Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
28
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 28 (23) SO 30/05
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Bescheid vom 17.06.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 01.02.2005 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin für die Monate Juli 2004, August 2004, September 2004, Oktober 2004, November 2004 und Dezember 2004 weitere Hilfe zum Lebensunterhalt in Höhe von 59,25 Euro monatlich, d.h. in Höhe von 355,50 Euro insgesamt zu gewähren. Die Beklagte trägt die Kosten der Klägerin. Die Berufung wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die von der Beklagten verfügten Kürzungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) für die Zeit vom 01.07.2004 bis zum 31.12.2004.
Die Beklagte gewährte der 1965 geborenen Klägerin im Jahr 2004 und in den Jahren zuvor Hilfe zum Lebensunterhalt. Die Klägerin war seinerzeit beim Arbeitsamt arbeitssuchend gemeldet. Da die Klägerin in der Vergangenheit zu Beratungsterminen bei der Beklagten nicht erschienen war mit der Begründung, sie sei krank, hatte die Beklagte im März 2004 eine amtsärztliche Untersuchung der Klägerin angeordnet. Nach dem Ergebnis des amtsärztlichen Gutachtens von S, Gesundheitsamt der Stadt X, vom 07.04.2004 bestand bei der Klägerin eine ausgeprägte Wirbelsäulenerkrankung mit Nervenschädigung und Ausstrahlung in die Beine und ein halb- bis untervollschichtiges Leistungsvermögen für leichte Arbeiten im freien Wechsel mit weiteren Einschränkungen. Daraufhin lud die Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 06.05.2004 zum Beratungsgespräch am 15.06.2004 zwecks Unterstützung bei der Arbeitsplatzsuche ein. Nach §§ 18 ff. BSHG sei die Klägerin verpflichtet, ihre Arbeitskraft zur Beschaffung ihres Lebensunterhaltes für sich und unterhaltsberechtigte Angehörige einzusetzen. Gemäß der durchgeführten amtsärztlichen Untersuchung sei sie eingeschränkt arbeitsfähig. Dies bedeute, dass sie jede zumutbare Arbeit annehmen müsse. Wer sich weigere, zumutbare Arbeit zu leisten oder zumutbare Maßnahmen nach den §§ 19 und 20 BSHG nachzukommen, habe nach § 25 Abs. 1 BSHG keinen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt. Sollte die Klägerin der Aufforderung nicht nachkommen, müsse sie damit rechnen, dass die Sozialhilfe gekürzt würde. Die Klägerin teilte daraufhin telefonisch unter dem 11.05.2004 mit, sie könne nicht arbeiten. Mit Schreiben vom 07.06.2004 wiederholte die Beklagte ihre Einladung zum Beratungsgespräch am 15.06.2004. Der Beratungstermin wurde von der Klägerin nicht wahrgenommen.
Mit Bescheid vom 17.06.2004 verfügte die Beklagte, dass bei der Festsetzung der Sozialhilfe für die Klägerin ab 01.07.2004 der Regelsatz nur noch in Höhe von 177,75 Euro berücksichtigt wird. Obwohl der Klägerin die gesetzliche Bestimmung des § 25 Abs. 1 Satz 1 BSHG bekannt gewesen sei, habe sie den Termin zum Beratungsgespräch am 15.06.2004 ohne Angaben von Gründen nicht wahrgenommen und sich auch bei der Beklagten nicht gemeldet. Diese Verhaltensweise erfülle den Tatbestand der genannten Gesetzesnorm. Der für die Klägerin maßgebliche Regelsatz könne nur noch in Höhe von höchstens 75 % gewährt werden.
Unter dem 21.06.2004 erging eine erneute Einladung an die Klägerin zur Vorsprache bei der Beklagten am 21.07.2004.
Mit ihrem Widerspruch gegen den Kürzungsbescheid vom 17.06.2004 machte die Klägerin im Wesentlichen geltend: Sie habe sich nicht geweigert, zumutbare Arbeit zu leisten oder zumutbare Maßnahmen nach den §§ 19 und 20 BSHG nachzukommen. Sie habe bereits mehrfach gegenüber der zuständigen Sachbearbeitung erklärt und diese Erklärung auch nachgewiesen, dass sie zur Arbeit wegen Arbeitsunfähigkeit nicht verpflichtet sei. Entsprechende ärztliche Atteste habe sie vorgelegt. Zudem entschuldige sie sich nachträglich für das Nichterscheinen im Termin am 15.06.2004. Sie sei aufgrund gesundheitlicher Beschwerden nicht in der Lage gewesen, den Termin wahrzunehmen. Sie habe unter Rückenschmerzen gelitten und es habe für sie keine Möglichkeit bestanden, die Wohnung zu verlassen. Die Klägerin legte ein nervenärztliches Attest von Q1, Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie aus X vom 14.07.2004 vor. Der Arzt attestiert darin depressive Verstimmungen, vasomotorische Kopfschmerzen sowie ein anhaltendes Schmerzsyndrom bei bekanntem Bandscheibenschaden im Lendenwirbelsäulenbereich und eine Arbeitsunfähigkeit für 3 Monate seit letzter Vorstellung am 15.06.2004. Desweiteren reichte die Klägerin ein Attest von K, Facharzt für innere Medizin und Rheumatologie aus X vom 17.07.2004 zu den Verwaltungsakten. Dieser Arzt attestierte der Klägerin ein diffuses weichteilrheumatisches Syndrom im Sinne einer Fibromyalgie, desweiteren ein LWS-NPP.
Der Amtsarzt S wurde von Seiten der Beklagten gebeten, erneut unter Würdigung der von der Klägerin eingereichten ärztlichen Unterlagen Stellung zu ihrer Leistungsfähigkeit zu nehmen. S führte in seiner Stellungnahme vom 17.08.2004 aus, er sehe keine Notwendigkeit, seine Einschätzung zum Leistungsvermögen der Klägerin zu revidieren. Im Rahmen der durchgeführten psychiatrischen Zusatzuntersuchung von E seien psychiatrische Krankheitsbefunde nicht festgestellt worden, die Anlass für die Abänderung der Leistungsbeurteilung geben könnten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 01.02.2005 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Der Widerspruch regele den Zeitraum vom 01.07.2004 bis zum 31.12.2004, weil zum 01.01.2005 das BSHG außer Kraft getreten sei. Die getroffene Entscheidung über die Festsetzung des Regelsatzes für die Klägerin zum 01.07.2004 sei nicht zu beanstanden. § 25 Abs. 1 BSHG diene dazu, Maßnahmen der in den §§ 18 ff. BSHG geregelten Hilfe zur Arbeit zu unterstützen. Diese Hilfe sei der Klägerin in Form von Gesprächsterminen angeboten worden. Dieses Angebot sei von ihr nicht angenommen worden. Dabei sei zunächst festzustellen, dass keiner der in § 18 BSHG geschilderten Ausnahmetatbestände bei der Klägerin vorliege. Insbesondere sei nicht aufgrund von Erkrankungen generell von dem Einsatz der Arbeitskraft abzusehen. Nach den durchgeführten Untersuchungen sowohl des amtsärztlichen als auch des sozialpsychiatrischen Dienstes sei die Klägerin eingeschränkt arbeitsfähig. Insoweit komme der Aussage des behandelnden Arztes Q1 vom 14.07.2004, die Klägerin sei für 3 Monate arbeitsunfähig, keine durchgreifende Bedeutung zu, zumal dieses Attest durch das Gesundheitsamt geprüft worden sei. Darüber hinaus stelle das Attest vom 14.07.2004 keinen geeigneten Nachweis für das Vorbringen der Klägerin, eine Vorsprache am 15.06.2004 sei ihr nicht möglich gewesen, dar. Dieses Attest treffe hierzu keinerlei Aussage. Im Übrigen sei die Einlassung im Widerspruchsverfahren, die Klägerin habe am 15.06.2004 das Haus nicht verlassen können, vor dem Hintergrund des am selben Tage offensichtlich möglichen Arztbesuches nicht nachvollziehbar. Zu würdigen sei desweiteren das Verhalten der Klägerin gewesen, insbesondere ihre Ankündigung im Telefonat vom 11.05.2004, den Termin am 15.06.2004 nicht wahrnehmen zu können bzw. zu wollen, obgleich ihr das Ergebnis der Stellungnahme des Gesundheitsamtes, nachdem eine eingeschränkte Arbeitsfähigkeit vorliege, mitgeteilt worden sei. Darin könne letztendlich nur die grundsätzliche Weigerung verstanden werden, überhaupt ein Gespräch bei der Beklagten über einen im Rahmen ihrer gesundheitlichen Einschränkungen möglichen Einsatz der Arbeitskraft zu führen. Denn die Klägerin habe zu diesem Zeitpunkt nicht wissen können, ob sie am Tag der Vorsprache des 15.06.2004 aus Krankheitsgründen am Verlassen des Hauses gehindert sein würde. Schließlich habe nicht unberücksichtigt bleiben können, dass die Klägerin des öfteren gegenüber der Beklagten zum Ausdruck gebracht habe, sich durch die Einladungsschreiben gestört zu fühlen. Für eine Arbeitsverweigerung der Klägerin spreche zudem ihre Aussage, dass sie die amtsärztlich festgestellte eingeschränkte Arbeitsfähigkeit nicht interessiere. Angesichts dieses Verhaltens der Klägerin habe der Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt ab dem 01.07.2004 nicht mehr in voller Höhe bestanden.
Die Klägerin hat am 11.02.2005 Klage erhoben. Sie macht im Wesentlichen geltend, sie sei chronisch krank. In der Zeit Juli 2004 bis Dezember 2004 habe bei ihr Arbeitsunfähigkeit bestanden. Die Klägerin hat Atteste von Q1 vom 25.01.2005 und 07.06.2005 sowie Atteste von H1 und L1, Orthopäden aus X vom 28.06.2005 und 25.07.2005 zu den Gerichtsakten gereicht.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 17.06.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 01.02.2005 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihr für die Zeit 01.07.2004 bis 31.12.2004 Hilfe zum Lebensunterhalt in gesetzlicher Höhe und ohne Kürzungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung nimmt sie Bezug auf den Widerspruchsbescheid vom 01.02.2005.
Das Gericht hat Beweis erhoben. Es hat zunächst aus den Streitakten S 00 SB 00/00 SG Düsseldorf ärztliche Unterlagen beigezogen u.a. einen Befundbericht des behandelnden Internisten H2 aus X vom 07.06.2005 sowie den Rehabilitationsentlassungsbericht des Rheumazentrums Fachklinik Bad Q2 vom 09.11.2004. In dem Entlassungsbericht sind folgende Diagnosen mitgeteilt worden:
1. somatoforme Schmerzstörung/Fibromyalgiesyndrom
2. Lumbalsyndrom bei Bandscheibenvorfall im Segment L 5/S 1
3. Somatisierungsstörung (respiratorisch)
4. Skoliose
5. Colon irritabile
Darüber hinaus hat das Gericht die Klägerin von T1, Arzt für Orthopädie aus X und von Frau T2-L2, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie aus X untersuchen und begutachten lassen. Der Sachverständige T1 hat in seinem Gutachten vom 05.12.2005 für das orthopädische Fachgebiet folgende Diagnosen erhoben:
1. ein glaubhaft rezidivierendes (chronisches) Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäulen- Syndrom, zusätzlich Lumboischialgie beidseits mit positivem Lasegue schen Schmerzzeichen (rechts: 60°, links: 40°) mit begleitenden Reflex- und Sensibilitätsausfällen am linken Fuß bei leichter Fehlstatik des Achsenorganes, ausreichenden Muskelverhältnissen,
mittelgradiger Bewegungsbehinderung der Halswirbelsäule, mittelgradiger bis bereits erheblicher, schwerwiegender Bewegungsbehinderung der Lendenwirbelsäule,
radiologisch ohne Vorlage von entsprechenden Röntgenaufnahmen, sonst mittels CT nachgewiesenen Bandscheibenvorfällen C5/6 rechts, C6/7 links sowie L5/S1 links,
2. Periathritis beider Schultergelenke ohne Entzündungserscheinungen, ohne Muskelminderung mit nur leichter Bewegungsbehinderung beider Schultergelenke, links etwas mehr als rechts, ohne Vorlage von entsprechenden Röntgenaufnahmen,
3. geringe ulnare Epicondylopathie beidseits ohne Entzündungserscheinungen, ohne Bewegungsbehinderungen,
4. Verdacht auf beginnende Arthropathie beider Kniegelenke (Chondropathie) mit geringen Entzündungserscheinungen an beiden Kniegelenken, leichter, muskulär kompensierbarer Außenbandlockerung beidseits ohne Bewegungsbehinderung der Kniegelenke, ohne Vorlage von entsprechenden Röntgenaufnahmen.
In Bezug auf das Leistungsvermögen der Klägerin hat der Sachverständige T1 für das orthopädische Fachgebiet festgestellt, die Klägerin sei in der Lage, körperlich leichte Frauenarbeiten halbschichtig (4 Stunden arbeitstäglich) zu verrichten. Die Sachverständige Frau T2-L2 hat in ihrem Gutachten vom 23.01.2006 zum Ergebnis ihrer Untersuchung festgestellt, die Klägerin leide an einer somatoformen Schmerzstörung bei Bandscheibenvorfall L 5/S 1 und C 5/C 6, C 6/C 7. Zusätzlich bestehe bei der Klägerin eine Lernbehinderung, die das Verstehen und Erfassen der Krankheitsproblematik erschwere. Aus psychiatrischer Sicht hätten diese Gesundheitsstörungen im gleichen Ausmaße auch schon im Jahr 2004 vorgelegen. Dieses sei dem Entlassungsbericht der Klinik Bad Q2 zu entnehmen, wo die Klägerin sich vom 06.10.2004 bis zum 27.10.2004 in einer stationären Rehabilitationsmaßnahme befunden habe. Bei der Klägerin liege eine psychiatrische Fehlhaltung mit Krankheitswert in Bezug auf eine Arbeitsaufnahme vor, welche sie aus eigener Willenskraft nicht überwinden könne. Es handele sich um einen chronifizierten seelischen Prozess. Die Klägerin sei aufgrund dieser psychiatrischen Störung in ihrer Erwerbsfähigkeit soweit beeinträchtigt, dass sie nicht gewinnbringend ins Erwerbsleben integriert werden könne. Sie sei psychisch nicht mehr belastbar und könne aus psychiatrischer Sicht weniger als 3 Stunden täglich arbeiten. Diese Einschätzung der geistig-psychischen Leistungsfähigkeit gelte auch für den Zeitraum Juni 2004 bis Dezember 2004.
Nach Übersendung der Sachverständigengutachten und der Anfrage des Gerichtes, ob mit Blick auf das Ergebnis der Gutachten, der angefochtene Bescheid vom 17.06.2004 aufgehoben wird, hat die Beklagte mit Schreiben vom 28.03.2006 im Wesentlichen vorgetragen, sie sei zur Aufhebung des Bescheides nicht bereit. Soweit die psychiatrische Sachverständige Frau T2-L2 bei der Klägerin eine krankhafte Abwehrhaltung gegen eine Arbeitsaufnahme bzw. Maßnahmen zur Befähigung einer Arbeitsaufnahme festgestellt habe, bedeute dies nicht, dass damit die Voraussetzungen für die Absenkung des Regelsatzes auf 75 % entfallen seien. Die Klägerin habe im Verwaltungsverfahren bei den Bemühungen der Hilfe zur Arbeit nicht nur nicht mitgewirkt, sondern sich verweigert. Diese Verweigerungshaltung lasse sich im Klageverfahren nicht dadurch heilen, dass eine psychisch bedingte Fehlhaltung in Bezug auf eine Hilfe nach §§ 18 ff. BSHG attestiert wird. Die Voraussetzungen des § 25 BSHG seien auch dann gegeben, wenn der Hilfeempfänger bei den Feststellungen über die Möglichkeiten des Einsatzes seiner Arbeitskraft nicht mitwirke, indem er lediglich Bescheinigungen über kurzfristige Arbeitsunfähigkeiten vorlege oder diesbezügliche Hilfsangebote kategorisch ablehne.
Die Klägerin hat den Kurzarztbrief vom 07.04.2006 und den Entlassungsbericht vom 06.04.2006 des Gemeinschaftskrankenhauses I, Abteilung für Psychosomatik und Psychotherapeutische Medizin, wo sie sich in der Zeit März 2006 bis April 2006 in stationärer Behandlung befunden hat, zu den Gerichtsakten gereicht. In dem Entlassungsbrief wird u.a. ausgeführt, dass sich in den tiefenpsychologisch therapeutischen Gesprächen der Eindruck einer langen chronifizierten schweren undifferenzierten Somatisierungsstörung mit erheblichem sekundären Krankheitsgewinn bei depressiven und hysterischen Abwehrmodi bestätigt habe.
