L 10 R 6069/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 11 R 1615/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 6069/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 9. November 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Umstritten ist die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.

Die am 1958 in der Türkei geborene und seit 1978 in Deutschland lebende Klägerin verfügt über keine Berufsausbildung und war als ungelernte Arbeiterin in der Produktion beschäftigt. Ab Juni 2002 war sie arbeitslos bzw. arbeitsunfähig. Sie leidet im Wesentlichen unter einer psychischen Erkrankung, rezidivierenden Kopfschmerzen, den Folgen von Übergewicht, Wirbelsäulenbeschwerden sowie einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung.

Den mit einer Depression, die seit 1994 vorliege, begründeten Rentenantrag vom April 2004 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 12. Januar 2005 und Widerspruchsbescheid vom 17. Mai 2005 ab.

Dem lagen im Wesentlichen ein Gutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. S. (anhaltende reaktive depressive Episode, Somatisierungsstörung, Cervikobrachialgie rechtsbetont, Spannungskopfschmerzen, Adipositas; die letzte berufliche Tätigkeit und auch leichte Tätigkeiten mit qualitativen Einschränkungen seien [aktuell] nur unter drei Stunden möglich; eine Berentung sei durch ein stationäres Heilverfahren möglicherweise abwendbar), ein Heilverfahren-Entlassungsbericht der Fachklinik Hochsauerland (Aufenthalt im November/Dezember 2004, rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig schwere Episode, anhaltende somatoforme Schmerzstörung, Übergewicht; grundsätzlich liege ein vollschichtiges Leistungsvermögen vor, allerdings sei auf Grund der schweren Depressivität die Belastbarkeit [aktuell] eingeschränkt und eine Weiterbehandlung erforderlich; unter Mitberücksichtigung der orthopädischen Befunde bestehe ein sechsstündiges Leistungsvermögen für leichte bis mittelschwere körperliche Arbeiten ohne geistige bzw. psychische Belastungen, übermäßige Belastung der Wirbelsäule, ständiges Heben und Tragen von Lasten und ständige Zwangshaltungen) und - nach Beiziehung eines Berichtes der Psychiatrischen Tagesklinik S. vom 1. Januar 2005 (anhaltende somatoforme Schmerzstörung, rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig leichte Symptomatik; die Klägerin wirke leicht depressiv und erwecke den Eindruck, Klagen sei ein wichtiger Lebensinhalt geworden, zeige wenig Änderungsbereitschaft und plane in die Türkei zurückzukehren, wenn sie endlich berentet wäre, der Berentungswunsch sei stärker als die Bereitschaft zur Veränderung) - eine Stellungnahme von Dr. R. (bisheriger Beruf und Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mit qualitativen Einschränkungen wenigstens sechs Stunden täglich möglich) zu Grunde.

Deswegen hat die Klägerin am 8. Juni 2005 Klage beim Sozialgericht Ulm (SG) erhoben.

Das SG hat Prof. Dr. B. (rezidivierende depressive Störung von länger als sechs Monaten, Zustand seit Dezember 2004 im Wesentlichen unverändert, Leistungsfähigkeit unter sechs Stunden) sowie Dr. S. (Depressionen, Zustand nach Hysterektomie, chronisches Wirbelsäulensyndrom, Asthma bronchiale, Leistungsfähigkeit unter sechs Stunden) schriftlich als sachverständige Zeugen sowie den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. D. als Sachverständigen - mit ergänzender Stellungnahme - gehört. Er hat ausgeführt, es zeige sich das Bild einer leichten bis mäßiggradigen depressiven Verstimmtheit mit einer gewissen Weinerlichkeit und Affektlabilität. Die affektive Resonanz sei leicht eingeengt, jedoch nicht aufgehoben. Es bestehe eine Dysthymia. Die Klägerin könne leichte bis mittelschwere Tätigkeiten ohne besondere Anforderungen an die geistig-psychische Belastbarkeit, ohne Zeitdruck und ohne besondere Verantwortung mindestens sechs Stunden täglich verrichten. Seit Antragstellung habe sich der Zustand nicht verändert. Es biete sich ein Bild wie bereits von Dr. S. und im Heilverfahren-Entlassungsbericht beschrieben. Auch im Bericht der Psychiatrischen Tagesklinik S. werde die Klägerin im Erstgespräch als allenfalls leicht depressiv beschrieben. Die Symptomatik sei chronifiziert. Zu den Vorgutachten bestehe keine wesentliche Abweichung. Die von Prof. Dr. B. abgegebene Leistungseinschätzung sei nicht nachvollziehbar. Wenn dieser zuletzt im Mai 2006 angeben habe, es liege eine (gegenwärtig) schwere rezidivierende depressive Störung vor, müsste diese die zugrundeliegende Dysthymia, die er selbst im Februar 2006 diagnostiziert habe, überlagern. Der von Dr. S. ebenfalls im Mai 2006 beschriebene Befund mit Schilderung einer schwierigen familiären Situation stehe zur Beschreibung von Prof. Dr. B. in Widerspruch, entspreche eher einer leichteren depressiven Verstimmung im Sinne einer Dysthymia und damit den von ihm erhobenen Befunden.

Mit Urteil vom 9. November 2006 hat das SG die Klage abgewiesen. Die - näher dargelegten - Voraussetzungen für die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung seien nicht erfüllt, insbesondere sei die Klägerin nicht voll oder teilweise erwerbsgemindert oder berufsunfähig. Es hat sich der Beurteilung des gerichtlichen Sachverständigen angeschlossen.

Gegen das am 17. November 2006 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 6. Dezember 2006 Berufung eingelegt. Die Beweiswürdigung des SG sei nicht nachvollziehbar und habe die Stellungnahmen der behandelnden Ärzte nicht angemessen berücksichtigt. Prof. Dr. B. sei von einer rezidivierenden und gegenwärtig schweren depressiven Störung ausgegangen und habe eine Berentung für ein bis zwei Jahre empfohlen. Außerdem sei ein Bericht von Dr. P. Sch. vom 19. September 2005 mit der Diagnose einer kryptogenen fokalen Epilepsie mit zwei bis drei generalisierten Krampfanfällen pro Monat nicht berücksichtigt.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 9. November 2006 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 12. Januar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Mai 2005 zu verurteilen, ihr Rente wegen voller Erwerbsminderung bzw. teilweiser Erwerbsminderung ab Antragstellung in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet.

Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die hier von der Klägerin beanspruchte Rente - die §§ 43, 240 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) - dargelegt und ebenso zutreffend ausgeführt, dass die Klägerin die Voraussetzungen für eine solche Rente nicht erfüllt, weil sie zumindest leichte Tätigkeiten mit qualitativen Einschränkungen noch vollschichtig ausüben kann und auch keinen besonderen Berufsschutz genießt. Der Senat sieht deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.

Der in der Berufungsbegründung angesprochene Bericht von Dr. Sch. , in dem eine kryptogene fokale Epilepsie mit zwei bis drei generalisierten Krampfanfällen pro Monat erwähnt ist, bezieht sich nicht auf die Klägerin. Hierauf hat die Beklagte zutreffend hingewiesen. Soweit Prof. Dr. B. im zuletzt dem SG vorgelegten Attest vom Mai 2006 eine "gegenwärtig" schwere rezidivierende depressive Störung bescheinigt hat, steht dies - wie Dr. D. zutreffend dargelegt hat - im Widerspruch zu den zeitgleichen Angaben des Dr. S. und den Befunderhebungen des Sachverständigen selbst. Auch der Senat kann sich daher - wie das SG - lediglich vom Vorliegen einer Dysthynia, also einer kontinuierlichen depressiven Verstimmtheit überzeugen. Eine rentenrechtlich relevante zeitliche Leistungseinschränkung liegt damit nicht vor.

Das SG hat die Klage deshalb zu Recht abgewiesen. Deswegen ist die Berufung zurückzuweisen. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved