L 10 U 500/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 2 U 1323/01
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 500/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 15. November 2005 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Anerkennung von Gesundheitsbeeinträchtigungen, die er auf eine berufliche Belastung mit Lösungs- bzw. Holzschutzmitteln zurückführt, als Berufskrankheit (BK).

Der am 1952 geborene Kläger war von Mai 1966 bis 1996 zunächst als abhängig beschäftigter, ab 1978 als selbstständiger Zimmermann tätig und bei der Beklagten versichert.

Am 15. Dezember 1994 beantragte er, Schädigungen durch Lösungs- bzw. Holzschutzmittel, die sich in Form von Schwindel, Herzbeschwerden, Gelenk- und Gliederschmerzen sowie Kopfschmerzen äußern würden, als BK anzuerkennen. Die Beklagte zog die Unterlagen der behandelnden Ärzte, insbesondere einen Befundbericht der HNO-Ärztin Dr. C: (Diagnosen u.a.: mulitsensorische neurootologische Funktionsstörung, zentrale Gleichgewichtsfunktionsstörung, Hirnstammtaumeligkeit) bei und veranlasste eine Stellungnahme durch ihren Technischen Aufsichtsdienst (TAD). Dieser kam zu dem Ergebnis, dass der Kläger von 1966 bis 1985 beim Spritzlackieren ohne Absauganlage oder Lüftung gesundheitsgefährdenden Belastungen durch organische Lösungsmittel ausgesetzt war, weil die Grenzwerte um ein Vielfaches überschritten worden seien. Die von der Beklagten in Auftrag gegebene neurologische Begutachtung durch Prof. Dr. H. , Universitätsklinik des S. , ergab keine Hinweise auf eine höhergradige hirnorganische Störung im Sinne einer toxischen Enzephalopathie und auch keinen Hinweis auf eine klinisch fassbare Polyneuropathie. Eine BK nach Nr. 1302, 1303, 1304, 1315 oder 1317 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKVO) liege nicht vor. Der Staatliche Gewerbearzt Dr. H. und der Beratungsarzt der Beklagten Dr. M. stimmten dem zu. Prof. Dr. H. hielt an seiner Einschätzung auch nach Einwendungen des Klägers fest.

Mit Bescheid vom 15. Februar 2001 und Widerspruchsbescheid vom 9. Mai 2001 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer Erkrankung durch gefährdende oder giftige Stoffe als BK nach Nr. 1302, 1303, 1304, 1315 und 1317 der Anlage 1 zur BKVO ab. Die Krankheit sei auch nicht wie eine BK zu entschädigen.

Der Kläger hat hiergegen am 29. Mai 2001 Klage bei dem Sozialgericht Ulm erhoben, wobei er auch eine BK nach Nr. 1310 geltend gemacht hat.

Prof. Dr. Dr. W. , Bezirkskrankenhaus G. , hat in seinem nervenärztlichen Gutachten einen weitgehend unauffälligen neurologischen Untersuchungsbefund erhoben, insbesondere keine Anhaltspunkte für eine belangvolle Polyneuropathie feststellen können. In psychischer Hinsicht bestünden keine Hinweise auf schwerwiegende Merkfähigkeitsstörungen und auch eine schwerwiegende Depression sei auszuschließen. Auf Grund der testpsychologischen Untersuchung lägen Anhaltspunkte für eine als leichtgradig zu bezeichnende Störung des Kurzzeitgedächtnisses vor, bei der es sich "zumindest im umfassenderen Sinn" um eine Enzephalopathie handle. Eine toxische Verursachung sei zwar möglich, jedoch spreche mehr dagegen. Eine BK nach Nr. 1302, 1310 oder 1317 oder einer anderen Nummer liege nicht vor. Hieran hat Prof. Dr. Dr. W. auch im Hinblick auf Einwendungen des Klägers festgehalten.

Prof. Dr. K. hat auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein Gutachten mit neuropsychologischem Zusatzgutachten erstellt. Danach bestehe bei dem Kläger seit 1989 eine Enzephalopathie, die als BK 1302, 1310 und 1317 anzusehen sei und eine MdE um 70 v. H. bedinge. Die verschiedenen toxischen Mechanismen hätten zudem zu einer "Multiorganerkrankung" geführt, zu der eine bereits 1970 manifestierte Psoriasis und ein ab 1998 aufgetretenes, progredient verlaufendes MCS-Syndrom (multiple chemical sensitivity) zu rechnen sei.

Mit Urteil vom 15. November 2005 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen, da nicht wahrscheinlich sei, dass die beim Kläger bestehenden Gesundheitsschäden auf berufsbedingte Einwirkungen zurückzuführen seien.

Der Kläger hat gegen das ihm am 3. Januar 2006 zugestellte Urteil am 1. Februar 2006 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat er sich auf das Gutachten von Prof. Dr. K. gestützt. Die gegenteilige Ansicht von Prof. Dr. Dr. W. sei nicht überzeugend, insbesondere weil sie nicht mit den Vorgaben des neu gefassten ärztlichen Merkblattes zur BK 1317 vereinbar sei.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 15. November 2005 und den Bescheid der Beklagten vom 15. Februar 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Mai 2001 aufzuheben und seine Nervenschädigung als Berufskrankheit nach Nr. 1302, 1303, 1304, 1310, 1315 bzw. 1317 der Anlage 1 zur BKVO bzw. wie eine Berufskrankheit anzuerkennen und zu entschädigen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Der Senat hat Unterlagen über eine Untersuchung des Klägers im Bundeswehrkrankenhauses Bad W. während seiner Wehrdienstzeit im Jahr 1974 beigezogen.

Prof. Dr. Dr. W. hat in einer ergänzenden gutachtlichen Stellungnahme das Ergebnis eines Gutachtens bestätigt.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143, 144, 151 SGG zulässige Berufung des Klägers, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Da die Beklagte jedwede Entschädigung ablehnt, weil kein Versicherungsfall eingetreten sei, kann der Kläger eine Feststellungsklage nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG erheben. Dies hat der Kläger bei sinnentsprechender Auslegung seines Vorbringens (BSG, Urteil vom 7. September 2004, B 2 U 45/03 R in SozR 4-2700 § 2 Nr. 2) auch getan. Dem auf Entschädigung gerichteten Teil des gestellten Antrages kommt bei dieser Sachlage keine eigenständige Bedeutung zu (BSG, a.a.O.).

Die vom Kläger begehrte Feststellung richtet sich auch nach Inkrafttreten des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) am 1. Januar 1997 nach den bis dahin geltenden Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO); denn nach § 212 SGB VII gilt das neue Recht grundsätzlich erst für Versicherungsfälle, die nach dem 31. Dezember 1996 eingetreten sind. Einer der Ausnahmetatbestände nach §§ 213 ff SGB VII ist nicht gegeben.

Nach § 551 Abs. 1 Satz 1 RVO gilt als Arbeitsunfall auch eine BK. BKen sind die Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die ein Versicherter bei einer der in den §§ 539 , 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten erleidet (versicherte Tätigkeit). Durch § 551 Abs. 1 Satz 3 RVO ist die Bundesregierung ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht worden sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Maße als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind. Das geschieht in der BKVO, der in der Anlage 1 eine Liste der entschädigungspflichtigen BKen angefügt ist. Zu den vom Verordnungsgeber bezeichneten BKen gehören die hier geltend gemachten Nummern: - Nr. 1302: "Erkrankungen durch Halogenkohlenwasserstoffe", - Nr. 1303: "Erkrankungen durch Benzol, seine homologe oder durch Styrol", - Nr. 1304: "Erkrankungen durch Nitro- oder am Aminoverbindungen des Benzols oder seine Homologe oder ihrer Abkömmlinge", - Nr. 1310: "Erkrankungen durch halogenierte Alkyl-, Aryl- oder Alkylaryloxide", - Nr. 1315: "Erkrankungen durch Isocyanate, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können", - Nr. 1317: "Polyneuropathie oder Enzephalopathie durch organische Lösungsmittel oder deren Gemische".

Voraussetzung für die Anerkennung und ggf. Entschädigung einer Erkrankung als BK ist in diesen Fällen zum einen, dass der schädigende Stoff ("Listenstoff") generell geeignet ist, das betreffende Krankheitsbild zum Entstehen zu bringen oder zu verschlimmern. Zum anderen muss die vorliegende Erkrankung konkret-individuell durch entsprechende Einwirkungen des Listenstoffs wesentlich verursacht bzw. verschlimmert worden und diese Einwirkungen müssen wesentlich durch die versicherte Tätigkeit verursacht worden sein. Dabei müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß i.S. des "Vollbeweises", also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen werden, während für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht, der nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, grundsätzlich die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit - nicht allerdings die bloße Möglichkeit - ausreicht. Der Beweismaßstab der Wahrscheinlichkeit gilt jedenfalls für den konkret-individuellen Kausalzusammenhang zwischen der mit der versicherten Tätigkeit in innerem Zusammenhang stehenden Verrichtung und der schädigenden Einwirkung ("haftungsbegründende Kausalität") und zwischen dieser und dem Eintritt der Erkrankung ("haftungsausfüllende Kausalität").

Hier ist er schon keine Erkrankung nachgewiesen, die durch die genannten Stoffe verursacht sein könnte.

Der neurologische Untersuchungsbefund ist bei der Begutachtung durch Prof. Dr. Dr. W. weitgehend unauffällig gewesen. Das Hirnstrombild hat zwar Anhaltspunkte auf eine etwas erniedrigte Krampfschwelle erbracht, was jedoch nach Prof. Dr. Dr. W. als unspezifisch anzusehen ist. Elektrophysiologisch haben sich gleichfalls keine Hinweise auf eine Nervenschädigung ergeben. Soweit bei den akustisch evozierten Potentialen die zentralen Überleitungszeiten links gegenüber rechts diskret verlängert waren, lässt sich dies - so Prof. Dr. Dr. W. - beim Fehlen anderer Befunde nicht weiter verwerten. In psychischer Hinsicht hat Prof. Dr. Dr. W. bei den testpsychologischen Untersuchungen lediglich mäßiggradige, wenn auch über die Altersnorm hinausgehende Merkfähigkeitsstörungen (Kurzzeitgedächtnis) objektivieren können. Das cranielle Computertomografie hat keine Auffälligkeiten, insbesondere keine Zeichen einer über die Altersnorm hinausgehenden Atrophie, ergeben.

Eine klinisch fassbare Polyneuropathie hat sich damit nicht feststellen lassen. Das stellt auch der Kläger nicht in Abrede. Aber auch die Hinweise auf eine Enzephalopathie sind nicht eindeutig genug, um diese hinreichend sicher zu diagnostizieren - Prof. Dr. Dr. W. hat eine solche lediglich "im umfassenderen Sinn" bejaht, was erhebliche Unsicherheiten zeigt. Daran kann der Senat nicht vorbeigehen.

Soweit überhaupt Veränderungen festgestellt worden sind, sind diese unspezifisch für eine Schädigung durch Lösungsmittel oder ähnliche Stoffe. Beim Kläger hat sich lediglich eine isolierte Beeinträchtigung des Kurzzeitgedächtnisses (Prof. Dr. Dr. W.: fast "ausgestanzt" wirkend) feststellen lassen, was untypisch für die Folgen der Einwirkung der angeschuldigten Stoffe ist. Gleiches gilt für die vom Kläger geltend gemachte Störung des Geruchssinns, wobei der Senat offen lassen kann, ob - wie von Prof. Dr. Dr. W. diskutiert - die Ursache hierfür in einer psychischen Verarbeitungsstörung zu suchen ist. Die von Dr. C: festgestellten Befunde sprechen, so überzeugend Prof. Dr. Dr. W. , ebenfalls für eine lokalisierte Schädigung, die üblicherweise im Rahmen von Durchblutungsstörungen und nicht als Folge einer generalisierten Schadstoffexposition auftritt. Soweit der Kläger Herzrhythmusstörungen geltend macht, kann der Senat es dahingestellt gelassen, ob und in welchem Umfang diese bestehen. Derartige Befunde, die zudem beim Kläger bereits in früheren Jahren, nach relativ kurzer Expositionszeit dokumentiert sind, entsprechen - so Prof. Dr. Dr. W. - regelmäßig nicht Schädigungen, die durch die hier angeschuldigten Stoffe hervorgerufen werden. Einer internistischen Begutachtung bedarf es daher nicht.

Soweit das Gutachten von Prof. Dr. K. - ohne eigene Befunderhebung - zu anderen Ergebnissen kommt, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Prof. Dr. K. ist - worauf Prof. Dr. Dr. W. hingewiesen hat und was auch der Kläger nicht in Abrede stellt - ausweislich seines Titels ("Dr. rer. nat.") kein Mediziner. Dass er über die für die medizinische Diagnosestellung notwendige Sachkunde verfügt, ist damit nicht nachgewiesen. Dies kann auch nicht durch das von ihm veranlasste neuropsychiologische Zusatzgutachten der Dr. Vogt ausgeglichen werden, wie der Kläger meint, denn auch Dr. Vogt ist keine Medizinerin (Dipl.-Psych., Dr. phil.). Im Übrigen sind die für den Nachweis der von Prof. Dr. K. angenommene Enzephalopathie vom Typ II B notwendigen Befunde weder von ihm noch von Dr. Vogt erhoben worden. Eine solche Diagnose setzt - so Prof. Dr. Dr. W. - neurologische Ausfälle voraus, die bisher von keinem Neurologen festgestellt worden sind. Die Untersuchungsergebnisse von Dr. Vogt haben nichts Neues erbracht, sondern sind dem vergleichbar, was Prof. Dr. Dr. W. insoweit festgestellt hat, wie er in seiner ergänzenden gutachtlichen Stellungnahme nach Aktenlage ausgeführt hat.

Die Frage, ob eine geeignete Exposition für eine der geltend gemachten BKen vorliegt, kann der Senat offen lassen.

Ein mit Wahrscheinlichkeit anzunehmender ursächlicher Zusammenhang zwischen einer manifesten Erkrankung - die, wie ausgeführt, hier nicht nachgewiesen ist - und der beruflichen Belastung, besteht ebenfalls nicht. Das Sozialgericht hat dies in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils ausführlich und auch für den Senat überzeugend dargelegt. Der Senat sieht deshalb gem. § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.

Nur ergänzend weist der Senat darauf hin, dass Beschwerden, die den heute vom Kläger geltend gemachten (Schwindel, Hitzegefühl, Druck im Kopf, Übelkeit) teilweise vergleichbar sind, ausweislich der Unterlagen des Bundeswehrkrankenhauses W. bereits 1973 nach einer Reise des Klägers nach Afrika (Dakar) angegeben worden sind. Nach Prof. Dr. Dr. W. weisen die damaligen Befunde eher auf ein entzündliches Geschehen hin. Dass die Blutwerte des Klägers 1994 keine Anhaltspunkte auf eine stattgehabte Belastung durch die angeschuldigten schädigenden Substanzen aufweisen, räumt auch Prof. Dr. K. ein. Er ist sich mit Prof. Dr. Dr. W. einig darüber, dass dies Jahre nach Expositionsende auch nicht mehr zu erwarten wäre. Die sich hieraus ergebenden Zweifel gehen jedoch - was Prof. Dr. K. übersieht - zu Lasten des Klägers. Der Umstand, dass die Beschwerden des Klägers erst Jahre nach Beendigung der Exposition geltend gemacht worden sind (genauer: nach den teilweise vergleichbaren Beschwerden während des Wehrdienstes erneut geltend gemacht worden sind), spricht ebenfalls gegen einen beruflichen Zusammenhang. Eine Belastung mit Lösungsmitteln bestand im erheblichen Umfang nur bis ca. 1985, bis Veränderungen im Betrieb (Installation eines Tauchbeckens im Freien) vorgenommen wurden und eine neue Imprägnierlösung, die keine halogenierten Kohlenwasserstoffe mehr enthielt, zum Einsatz kam. Obwohl die Neufassung des ärztlichen Merkblattes zur BK 1317 (abgedruckt bei Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheitenverordnung, M 1317) eine Progredienz der Beschwerden nach Expositionsende bzw. eine lange Latenzzeit nicht (mehr) als Ausschlusskriterium für einen beruflichen Zusammenhang aufführt, ist bei einem solchen Verlauf der Erkrankung nur ein ursächlicher Zusammenhang mit toxisch wirkenden Stoffen bei schwerwiegenden Primärsymptomen wahrscheinlich. Dies hat Prof. Dr. Dr. W. in seiner ergänzenden Stellungnahme unter ausführlicher Erläuterung der der Neufassung des Merkblattes zu Grunde liegenden Studien dargelegt und auch das Merkblatt hält hierzu fest, dass toxische Enzephalopathien in der Regel noch während der Expositionszeit auftreten. An schwerwiegenden Primärsymptomen fehlt es hier. Deshalb spricht die lange Latenzzeit von vier Jahren gegen einen ursächlichen Zusammenhang.

Die Einschätzung entspricht derjenigen von Dr. H. und Dr. M. sowie dem Gutachten von Prof. Dr. H ... Auch dieser konnte keinen wesentlichen pathologischen Befund feststellen und hat einen beruflichen Zusammenhang verneint.

Die begehrte Rente kann auch nicht auf ein nach § 551 Abs. 2 RVO/§ 9 Abs. 2 SGB VII anzuerkennendes MCS-Syndrom gestützt werden. Danach sollen die Träger der Unfallversicherung im Einzelfall eine Krankheit, auch wenn sie nicht in der BKVO bezeichnet ist oder die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine BK entschädigen, sofern nach neuen Erkenntnissen die übrigen Voraussetzungen des § 551 Abs. 1 RVO/§ 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII erfüllt sind. Das bedeutet, dass eine abgrenzbare (bestimmte) Personengruppe in Rede stehen muss, die durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung gesundheitsschädlichen Einwirkungen ausgesetzt ist, wobei diese Einwirkungen nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft geeignet sind, Krankheiten der jeweiligen Art zu verursachen. Es muss um "verordnungsreife" Berufskrankheiten gehen, die (nur) deshalb (noch) nicht gem. § 551 Abs. 2 RVO/§ 9 Abs. 1 SGB VII zu entschädigen sind, weil der Verordnungsgeber der BKVO, der mit dem Erkenntnisfortschritt in der medizinischen Wissenschaft nicht Schritt halten kann, die regelmäßig in mehrjährigen Abständen novellierte BKVO dem Stand der Wissenschaft (noch) nicht angepasst hat. Diese neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse liegen nach der einschlägigen Rechtsprechung der Landessozialgerichte (Senatsurteile vom 5. Februar 2003, L 10 U 138/02 und vom 25. Januar 2007, L 10 U 1021/03; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 13. Februar 2004, L 4 U 43/03) nicht vor. Jedenfalls fehlt es, was auch Prof. Dr. Dr. W. angemerkt hat, insoweit an einer klaren Beweisführung durch Prof. Dr. Kochen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
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