen unterschiedlich hoch war. Während im Bereich der medizinischen und pädagogischen Intelligenz nahezu alle Berechtigten aufgenommen worden, wird der Anteil der in die AVTI einbezogenen Ingenieure nur mit drei bis fünf Prozent angegeben.

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass selbst dann kein Anspruch auf Anerkennung von Zeiten der Zugehörigkeit zur AVTI besteht, wenn ein Versicherter bis 29.6.1990 in einem VEB beschäftigt war, der ab 30.6.1990 in eine GmbH umgewandelt worden war (BSG, Urt. vom 16.3.2006 a.a.O.und BVerfG, Beschluss vom 26.10.2005 a.a.O.). Dies gilt erst recht im Fall des Klägers, der ab 20.3.1990 nicht mehr in einem VEB tätig war.

Dem hilfsweise gestellten Antrag, das Verfahren bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Verfahren 1 BvR 2156/04 auszusetzen, hat der Senat nicht stattgegeben. Nach § 114 Abs. 2 SGG kann das Gericht anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung eines anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsstelle auszusetzen ist, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil vom Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand des anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsstelle festzustellen ist. Diese Vorschrift ist hier offensichtlich nicht unmittelbar anwendbar, weil es kein anderes Rechtsverhältnis gibt, das vorgreiflich abzuklären wäre. Eine analoge Anwendung dieser Vorschrift auf weitere Fallkonstellationen ist nach der Rechtsprechung der verschiedenen Gerichtsbarkeiten zwar möglich. Die entsprechende Anwendung kann etwa ausnahmsweise akzeptiert werden, wenn wegen der streiterheblichen Frage bereits Verfassungsbeschwerden beim Bundesverfassungsgericht anhängig sind (vgl. BVerfGE 3, 58, 74; 54, 39; BSG in Breithaupt 92, 790; LSG Thüringen, Beschluss vom 29. Juli 2004, L 2 RA 461/04, JURIS, Meyer-Ladewig/Leitherer, SGG, 8. Aufl., § 114 Rn. 7b). Es soll in diesen Fällen verhindert werden, dass das Bundesverfassungsgericht mit einer Vielzahl gleichgelagerter Fälle "überschwemmt" wird, ohne dass dies einer weiteren Klärung dient (BSG, a. a. O.).

Diese Rechtsprechung ist hier aus mehreren Gründen nicht einschlägig. Eine "Überschwemmung" des Bundesverfassungsgerichts mit Verfahren, in denen es um die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage geht, ist jedenfalls bislang nicht eingetreten. Über eine Reihe von im Zusammenhang mit der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Überführung der Zusatzversorgung der technischen Intelligenz der ehemaligen DDR in bundesdeutsches Recht erhobenen Verfassungsbeschwerden hat das Bundesverfassungsgericht auch bereits entschieden. Insbesondere durch den oben benannten und ausführlich begründeten Nichtannahmebeschluss vom 26. Oktober 2005 hat das Bundesverfassungsgericht die vom Kläger aufgeworfene Frage der Verfassungsmäßigkeit der Stichtagsregelung nach dem AAÜG geklärt. Soweit zu dieser Frage noch weitere Verfassungsbeschwerden anhängig sind, misst der erkennende Senat diesen Verfassungsbeschwerden auf der Grundlage der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 26. Oktober 2005 keine rechtlich relevante Aussicht auf Erfolg bei. Die Garantie eines effektiven Rechtsschutzes, wie sie in Art. 19 Abs. 4 GG und dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 2 und Abs. 3 GG) verankert ist, verbietet es aber, ein Verfahren in der nicht näher fundierten Erwartung auszusetzen, dass ein anderes Verfahren eine Klärung der Rechtslage bringen werde.

Nach alledem war der angefochtene Gerichtsbescheid des SG nicht zu beanstanden. Die Berufung des Klägers musste deswegen zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved