Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 3 AL 930/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AL 4867/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die teilweise Aufhebung und Rückforderung von Arbeitslosengeld (Alg) streitig.
Der 1968 geborene Kläger bezog ab dem 10.10.1992 Alg nach der Lohnsteuerklasse IV entsprechenden Leistungsgruppe A. Im Antrag auf Arbeitslosenhilfe (Alhi) im Anschluss an den Bezug von Alg gab er unter dem 18.03.1993 an, seine Lohnsteuerklasse für das Jahr 1993 habe sich geändert. Auf seiner Lohnsteuerkarte 1993 war die ursprünglich bei Ausstellung am 25.09.1992 eingetragene Lohnsteuerklasse IV am 19.11.1992 mit Geltung ab dem 01.01.1993 durch Lohnsteuerklasse V ersetzt worden. Dementsprechend bewilligte die Beklagte Alhi ab 10.04.1993 nach Leistungsgruppe F (Lohnsteuerklasse V).
Nachdem der Kläger die erneut geänderten Lohnsteuerkarten vorgelegt hatte, wonach am 07.06.1993 bei ihm die Steuerklasse III und bei seiner Ehefrau die Steuerklasse V mit Geltung ab dem 01.07.1993 eingetragen worden war, änderte die Beklagte die Leistungsbewilligung ab und bewilligte dem Kläger ab 01.07.1993 höhere Alhi unter Zugrundelegung von Leistungsgruppe C (Lohnsteuerklasse III). Am 02.11.1994 nahm der Kläger eine Arbeit auf.
In der Zeit vom 08.02.1997 bis 03.07.1997 bezog der Kläger Alg nach Leistungsgruppe C (Lohnsteuerklasse III).
Am 04.12.2001 meldete sich der Kläger bei der Beklagten erneut arbeitslos und beantragte die Gewährung von Alg. Den schriftlichen Antrag gab er am 11.12.2001 ab. Der Kläger legte weiter die Lohnsteuerkarte 2002 vor, in der die Steuerklasse IV eingetragen war. In der Arbeitsbescheinigung gab der Arbeitgeber an, auf der Lohnsteuerkarte des Klägers sei für das Jahr 2002 die Lohnsteuerklasse IV eingetragen. Nachdem der Kläger und sein Arbeitgeber am 08.01.2002 vor dem Arbeitsgericht Freiburg im Vergleichswege die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.01.2002 vereinbart hatten, bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 21.02.2002 Alg ab dem 01.02.2002 in Höhe von wöchentlich 194,67 EUR nach einem gerundeten wöchentlichen Bemessungsentgelt von 460,- EUR unter Zugrundelegung von Leistungsgruppe A (entsprechend Lohnsteuerklasse IV). Wegen Ortsabwesenheit von mehr als drei Wochen hob die Beklagte die Bewilligung ab dem 09.09.2002 auf. Nachdem sich der Kläger am 16.09.2002 wieder arbeitssuchend gemeldet hatte, bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 20.09.2002 Alg nach Leistungsgruppe A für die Zeit ab 14.09.2002 und mit Bescheid vom 27.09.2002 für die Zeit ab 01.10.2002 in bisheriger Höhe. Mit Änderungsbescheid vom 20.12.2002 bewilligte die Beklagte Alg in Höhe von wöchentlich 197,82 EUR nach einem (dynamisierten) wöchentlichen Bemessungsentgelt von 470,- EUR und Leistungsgruppe A für die Zeit ab 01.12.2002. Mit Änderungsbescheid vom 10.01.2003 bewilligte die Beklagte ab 01.01.2003 Alg in Höhe von wöchentlich 196,56 EUR, das bis zur Erschöpfung des Anspruchs am 31.01.2003 gezahlt wurde.
In seinem Antrag auf Anschluss-Alhi gab der Kläger an, auf seiner Lohnsteuerkarte sei zu Beginn des Jahres die Lohnsteuerklasse V eingetragen gewesen. Die Eintragung sei im Laufe des Jahres nicht geändert worden. Auf der vom Kläger vorgelegten Lohnsteuerkarte 2002 war am 20.12.2001 nachträglich die Steuerklasse IV in Steuerklasse V ab dem 01.01.2002 geändert worden.
Nach Anhörung des Klägers hob die Beklagte mit Bescheid vom 24.02.2003 die Bescheide über die Bewilligung von Alg für die Zeit vom 01.02.2002 bis 08.09.2002 und vom 14.09.2002 bis 31.01.2003 in Höhe der Differenz zwischen dem Anspruch nach Leistungsgruppe A und Leistungsgruppe D auf und setzte die Erstattung des überzahlten Betrages auf 2.655,30 EUR fest.
Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein mit der Begründung, er habe die bereits im Jahre 2001 erfolgte Lohnsteuerklassenänderung vor der Leistungsbewilligung angezeigt. Von der geänderten Lohnsteuerkarte 2002 sei bei Vorlage eine Kopie gefertigt worden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 05.03.2003 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Bewilligung werde gemäß § 45 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) zurückgenommen. Der Kläger habe im Antrag Angaben gemacht, die nicht den tatsächlichen Verhältnissen entsprochen hätten und könne deshalb kein Vertrauen für sich beanspruchen. Er habe im am 15.01.2002 abgegebenen Leistungsantrag angegeben, keinen Steuerklassenwechsel vorgenommen zu haben und noch Ende Januar 2002 eine Kopie der Lohnsteuerkarte 2002 vorgelegt, die vor der Änderung der Lohnsteuerklasse gefertigt worden sei. Ihm habe bekannt sein müssen, dass die Höhe des Alg - auch - von der Lohnsteuerklasse abhänge. Hierüber sei er insbesondere durch das Merkblatt informiert gewesen.
Hiergegen hat der Kläger am 07.04.2003 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben und vorgetragen, bei Abgabe seines Leistungsantrages habe er beide Lohnsteuerkarten vorgelegt, sowohl die ungeänderte als auch diejenige mit der im Dezember 2002 erfolgten Lohnsteuerklassenänderung. In der Verwaltungsakte befänden sich auch zwei Kopien dieser Lohnsteuerkarten. In der mündlichen Verhandlung vor dem SG hat die Ehefrau des Klägers angegeben, sie habe bei der Gemeinde die Steuerklasse ändern lassen. Ihr Mann sei sodann mit der geänderten Steuerkarte zum Arbeitsamt gegangen und habe dort die Änderung mitgeteilt. Der Kläger hat angegeben, er sei gleich nach der Steuerklassenänderung auf der Lohnsteuerkarte beim Arbeitsamt gewesen und habe die Änderung mitgeteilt.
Mit Urteil vom 17.10.2003 hat das SG die Klage abgewiesen mit der Begründung, der Kläger habe die Änderung der Lohnsteuerklasse nicht mitgeteilt. Die geänderte Lohnsteuerkarte sei erst bei Stellung des Antrags auf Alhi im Jahr 2003 vorgelegt worden. In der Zeit nach Änderung der Steuerklasse sei keine Vorsprache des Klägers bei der Beklagten erfolgt, insbesondere existierten hierüber keine Vermerke.
Gegen das am 25.10.2003 zugestellte Urteil hat der Kläger am 24.11.2003 Berufung eingelegt. Er trägt vor, er habe die geänderte Lohnsteuerkarte bereits Ende 2001/Anfang 2002 bei der Beklagten vorgelegt. Er sei auch nicht ausreichend über die Folgen eines Lohnsteuerklassenwechsels beraten worden, so dass keine grobe fahrlässige Verletzung der Mitteilungspflicht vorliege.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 17. Oktober 2003 sowie den Bescheid der Beklagten vom 24. Februar 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05. März 2003 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie trägt vor, am 11.12.2001 habe sich der Kläger schriftlich verpflichtet, jede Änderung der Steuerklasse mitzuteilen. Bereits wenige Tage später, am 20.12.2001, habe er seine Lohnsteuerklasse ändern lassen. Diese Änderung habe er im streitigen Zeitraum nicht mitgeteilt. Eine Vorlage der Lohnsteuerkarte Ende 2001/Anfang 2002 durch den Kläger sei nicht erfolgt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beklagtenakten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Die Beklagte hat mit den angefochtenen Bescheiden zu Recht die Bewilligung von Alg in Höhe der Differenz zwischen Leistungsgruppe A und Leistungsgruppe C aufgehoben und die Erstattung festgesetzt.
Rechtsgrundlage für die teilweise Aufhebung ist § 45 SGB X. Zum Zeitpunkt des Erlasses der Bewilligungsbescheide hatte der Kläger die Lohnsteuerklasse bereits gewechselt, so dass die Bescheide von Anfang an rechtswidrig waren. Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden (§ 45 Abs. 1 SGB X). Nach § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X darf ein rechtwidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X) oder er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X). Nach § 330 Abs. 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) ist ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt in den Fällen des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X zwingend mit Wirkung auch für die Vergangenheit zurückzunehmen. Bei der Rücknahme eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung sind dabei die Fristen des § 45 Abs. 3 und Abs. 4 SGB X zu beachten.
Die Bewilligungsbescheide waren von Beginn an rechtswidrig. Das Alg beträgt nach § 129 Nr. 1 SGB III für Arbeitslose, die, wie der Kläger, mindestens ein Kind im Sinne des Einkommensteuerrechts haben, 67% des pauschalierten Nettoentgelts (Leistungsentgelt), das sich aus dem Bruttoentgelt ergibt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat (Bemessungsentgelt). Das Leistungsentgelt wird nach Maßgabe des § 136 SGB III unter Berücksichtigung der bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallenden Entgeltabzüge ermittelt. Die nach Leistungsgruppen differenzierten Leistungssätze berücksichtigen den nach der allgemeinen Lohnsteuertabelle maßgebenden Lohnsteuerabzug. Welche Steuerklasse für die Zuordnung zu den Leistungsgruppen maßgebend ist, ergibt sich aus § 137 SGB III in der bis zum 31.12.2004 geltenden Fassung. Nach dem Grundsatz des § 137 Abs. 3 SGB III richtet sich die Zuordnung nach der Lohnsteuerklasse, die zu Beginn des Kalenderjahres, in dem der Anspruch entstanden ist, auf der Lohnsteuerkarte des Arbeitslosen eingetragen war. Maßgebend für die Alg-Bewilligung ab 01.02.2002 war danach die am 01.01.2002 auf der Lohnsteuerkarte des Klägers eingetragene Lohnsteuerklasse. Für den Steuerklassenwechsel bei Ehegatten gilt § 137 Abs. 4 SGB III. Nach Satz 1 Nr. 2 dieser Vorschrift werden bei einem Lohnsteuerklassenwechsel von Ehegatten die neu eingetragenen Steuerklassen von dem Tage an berücksichtigt, an dem sie wirksam werden, wenn sich auf Grund der neu eingetragenen Lohnsteuerklassen ein Alg ergibt, das geringer als das Alg ist, das sich ohne den Wechsel der Lohnsteuerklassen ergäbe. Dies führt im vorliegenden Fall dazu, dass materiell-rechtlich ab 01.02.2002 Alg nicht mehr nach der Leistungsgruppe A (Lohnsteuerklasse IV), sondern nach der (ungünstigeren) Leistungsgruppe D (Lohnsteuerklasse V) zu gewähren war.
Der Berücksichtigung des Wechsels steht nicht entgegen, dass der Steuerklassenwechsel zum Jahreswechsel eingetreten ist, denn nach § 137 Abs. 3 Satz 3, Abs. 4 Satz 3 SGB III finden die einschlägigen Regelungen auch für die Eintragungen anderer Lohnsteuerklassen auf einer für spätere Kalenderjahre ausgestellten Lohnsteuerkarte Anwendung (BSG Urteil vom 16.03.2005 - B 11a/11 Al 41/03 R - SozR 4-4300 § 137 Nr. 2).
Die Bewilligungsbescheide beruhten auf Angaben, die der Kläger zumindest grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat. Die Angaben des Klägers bezüglich seiner Lohnsteuerklasse waren bei Abgabe des Antrags am 11.12.2001 zwar richtig, da zu diesem Zeitpunkt noch die Lohnsteuerklasse IV eingetragen war. Sie wurden jedoch noch vor Erlass des Bewilligungsbescheides durch die Änderung der Lohnsteuerkarte unrichtig. § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X umfasst auch das Unterlassen von Angaben, soweit - wie vorliegend - eine Mitteilungspflicht nach § 60 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) besteht (Wiesner in: von Wulffen, SGB X, § 45 Rn. 22 m.w.N.). Wer Sozialleistungen erhält oder beantragt, hat nach § 60 Abs. 1 Nr. 2 SGB I Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind oder über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben worden sind, unverzüglich mitzuteilen. Der Kläger hat der Beklagten den Lohnsteuerklassenwechsel erst im Jahr 2003 mitgeteilt.
Unzutreffend ist der Vortrag des Klägers, er habe bei Abgabe seines Leistungsantrages beide Lohnsteuerkarten vorgelegt. Dies ist schon aus tatsächlichen Gründen ausgeschlossen, da nicht zwei Lohnsteuerkarten ausgestellt worden sind, sondern lediglich die für das Jahr 2002 ausgestellte Lohnsteuerkarte hinsichtlich der Lohnsteuerklasse abgeändert worden ist. Der Kläger hat anlässlich der Arbeitlosmeldung und Beantragung von Alg im Dezember 2001 die ungeänderte Lohnsteuerkarte 2002 vorgelegt. Die Beklagte hat hiervon bei der Vorlage am 11.12.2001 und damit vor der am 20.12.2001 erfolgten Änderung der Lohnsteuerklasse eine Kopie gefertigt und zu den Akten genommen. Für eine Vorlage der geänderten Lohnsteuerkarte unverzüglich nach Änderung der eingetragenen Lohnsteuerklasse durch den Kläger sind keine Anhaltspunkte ersichtlich. Bei der Beratung am 11.12.2001 kann eine Vorlage nicht erfolgt sein, da zu diesem Zeitpunkt die Lohnsteuerkarte noch nicht geändert war. Ausweislich der Beratungsvermerke erfolgte die nächste Vorsprache des Klägers erst wieder am 16.04.2002. In der Zwischenzeit ging bei der Beklagten lediglich die Stellungnahme des Klägers vom 14.01.2002 über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein. Diese enthält jedoch nur Ausführungen über die Gründe der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses. Zudem hat der Kläger vor dem SG vorgetragen, die Mitteilung der geänderten Steuerklasse an die Beklagte sei gleich nach Änderung der Lohnsteuerkarte erfolgt. Eine solche Vorsprache ist nicht dokumentiert. Erst nach Beantragung von Alhi am 17.01.2003 hat der Kläger die geänderte Lohnsteuerkarte 2002 vorgelegt. Erst zu diesem Zeitpunkt erlangte die Beklagte damit Kenntnis davon, dass auf der Lohnsteuerkarte des Klägers ab dem 01.01.2002 die Lohnsteuerklasse V eingetragen war.
Die Regelung in § 137 Abs. 4 Satz 1 SGB III begegnet zwar verfassungsrechtlichen Bedenken. § 137 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 SGB III stellt eine Verschlechterung des Rechtszustandes im Vergleich zu der Vorgängerregelung in § 113 Abs. 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) dar. Damit ist das Eigentumsrecht des Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz berührt. Eine das Eigentumsrecht einschränkende Norm muss durch Gründe des öffentlichen Interesses unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt sein. Dabei müssen die Eingriffe zur Erreichung des angestrebten Ziels geeignet und erforderlich sein, insbesondere dürfen sie den Betroffenen nicht übermäßig belasten und für ihn deswegen unzumutbar sein (BVerfGE 76, 220, 238). Um diesen Bedenken zu begegnen trifft die Beklagte ein das übliche Maß übersteigender Beratungsbedarf (BSG Urteil vom 01.04.2004 - B 7 AL 52/03 R - SozR 4-4300 § 137 Nr. 1). Diese Beratungspflicht ist in der Regel nicht allein durch Aushändigung des Merkblattes für Arbeitslose erfüllt. Die Beklagte kann den verfassungsrechtlichen Bedenken dadurch begegnen, dass sie verheiratete Arbeitslose bereits bei der Antragstellung bzw. anlässlich einer konkreten Nachfrage deutlich und gesondert vom Merkblatt auf die leistungsrechtlichen Gefahren eines Lohnsteuerklassenwechsels und die Notwendigkeit einer Beratung hinweist. Die Verletzung dieser besonderen Hinweis- und Beratungspflichten kann einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch auslösen (BSG Urteil vom 16.03.2005 - B 11a/11 AL 41/03 R - SozR 4-4300 § 137 Nr. 2).
Die Voraussetzungen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs sind vorliegend jedoch nicht erfüllt, da eine Verletzung der Beratungspflicht durch die Beklagte für den Wechsel der Lohnsteuerklasse durch den Kläger nicht kausal war. Bei der Frage, ob der Kläger einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Mitteilungspflicht vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist, ist auf dessen persönliche Urteils- und Kritikfähigkeit, sein Einsichtsvermögen und Verhalten sowie die besonderen Umstände des Falles abzustellen (BSG Urteil vom 16.03.2005). Die Bedeutung der Lohnsteuerklasse für die Höhe des Leistungsanspruchs war dem Kläger aus seinem früheren Leistungsbezug bekannt. Während des Alg-Bezugs im Jahr 1993 änderte der Kläger seine Lohnsteuerklasse von Lohnsteuerklasse IV in Lohnsteuerklasse V. Nachdem die Beklagte dementsprechend die Leistungsgruppe abgeändert hatte, änderte der Kläger seine Lohnsteuerklasse erneut und ließ ab 01.07.1993 Lohnsteuerklasse III eintragen. Daraufhin änderte die Beklagte die Leistungsbewilligung erneut ab unter Zugrundelegung von Leistungsgruppe C. Damit war dem Kläger bereits aufgrund seines früheren Leistungsbezuges bekannt, dass sich Änderungen der Lohnsteuerklasse auf die Leistungshöhe auswirken.
Auch dem Vortrag des Klägers ist zu entnehmen, dass er die Bedeutung der Lohnsteuerklasse für die Höhe der Leistung kannte. Er hat dementsprechend in der mündlichen Verhandlung vor dem SG vorgetragen, die geänderte Lohnsteuerkarte 2002 unmittelbar nach deren Änderung und vor der Bewilligung von Alg vorgelegt zu haben. Er habe dem Arbeitsamt "natürlich" gesagt, dass sich etwas geändert habe. Auch seine Ehefrau hat in der mündlichen Verhandlung vor dem SG angegeben, der Kläger habe nach der Steuerklassenänderung die Beklagte aufgesucht, um die Änderung mitzuteilen. Dies lag um so mehr nahe, als die Änderung in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit der Antragstellung erfolgt ist.
Die Beklagte hat auch den Erstattungsbetrag in zutreffender Höhe festgesetzt. Insoweit wird auf die Berechnung Bl. 136 - 138 der Verwaltungsakten Bezug genommen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die teilweise Aufhebung und Rückforderung von Arbeitslosengeld (Alg) streitig.
Der 1968 geborene Kläger bezog ab dem 10.10.1992 Alg nach der Lohnsteuerklasse IV entsprechenden Leistungsgruppe A. Im Antrag auf Arbeitslosenhilfe (Alhi) im Anschluss an den Bezug von Alg gab er unter dem 18.03.1993 an, seine Lohnsteuerklasse für das Jahr 1993 habe sich geändert. Auf seiner Lohnsteuerkarte 1993 war die ursprünglich bei Ausstellung am 25.09.1992 eingetragene Lohnsteuerklasse IV am 19.11.1992 mit Geltung ab dem 01.01.1993 durch Lohnsteuerklasse V ersetzt worden. Dementsprechend bewilligte die Beklagte Alhi ab 10.04.1993 nach Leistungsgruppe F (Lohnsteuerklasse V).
Nachdem der Kläger die erneut geänderten Lohnsteuerkarten vorgelegt hatte, wonach am 07.06.1993 bei ihm die Steuerklasse III und bei seiner Ehefrau die Steuerklasse V mit Geltung ab dem 01.07.1993 eingetragen worden war, änderte die Beklagte die Leistungsbewilligung ab und bewilligte dem Kläger ab 01.07.1993 höhere Alhi unter Zugrundelegung von Leistungsgruppe C (Lohnsteuerklasse III). Am 02.11.1994 nahm der Kläger eine Arbeit auf.
In der Zeit vom 08.02.1997 bis 03.07.1997 bezog der Kläger Alg nach Leistungsgruppe C (Lohnsteuerklasse III).
Am 04.12.2001 meldete sich der Kläger bei der Beklagten erneut arbeitslos und beantragte die Gewährung von Alg. Den schriftlichen Antrag gab er am 11.12.2001 ab. Der Kläger legte weiter die Lohnsteuerkarte 2002 vor, in der die Steuerklasse IV eingetragen war. In der Arbeitsbescheinigung gab der Arbeitgeber an, auf der Lohnsteuerkarte des Klägers sei für das Jahr 2002 die Lohnsteuerklasse IV eingetragen. Nachdem der Kläger und sein Arbeitgeber am 08.01.2002 vor dem Arbeitsgericht Freiburg im Vergleichswege die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.01.2002 vereinbart hatten, bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 21.02.2002 Alg ab dem 01.02.2002 in Höhe von wöchentlich 194,67 EUR nach einem gerundeten wöchentlichen Bemessungsentgelt von 460,- EUR unter Zugrundelegung von Leistungsgruppe A (entsprechend Lohnsteuerklasse IV). Wegen Ortsabwesenheit von mehr als drei Wochen hob die Beklagte die Bewilligung ab dem 09.09.2002 auf. Nachdem sich der Kläger am 16.09.2002 wieder arbeitssuchend gemeldet hatte, bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 20.09.2002 Alg nach Leistungsgruppe A für die Zeit ab 14.09.2002 und mit Bescheid vom 27.09.2002 für die Zeit ab 01.10.2002 in bisheriger Höhe. Mit Änderungsbescheid vom 20.12.2002 bewilligte die Beklagte Alg in Höhe von wöchentlich 197,82 EUR nach einem (dynamisierten) wöchentlichen Bemessungsentgelt von 470,- EUR und Leistungsgruppe A für die Zeit ab 01.12.2002. Mit Änderungsbescheid vom 10.01.2003 bewilligte die Beklagte ab 01.01.2003 Alg in Höhe von wöchentlich 196,56 EUR, das bis zur Erschöpfung des Anspruchs am 31.01.2003 gezahlt wurde.
In seinem Antrag auf Anschluss-Alhi gab der Kläger an, auf seiner Lohnsteuerkarte sei zu Beginn des Jahres die Lohnsteuerklasse V eingetragen gewesen. Die Eintragung sei im Laufe des Jahres nicht geändert worden. Auf der vom Kläger vorgelegten Lohnsteuerkarte 2002 war am 20.12.2001 nachträglich die Steuerklasse IV in Steuerklasse V ab dem 01.01.2002 geändert worden.
Nach Anhörung des Klägers hob die Beklagte mit Bescheid vom 24.02.2003 die Bescheide über die Bewilligung von Alg für die Zeit vom 01.02.2002 bis 08.09.2002 und vom 14.09.2002 bis 31.01.2003 in Höhe der Differenz zwischen dem Anspruch nach Leistungsgruppe A und Leistungsgruppe D auf und setzte die Erstattung des überzahlten Betrages auf 2.655,30 EUR fest.
Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein mit der Begründung, er habe die bereits im Jahre 2001 erfolgte Lohnsteuerklassenänderung vor der Leistungsbewilligung angezeigt. Von der geänderten Lohnsteuerkarte 2002 sei bei Vorlage eine Kopie gefertigt worden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 05.03.2003 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Bewilligung werde gemäß § 45 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) zurückgenommen. Der Kläger habe im Antrag Angaben gemacht, die nicht den tatsächlichen Verhältnissen entsprochen hätten und könne deshalb kein Vertrauen für sich beanspruchen. Er habe im am 15.01.2002 abgegebenen Leistungsantrag angegeben, keinen Steuerklassenwechsel vorgenommen zu haben und noch Ende Januar 2002 eine Kopie der Lohnsteuerkarte 2002 vorgelegt, die vor der Änderung der Lohnsteuerklasse gefertigt worden sei. Ihm habe bekannt sein müssen, dass die Höhe des Alg - auch - von der Lohnsteuerklasse abhänge. Hierüber sei er insbesondere durch das Merkblatt informiert gewesen.
Hiergegen hat der Kläger am 07.04.2003 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben und vorgetragen, bei Abgabe seines Leistungsantrages habe er beide Lohnsteuerkarten vorgelegt, sowohl die ungeänderte als auch diejenige mit der im Dezember 2002 erfolgten Lohnsteuerklassenänderung. In der Verwaltungsakte befänden sich auch zwei Kopien dieser Lohnsteuerkarten. In der mündlichen Verhandlung vor dem SG hat die Ehefrau des Klägers angegeben, sie habe bei der Gemeinde die Steuerklasse ändern lassen. Ihr Mann sei sodann mit der geänderten Steuerkarte zum Arbeitsamt gegangen und habe dort die Änderung mitgeteilt. Der Kläger hat angegeben, er sei gleich nach der Steuerklassenänderung auf der Lohnsteuerkarte beim Arbeitsamt gewesen und habe die Änderung mitgeteilt.
Mit Urteil vom 17.10.2003 hat das SG die Klage abgewiesen mit der Begründung, der Kläger habe die Änderung der Lohnsteuerklasse nicht mitgeteilt. Die geänderte Lohnsteuerkarte sei erst bei Stellung des Antrags auf Alhi im Jahr 2003 vorgelegt worden. In der Zeit nach Änderung der Steuerklasse sei keine Vorsprache des Klägers bei der Beklagten erfolgt, insbesondere existierten hierüber keine Vermerke.
Gegen das am 25.10.2003 zugestellte Urteil hat der Kläger am 24.11.2003 Berufung eingelegt. Er trägt vor, er habe die geänderte Lohnsteuerkarte bereits Ende 2001/Anfang 2002 bei der Beklagten vorgelegt. Er sei auch nicht ausreichend über die Folgen eines Lohnsteuerklassenwechsels beraten worden, so dass keine grobe fahrlässige Verletzung der Mitteilungspflicht vorliege.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 17. Oktober 2003 sowie den Bescheid der Beklagten vom 24. Februar 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05. März 2003 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie trägt vor, am 11.12.2001 habe sich der Kläger schriftlich verpflichtet, jede Änderung der Steuerklasse mitzuteilen. Bereits wenige Tage später, am 20.12.2001, habe er seine Lohnsteuerklasse ändern lassen. Diese Änderung habe er im streitigen Zeitraum nicht mitgeteilt. Eine Vorlage der Lohnsteuerkarte Ende 2001/Anfang 2002 durch den Kläger sei nicht erfolgt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beklagtenakten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Die Beklagte hat mit den angefochtenen Bescheiden zu Recht die Bewilligung von Alg in Höhe der Differenz zwischen Leistungsgruppe A und Leistungsgruppe C aufgehoben und die Erstattung festgesetzt.
Rechtsgrundlage für die teilweise Aufhebung ist § 45 SGB X. Zum Zeitpunkt des Erlasses der Bewilligungsbescheide hatte der Kläger die Lohnsteuerklasse bereits gewechselt, so dass die Bescheide von Anfang an rechtswidrig waren. Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden (§ 45 Abs. 1 SGB X). Nach § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X darf ein rechtwidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X) oder er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X). Nach § 330 Abs. 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) ist ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt in den Fällen des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X zwingend mit Wirkung auch für die Vergangenheit zurückzunehmen. Bei der Rücknahme eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung sind dabei die Fristen des § 45 Abs. 3 und Abs. 4 SGB X zu beachten.
Die Bewilligungsbescheide waren von Beginn an rechtswidrig. Das Alg beträgt nach § 129 Nr. 1 SGB III für Arbeitslose, die, wie der Kläger, mindestens ein Kind im Sinne des Einkommensteuerrechts haben, 67% des pauschalierten Nettoentgelts (Leistungsentgelt), das sich aus dem Bruttoentgelt ergibt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat (Bemessungsentgelt). Das Leistungsentgelt wird nach Maßgabe des § 136 SGB III unter Berücksichtigung der bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallenden Entgeltabzüge ermittelt. Die nach Leistungsgruppen differenzierten Leistungssätze berücksichtigen den nach der allgemeinen Lohnsteuertabelle maßgebenden Lohnsteuerabzug. Welche Steuerklasse für die Zuordnung zu den Leistungsgruppen maßgebend ist, ergibt sich aus § 137 SGB III in der bis zum 31.12.2004 geltenden Fassung. Nach dem Grundsatz des § 137 Abs. 3 SGB III richtet sich die Zuordnung nach der Lohnsteuerklasse, die zu Beginn des Kalenderjahres, in dem der Anspruch entstanden ist, auf der Lohnsteuerkarte des Arbeitslosen eingetragen war. Maßgebend für die Alg-Bewilligung ab 01.02.2002 war danach die am 01.01.2002 auf der Lohnsteuerkarte des Klägers eingetragene Lohnsteuerklasse. Für den Steuerklassenwechsel bei Ehegatten gilt § 137 Abs. 4 SGB III. Nach Satz 1 Nr. 2 dieser Vorschrift werden bei einem Lohnsteuerklassenwechsel von Ehegatten die neu eingetragenen Steuerklassen von dem Tage an berücksichtigt, an dem sie wirksam werden, wenn sich auf Grund der neu eingetragenen Lohnsteuerklassen ein Alg ergibt, das geringer als das Alg ist, das sich ohne den Wechsel der Lohnsteuerklassen ergäbe. Dies führt im vorliegenden Fall dazu, dass materiell-rechtlich ab 01.02.2002 Alg nicht mehr nach der Leistungsgruppe A (Lohnsteuerklasse IV), sondern nach der (ungünstigeren) Leistungsgruppe D (Lohnsteuerklasse V) zu gewähren war.
Der Berücksichtigung des Wechsels steht nicht entgegen, dass der Steuerklassenwechsel zum Jahreswechsel eingetreten ist, denn nach § 137 Abs. 3 Satz 3, Abs. 4 Satz 3 SGB III finden die einschlägigen Regelungen auch für die Eintragungen anderer Lohnsteuerklassen auf einer für spätere Kalenderjahre ausgestellten Lohnsteuerkarte Anwendung (BSG Urteil vom 16.03.2005 - B 11a/11 Al 41/03 R - SozR 4-4300 § 137 Nr. 2).
Die Bewilligungsbescheide beruhten auf Angaben, die der Kläger zumindest grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat. Die Angaben des Klägers bezüglich seiner Lohnsteuerklasse waren bei Abgabe des Antrags am 11.12.2001 zwar richtig, da zu diesem Zeitpunkt noch die Lohnsteuerklasse IV eingetragen war. Sie wurden jedoch noch vor Erlass des Bewilligungsbescheides durch die Änderung der Lohnsteuerkarte unrichtig. § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X umfasst auch das Unterlassen von Angaben, soweit - wie vorliegend - eine Mitteilungspflicht nach § 60 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) besteht (Wiesner in: von Wulffen, SGB X, § 45 Rn. 22 m.w.N.). Wer Sozialleistungen erhält oder beantragt, hat nach § 60 Abs. 1 Nr. 2 SGB I Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind oder über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben worden sind, unverzüglich mitzuteilen. Der Kläger hat der Beklagten den Lohnsteuerklassenwechsel erst im Jahr 2003 mitgeteilt.
Unzutreffend ist der Vortrag des Klägers, er habe bei Abgabe seines Leistungsantrages beide Lohnsteuerkarten vorgelegt. Dies ist schon aus tatsächlichen Gründen ausgeschlossen, da nicht zwei Lohnsteuerkarten ausgestellt worden sind, sondern lediglich die für das Jahr 2002 ausgestellte Lohnsteuerkarte hinsichtlich der Lohnsteuerklasse abgeändert worden ist. Der Kläger hat anlässlich der Arbeitlosmeldung und Beantragung von Alg im Dezember 2001 die ungeänderte Lohnsteuerkarte 2002 vorgelegt. Die Beklagte hat hiervon bei der Vorlage am 11.12.2001 und damit vor der am 20.12.2001 erfolgten Änderung der Lohnsteuerklasse eine Kopie gefertigt und zu den Akten genommen. Für eine Vorlage der geänderten Lohnsteuerkarte unverzüglich nach Änderung der eingetragenen Lohnsteuerklasse durch den Kläger sind keine Anhaltspunkte ersichtlich. Bei der Beratung am 11.12.2001 kann eine Vorlage nicht erfolgt sein, da zu diesem Zeitpunkt die Lohnsteuerkarte noch nicht geändert war. Ausweislich der Beratungsvermerke erfolgte die nächste Vorsprache des Klägers erst wieder am 16.04.2002. In der Zwischenzeit ging bei der Beklagten lediglich die Stellungnahme des Klägers vom 14.01.2002 über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein. Diese enthält jedoch nur Ausführungen über die Gründe der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses. Zudem hat der Kläger vor dem SG vorgetragen, die Mitteilung der geänderten Steuerklasse an die Beklagte sei gleich nach Änderung der Lohnsteuerkarte erfolgt. Eine solche Vorsprache ist nicht dokumentiert. Erst nach Beantragung von Alhi am 17.01.2003 hat der Kläger die geänderte Lohnsteuerkarte 2002 vorgelegt. Erst zu diesem Zeitpunkt erlangte die Beklagte damit Kenntnis davon, dass auf der Lohnsteuerkarte des Klägers ab dem 01.01.2002 die Lohnsteuerklasse V eingetragen war.
