L 12 U 447/07 KO-A

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 U 447/07 KO-A
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Fahrtkostenentschädigung für die Wahrnehmung der beiden Arzttermine des Antragstellers am 26.09.2006 und am 09.10.2006 bei Dr. A. wird auf 128 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

In dem beim Landessozialgericht unter dem Aktenzeichen L 10 U 3403/04 anhängigen Hauptsacheverfahren macht der Antragsteller die Anerkennung und Entschädigung einer Berufskrankheit geltend.

Im Rahmen eines Gutachtensauftrags vom 02.08.2006 nahm der Antragsteller am 26.09.2006 sowie am 09.10.2006 Untersuchungstermine in U. wahr. Hierfür stellte er am 04.01.2007 Anträge auf Fahrtkostenerstattung (bei Benutzung eines eigenen Kraftfahrzeugs über insgesamt 512 km, entsprechend Kosten von 128 EUR), die seine Bevollmächtigten mit Schriftsatz vom 09.01.2007 an das Landessozialgericht weitergereicht haben (Eingang beim Landessozialgericht am 10.01.2007).

Der Kostenbeamte wies mit Schreiben vom 10.01.2007 darauf hin, dass der Anspruch auf Kostenerstattung nicht innerhalb der Dreimonatsfrist des § 2 Abs. 1 JVEG geltend gemacht worden sei.

Daraufhin vertraten die Bevollmächtigten des Antragstellers die Auffassung, dass die Frist erst mit der am 20.12.2006 erfolgten Vorlage des Gutachtens begonnen habe und beantragten hilfsweise die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Der Hilfsantrag sei begründet, weil der Antragsteller den Antrag am 04.01.2007 seinen Bevollmächtigten vorgelegt habe. Warum die Bevollmächtigten den Antrag nicht unverzüglich weitergeleitet haben, wurde nicht mitgeteilt.

Für die weiteren Einzelheiten wird auf die Akten verwiesen.

II.

Der Antragsteller ist antragsgemäß nach § 191 SGG aufgrund seiner Hinzuziehung zu den Begutachtungen wie ein Zeuge zu entschädigen.

Im vorliegenden Fall finden die Regelungen des Gesetzes über die Vergütung von Sachverständigen, Dolmetscherinnen, Dolmetschern, Übersetzerinnen und Übersetzern sowie die Entschädigung von ehrenamtlichen Richterinnen, ehrenamtlichen Richtern, Zeuginnen, Zeugen und Dritten (Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz, JVEG) Anwendung, weil der Gutachtensauftrag nach dem 30.6.2004 erteilt worden ist (§ 25 Satz 1 JVEG). Der Senat entscheidet nach § 4 Abs. 7 Satz 2 JVEG mit seinen drei Berufsrichtern, weil der Einzelrichter das Verfahren dem Senat übertragen hat.

Zuzustimmen ist dem Kostenbeamten darin, dass die Dreimonatsfrist des § 2 Abs. Nr. 2 JVEG einschlägig ist und nicht die Fristbestimmung des § 2 Abs. 1 Nr. 1 JVEG, da letztere sich ausdrücklich an Gutachter bzw. Übersetzer richtet (als die im Sinne der Vorschrift genannten "beauftragten Berechtigten").

Nach § 2 Abs. Nr. 2 JVEG erlischt der Anspruch auf Vergütung oder Entschädigung, wenn er nicht binnen drei Monaten bei der Stelle, die den Berechtigten herangezogen oder beauftragt hat, geltend gemacht wird; die Frist beginnt im Fall der Vernehmung als Sachverständiger oder Zeuge oder der Zuziehung als Dolmetscher mit "Beendigung der Vernehmung oder Zuziehung".

Die Auffassung, dass die "Zuziehung" im Sinne dieser Vorschrift im Falle eines Prozessbeteiligten mit der Entlassung aus der letzten Untersuchung beendet ist, wonach die Dreimonatsfrist in § 2 Abs. Nr. 2 JVEG vorliegend einen Tag vor der Antragstellung am 09.01.2007 (Dienstag) abgelaufen wäre, ist jedoch zu eng.

Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen hat zu der Vorläufervorschrift des § 15 Abs.2 des Gesetzes über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen (ZuSEG; Die Vorschrift lautet wie folgt: "Verlangt der Zeuge nicht binnen drei Monaten nach Beendigung der Zuziehung Entschädigung bei dem zuständigen Gericht oder bei der zuständigen Staatsanwaltschaft, so erlischt der Anspruch.") entschieden, dass die Frist nach § 15 Abs. 2 ZuSEG bei Beteiligten eines sozialgerichtlichen Verfahrens erst mit Beendigung des Verfahrens in der jeweiligen Rechtsinstanz beginnt (Beschluss vom 22.12.2004 - L 4 SF 21/04 -; NdsRpfl 2005, 261, mit Hinweisen auf ältere Rechtsprechung). Die überzeugende Begründung hierfür trifft auch auf die Nachfolgevorschrift des § 2 Abs. 2 Nr. 2 JVEG zu:

Dem Wortlaut beider Vorschriften ist nicht zu entnehmen, wie das Tatbestandsmerkmal "Beendigung der Zuziehung" bei den Beteiligten eines sozialgerichtlichen Verfahrens zu verstehen ist. Das Ziel beider Vorschriften ist es, der Staatskasse binnen kurzer Frist Klarheit über die Höhe der Gerichtskosten zu verschaffen. Da ein Zeuge schnell aus dem Verfahren wieder ausscheidet, wird der Zweck des § 15 Abs. 2 ZuSEG bzw. des § 2 Abs. 2 Nr. 2 JVEG bei ihm mit der dreimonatigen Ausschlussfrist erreicht.

Anders ist es jedoch bei dem Beteiligten eines sozialgerichtlichen Verfahrens. Die endgültigen Aufwendungen für ihn stehen erst nach Abschluss der jeweiligen Rechtsinstanz fest. Erst dann hat die Staatskasse Klarheit über die Höhe der anfallenden Kosten. Hinzu kommt der Umstand, dass ein Beteiligter in vielen Fällen nicht abschätzen kann, wann seine Zuziehung endgültig beendet ist. So kann es durchaus sein, dass er vom Gericht zu einer weiteren Begutachtung geschickt oder sein persönliches Erscheinen zum Termin angeordnet wird. Diese Ungewissheit ist erst beendet, wenn eine weitere Sachverhaltsaufklärung nicht mehr zu erwarten ist, also erst mit dem Abschluss der jeweiligen Rechtsinstanz. Es entspricht daher der Zielsetzung des § 15 Abs. 2 ZSEG und auch des § 2 Abs. 2 Nr. 2 JVEG, bei Beteiligten eines sozialgerichtlichen Verfahrens den Gesetzeswortlaut "Beendigung der Zuziehung" im Sinne des Verfahrensendes in der jeweiligen Rechtsinstanz zu verstehen. Entsprechendes muss für die Begleitperson eines Beteiligten gelten (LSG Niedersachsen-Bremen a.a.O.).

Da die Frist des § 2 Abs. 2 Nr. 2 JVEG somit vorliegend wegen der weiteren Anhängigkeit der Hauptsache nicht verstrichen ist, ist der Antragsteller nicht auf die von ihm hilfsweise beantragte Wiedereinsetzung angewiesen.

Dementsprechend war der Antragsteller für zwei Fahrten von U. nach F. (jeweils Hin und Zurück) für die von ihm geltend gemachten 512 km nach § 191 SGG i.V.m. § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 JVEG in Höhe von 128 EUR zu entschädigen.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 2 Abs. 2 Satz 6 JVEG i.V.m. § 4 Abs. 4 Satz 3 JVEG.
Rechtskraft
Aus
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