Die Klägerin hat mit Schreiben vom 06.06.2006 abschließend geltend gemacht, die eingeholten Sachverständigengutachten hätten bestätigt, dass sie nicht arbeitsfähig sei. Sie stehe daher dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung. Insoweit liege der Hauptausschlussgrund für die Gewährung von Hilfen nach dem BSHG gerade nicht vor. Eine fehlende Arbeitsfähigkeit könne nicht als Aufhänger genutzt werden, eine Verweigerungshaltung zu unterstellen. Für den hypothetischen Fall, dass die Beratungstermine bei der Beklagten mit ihr stattgefunden hätten, so hätten diese Besprechungen zu keinem faktischen Ergebnis führen können. Es frage sich, wie ihre Arbeitsfähigkeit und eine darauf aufbauende Eingliederung in das Arbeitsleben besprochen werden sollten, wenn eine Arbeitsfähigkeit bei ihr gerade nicht vorliege. Die Gewährung von Hilfeleistungen nach dem BSHG solle gerade die bei ihr fehlende Arbeitsfähigkeit ausgleichen, so dass eine Sanktionierung nicht stattfinden dürfe.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der von der Beklagten beigezogenen Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer konnte trotz Ausbleibens der Beklagten in der mündlichen Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten mit ordnungsgemäßer Ladung vom 6.2.2007 auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist (§ 126 Sozialgerichtsgesetz – SGG -).
Die zulässige Klage ist begründet.
Der Bescheid vom 17.6.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 1.2.2005 ist rechtswidrig und beschwert die Klägerin im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Die Beklagte hat die der Klägerin zustehende Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem BSHG in der Zeit vom 1.7.2004 bis zum 31.12.2004 zu Unrecht um 25 % gekürzt. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Auszahlung ungekürzter Hilfe zum Lebensunterhalt. Die Voraussetzungen für eine rechtmäßige Kürzung nach § 25 BSHG liegen nicht vor. Der angefochtene Bescheid war daher aufzuheben und die Beklagte zur Nachzahlung von Hilfe zum Lebensunterhalt für die streitbefangene Zeit in Höhe von monatlich 59,25 Euro, d.h. in Höhe von insgesamt 355,50 Euro zu verpflichten.
Nach § 25 Abs. 1 Satz 1 BSHG hat derjenige keinen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt, der sich weigert, zumutbare Arbeit zu leisten; die Hilfe ist nach § 25 Abs. 1 Satz 2 BSHG um mindestens 25 v.H. des maßgeblichen Regelsatzes zu kürzen. Die Anwendung von § 25 Abs. 1 BSHG setzt zweierlei voraus: die Feststellung, ob und welche Arbeit dem Hilfesuchenden "zumutbar" ist und die Feststellung, dass er sich "geweigert" hat, solche Arbeit zu leisten. Bei der Auslegung dieser unbestimmten Rechtsbegriffe kommt Sinn und Zweck der Vorschrift in ihrer Verknüpfung mit den §§ 18 ff BSHG entscheidende Bedeutung zu. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes (BVerwG) dient § 25 BSHG dazu, Maßnahmen der in §§ 18 ff BSGH geregelten Hilfe zur Arbeit zu unterstützen. Wegen seiner Kopplung mit diesen Hilfenormen ist § 25 BSHG selbst Hilfenorm (BVerwG 5. Senat Urteil 17.5.1995, -5 C 20/93- mit Verweis auf BVerwGE 67, 1, 5f; 68, 91, 93ff).
Auf der Grundlage dieses Normverständnisses sind die (sozialhilferechtlichen) Anforderungen an die Zumutbarkeit einer Arbeit anhand der in § 18 Abs. 3 BSHG genannten Kriterien zu bestimmen, die den in § 18 Abs. 1 BSHG normierten Grundsatz, nach dem jeder Hilfesuchende seine Arbeitskraft zur Beschaffung seines Lebensunterhalts für sich und seine unterhaltsberechtigten Angehörigen einzusetzen hat, einschränken. Mangelnde Arbeitsbereitschaft des Hilfeempfängers kann vor diesem Hintergrund nur angenommen werden, wenn er es unberechtigt, d.h. vorwerfbar ablehnt, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen. Eine Weigerung zumutbare Arbeit aufzunehmen kann sich auch darin ausdrücken, dass der Hilfeempfänger es ohne hinreichenden Grund ablehnt, den Vermittlungsversuchen des Sozialamtes zur Verfügung zu stehen bzw. an Beratungsgesprächen zur Arbeitsvermittlung teilzunehmen.
Diese Erwägungen zugrunde gelegt, kann im Fall der Klägerin nicht festgestellt werden, dass sie sich im Sinne der genannten Vorschriften geweigert hat, zumutbare Arbeit zu leisten. Es kann dahin stehen, ob es ihr aus gesundheitlichen Gründen zumutbar gewesen ist, zum Beratungsgespräch am 15.6.2004 bei der Beklagten zu erscheinen. Insoweit hat die Beklagte zu Recht darauf verwiesen, dass die Entschuldigung der Klägerin, sie habe am 15.6.2004 ihre Wohnung wegen starker Rückenschmerzen nicht verlassen können, wenig überzeugt, da in dem Attest von Q1 vom 14.7.2004 eine Vorstellung der Klägerin in der Arztpraxis am selben Tag bestätigt wird. Nach § 18 Abs. 2 Satz 1 BSHG ist darauf hinzuwirken, dass der Hilfesuchende sich um Arbeit bemüht und Arbeit findet. Das Nichterscheinen des Hilfesuchenden zu einem Beratungstermin zwecks Arbeitsvermittlung bei dem Sozialhilfeträger kann den Tatbestand der Weigerung zumutbare Arbeit zu leisten, erfüllen. Allerdings muss das Ausbleiben des Hilfeempfängers im Beratungstermin im Sinne "mangelnder Selbsthilfe" vorwerfbar sein. Eine Weigerung zumutbare Arbeit auszuüben, kann grundsätzlich nicht angenommen werden, wenn für den Hilfeempfänger tatsächlich realisierbare Selbsthilfemöglichkeiten (§ 2 BSHG) nicht (mehr) bestehen, wobei in diesem Zusammenhang darauf abzustellen bleibt, ob und welche Arbeiten dem Hilfeempfänger zur Selbsthilfe abverlangt werden können. Nach § 18 Abs. 3 Satz 1 BSHG darf einem Hilfesuchenden eine Arbeit (u.a.) nicht zugemutet werden, wenn er körperlich und geistig hierzu nicht in der Lage ist ( ...). Soweit bei einem Hilfeempfänger eine hinreichende Erwerbsfähigkeit, d.h. die Fähigkeit, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes arbeitstäglich wenigstens drei Stunden erwerbstätig sein zu können, nicht (mehr) vorliegt, kann ihm gegenüber nicht der Vorwurf der Arbeitsverweigerung erhoben werden. Der Hilfeempfänger ist nur verpflichtet, ihm zumutbare Arbeit im Rahmen der Selbsthilfe zu leisten. Ist ein Hilfeempfänger erwerbsunfähig, verbietet sich eine Kürzung der Sozialhilfeleistungen gemäß § 25 Abs. 1 BSHG, denn der Zweck der Norm, das Selbsthilfestreben des Hilfeempfängers zu fördern, kann nicht mehr erreicht werden. So liegt es hier. Nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme ist die Klägerin als erwerbsunfähig anzusehen. Der Vorwurf der Arbeitsverweigerung kann ihr gegenüber nicht erhoben werden.
Nach den Feststellungen der mit der Untersuchung und Begutachtung der Klägerin beauftragten Sachverständigen T1 (für das orthopädische Fachgebiet) und Frau T2-L2 (für das psychiatrische Fachgebiet) und hierbei insbesondere nach dem Ergebnis des psychiatrischen Zusatzgutachtens besteht und bestand in der streitbefangenen Zeit Juli 2004 bis Dezember 2004 bei der Klägerin ein aufgehobenes Leistungsvermögen. Die Klägerin leidet nach Aussage der psychiatrischen Sachverständigen an einer psychischen Fehlhaltung mit Krankheitswert in Bezug auf eine Arbeitsaufnahme, welche sie aus eigener Willenskraft nicht überwinden kann. Sie ist psychisch nicht belastbar und kann nicht mehr gewinnbringend ins Erwerbsleben (re)integriert werden. Aufgrund der Diagnose einer somatoformen Schmerzstörung bei Bandscheibenvorfall und zusätzlicher Lernbehinderung in Form eines chronifizierten seelischen Prozesses ist die von der psychiatrischen Sachverständigen vorgenommene Einschätzung der Leistungsfähigkeit der Klägerin für die Kammer nachvollziehbar und schlüssig. Vor dem Hintergrund, dass es sich bei Frau T2-L2 um eine Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie handelt und angesichts der von ihr durchgeführten eingehenden Untersuchung und Begutachtung der Klägerin unter sorgfältiger Befunderhebung und Berücksichtigung der aktenkundigen medizinischen Unterlagen hegt das Gericht keine Zweifel an der Richtigkeit der Diagnostik und Leistungsbeurteilung der Gerichtssachverständigen. Für die Richtigkeit der Feststellungen von Frau T2-L2 spricht zudem, dass sowohl in dem Rehabilitationsentlassungsbericht der Klinik Bad Q2 vom 9.11.2004 als auch in dem Entlassungsbericht des Gemeinschaftskrankenhauses I vom 6.4.2006 bei der Klägerin eine somatoforme Schmerzstörung diagnostiziert worden ist. In dem Bericht des Gemeinschaftskrankenhauses I wird insoweit von einer langen chronifizierten schweren undifferenzierten Somatisierungsstörung mit erheblichem sekundären Krankheitsgewinn bei depressiven und hysterischen Abwehrmodi gesprochen, was die Feststellungen der psychiatrischen Gerichtssachverständigen eines chronifizierten seelischen Prozesses bzw. einer seelischen Fehlhaltung mit Krankheitswert stützt. Auch die Beklagte hat keine Einwände gegen die diagnostischen und arbeitsmedizinischen Feststellungen der Sachverständigen T2-L2 erhoben. Bei dieser Sachlage hat die Kammer keine Bedenken sich bei der Entscheidungsfindung auf das Ergebnis des psychiatrischen Gutachtens von Frau T2-L2 zu stützen.
Mit Blick auf die fehlende gesundheitliche Fähigkeit der Klägerin zur Reintegration in das Arbeitsleben wegen des aufgehobenen Leistungsvermögens bzw. der bestehenden seelischen Fehlhaltung mit Krankheitswert mussten jegliche Maßnahmen der Beklagten zur Arbeitsvermittlung bzw. -aufnahme mit dem Zweck das Selbsthilfebestreben der Klägerin zu fördern, ohne Aussicht auf Erfolg bleiben. Soweit die Beklagte im Zeitpunkt des Verwaltungsverfahrens davon ausgegangen ist, dass bei der Klägerin angesichts des Ergebnisses der amtsärztlichen Untersuchungen von einem halb- bis untervollschichtigen Leistungsvermögen auszugehen ist und deshalb Maßnahmen zur Arbeitsaufnahme angezeigt waren, führt das im vorliegenden Verfahren zu keinem anderen Ergebnis. Die im Verwaltungsverfahren getroffenen Feststellungen zum Leistungsvermögen der Klägerin, insbesondere auf psychiatrischem Fachgebiet von Seiten des E, dass bei der Klägerin keine psychiatrischen Krankheitsbefunde festzustellen seien, die Anlass zur Änderung der bisherigen Einschätzung eines halb- bis untervollschichtigen Leistungsvermögens geben könnten, haben sich im Gerichtsverfahren nicht bestätigt. Dass die Beklagte im Verwaltungsverfahren von einer - wie ihr zu diesem Zeitpunkt nicht bewusst gewesen sein dürfte und sich erst später im Gerichtsverfahren herausstellte - fehlerhaften ärztlichen Einschätzung des Leistungsvermögens der Klägerin ausgegangen ist, unterfällt ihrem Risikobereich und führt jetzt zur Aufhebung des angefochtenen Kürzungsbescheides. Wenn die Beklagte meint, die von der Klägerin im Verwaltungsverfahren hinsichtlich der angebotenen Beratungsgespräche gezeigte Verweigerungshaltung könne nicht nachträglich im Gerichtsverfahren dadurch geheilt werden, dass ihr in dem vom Gericht eingeholten Sachverständigengutachten eine psychisch bedingte Fehlhaltung attestiert würde, würdigt sie die Bedeutung der im Klageverfahren durchgeführten Beweisaufnahme durch Einholung von ärztlichen Sachverständigengutachten nicht zutreffend. Da die Leistungsfähigkeit der Klägerin zwischen den Beteiligten streitig war und es bei der Prüfung des § 25 BSHG die Frage zu beantworten galt, ob die Klägerin ihr zumutbare Arbeit verweigert hat, war von Seiten des Gerichtes zur Abklärung des Leistungsvermögens der Klägerin eine Beweisaufnahme durch Einholung von medizinische Sachverständigengutachten durchzuführen. In der Beweisanordnung wurden die Sachverständigen ausdrücklich zur Stellungnahme zum Gesundheitszustand und Leistungsvermögen der Klägerin im streitbefangenen Zeitraum Juli 2004 bis Dezember 2004 aufgefordert. Nach dem Ergebnis der Sachverständigengutachten steht nunmehr fest, dass in der streitbefangenen Zeit 2004 bei der Klägerin von einem aufgehobenen Leistungsvermögen und einer seelischen Fehlhaltung, die sie an der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit hindert, auszugehen ist. Damit ist die im Verwaltungsverfahren vertretene Leistungsbeurteilung ( halb- bis untervollschichtiges Leistungsvermögen) als widerlegt anzusehen. Da die Beklagte keine Einwände gegen das Gutachten von T2-L2 erhoben hat, erscheint es inkonsequent, dass sie sich dem Ergebnis des Gutachtens verschließt. Soweit die Beklagte sinngemäß meint, es könne nicht sein und daher nicht folgenlos bleiben, dass der Hilfeempfänger, auch wenn er leistungseingeschränkt ist, zum Beratungstermin der Beklagten, in dem mit ihm erörtert werden soll, ob und welche Möglichkeiten für ihn in Bezug auf eine Arbeitsaufnahme bestehen, unentschuldigt nicht erscheint, verkennt sie, dass es sich bei der Vorschrift des § 25 BSHG nicht um einen Verwirkungs- oder Sanktionstatbestand, sondern um eine Hilfenorm handelt, die der Hilfe zur Selbsthilfe dient und dem mangelnden Selbsthilfebestreben des Betroffenen begegnen soll. Aus diesem Grund muss eine Kürzung der Hilfe zum Lebensunterhalt nach § 25 Abs. 1 BSGH geeignet sein, das Selbsthilfebestreben des Hilfeempfängers zu fördern. Lässt sich aber der Betroffene durch eine solche Kürzung aufgrund der Umstände des Einzelfalls, z.B. aufgrund einer bei ihm vorliegenden seelischen Fehlhaltung mit Krankheitswert nicht zur Selbsthilfe motivieren, ist eine Kürzung ungeeignet und deshalb unzulässig (vgl. grundlegend BVerwG Urteil vom 31.1.1968 - 5 C 22/67 -; OVG NRW Beschluss vom 20.5.1998 - 24 B 841/97 -; VG Düsseldorf Urteil vom 24.4.2006 - 13 K 2322/04 -). Im wesentlich Gleiches gilt, soweit die Beklagte vorgetragen hat, § 25 BSHG sei einschlägig, wenn der Hilfeempfänger bei den Feststellungen über die Möglichkeiten des Einsatzes seiner Arbeitskraft als vorrangig einzusetzendes Mittel nicht mitwirkt, er lediglich Bescheinigungen über kurzfristige Arbeitsunfähigkeiten vorlegt bzw. Hilfsangebote kategorisch ablehnt. Hier bleibt ebenfalls auf den Charakter des § 25 BSHG als Hilfenorm zu verweisen. Im vorliegenden verbot sich eine Sanktionierung des Verhaltens der Klägerin, denn aufgrund ihrer fehlenden gesundheitlichen Fähigkeit zur Reintegration in den Arbeitsmarkt konnte der mit dem Beratungsgespräch verfolgte Zweck der Förderung der Selbsthilfe bei der Klägerin nicht erreicht werden.
Da die Kürzungen des Regelsatzes in den Monaten Juli 2004 bis Dezember 2004 keinen Bestand haben können, war die Beklagte zu verpflichten, die offenen Beträge in Höhe von jeweils 59,25 Euro monatlich, damit in Höhe von insgesamt 355,50 Euro (59,25 Euro x 7 Monate) an die Klägerin nach zuzahlen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die von der Beklagten verfügten Kürzungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) für die Zeit vom 01.07.2004 bis zum 31.12.2004.
Die Beklagte gewährte der 1965 geborenen Klägerin im Jahr 2004 und in den Jahren zuvor Hilfe zum Lebensunterhalt. Die Klägerin war seinerzeit beim Arbeitsamt arbeitssuchend gemeldet. Da die Klägerin in der Vergangenheit zu Beratungsterminen bei der Beklagten nicht erschienen war mit der Begründung, sie sei krank, hatte die Beklagte im März 2004 eine amtsärztliche Untersuchung der Klägerin angeordnet. Nach dem Ergebnis des amtsärztlichen Gutachtens von S, Gesundheitsamt der Stadt X, vom 07.04.2004 bestand bei der Klägerin eine ausgeprägte Wirbelsäulenerkrankung mit Nervenschädigung und Ausstrahlung in die Beine und ein halb- bis untervollschichtiges Leistungsvermögen für leichte Arbeiten im freien Wechsel mit weiteren Einschränkungen. Daraufhin lud die Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 06.05.2004 zum Beratungsgespräch am 15.06.2004 zwecks Unterstützung bei der Arbeitsplatzsuche ein. Nach §§ 18 ff. BSHG sei die Klägerin verpflichtet, ihre Arbeitskraft zur Beschaffung ihres Lebensunterhaltes für sich und unterhaltsberechtigte Angehörige einzusetzen. Gemäß der durchgeführten amtsärztlichen Untersuchung sei sie eingeschränkt arbeitsfähig. Dies bedeute, dass sie jede zumutbare Arbeit annehmen müsse. Wer sich weigere, zumutbare Arbeit zu leisten oder zumutbare Maßnahmen nach den §§ 19 und 20 BSHG nachzukommen, habe nach § 25 Abs. 1 BSHG keinen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt. Sollte die Klägerin der Aufforderung nicht nachkommen, müsse sie damit rechnen, dass die Sozialhilfe gekürzt würde. Die Klägerin teilte daraufhin telefonisch unter dem 11.05.2004 mit, sie könne nicht arbeiten. Mit Schreiben vom 07.06.2004 wiederholte die Beklagte ihre Einladung zum Beratungsgespräch am 15.06.2004. Der Beratungstermin wurde von der Klägerin nicht wahrgenommen.
Mit Bescheid vom 17.06.2004 verfügte die Beklagte, dass bei der Festsetzung der Sozialhilfe für die Klägerin ab 01.07.2004 der Regelsatz nur noch in Höhe von 177,75 Euro berücksichtigt wird. Obwohl der Klägerin die gesetzliche Bestimmung des § 25 Abs. 1 Satz 1 BSHG bekannt gewesen sei, habe sie den Termin zum Beratungsgespräch am 15.06.2004 ohne Angaben von Gründen nicht wahrgenommen und sich auch bei der Beklagten nicht gemeldet. Diese Verhaltensweise erfülle den Tatbestand der genannten Gesetzesnorm. Der für die Klägerin maßgebliche Regelsatz könne nur noch in Höhe von höchstens 75 % gewährt werden.
Unter dem 21.06.2004 erging eine erneute Einladung an die Klägerin zur Vorsprache bei der Beklagten am 21.07.2004.
Mit ihrem Widerspruch gegen den Kürzungsbescheid vom 17.06.2004 machte die Klägerin im Wesentlichen geltend: Sie habe sich nicht geweigert, zumutbare Arbeit zu leisten oder zumutbare Maßnahmen nach den §§ 19 und 20 BSHG nachzukommen. Sie habe bereits mehrfach gegenüber der zuständigen Sachbearbeitung erklärt und diese Erklärung auch nachgewiesen, dass sie zur Arbeit wegen Arbeitsunfähigkeit nicht verpflichtet sei. Entsprechende ärztliche Atteste habe sie vorgelegt. Zudem entschuldige sie sich nachträglich für das Nichterscheinen im Termin am 15.06.2004. Sie sei aufgrund gesundheitlicher Beschwerden nicht in der Lage gewesen, den Termin wahrzunehmen. Sie habe unter Rückenschmerzen gelitten und es habe für sie keine Möglichkeit bestanden, die Wohnung zu verlassen. Die Klägerin legte ein nervenärztliches Attest von Q1, Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie aus X vom 14.07.2004 vor. Der Arzt attestiert darin depressive Verstimmungen, vasomotorische Kopfschmerzen sowie ein anhaltendes Schmerzsyndrom bei bekanntem Bandscheibenschaden im Lendenwirbelsäulenbereich und eine Arbeitsunfähigkeit für 3 Monate seit letzter Vorstellung am 15.06.2004. Desweiteren reichte die Klägerin ein Attest von K, Facharzt für innere Medizin und Rheumatologie aus X vom 17.07.2004 zu den Verwaltungsakten. Dieser Arzt attestierte der Klägerin ein diffuses weichteilrheumatisches Syndrom im Sinne einer Fibromyalgie, desweiteren ein LWS-NPP.
Der Amtsarzt S wurde von Seiten der Beklagten gebeten, erneut unter Würdigung der von der Klägerin eingereichten ärztlichen Unterlagen Stellung zu ihrer Leistungsfähigkeit zu nehmen. S führte in seiner Stellungnahme vom 17.08.2004 aus, er sehe keine Notwendigkeit, seine Einschätzung zum Leistungsvermögen der Klägerin zu revidieren. Im Rahmen der durchgeführten psychiatrischen Zusatzuntersuchung von E seien psychiatrische Krankheitsbefunde nicht festgestellt worden, die Anlass für die Abänderung der Leistungsbeurteilung geben könnten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 01.02.2005 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Der Widerspruch regele den Zeitraum vom 01.07.2004 bis zum 31.12.2004, weil zum 01.01.2005 das BSHG außer Kraft getreten sei. Die getroffene Entscheidung über die Festsetzung des Regelsatzes für die Klägerin zum 01.07.2004 sei nicht zu beanstanden. § 25 Abs. 1 BSHG diene dazu, Maßnahmen der in den §§ 18 ff. BSHG geregelten Hilfe zur Arbeit zu unterstützen. Diese Hilfe sei der Klägerin in Form von Gesprächsterminen angeboten worden. Dieses Angebot sei von ihr nicht angenommen worden. Dabei sei zunächst festzustellen, dass keiner der in § 18 BSHG geschilderten Ausnahmetatbestände bei der Klägerin vorliege. Insbesondere sei nicht aufgrund von Erkrankungen generell von dem Einsatz der Arbeitskraft abzusehen. Nach den durchgeführten Untersuchungen sowohl des amtsärztlichen als auch des sozialpsychiatrischen Dienstes sei die Klägerin eingeschränkt arbeitsfähig. Insoweit komme der Aussage des behandelnden Arztes Q1 vom 14.07.2004, die Klägerin sei für 3 Monate arbeitsunfähig, keine durchgreifende Bedeutung zu, zumal dieses Attest durch das Gesundheitsamt geprüft worden sei. Darüber hinaus stelle das Attest vom 14.07.2004 keinen geeigneten Nachweis für das Vorbringen der Klägerin, eine Vorsprache am 15.06.2004 sei ihr nicht möglich gewesen, dar. Dieses Attest treffe hierzu keinerlei Aussage. Im Übrigen sei die Einlassung im Widerspruchsverfahren, die Klägerin habe am 15.06.2004 das Haus nicht verlassen können, vor dem Hintergrund des am selben Tage offensichtlich möglichen Arztbesuches nicht nachvollziehbar. Zu würdigen sei desweiteren das Verhalten der Klägerin gewesen, insbesondere ihre Ankündigung im Telefonat vom 11.05.2004, den Termin am 15.06.2004 nicht wahrnehmen zu können bzw. zu wollen, obgleich ihr das Ergebnis der Stellungnahme des Gesundheitsamtes, nachdem eine eingeschränkte Arbeitsfähigkeit vorliege, mitgeteilt worden sei. Darin könne letztendlich nur die grundsätzliche Weigerung verstanden werden, überhaupt ein Gespräch bei der Beklagten über einen im Rahmen ihrer gesundheitlichen Einschränkungen möglichen Einsatz der Arbeitskraft zu führen. Denn die Klägerin habe zu diesem Zeitpunkt nicht wissen können, ob sie am Tag der Vorsprache des 15.06.2004 aus Krankheitsgründen am Verlassen des Hauses gehindert sein würde. Schließlich habe nicht unberücksichtigt bleiben können, dass die Klägerin des öfteren gegenüber der Beklagten zum Ausdruck gebracht habe, sich durch die Einladungsschreiben gestört zu fühlen. Für eine Arbeitsverweigerung der Klägerin spreche zudem ihre Aussage, dass sie die amtsärztlich festgestellte eingeschränkte Arbeitsfähigkeit nicht interessiere. Angesichts dieses Verhaltens der Klägerin habe der Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt ab dem 01.07.2004 nicht mehr in voller Höhe bestanden.
Die Klägerin hat am 11.02.2005 Klage erhoben. Sie macht im Wesentlichen geltend, sie sei chronisch krank. In der Zeit Juli 2004 bis Dezember 2004 habe bei ihr Arbeitsunfähigkeit bestanden. Die Klägerin hat Atteste von Q1 vom 25.01.2005 und 07.06.2005 sowie Atteste von H1 und L1, Orthopäden aus X vom 28.06.2005 und 25.07.2005 zu den Gerichtsakten gereicht.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 17.06.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 01.02.2005 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihr für die Zeit 01.07.2004 bis 31.12.2004 Hilfe zum Lebensunterhalt in gesetzlicher Höhe und ohne Kürzungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung nimmt sie Bezug auf den Widerspruchsbescheid vom 01.02.2005.
Das Gericht hat Beweis erhoben. Es hat zunächst aus den Streitakten S 00 SB 00/00 SG Düsseldorf ärztliche Unterlagen beigezogen u.a. einen Befundbericht des behandelnden Internisten H2 aus X vom 07.06.2005 sowie den Rehabilitationsentlassungsbericht des Rheumazentrums Fachklinik Bad Q2 vom 09.11.2004. In dem Entlassungsbericht sind folgende Diagnosen mitgeteilt worden:
1. somatoforme Schmerzstörung/Fibromyalgiesyndrom
2. Lumbalsyndrom bei Bandscheibenvorfall im Segment L 5/S 1
3. Somatisierungsstörung (respiratorisch)
4. Skoliose
5. Colon irritabile
Darüber hinaus hat das Gericht die Klägerin von T1, Arzt für Orthopädie aus X und von Frau T2-L2, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie aus X untersuchen und begutachten lassen. Der Sachverständige T1 hat in seinem Gutachten vom 05.12.2005 für das orthopädische Fachgebiet folgende Diagnosen erhoben:
1. ein glaubhaft rezidivierendes (chronisches) Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäulen- Syndrom, zusätzlich Lumboischialgie beidseits mit positivem Lasegue schen Schmerzzeichen (rechts: 60°, links: 40°) mit begleitenden Reflex- und Sensibilitätsausfällen am linken Fuß bei leichter Fehlstatik des Achsenorganes, ausreichenden Muskelverhältnissen,
mittelgradiger Bewegungsbehinderung der Halswirbelsäule, mittelgradiger bis bereits erheblicher, schwerwiegender Bewegungsbehinderung der Lendenwirbelsäule,
radiologisch ohne Vorlage von entsprechenden Röntgenaufnahmen, sonst mittels CT nachgewiesenen Bandscheibenvorfällen C5/6 rechts, C6/7 links sowie L5/S1 links,
2. Periathritis beider Schultergelenke ohne Entzündungserscheinungen, ohne Muskelminderung mit nur leichter Bewegungsbehinderung beider Schultergelenke, links etwas mehr als rechts, ohne Vorlage von entsprechenden Röntgenaufnahmen,
3. geringe ulnare Epicondylopathie beidseits ohne Entzündungserscheinungen, ohne Bewegungsbehinderungen,
4. Verdacht auf beginnende Arthropathie beider Kniegelenke (Chondropathie) mit geringen Entzündungserscheinungen an beiden Kniegelenken, leichter, muskulär kompensierbarer Außenbandlockerung beidseits ohne Bewegungsbehinderung der Kniegelenke, ohne Vorlage von entsprechenden Röntgenaufnahmen.
In Bezug auf das Leistungsvermögen der Klägerin hat der Sachverständige T1 für das orthopädische Fachgebiet festgestellt, die Klägerin sei in der Lage, körperlich leichte Frauenarbeiten halbschichtig (4 Stunden arbeitstäglich) zu verrichten. Die Sachverständige Frau T2-L2 hat in ihrem Gutachten vom 23.01.2006 zum Ergebnis ihrer Untersuchung festgestellt, die Klägerin leide an einer somatoformen Schmerzstörung bei Bandscheibenvorfall L 5/S 1 und C 5/C 6, C 6/C 7. Zusätzlich bestehe bei der Klägerin eine Lernbehinderung, die das Verstehen und Erfassen der Krankheitsproblematik erschwere. Aus psychiatrischer Sicht hätten diese Gesundheitsstörungen im gleichen Ausmaße auch schon im Jahr 2004 vorgelegen. Dieses sei dem Entlassungsbericht der Klinik Bad Q2 zu entnehmen, wo die Klägerin sich vom 06.10.2004 bis zum 27.10.2004 in einer stationären Rehabilitationsmaßnahme befunden habe. Bei der Klägerin liege eine psychiatrische Fehlhaltung mit Krankheitswert in Bezug auf eine Arbeitsaufnahme vor, welche sie aus eigener Willenskraft nicht überwinden könne. Es handele sich um einen chronifizierten seelischen Prozess. Die Klägerin sei aufgrund dieser psychiatrischen Störung in ihrer Erwerbsfähigkeit soweit beeinträchtigt, dass sie nicht gewinnbringend ins Erwerbsleben integriert werden könne. Sie sei psychisch nicht mehr belastbar und könne aus psychiatrischer Sicht weniger als 3 Stunden täglich arbeiten. Diese Einschätzung der geistig-psychischen Leistungsfähigkeit gelte auch für den Zeitraum Juni 2004 bis Dezember 2004.
Nach Übersendung der Sachverständigengutachten und der Anfrage des Gerichtes, ob mit Blick auf das Ergebnis der Gutachten, der angefochtene Bescheid vom 17.06.2004 aufgehoben wird, hat die Beklagte mit Schreiben vom 28.03.2006 im Wesentlichen vorgetragen, sie sei zur Aufhebung des Bescheides nicht bereit. Soweit die psychiatrische Sachverständige Frau T2-L2 bei der Klägerin eine krankhafte Abwehrhaltung gegen eine Arbeitsaufnahme bzw. Maßnahmen zur Befähigung einer Arbeitsaufnahme festgestellt habe, bedeute dies nicht, dass damit die Voraussetzungen für die Absenkung des Regelsatzes auf 75 % entfallen seien. Die Klägerin habe im Verwaltungsverfahren bei den Bemühungen der Hilfe zur Arbeit nicht nur nicht mitgewirkt, sondern sich verweigert. Diese Verweigerungshaltung lasse sich im Klageverfahren nicht dadurch heilen, dass eine psychisch bedingte Fehlhaltung in Bezug auf eine Hilfe nach §§ 18 ff. BSHG attestiert wird. Die Voraussetzungen des § 25 BSHG seien auch dann gegeben, wenn der Hilfeempfänger bei den Feststellungen über die Möglichkeiten des Einsatzes seiner Arbeitskraft nicht mitwirke, indem er lediglich Bescheinigungen über kurzfristige Arbeitsunfähigkeiten vorlege oder diesbezügliche Hilfsangebote kategorisch ablehne.
Die Klägerin hat den Kurzarztbrief vom 07.04.2006 und den Entlassungsbericht vom 06.04.2006 des Gemeinschaftskrankenhauses I, Abteilung für Psychosomatik und Psychotherapeutische Medizin, wo sie sich in der Zeit März 2006 bis April 2006 in stationärer Behandlung befunden hat, zu den Gerichtsakten gereicht. In dem Entlassungsbrief wird u.a. ausgeführt, dass sich in den tiefenpsychologisch therapeutischen Gesprächen der Eindruck einer langen chronifizierten schweren undifferenzierten Somatisierungsstörung mit erheblichem sekundären Krankheitsgewinn bei depressiven und hysterischen Abwehrmodi bestätigt habe.
Die Klägerin hat mit Schreiben vom 06.06.2006 abschließend geltend gemacht, die eingeholten Sachverständigengutachten hätten bestätigt, dass sie nicht arbeitsfähig sei. Sie stehe daher dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung. Insoweit liege der Hauptausschlussgrund für die Gewährung von Hilfen nach dem BSHG gerade nicht vor. Eine fehlende Arbeitsfähigkeit könne nicht als Aufhänger genutzt werden, eine Verweigerungshaltung zu unterstellen. Für den hypothetischen Fall, dass die Beratungstermine bei der Beklagten mit ihr stattgefunden hätten, so hätten diese Besprechungen zu keinem faktischen Ergebnis führen können. Es frage sich, wie ihre Arbeitsfähigkeit und eine darauf aufbauende Eingliederung in das Arbeitsleben besprochen werden sollten, wenn eine Arbeitsfähigkeit bei ihr gerade nicht vorliege. Die Gewährung von Hilfeleistungen nach dem BSHG solle gerade die bei ihr fehlende Arbeitsfähigkeit ausgleichen, so dass eine Sanktionierung nicht stattfinden dürfe.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der von der Beklagten beigezogenen Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer konnte trotz Ausbleibens der Beklagten in der mündlichen Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten mit ordnungsgemäßer Ladung vom 6.2.2007 auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist (§ 126 Sozialgerichtsgesetz – SGG -).
Die zulässige Klage ist begründet.
Der Bescheid vom 17.6.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 1.2.2005 ist rechtswidrig und beschwert die Klägerin im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Die Beklagte hat die der Klägerin zustehende Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem BSHG in der Zeit vom 1.7.2004 bis zum 31.12.2004 zu Unrecht um 25 % gekürzt. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Auszahlung ungekürzter Hilfe zum Lebensunterhalt. Die Voraussetzungen für eine rechtmäßige Kürzung nach § 25 BSHG liegen nicht vor. Der angefochtene Bescheid war daher aufzuheben und die Beklagte zur Nachzahlung von Hilfe zum Lebensunterhalt für die streitbefangene Zeit in Höhe von monatlich 59,25 Euro, d.h. in Höhe von insgesamt 355,50 Euro zu verpflichten.
Nach § 25 Abs. 1 Satz 1 BSHG hat derjenige keinen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt, der sich weigert, zumutbare Arbeit zu leisten; die Hilfe ist nach § 25 Abs. 1 Satz 2 BSHG um mindestens 25 v.H. des maßgeblichen Regelsatzes zu kürzen. Die Anwendung von § 25 Abs. 1 BSHG setzt zweierlei voraus: die Feststellung, ob und welche Arbeit dem Hilfesuchenden "zumutbar" ist und die Feststellung, dass er sich "geweigert" hat, solche Arbeit zu leisten. Bei der Auslegung dieser unbestimmten Rechtsbegriffe kommt Sinn und Zweck der Vorschrift in ihrer Verknüpfung mit den §§ 18 ff BSHG entscheidende Bedeutung zu. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes (BVerwG) dient § 25 BSHG dazu, Maßnahmen der in §§ 18 ff BSGH geregelten Hilfe zur Arbeit zu unterstützen. Wegen seiner Kopplung mit diesen Hilfenormen ist § 25 BSHG selbst Hilfenorm (BVerwG 5. Senat Urteil 17.5.1995, -5 C 20/93- mit Verweis auf BVerwGE 67, 1, 5f; 68, 91, 93ff).
Auf der Grundlage dieses Normverständnisses sind die (sozialhilferechtlichen) Anforderungen an die Zumutbarkeit einer Arbeit anhand der in § 18 Abs. 3 BSHG genannten Kriterien zu bestimmen, die den in § 18 Abs. 1 BSHG normierten Grundsatz, nach dem jeder Hilfesuchende seine Arbeitskraft zur Beschaffung seines Lebensunterhalts für sich und seine unterhaltsberechtigten Angehörigen einzusetzen hat, einschränken. Mangelnde Arbeitsbereitschaft des Hilfeempfängers kann vor diesem Hintergrund nur angenommen werden, wenn er es unberechtigt, d.h. vorwerfbar ablehnt, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen. Eine Weigerung zumutbare Arbeit aufzunehmen kann sich auch darin ausdrücken, dass der Hilfeempfänger es ohne hinreichenden Grund ablehnt, den Vermittlungsversuchen des Sozialamtes zur Verfügung zu stehen bzw. an Beratungsgesprächen zur Arbeitsvermittlung teilzunehmen.
Diese Erwägungen zugrunde gelegt, kann im Fall der Klägerin nicht festgestellt werden, dass sie sich im Sinne der genannten Vorschriften geweigert hat, zumutbare Arbeit zu leisten. Es kann dahin stehen, ob es ihr aus gesundheitlichen Gründen zumutbar gewesen ist, zum Beratungsgespräch am 15.6.2004 bei der Beklagten zu erscheinen. Insoweit hat die Beklagte zu Recht darauf verwiesen, dass die Entschuldigung der Klägerin, sie habe am 15.6.2004 ihre Wohnung wegen starker Rückenschmerzen nicht verlassen können, wenig überzeugt, da in dem Attest von Q1 vom 14.7.2004 eine Vorstellung der Klägerin in der Arztpraxis am selben Tag bestätigt wird. Nach § 18 Abs. 2 Satz 1 BSHG ist darauf hinzuwirken, dass der Hilfesuchende sich um Arbeit bemüht und Arbeit findet. Das Nichterscheinen des Hilfesuchenden zu einem Beratungstermin zwecks Arbeitsvermittlung bei dem Sozialhilfeträger kann den Tatbestand der Weigerung zumutbare Arbeit zu leisten, erfüllen. Allerdings muss das Ausbleiben des Hilfeempfängers im Beratungstermin im Sinne "mangelnder Selbsthilfe" vorwerfbar sein. Eine Weigerung zumutbare Arbeit auszuüben, kann grundsätzlich nicht angenommen werden, wenn für den Hilfeempfänger tatsächlich realisierbare Selbsthilfemöglichkeiten (§ 2 BSHG) nicht (mehr) bestehen, wobei in diesem Zusammenhang darauf abzustellen bleibt, ob und welche Arbeiten dem Hilfeempfänger zur Selbsthilfe abverlangt werden können. Nach § 18 Abs. 3 Satz 1 BSHG darf einem Hilfesuchenden eine Arbeit (u.a.) nicht zugemutet werden, wenn er körperlich und geistig hierzu nicht in der Lage ist ( ...). Soweit bei einem Hilfeempfänger eine hinreichende Erwerbsfähigkeit, d.h. die Fähigkeit, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes arbeitstäglich wenigstens drei Stunden erwerbstätig sein zu können, nicht (mehr) vorliegt, kann ihm gegenüber nicht der Vorwurf der Arbeitsverweigerung erhoben werden. Der Hilfeempfänger ist nur verpflichtet, ihm zumutbare Arbeit im Rahmen der Selbsthilfe zu leisten. Ist ein Hilfeempfänger erwerbsunfähig, verbietet sich eine Kürzung der Sozialhilfeleistungen gemäß § 25 Abs. 1 BSHG, denn der Zweck der Norm, das Selbsthilfestreben des Hilfeempfängers zu fördern, kann nicht mehr erreicht werden. So liegt es hier. Nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme ist die Klägerin als erwerbsunfähig anzusehen. Der Vorwurf der Arbeitsverweigerung kann ihr gegenüber nicht erhoben werden.
Nach den Feststellungen der mit der Untersuchung und Begutachtung der Klägerin beauftragten Sachverständigen T1 (für das orthopädische Fachgebiet) und Frau T2-L2 (für das psychiatrische Fachgebiet) und hierbei insbesondere nach dem Ergebnis des psychiatrischen Zusatzgutachtens besteht und bestand in der streitbefangenen Zeit Juli 2004 bis Dezember 2004 bei der Klägerin ein aufgehobenes Leistungsvermögen. Die Klägerin leidet nach Aussage der psychiatrischen Sachverständigen an einer psychischen Fehlhaltung mit Krankheitswert in Bezug auf eine Arbeitsaufnahme, welche sie aus eigener Willenskraft nicht überwinden kann. Sie ist psychisch nicht belastbar und kann nicht mehr gewinnbringend ins Erwerbsleben (re)integriert werden. Aufgrund der Diagnose einer somatoformen Schmerzstörung bei Bandscheibenvorfall und zusätzlicher Lernbehinderung in Form eines chronifizierten seelischen Prozesses ist die von der psychiatrischen Sachverständigen vorgenommene Einschätzung der Leistungsfähigkeit der Klägerin für die Kammer nachvollziehbar und schlüssig. Vor dem Hintergrund, dass es sich bei Frau T2-L2 um eine Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie handelt und angesichts der von ihr durchgeführten eingehenden Untersuchung und Begutachtung der Klägerin unter sorgfältiger Befunderhebung und Berücksichtigung der aktenkundigen medizinischen Unterlagen hegt das Gericht keine Zweifel an der Richtigkeit der Diagnostik und Leistungsbeurteilung der Gerichtssachverständigen. Für die Richtigkeit der Feststellungen von Frau T2-L2 spricht zudem, dass sowohl in dem Rehabilitationsentlassungsbericht der Klinik Bad Q2 vom 9.11.2004 als auch in dem Entlassungsbericht des Gemeinschaftskrankenhauses I vom 6.4.2006 bei der Klägerin eine somatoforme Schmerzstörung diagnostiziert worden ist. In dem Bericht des Gemeinschaftskrankenhauses I wird insoweit von einer langen chronifizierten schweren undifferenzierten Somatisierungsstörung mit erheblichem sekundären Krankheitsgewinn bei depressiven und hysterischen Abwehrmodi gesprochen, was die Feststellungen der psychiatrischen Gerichtssachverständigen eines chronifizierten seelischen Prozesses bzw. einer seelischen Fehlhaltung mit Krankheitswert stützt. Auch die Beklagte hat keine Einwände gegen die diagnostischen und arbeitsmedizinischen Feststellungen der Sachverständigen T2-L2 erhoben. Bei dieser Sachlage hat die Kammer keine Bedenken sich bei der Entscheidungsfindung auf das Ergebnis des psychiatrischen Gutachtens von Frau T2-L2 zu stützen.
Mit Blick auf die fehlende gesundheitliche Fähigkeit der Klägerin zur Reintegration in das Arbeitsleben wegen des aufgehobenen Leistungsvermögens bzw. der bestehenden seelischen Fehlhaltung mit Krankheitswert mussten jegliche Maßnahmen der Beklagten zur Arbeitsvermittlung bzw. -aufnahme mit dem Zweck das Selbsthilfebestreben der Klägerin zu fördern, ohne Aussicht auf Erfolg bleiben. Soweit die Beklagte im Zeitpunkt des Verwaltungsverfahrens davon ausgegangen ist, dass bei der Klägerin angesichts des Ergebnisses der amtsärztlichen Untersuchungen von einem halb- bis untervollschichtigen Leistungsvermögen auszugehen ist und deshalb Maßnahmen zur Arbeitsaufnahme angezeigt waren, führt das im vorliegenden Verfahren zu keinem anderen Ergebnis. Die im Verwaltungsverfahren getroffenen Feststellungen zum Leistungsvermögen der Klägerin, insbesondere auf psychiatrischem Fachgebiet von Seiten des E, dass bei der Klägerin keine psychiatrischen Krankheitsbefunde festzustellen seien, die Anlass zur Änderung der bisherigen Einschätzung eines halb- bis untervollschichtigen Leistungsvermögens geben könnten, haben sich im Gerichtsverfahren nicht bestätigt. Dass die Beklagte im Verwaltungsverfahren von einer - wie ihr zu diesem Zeitpunkt nicht bewusst gewesen sein dürfte und sich erst später im Gerichtsverfahren herausstellte - fehlerhaften ärztlichen Einschätzung des Leistungsvermögens der Klägerin ausgegangen ist, unterfällt ihrem Risikobereich und führt jetzt zur Aufhebung des angefochtenen Kürzungsbescheides. Wenn die Beklagte meint, die von der Klägerin im Verwaltungsverfahren hinsichtlich der angebotenen Beratungsgespräche gezeigte Verweigerungshaltung könne nicht nachträglich im Gerichtsverfahren dadurch geheilt werden, dass ihr in dem vom Gericht eingeholten Sachverständigengutachten eine psychisch bedingte Fehlhaltung attestiert würde, würdigt sie die Bedeutung der im Klageverfahren durchgeführten Beweisaufnahme durch Einholung von ärztlichen Sachverständigengutachten nicht zutreffend. Da die Leistungsfähigkeit der Klägerin zwischen den Beteiligten streitig war und es bei der Prüfung des § 25 BSHG die Frage zu beantworten galt, ob die Klägerin ihr zumutbare Arbeit verweigert hat, war von Seiten des Gerichtes zur Abklärung des Leistungsvermögens der Klägerin eine Beweisaufnahme durch Einholung von medizinische Sachverständigengutachten durchzuführen. In der Beweisanordnung wurden die Sachverständigen ausdrücklich zur Stellungnahme zum Gesundheitszustand und Leistungsvermögen der Klägerin im streitbefangenen Zeitraum Juli 2004 bis Dezember 2004 aufgefordert. Nach dem Ergebnis der Sachverständigengutachten steht nunmehr fest, dass in der streitbefangenen Zeit 2004 bei der Klägerin von einem aufgehobenen Leistungsvermögen und einer seelischen Fehlhaltung, die sie an der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit hindert, auszugehen ist. Damit ist die im Verwaltungsverfahren vertretene Leistungsbeurteilung ( halb- bis untervollschichtiges Leistungsvermögen) als widerlegt anzusehen. Da die Beklagte keine Einwände gegen das Gutachten von T2-L2 erhoben hat, erscheint es inkonsequent, dass sie sich dem Ergebnis des Gutachtens verschließt. Soweit die Beklagte sinngemäß meint, es könne nicht sein und daher nicht folgenlos bleiben, dass der Hilfeempfänger, auch wenn er leistungseingeschränkt ist, zum Beratungstermin der Beklagten, in dem mit ihm erörtert werden soll, ob und welche Möglichkeiten für ihn in Bezug auf eine Arbeitsaufnahme bestehen, unentschuldigt nicht erscheint, verkennt sie, dass es sich bei der Vorschrift des § 25 BSHG nicht um einen Verwirkungs- oder Sanktionstatbestand, sondern um eine Hilfenorm handelt, die der Hilfe zur Selbsthilfe dient und dem mangelnden Selbsthilfebestreben des Betroffenen begegnen soll. Aus diesem Grund muss eine Kürzung der Hilfe zum Lebensunterhalt nach § 25 Abs. 1 BSGH geeignet sein, das Selbsthilfebestreben des Hilfeempfängers zu fördern. Lässt sich aber der Betroffene durch eine solche Kürzung aufgrund der Umstände des Einzelfalls, z.B. aufgrund einer bei ihm vorliegenden seelischen Fehlhaltung mit Krankheitswert nicht zur Selbsthilfe motivieren, ist eine Kürzung ungeeignet und deshalb unzulässig (vgl. grundlegend BVerwG Urteil vom 31.1.1968 - 5 C 22/67 -; OVG NRW Beschluss vom 20.5.1998 - 24 B 841/97 -; VG Düsseldorf Urteil vom 24.4.2006 - 13 K 2322/04 -). Im wesentlich Gleiches gilt, soweit die Beklagte vorgetragen hat, § 25 BSHG sei einschlägig, wenn der Hilfeempfänger bei den Feststellungen über die Möglichkeiten des Einsatzes seiner Arbeitskraft als vorrangig einzusetzendes Mittel nicht mitwirkt, er lediglich Bescheinigungen über kurzfristige Arbeitsunfähigkeiten vorlegt bzw. Hilfsangebote kategorisch ablehnt. Hier bleibt ebenfalls auf den Charakter des § 25 BSHG als Hilfenorm zu verweisen. Im vorliegenden verbot sich eine Sanktionierung des Verhaltens der Klägerin, denn aufgrund ihrer fehlenden gesundheitlichen Fähigkeit zur Reintegration in den Arbeitsmarkt konnte der mit dem Beratungsgespräch verfolgte Zweck der Förderung der Selbsthilfe bei der Klägerin nicht erreicht werden.
Da die Kürzungen des Regelsatzes in den Monaten Juli 2004 bis Dezember 2004 keinen Bestand haben können, war die Beklagte zu verpflichten, die offenen Beträge in Höhe von jeweils 59,25 Euro monatlich, damit in Höhe von insgesamt 355,50 Euro (59,25 Euro x 7 Monate) an die Klägerin nach zuzahlen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG
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