Die Regelung in § 137 Abs. 4 Satz 1 SGB III begegnet zwar verfassungsrechtlichen Bedenken. § 137 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 SGB III stellt eine Verschlechterung des Rechtszustandes im Vergleich zu der Vorgängerregelung in § 113 Abs. 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) dar. Damit ist das Eigentumsrecht des Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz berührt. Eine das Eigentumsrecht einschränkende Norm muss durch Gründe des öffentlichen Interesses unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt sein. Dabei müssen die Eingriffe zur Erreichung des angestrebten Ziels geeignet und erforderlich sein, insbesondere dürfen sie den Betroffenen nicht übermäßig belasten und für ihn deswegen unzumutbar sein (BVerfGE 76, 220, 238). Um diesen Bedenken zu begegnen trifft die Beklagte ein das übliche Maß übersteigender Beratungsbedarf (BSG Urteil vom 01.04.2004 - B 7 AL 52/03 R - SozR 4-4300 § 137 Nr. 1). Diese Beratungspflicht ist in der Regel nicht allein durch Aushändigung des Merkblattes für Arbeitslose erfüllt. Die Beklagte kann den verfassungsrechtlichen Bedenken dadurch begegnen, dass sie verheiratete Arbeitslose bereits bei der Antragstellung bzw. anlässlich einer konkreten Nachfrage deutlich und gesondert vom Merkblatt auf die leistungsrechtlichen Gefahren eines Lohnsteuerklassenwechsels und die Notwendigkeit einer Beratung hinweist. Die Verletzung dieser besonderen Hinweis- und Beratungspflichten kann einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch auslösen (BSG Urteil vom 16.03.2005 - B 11a/11 AL 41/03 R - SozR 4-4300 § 137 Nr. 2).
Die Voraussetzungen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs sind vorliegend jedoch nicht erfüllt, da eine Verletzung der Beratungspflicht durch die Beklagte für den Wechsel der Lohnsteuerklasse durch den Kläger nicht kausal war. Bei der Frage, ob der Kläger einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Mitteilungspflicht vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist, ist auf dessen persönliche Urteils- und Kritikfähigkeit, sein Einsichtsvermögen und Verhalten sowie die besonderen Umstände des Falles abzustellen (BSG Urteil vom 16.03.2005). Die Bedeutung der Lohnsteuerklasse für die Höhe des Leistungsanspruchs war dem Kläger aus seinem früheren Leistungsbezug bekannt. Während des Alg-Bezugs im Jahr 1993 änderte der Kläger seine Lohnsteuerklasse von Lohnsteuerklasse IV in Lohnsteuerklasse V. Nachdem die Beklagte dementsprechend die Leistungsgruppe abgeändert hatte, änderte der Kläger seine Lohnsteuerklasse erneut und ließ ab 01.07.1993 Lohnsteuerklasse III eintragen. Daraufhin änderte die Beklagte die Leistungsbewilligung erneut ab unter Zugrundelegung von Leistungsgruppe C. Damit war dem Kläger bereits aufgrund seines früheren Leistungsbezuges bekannt, dass sich Änderungen der Lohnsteuerklasse auf die Leistungshöhe auswirken.
Auch dem Vortrag des Klägers ist zu entnehmen, dass er die Bedeutung der Lohnsteuerklasse für die Höhe der Leistung kannte. Er hat dementsprechend in der mündlichen Verhandlung vor dem SG vorgetragen, die geänderte Lohnsteuerkarte 2002 unmittelbar nach deren Änderung und vor der Bewilligung von Alg vorgelegt zu haben. Er habe dem Arbeitsamt "natürlich" gesagt, dass sich etwas geändert habe. Auch seine Ehefrau hat in der mündlichen Verhandlung vor dem SG angegeben, der Kläger habe nach der Steuerklassenänderung die Beklagte aufgesucht, um die Änderung mitzuteilen. Dies lag um so mehr nahe, als die Änderung in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit der Antragstellung erfolgt ist.
Die Beklagte hat auch den Erstattungsbetrag in zutreffender Höhe festgesetzt. Insoweit wird auf die Berechnung Bl. 136 - 138 der Verwaltungsakten Bezug genommen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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